Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Juni 2005
Aktenzeichen: 14 W (pat) 13/03

(BPatG: Beschluss v. 28.06.2005, Az.: 14 W (pat) 13/03)

Tenor

Auf die Beschwerden der Einsprechenden wird der angefochtene Beschluß aufgehoben und das Patent 196 19 512 mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 21, Beschreibung Seiten 2 bis 4, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2005.

Die weitergehenden Beschwerden werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

Mit dem angefochtenen Beschluß vom 2. Dezember 2002 hat die Patentabteilung 41 des Deutschen Patent- und Markenamtes das Patent 196 19 512 mit der Bezeichnung

"Stabiler Extrakt aus Hypericum perforatum L., Verfahren zu seiner Herstellung und pharmazeutische Zubereitungen"

in vollem Umfang aufrechterhalten.

Die Aufrechterhaltung wurde im wesentlichen damit begründet, daß der stabile Extrakt aus Hypericum perforatum L. nach Patentanspruch 1 im Hinblick auf die im Verfahren genannten 37 Dokumente sowie Anlagen E II-1 bis E II-14 vom 21. September 1999 neu sei und seine Bereitstellung auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Gegen diesen Beschluß richten sich die Beschwerden der Einsprechenden.

Die Patentinhaberin verfolgt das Streitpatent auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche 1 bis 21 weiter. Die Patentansprüche 1, 11, 20 und 21 haben folgenden Wortlaut:

1. Stabiler Extrakt aus Hypericum perforatum L. (Johanniskraut) mit einem Gehalt von mindestens 2 % Hyperforin und mit einem Gehalt eines Stabilisators aus der Gruppe der organischen Thiolverbindungen, Ascorbinsäure und deren Derivaten in einer Konzentration von 0,2 % bis 5 %, bezogen auf den Hypericumextrakt, erhältlich durch Zugabe des Stabilisators und durch Extraktion der frischen oder getrockneten Johanniskraut-Droge mit pharmazeutisch üblichen anorganischen oder organischen Lösungsmitteln bzw. mit deren Gemischen, ausgenommen ölige Extraktionsmittel.

11. Verfahren zur Herstellung eines stabilen Extrakts aus Hypericum perforatum L. (Johanniskraut) mit einem Gehalt von mindestens 2 % Hyperforin und mit einem Gehalt eines Stabilisators aus der Gruppe der organischen Thiolverbindungen, Ascorbinsäure und deren Derivaten in einer Konzentration von 0,2 % bis 5 %, bezogen auf den Hypericumextrakt, dadurch gekennzeichnet, dass frische oder getrocknete Johanniskraut-Droge mit einem pharmazeutisch üblichen anorganischen oder organischen Lösungsmittel bzw. mit dessen Gemischen, ausgenommen ölige Extraktionsmittel, extrahiert und der Extrakt mit dem Stabilisator versetzt wird.

20. Pharmazeutische Zubereitung enthaltend einen Extrakt nach einem der Ansprüche 1 bis 10 und übliche pharmazeutische Hilfsstoffe.

21. Verwendung eines Extraktes und/oder einer pharmazeutischen Zubereitung nach einem der Ansprüche 1 bis 10 und 20 zur Herstellung eines Arzneimittels mit antidepressiver und psychovegetativer Wirkung.

Wegen des Wortlauts der Patentansprüche 2 bis 10 und 12 bis 19, die auf Weiterbildungen des Extraktes nach Anspruch 1 und des Verfahrens nach Anspruch 11 gerichtet sind, wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Zur Begründung ihrer Beschwerde tragen die Einsprechenden im wesentlichen vor, daß mit der Vorlage des neuen Patentanspruches 1 zwar nunmehr die Neuheit des beanspruchten Johanniskraut-Extraktes ( = Extrakt aus Hypericum perforatum L.) gegeben sei, unter Hinweis insbesondere auf die Dokumente D1 "Rote Liste" 1992, Präparat Nr. 70 021 "Psychatrin Jossa"

