Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. September 2006
Aktenzeichen: 23 W (pat) 329/04

(BPatG: Beschluss v. 28.09.2006, Az.: 23 W (pat) 329/04)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Die Prüfungsstelle für Klasse H 01 R des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf die am 22. Oktober 2001 eingegangene Patentanmeldung, für die eine innere Priorität vom 17. November 2000 (Aktenzeichen DE 100 57 001.1) in Anspruch genommen ist, das am 27. November 2003 veröffentlichte Patent 101 51 956 (Streitpatent) mit der Bezeichnung "Steckverbinder mit Sekundärverriegelung" erteilt.

Zum Stand der Technik sind im Prüfungsverfahren die vorveröffentlichten Druckschriften:

- DE 197 28 448 C1 (Entgegenhaltung 1) - EP 0 632 534 A2 (Entgegenhaltung 2) - WO 97/41623 A1 (Entgegenhaltung 3) und - EP 1 006 621 A2 (Entgegenhaltung 4)

in Betracht gezogen worden.

Die Einsprechende hat mit Schriftsatz vom 20. Februar 2004, beim Patentamt eingegangen am 21. Februar 2004, Einspruch erhoben und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen, da der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 PatG nicht patentwürdig sei. Sie stützt sich dabei auf den Stand der Technik nach der - von ihr als E1 bezeichneten - Entgegenhaltung 4 aus dem Prüfungsverfahren und vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents gegenüber diesem Stand der Technik nicht neu sei, dass die Merkmale der Unteransprüche 2, 3, 5, 7 und 9 ebenfalls aus dieser Entgegenhaltung vorbekannt seien, dass der Unteranspruch 4 im Hinblick auf diesen Stand der Technik eine Alternative ohne erfinderischen Gehalt beinhalte und dass die Merkmale der weiteren Unteransprüche einfache technische Ausbildungsformen darstellten, für die keine erfinderisch konstruktiven Leistungen zu erkennen seien.

Die Patentinhaberin ist mit Schriftsatz vom 13. Juli 2004 dem Einspruchsvorbringen in allen wesentlichen Punkten entgegengetreten. Sie beantragt, den Einspruch als unbegründet abzuweisen und das Patent aufrechtzuerhalten, mit der Maßgabe, dass Anspruch 1 durch den einteiligen Anspruch 1 vom 13. Juli 2004 und die Beschreibungsseiten 1 bis 3 durch neue Seiten 1 bis 3 vom 13. Juli 2004 ersetzt werden.

Auf die Terminsladung hat die Einsprechende zum Stand der Technik noch die - von ihr als E2 bzw. E3 bezeichneten - Druckschriften:

- EP 1 130 692 A2 (Entgegenhaltung 5) und - DE 196 45 717 A1 (Entgegenhaltung 6)

eingereicht, von denen die Entgegenhaltung 5 einer gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 PatG als Stand der Technik geltenden europäischen Patentanmeldung mit älterer Priorität und Deutschland als Benennungsland entspricht. Die Einsprechende hat die Wirksamkeit der in Anspruch genommenen inneren Priorität für den Patentanspruch 1 des Streitpatents in Frage gestellt und die Neuheit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nach Entgegenhaltung 5 sowie die erfinderische Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik nach den Entgegenhaltungen 4 und 6 bestritten.

In der mündlichen Verhandlung vom 28. September 2006 hat die Patentinhaberin das Streitpatent in der erteilten Fassung, hilfsweise mit einem in der mündlichen Verhandlung überreichten geänderten Patentanspruch 1 verteidigt und die Auffassung vertreten, dass den Patentansprüchen 1 nach Haupt- und Hilfsantrag die beanspruchte innere Priorität zukomme, dass der geänderte Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag zulässig sei und dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag, zumindest jedoch derjenige des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht patenthindernd getroffen sei.

Die Einsprechende hat in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag an dem Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit festgehalten und gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag den Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung geltend gemacht.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten, hilfsweise das Patent mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, dass der erteilte Patentanspruch 1 durch den in der mündlichen Verhandlung vom 28. September 2006 eingereichten neuen Patentanspruch 1 ersetzt wird.

