Landgericht Berlin:
Beschluss vom 6. Oktober 2011
Aktenzeichen: 15 O 377/11

(LG Berlin: Beschluss v. 06.10.2011, Az.: 15 O 377/11)

Tenor

1. Der Antragsgegnerin wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an ihrem jeweiligen Geschäftsführer,untersagt,

die Briefmarken der Deutschen Post AG mit den Motiven "Das Frühstücksei", "Herren im Bad", "Auf der Rennbahn" und/oder "Der sprechende Hund" und/oder dem Schriftzug von Loriot öffentlich zugänglich zu machen und oder öffentlich zugänglich machen zu lassen; wenn dies geschieht, wie nachfolgend wiedergegeben:

2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Verfahrenswert wird auf 30.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I. Die Antragstellerin hat Folgendes glaubhaft gemacht:

Sie ist die Tochter und Miterbin des am 23.08.2011 verstorbenen Vicco von Bülow, bekannt unter dem Künstlernamen Loriot.

Die Antragsgegnerin ist die Anbieterin der Internet-Enzyklopädie Wikipedia, die auf der Webseite www.wikipedia.org betrieben wird.

Bei Eingabe des Suchbegriffs "Loriot" auf der deutschsprachigen Webseite www.wikipedia.de wird der Nutzer auf die Seite der Antragsgegnerin www.wikipedia.org geleitet. Dort finden sich neben einem Foto des Künstlers Loriot dessen Schriftzug sowie Abbildungen von Wohlfahrtmarken der Deutschen Post AG mit den von Loriot geschaffenen Motiven "Das Frühstücksei", "Herren im Bad", "Auf der Rennbahn" und "Der sprechende Hund". Dies stellte die Antragstellerin wenige Tage nach dem Tod ihres Vaters fest.

Eine Zustimmung des Künstlers oder seiner Erben für eine Veröffentlichung dieser Motive im Internet durch die Antragsgegnerin liegt nicht vor.

Im Impressum der Webseite www.wikipedia.org sind Kontaktdaten der Antragsgegnerin angegeben, darunter die E-Mail-Adresse info@wikimedia.org, sowie unter der Rubrik "Hinweis an Rechteinhaber" die E-Mail-Adresse info-de@wikimedia.org.

Mit E-Mail vom 15.09.2011 mahnte die Antragstellerin die Antragsgegnerin im Hinblick auf die Verwendung der o.g. Motive sowie des Schriftzugs "Loriot" auf ihrer Internetseite ab.

Die Abbildungen der Wohlfahrtmarken sowie des Schriftzugs finden sich nach wie vor auf der Internetseite der Antragsgegnerin.

II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.

1. Die internationale und örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Berlin folgt aus § 32 ZPO.

Tatort im Sinne des § 32 ZPO ist jeder Ort, an dem auch nur eines der wesentlichen Tatbestandsmerkmale verwirklicht worden ist. Bei Begehungsdelikten ist das entweder der Ort, an dem der Täter gehandelt hat, oder der Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen worden ist. Der Anspruchsteller kann wählen zwischen dem Gerichtsstand des Handlungsortes und demjenigen des Erfolgsortes.

Nach dem Vortrag der Antragstellerin, der bezüglich der Zulässigkeit des Eilantrags und der in diesem Rahmen zu erörternden örtlichen Zuständigkeit zugrunde zu legen ist, geht es um den Vorwurf einer Urheberrechts- und Persönlichkeitsrechtsverletzung auf einer Internetseite, die bestimmungsgemäß in der Bundesrepublik Deutschland und damit auch in Berlin aufgerufen werden kann. Denn die beanstandeten Veröffentlichungen erfolgen bei Eingabe der Suchbegriffs "Loriot" auf der deutschsprachigen Webseite www.wikipedia.de im Wege der Weiterleitung auf die Webseite der Antragsgegnerin. Damit ist auch ein Gerichtsstand in Berlin als Ort der (behaupteten) Rechtsverletzung begründet.

2. Die Antragstellerin hat einen aus § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG, § 2039 BGB i.V.m. §§ 15 Abs. 2, 19a UrhG folgenden Anspruch, die weitere unlizenzierte Nutzung der verfahrensgegenständlichen Motive unterlassen, hinreichend dargelegt und auch glaubhaft gemacht.

Die Antragstellerin ist als Miterbin berechtigt, das Urheberrecht an den Motiven geltend zu machen, § 2039 BGB. Das Urheberrecht kann nach §§ 28 Abs. 1, 64 UrhG bis zum Ablauf der Schutzfrist von siebzig Jahren nach dem Tod des Urhebers weitervererbt werden.

Die den im Tenor wiedergegebenen Briefmarkenmotiven zugrunde liegenden Zeichnungen sind als Werke der bildenden Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt.

Die von dem Künstler Loriot geschaffenen Kunstwerke sind - wie ein Abgleich der Verletzungs- und der Verfügungsmuster zeigt - auf der Internetseite www.wikipedia.org aufrufbar und damit im Sinne des § 19a UrhG öffentlich zugänglich gemacht worden.

Die Antragsgegnerin kann sich nicht auf § 5 UrhG berufen, denn Briefmarken. sind keine amtliche Werke (vgl. Dreier/Schulze, UrhG, 3. Auflage, § 5, Rz. 11 m.w.N.; Wandtke/Bullinger-Marquardt, Urheberrecht, 3. Auflage, § 5, Rz. 20 m.w.N.).

Die o. g. Nutzung ist rechtswidrig, da es an der erforderlichen Rechtseinräumung durch den Künstler oder dessen Erben fehlt.

Die ungenehmigte Wiedergabe der Unterschrift des Vaters der Antragstellerin mit dem Schriftzug "Loriot" stellt eine Persönlichkeitsrechtsverletzung dar, die einen Unterlassungsanspruch analog § 1004 Abs. 1 BGB auslöst.

Die Antragsgegnerin ist für die ungenehmigten Nutzungen als Störerin verantwortlich.

Eine Haftung als Störer setzt voraus, dass der in Anspruch Genommene eigene Prüfungspflichten verletzt hat. Dies ist hier der Fall. Zwar war die Antragsgegnerin nicht zur vorsorglichen Überprüfung der auf www.wikipedia.org eingestellten Beiträge auf etwaige Rechtsverletzungen verpflichtet. Sie hätte aber auf die Ahmahnunq der Antragstellerin innerhalb eines angemessenen Zeitraumes, der hier angesichts eines verstrichenen Zeitraumes von mehr als zwei Wochen seit der Abmahnung verstrichen ist, reagieren müssen.

Die nach § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG erforderliche Wiederholungsgefahr ist durch die Verletzungshandlung indiziert.

2. Es bestehen auch keine Bedenken im Hinblick auf das Vorliegen eines Verfügungsgrundes. Die Antragstellerin muss weitere Rechtsverletzungen und die durch die Wiederholungsgefahr bestehende Gefährdung der Schutzrechte nicht hinnehmen und sich nicht auf ein Erkenntnisverfahren verweisen lassen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Verfahrenswertes richtet sich nach §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO.






LG Berlin:
Beschluss v. 06.10.2011
Az: 15 O 377/11


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