D4 EP 0 599 307 A1 D7 US 4 178 372 D10 Dissertation von Peter Maisenbacher "Untersuchungen zur Analytik von Johanniskrautöl", Tübingen 1991 D13 Data Base EPI Section CH, 37. Woche 1983, Derwent Publications Ltd., London, GB; Klasse B 05, AN 83-762732 XP 002033079, & RO 79 428 A (Inter Med Coloranti Sintopharm), 28. Februar 1983 D13a RO 79428 D13b Englische Übersetzung der RO 79428 D17 Täufel/Ternes/Tunger/Zobel, Lebensmittellexikon, Behr's Verlag, Hamburg, 3. Auflage, 1993, Band 1, Seiten 109 bis 116 D27 Meier, B.: "Zur Wirkstoffdiskussion ums Johanniskraut", Dtsch. Apoth.-Ztg. 138 (1998) S 57 D39e Freigabeuntersuchung - Hyperforin-Gehalt in verschiedenen Chargen von Hypericumextrakten mit der Artikelnummer 0 155 310 aus den Jahren 1996, 2000 und 2001 D 53 Planta med 1992 58 S 351 bis 354 D 55 Anlage E II-5a, b vom 21. September 1999 bestreiten sie jedoch weiterhin das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit. So liege die Bereitstellung der beanspruchten Extrakte im Hinblick auf (D1) bzw (D13) iVm (D4) nahe. Aus (D4) kenne der Fachmann nämlich hyperforinreiche Hypericumextrakte, die aufgrund der gleichzeitigen Hypericin-Abreicherung nebenwirkungsärmer seien. Entsprechend seinem steten Bestreben, bessere Johanniskrautextrakte einzusetzen, liege es nun in seinem Handlungsbereich, solche Extrakte sodann in Formulierungen, wie sie aus (D1) oder (D13) bekannt seien, zu verwenden. Da diese Zusammensetzungen auch Ascorbinsäure enthielten, komme er auf diese Weise zu Erzeugnissen, die den im geltenden Patentanspruch 1 genannten Extrakten hinsichtlich ihrer Zusammensetzung - und nur dies sei wesentlich - entsprächen.

Die erfinderische Tätigkeit sei auch gegenüber (D10) iVm (D7) nicht gegeben. In (D10) werde darauf hingewiesen, daß in Hypericumextrakten die Bildung von Superoxid-Radikalen dann ungehindert ablaufe, wenn im Zusammenhang mit der Extraktion das diese Radikal-Bildung hemmende Enzym, die Dismutase, zerstört werde. Der Fachmann werde, um dieser Radikal-Bildung entgegen zu wirken, auf Ascorbinsäure zurückgreifen. Dieses nicht nur deshalb, weil es sich hierbei, wie aus (D17) ersichtlich sei, um einen allgemein bekannten Stabilisator handle, sondern auch, weil in (D7) bereits die Stabilisierung einer Superoxid-Lösung beschrieben werde. Auch wenn sich dieses Dokument mit Aloe vera befasse, handle es sich in beiden Fällen um den gleichen Vorgang, nämlich eine Stabilisierung unter Verwendung von Ascorbinsäure.

Anregungen, Antioxidantien zur Stabilisierung von Johanniskrautextrakten einzusetzen, erhalte der Fachmann auch mit (D55). So werde dort ein Öl-Extrakt von Hypericum perforatum L. beschrieben, der Vitamin E und Kaliumdisulfit enthalte, dh öllösliche Antioxidantien. Diese Lehre aufgreifend, werde der Fachmann bei Vorliegen eines wässrigen Systemes sodann einen an dieses System angepassten Stabilisator verwenden, dh die wasserlösliche und allgemein bekannte Ascorbinsäure.

Die Einsprechenden beantragen übereinstimmend, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, unter Zurückweisung der Beschwerde im übrigen das Patent auf der Grundlage der im Tenor des Beschlusses genannten Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten.

Sie ist dem Vorbringen der Einsprechenden in allen Punkten entgegengetreten. Unter Hinweis auf folgende Dokumente D22 a)-c) Stabilität von Extrakten entsprechend Bsp. 1 der EP 0 599 307 A1 (D4), sowie ergänzende Beschreibung zur Analytik D24 Stabilität von Hyperforin in Hypericumtrockenextrakten, Auszugsmittel = 70 % Ethanol, stabilisiert mit 1 % Ascorbinsäure D28a "Rote Liste" 1994, Präparat Nr. 70 027 "Psychatrin¨ Jossa"

D28b "Rote Liste" 1995, Präparat Nr. 70 012 "Psychatrin¨ N"