Der erteilte Patentanspruch 1 des Streitpatents lautet:

"Steckverbinder (1) mit einer Sekundärverriegelung (8), die Schenkel (10) aufweist, wobei wenigstens ein Schenkel einen Verriegelungsarm (5) des Steckverbinders (1) in Endraststellung in einem Gegenstecker (16) festsetzt, wobei mindestens einer der Schenkel (10) einen Federarm (12) mit einem Absatz (13) aufweist, der auf einer am Gehäuse (2) des Steckverbinders (1) angeformten Rastnase (15) aufliegt und der die Sekundärverriegelung (8) in einer Vorraststellung hält und die Sekundärverriegelung (8) in Endraststellung verrastbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Sekundärverriegelung (8) zwei Federarme (12) mit jeweils einem Absatz (13) und einer Nase (14) an ihren steckseitigen Enden aufweist, die symmetrisch zu einer Längsachse des Steckverbinders (1) angeordnet sind, wobei durch die Nasen beim Einführen des Steckverbinders (1) in den Gegenstecker (16) die Federarme (12) so abgelenkt werden, dass der Absatz (13) der Federarme (12) von den Rastnasen (15) abgehoben wird, und die Sekundärverriegelung (8) freigegeben wird."

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag unterscheidet sich von demjenigen nach Hauptantrag dadurch, dass bei ihm das zweite mit dem Wort "wobei" beginnende Merkmal im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag durch das Merkmal "der mit einem Federarm (12) in einem einzigen Schenkel zusammengefasst ist, der einen Absatz (13) aufweist" ersetzt worden ist.

Wegen der nach Haupt- und Hilfsantrag geltenden erteilten Unteransprüche 2 bis 10 wird auf die Streitpatentschrift und wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Zuständigkeit des (technischen) Beschwerdesenats des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch ergibt sich aus § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG. Danach ist nicht das Patentamt, sondern das Patentgericht zuständig, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist.

III.

Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Der Einspruch ist auch begründet. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist das Streitpatent in der Fassung nach Hauptantrag mangels Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) und in der Fassung nach Hilfsantrag wegen unzulässiger Erweiterung (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG) zu widerrufen.

Zulässigkeit des Einspruchs Die Zulässigkeit des Einspruchs ist von der Patentinhaberin zwar nicht in Frage gestellt worden. Jedoch haben Patentamt und Gericht auch ohne Antrag der Patentinhaberin die Zulässigkeit des Einspruchs in jedem Verfahrensstadium von Amts wegen zu überprüfen (vgl. Schulte, PatG, 7. Auflage, § 59, Rdn. 145), da ein unzulässiger - einziger - Einspruch zur Beendigung des Einspruchsverfahrens ohne weitere Sachprüfung über die Rechtsbeständigkeit des Streitpatents führt (vgl. hierzu Schulte, PatG, 7. Auflage, § 61, Rdn. 24; BGH GRUR 1987, 513, II.1. - "Streichgarn").

Gegen die Zulässigkeit des Einspruchs bestehen im vorliegenden Fall aber insofern keine Bedenken, als die Einsprechende innerhalb der Einspruchsfrist gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 den Widerrufsgrund der mangelnden Neuheit - d. h. der fehlenden Patentfähigkeit - geltend gemacht und die Tatsachen im Einzelnen angegeben hat, die den Einspruch rechtfertigen (vgl. § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG), indem sie im Einspruchsschriftsatz den erforderlichen Zusammenhang zwischen dem Stand der Technik nach Entgegenhaltung 4 und sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents hergestellt hat (vgl. hierzu BGH BlPMZ 1988, 250, Leitsatz 2, 251, li. Sp. Abs. 1 - "Epoxidation"; Schulte, PatG, 7. Auflage, § 59 Rdn. 77 bis 82). Ob die dabei vorgetragenen Tatsachen den Widerruf des Patents auch tatsächlich rechtfertigen, ist nicht bei der Zulässigkeit, sondern bei der Begründetheit des Einspruchs zu prüfen (vgl. BGH BlPMZ 1987, 203, 204, li. Sp. vorle. Abs. - "Streichgarn"; BlPMZ 1985, 142, Leitsatz - "Sicherheitsvorrichtung"; Schulte, PatG, 7. Auflage, § 59 Rdn. 84).

A. Hauptantrag 1. Zulässigkeit der Patentansprüche Im Einspruchsverfahren ist die Zulässigkeit der Patentansprüche von Amts wegen auch dann zu überprüfen, wenn von der Einsprechenden der Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung - wie vorliegend gegenüber der erteilten Fassung des Streitpatents - nicht geltend gemacht worden ist (vgl. hierzu BGH Mitt. 1995, 243, Leitsatz 2 - "Aluminium-Trihydroxid").

Im vorliegenden Fall kann jedoch dahinstehen, ob die gemäß Hauptantrag verteidigten erteilten Patentansprüche 1 bis 10 zulässig sind und ob dem erteilten Patentanspruch 1 die für das Streitpatent beanspruchte innere Priorität zukommt, denn der Einspruch hat hinsichtlich des Streitpatents in der erteilten Fassung jedenfalls deshalb Erfolg, weil sich der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 im Hinblick auf einen auch gegenüber der inneren Priorität des Streitpatents vorveröffentlichten Stand der Technik mangels erfinderischer Tätigkeit als nicht patentfähig erweist (vgl. hierzu BGH GRUR 1991, 120, 121 li. Sp. Abs. 3 - "Elastische Bandage").

2. Patentgegenstand Nach den Angaben in der Streitpatentschrift (vgl. Abschnitt [0001]) geht die Erfindung von einem Steckverbinder aus, wie er aus Entgegenhaltung 4 bekannt ist (vgl. dort den Steckverbinder (electrical connector 1) mit der - vermeintlichen - Sekundärverriegelung (locking device 20) im Anspruch 1 i. V. m. den Figuren 3 bis 16 mit zugehöriger Beschreibung). Im Einspruchsverfahren hat die Patentinhaberin jedoch festgestellt, dass es sich beim Stand der Technik nach Entgegenhaltung 4 nicht um einen Steckverbinder mit Sekundärverriegelung im Sinne des Oberbegriffs des erteilten Patentanspruchs 1 handelt (vgl. Schriftsatz vom 13. Juli 2004, Seite 2, Absatz 2 bis Seite 4, Absatz 1 bzw. Schriftsatz vom 24. November 2005, Seite 2, Absatz 1 bis Seite 3, Absatz 2).

Steckverbinder mit Sekundärverriegelung finden insbesondere bei Airbag-Rückhaltesystemen von Kraftfahrzeugen Anwendung. Eine unverzichtbare Anforderung besteht dabei darin, dass sich die Steckverbindung zwischen dem Steckverbinder und dem dazugehörigen Gegenstecker unter keinen Umständen löst. Mit der Sekundärverriegelung soll deshalb vermieden werden, dass sich die Steckverbindung zwischen Steckverbinder und Gegenstecker unbeabsichtigt löst (vgl. Abschnitt [0002] der Streitpatentschrift).

Bei aus den Entgegenhaltungen 2 bzw. 3 bekannten Steckverbindern mit Sekundärverriegelung wird von der Patentinhaberin als nachteilig angesehen, dass die Sekundärverriegelungen unbeabsichtigt in die Endraststellung gebracht werden könnten, was die Montage - d. h. das Zusammenstecken von Steckverbinder und Gegenstecker - verhindert (vgl. Abschnitt [0003] der Streitpatentschrift).

Bei dem Steckverbinder mit Verriegelung nach Entgegenhaltung 4 trete sowohl beim Montieren des Verriegelungsbügels auf einem Steckerteil als auch beim Zusammenstecken des Steckers und des Gegensteckers eine Verkippung des Verriegelungsbügels auf, die das Zusammenmontieren der Steckerteile beeinträchtigen könne (vgl. Abschnitt [0005] der Streitpatentschrift).

Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatentgegenstand als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, einen Steckverbinder der gattungsgemäßen Art so weiterzuentwickeln, dass ein unbeabsichtigtes Einpressen der Sekundärverriegelung in ihre Endraststellung vor dem Zusammenstecken der beiden Steckerteile unmöglich wird, ohne dass der Steckvorgang selbst beeinträchtigt wird (vgl. Streitpatentschrift, Abschnitt [0006]).