D31 Vergleichsversuche zur Stabilität von Hyperforin D48 Änderungsanzeige für "Psychatrin" - an das Inst f. Arzneimitteldes Bundesgesundheitsamtes vom 22. Oktober 93 D52 P. List und P. C. Schmidt, Technologie pflanzlicher Arzneizubereitungen, Wissensch. Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart 1984, Kapitel 3, S 85 bis 95 macht sie im wesentlichen geltend, daß, wie aus (D27) und (D10) zu ersehen sei, eine gewisse Stabilität von Hyperforin enthaltenden Extrakten nur mit besonderen Extraktionsmitteln oder nicht gängigen Extraktionsverfahren zu erreichen sei. Im übrigen lehre (D10) jedoch, daß übliche Antioxidantien solchen Extrakten keinen Schutz gewährten. Dagegen erwiesen sich die von ihr bereitgestellten Extrakte jedoch über einen Zeitraum von mindestens 12 Monaten als stabil, wobei es keine Rolle spiele - wie die von ihr vorgelegten Versuchsergebnisse gezeigt hätten -, ob die Extrakte mit Schutzgas beaufschlagt seien oder nicht. Als nächsten Stand der Technik sieht sie die Entgegenhaltung (D4). Die daraus bekannten Extrakte wiesen zwar einen hohen Hyperforin-Gehalt auf, seien aber - wie sie festgestellt habe - nicht stabil. Anregungen aber, zur Stabilisierung Ascorbinsäure einzusetzen, würden im Stand der Technik nicht gegeben. Daher werde der Fachmann auch keine Kombination mit (D1) oder (D13) in Erwägung ziehen, weil diese Substanz dort jeweils als Wirkstoff eingesetzt werde. Eine Kombination von (D10) mit (D7) vermittle dem Fachmann deshalb nicht die beanspruchte Lehre, weil, abgesehen davon, daß (D10) von der Verwendung herkömmlicher Antioxidantien zur Stabilisierung von Johanniskrautextrakten wegführe, in (D7) nicht Superoxid-Radikale beschrieben würden. Zu keinem anderen Ergebnis komme man unter Berücksichtigung von (D55). Wie nämlich (D10) zeige, zersetze sich der dort beschriebene Extrakt, obwohl er Vitamin E enthalten habe, nach dem Öffnen in kurzer Zeit. Dabei spiele offensichtlich weder dessen geringe Peroxidzahl noch die Menge des Antioxidans, die deutlich über der im nativen Extrakt für Ascorbinsäure nachgewiesenen Menge liege, eine Rolle.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die Beschwerden der Einsprechenden sind zulässig und führen zu dem im Tenor des Beschlusses angegebenen Ergebnis.

1. Gegen die Zulässigkeit der geltenden Patentansprüche 1 bis 21 bestehen keine Bedenken.

1.1. Sie sind inhaltlich aus den Erstunterlagen Patentansprüche 1 bis 4, 6, 9, 12 bis 20, 23 und 24 iVm S 4 Abs 3 und aus der Patentschrift Patentansprüche 1 bis 21 herleitbar.

1.2. Auch die im Patentanspruch 1 enthaltene Ausnahmebestimmung "ausgenommen ölige Extraktionsmittel" ist zulässig und erforderlich. Sie grenzt nämlich die mit dem Streitpatent erteilte Lehre gegenüber der in (D10) beschriebenen Lehre ab (vgl S 151 Tab 7-3 iVm S 248 Kap 11.12.3), ist jedoch - wie den nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit zu entnehmen ist - bei der Beurteilung der erfinderischen Leistung ohne Bedeutung.