Diese Aufgabe wird bei einem gattungsgemäßen Steckverbinder mit Sekundärverriegelung mit den Merkmalen nach dem kennzeichnenden Teil des erteilten Patentanspruchs 1 gelöst.

Denn dadurch, dass die Sekundärverrieglung (8) zwei symmetrisch zu einer Längsachse des Steckverbinders (1) angeordnete Federarme (12) mit jeweils einem Absatz (13) an ihren steckseitigen Enden aufweist, der auf einem am Gehäuse (2) des Steckverbinders (1) angeformten Rastnase (15) aufliegt, wird die Sekundärverriegelung (8) in einer Vorraststellung gehalten, in der ein unbeabsichtigtes Einpressen der Sekundärverriegelung (8) in ihre Endraststellung vor dem Zusammenstecken der beiden Steckerteile unmöglich ist. Um die Sekundärverriegelung (8) aus der Vorraststellung für das Einpressen in ihre Endraststellung freizugeben, enthalten die zwei Federarme (12) der Sekundärverrieglung (8) an ihren steckseitigen Enden zusätzlich je eine Nase (14), durch die die Federarme (12) beim Einführen des Steckverbinders (1) in den Gegenstecker (16) so ablenkt werden, dass die Absätze (13) der Federarme (12) von den Rastnasen (15) des Steckverbinders (1) abgehoben werden und die Sekundärverriegelung (8) für das Einpressen in die Endraststellung freigegeben wird. Da das Einpressen der Sekundärverriegelung (8) in ihre Endraststellung also erst durch das Einführen des Steckverbinders (1) in den Gegenstecker (16) ermöglicht wird, wird das Einstecken des Steckverbinders (1) in den Gegenstecker (16) durch die Sekundärverriegelung (8) nicht beeinträchtigt.

Die Sekundärverrieglung (8) trägt diese Bezeichnung deshalb, weil sie mit wenigstens einem ihrer Schenkel (10) einen Verriegelungsarm (5) des Steckverbinders (1) in der Endraststellung in dem Gegenstecker (16) festsetzt (vgl. Patentanspruch 1), d. h. den durch eine Primärverriegelung im Gegenstecker (16) verriegelten Verriegelungsarm (5) des Steckverbinders (1) mit wenigstens einem ihrer Schenkel (Blockierschenkel 10) so blockiert (Sekundärverriegelung), dass ein Lösen der Steckverbindung nicht möglich ist (Streitpatentschrift, Spalte 3, Zeile 23 und Spalte 3, letzter Absatz bis Spalte 4, Zeile 4).

3. Patentfähigkeit Es kann dahingestellt bleiben, ob der erteilte Patentanspruch 1 durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik - wie von der Einsprechenden geltend gemacht - neuheitsschädlich getroffen ist, denn der Einspruch hat hinsichtlich der erteilten Fassung des Streitpatents jedenfalls deshalb Erfolg, weil der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nach den Entgegenhaltungen 3 und 4 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Durchschnittsfachmanns beruht (vgl. hierzu BGH "Elastische Bandage" a. a. O.), der hier als ein mit der Entwicklung und Fertigung von Steckverbindern befasster, berufserfahrener Elektroingenieur mit Fachhochschulausbildung zu definieren ist.

Die Entgegenhaltung 4 offenbart einen Steckverbinder (electrical connector 1) mit Verriegelungsvorrichtung (locking device 20; vgl. Anspruch 1 i. V. m. Fig. 3 nebst zugehöriger Beschreibung), der in der Terminologie des Streitpatents folgende Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1 aufweist:

- die Verriegelungsvorrichtung (20) enthält zwei Schenkel (a pair of beams 78; vgl. Abschnitt [0037] zur Fig. 3), die zwei symmetrisch zu einer Längsachse des Steckverbinders (1) angeordnete Federarme mit jeweils einem Absatz (shoulders of notches 78a) und einer Nase (tapered surface 79) an ihren steckseitigen Enden aufweisen, wobei die Absätze (78a) jeweils auf einer am Gehäuse (2) des Steckverbinders (1) angeformten Rastnase (rib 90 of the housing 2) aufliegen und die Verriegelungsvorrichtung (20) so in einer Vorraststellung (state of temporary retention) halten (vgl. Fig. 8 mit zugehöriger Beschreibung im Abschnitt [0047]),

- wobei die Federarme durch die Nasen (79) beim Einführen des Steckverbinders (1) in den Gegenstecker (mating connector 200) so abgelenkt werden, dass der Absatz (78a) der Federarme (78) von der Rastnase (90) abgehoben wird und die Verriegelungsvorrichtung (20) für das Einschieben in die Endraststellung freigegeben wird (vgl. Fig. 12 mit zugehöriger Beschreibung im Abschnitt [0050]),

- wobei die Verriegelungsvorrichtung (20) in Endraststellung verrastbar ist (vgl. die entsprechenden Verrastungsarme (two latching members 77) in Fig. 15 mit zugehöriger Beschreibung im Abschnitt [0052]).

Entgegen der Interpretation durch die Einsprechende ist die Verriegelungsvorrichtung (20) dabei keine Sekundärverriegelung im Sinne des Streitpatents, die - insoweit entsprechend der weitergehenden Lehre des erteilten Patentanspruchs 1 des Streitpatents - Schenkel aufweist, von denen wenigstens einer einen Verriegelungsarm des Steckverbinders in Endraststellung im Gegenstecker festsetzt, d. h. den Verriegelungsarm in seiner Primärverriegelung blockiert.

Soweit die Einsprechende geltend macht, weitere Schenkel (a pair of locking arms 82) der Verriegelungsvorrichtung (20) - die in der Endraststellung der Verriegelungsvorrichtung (20) mit Vorsprüngen (locking lugs 82a) in einer Nut (annular latching groove 220) des Gegensteckers (200) verrastet sind (vgl. die Figuren 3, 7 und 15 nebst zugehöriger Beschreibung im Abschnitt [0052]) - würden die Verriegelungsarme (cantilever lances 40) des Steckverbinders (1) in der Endraststellung im Gegenstecker (200) festsetzen (vgl. Schriftsatz vom 25. Oktober 2004, Seite 3, letzter Absatz bis Seite 4, Absatz 2), kann dem insofern nicht gefolgt werden, als diese Schenkel (82) der Verriegelungsvorrichtung (20) in einer ersten Schnittebene (7-7) des Steckverbinders (1) (vgl. Abschnitt [0040] i. V. m. den Figuren 4 und 7), die Verriegelungsarme (40) des Steckverbinders (1) hingegen in einer davon beabstandeten zweiten Schnittebene (8-8) des Steckverbinders (1) angeordnet sind, wobei sie mit seitlichem Abstand zu den Schenkeln (82) der Verriegelungsvorrichtung (20) in derselben Nut (220) des Gegensteckers (200) verrastet sind (vgl. Abschnitt [0040] zu den Figuren 4, 8, 15 und 16). Um die Verriegelungsarme (40) des Steckverbinders (1) festzusetzen, d. h. an einem Herausspringen aus der Nut (220) des Gegensteckers (200) zu hindern, müssten diese Schenkel (82) der Verriegelungsvorrichtung (20) aber - von der Nut (220) aus gesehen - nicht mit Abstand neben den Verriegelungsarmen (40) des Steckverbinders (1) - wie dies gemäß der Entgegenhaltung 4 der Fall ist -, sondern direkt hinter diesen angeordnet sein.

Auch kann der von der Einsprechenden zuletzt vertretenen Auffassung nicht beigetreten werden, wonach das Festsetzen gemäß Entgegenhaltung 4 durch die nach innen gerichteten Vorsprünge 77a der Rastarme 77 erfolge, die Schultern 72c des Gehäuses 2 hintergriffen (vgl. Schriftsatz vom 26. September 2006, Seite 6, letzter Absatz bis Seite 7, Absatz 2). Diese Rastarme (77) dienen nämlich - wie bereits dargelegt - der Verrastung der Verriegelungsvorrichtung (20) an der Außenseite des Gehäuses (2) des Steckverbinders (1) und sind von daher grundsätzlich nicht geeignet, die im Inneren des Gegensteckers (200) verriegelten Verriegelungsarme (40) des Steckverbinders (1) festzusetzen, d. h. durch Blockieren an einem Herausspringen aus der Nut (220) des Gegensteckers (200) zu hindern.

Nach alledem unterscheidet sich der Steckverbinder nach dem erteilten Patentanspruch 1 des Streitpatents vom Stand der Technik nach Entgegenhaltung 4 letztlich dadurch, dass er eine Sekundärverriegelung mit Schenkeln aufweist, von denen wenigstens einer einen Verriegelungsarm des Steckverbinders in Endraststellung im Gegenstecker festsetzt.

Aus der Entgegenhaltung 3 ist aber ein für Airbag-Systeme bestimmter Steckverbinder (plug part 10 of connector 1) mit einer Sekundärverriegelung (secondary latching comprising handle 2) mit zwei Schenkeln (locking arms 2a, 2b) bekannt, die in Endraststellung jeweils einen Verriegelungsarm (tongues 4a, 4b with latches 5a, 5b) des Steckverbinders (10) in einem Gegenstecker (socket part 7 of connector 1) festsetzen (vgl. die Ansprüche 1 und 2 i. V. m. Seite 1, letzter Absatz bis Seite 2, Absatz 1 und den Figuren 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung auf Seite 5, Absatz 2 bis Seite 6, Absatz 1).

Es beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, wenn der Fachmann entsprechende Schenkel zu ihrem bekannten Zweck (Sekundärverriegelung) auch bei der Verriegelungsvorrichtung (20) des Steckverbinders (1) nach Entgegenhaltung 4 vorsieht, um diese für Airbag-Systeme tauglich zu machen. Damit gelangt der Fachmann aber ohne erfinderisches Zutun bereits zu einem Steckverbinder mit Sekundärverriegelung, der sämtliche Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1 des Streitpatents aufweist.

Der Steckverbinder mit Sekundärverriegelung nach dem erteilten Patentanspruch 1 des Streitpatents ist daher mangels erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik nach den Entgegenhaltungen 3 und 4 nicht patentfähig.

4. Unteransprüche Mit dem erteilten Patentanspruch 1 fallen wegen der Antragsbindung auch die erteilten Unteransprüche 2 bis 10 in ihrer direkten oder indirekten Rückbeziehung auf den erteilten Patentanspruch 1.

B. Hilfsantrag 1. Patentanspruch 1 Das Merkmal des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag, wonach wenigstens ein Schenkel der Sekundärverriegelung (8) einen Verriegelungsarm (5) des Steckverbinders (1) in Endraststellung in einem Gegenstecker (16) festsetzt, der mit einem Federarm (12) mit einem Absatz (13) in einem einzigen Schenkel zusammengefasst ist, geht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen hinaus (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG).

Denn gemäß diesem Merkmal können auch zwei oder mehr Schenkel der Sekundärverriegelung (8), die einen Verriegelungsarm (5) des Steckverbinders (1) in Endraststellung in einem Gegenstecker (16) festsetzen, in einem einzigen Schenkel zusammengefasst sein. In den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen ist aber - wie in der Streitpatentschrift - lediglich offenbart, dass die Sekundärverriegelung (8) einen Schenkel (10) (Blockierschenkel) und einen Federarm (12) mit einem Absatz (13) aufweist und dass der Schenkel (10) und der Federarm (12) ebenso in einem einzigen Schenkel zusammengefasst sein können, der die Blockier- und Federfunktion übernimmt (vgl. Seite 7, Absatz 2 der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen bzw. Abschnitt [0019] der Streitpatentschrift). Soweit in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen - wie in der Streitpatentschrift - ein weiterer Federarm (12) vorgesehen ist, nehmen separate Schenkel (10) die Festsetz- bzw. Blockierfunktion bei den Verriegelungsarmen (5) des Steckverbinders (1) in Endraststellung wahr (vgl. Seite 7, letzter Absatz bis Seite 8, Absatz 2 der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen bzw. die Abschnitte [0020] und [0021] der Streitpatentschrift).

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag ist daher unzulässig erweitert.

2. Unteransprüche Mit dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag fallen die erteilten Unteransprüche 2 bis 10 wegen der Antragsbindung auch in ihrer direkten oder indirekten Rückbezogenheit auf den Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag.

Das gemäß Haupt- und Hilfsantrag verteidigte Patent ist daher nicht rechtsbeständig.






BPatG:
Beschluss v. 28.09.2006
Az: 23 W (pat) 329/04


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