1.3. Die formale Zulässigkeit des Patentanspruches 1 kann auch nicht mit dem Einwand der Einsprechenden in Frage gestellt werden, das Merkmal "stabil" sei so im Zusammenhang mit einem Extrakt aus Hypericum perforatum L. den Unterlagen nicht als offenbart zu entnehmen. Offenbart sei vielmehr nur eine unter Schutzgas-Bedingungen erreichte Stabilität des in Rede stehenden Extraktes. Dieser Einwand der Einsprechenden geht fehl. Bei der in Rede stehenden Eigenschaft der Lagerstabilität des Extraktes unter Schutzgas bzw ohne Schutzgas handelt es sich um eine dem Erzeugnis inhaerente Eigenschaft - unabhängig davon, ob diese nun bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung expressis verbis mitgeteilt worden ist. Diese Eigenschaft gehört nach ständiger Rechtsprechung für Erzeugnisse bzw deren Herstellungsverfahren auf dem Gebiet der Chemie von Anfang an zum Offenbarungsgehalt (vgl BGH GRUR 1966, 312 -"Appetitzügler"; GRUR 1972, 541 - "Imidazoline"; GRUR 1980, 283 Ls 2 - "Terephthalsäure"). Für (ganz oder teilweise) durch ihr Herstellungsverfahren gekennzeichnete Erzeugnisse gilt nichts anderes (vgl BGH GRUR 2001 1129, 1133 V. 1. mwN - "zipfelfreies Stahlband"). Ergänzend dazu hat die Patentinhaberin im übrigen die experimentellen Untersuchungen D22, D24 und D31 vorgelegt, nach denen auch dann die gewünschte Stabilität zu beobachten ist, wenn die in Rede stehenden Extrakte ohne Schutzgas gelagert werden.

2. Die Neuheit des nunmehr beanspruchten stabilen Extraktes aus Hypericum perforatum L. ist gegeben. Dieses wird auch von den Einsprechenden nicht mehr bestritten. Keinem der im Verfahren genannten Dokumente sind nämlich Angaben hinsichtlich Johanniskrautextrakten zu entnehmen, die nicht nur einen Hyperforin-Gehalt von mindestens 2 % aufweisen, sondern darüber hinaus auch einen Stabilisator aus der Gruppe der organischen Thiolverbindungen, Ascorbinsäure und deren Derivate in einem Anteil von 0,2 % bis 5 % enthalten.

3. Die Bereitstellung des stabilen Johanniskrautextraktes gemäß geltendem Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Extrakte aus Johanniskraut besitzen - wie im einleitenden Teil des Streitpatentes ausgeführt wird - eine milde antidepressive Wirkung. Zur Erzielung dieser Wirkung scheint der Inhaltsstoff Hyperforin eine wesentliche Rolle zu spielen. Da es sich hierbei jedoch um einen sehr instabilen Wirkstoff handelt, nimmt dessen Gehalt in üblichen Hypericumextrakten bei normaler Lagerung innerhalb weniger Monate sehr stark ab. Versuche dem Hyperforin-Abbau mit der Anwendung üblicher Oxidationsmittel zu begegnen, brachten jedoch keine Verbesserung mit sich (vgl geltende Unterlagen S 2 Z 3 bis 55).

Davon ausgehend liegt dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, Hyperforin enthaltende stabilisierte Extrakte aus Hypericum perforatum L. (Johanniskraut) bereitzustellen, in denen das Hyperforin stabil bleibt. Aufgabe ist es darüber hinaus, ein Verfahren zur Herstellung dieser stabilisierten Extrakte sowie hinsichlich des Hyperforin-Gehalts stabile Arzneimittel bereitzustellen (vgl geltende Unterlagen S 2 Z 63 bis 66).

Gelöst wird diese Aufgabe durch den im Patentanspruch 1 angegebenen stabilen Extrakt aus Johanniskraut der einen Gehalt von mindestens 2 % Hyperforin und von 0,2 % bis 5 % eines Stabilisators aus der Gruppe der organischen Thiolverbindungen, Ascorbinsäure und deren Derivaten aufweist, ferner durch ein Verfahren zu dessen Herstellung gemäß Patentanspruch 11 sowie den Extrakt enthaltende pharmazeutische Zubereitungen und der Verwendung des Extraktes zur Herstellung derselben gemäß den Patentansprüchen 20 und 21.

Den nächstliegenden Stand der Technik stellt - auch nach Auffassung des Senates - die im einleitenden Teil des Streitpatentes bereits zitierte Entgegenhaltung (D4) dar. Dieses Dokument beschreibt Trockenextrakte aus Johanniskraut, die einen gegenüber handelsüblichen Extrakten verminderten Gesamt-Hypericingehalt und einen gleichzeitig angereicherten, damit erhöhten Gesamthyperforin-Gehalt aufweisen. Der Gesamthyperforin-Gehalt kann dabei mindestens 5 Gew.-% betragen (vgl Patentansprüche 1 und 5 iVm Beschreibung S 4 Z 24 bis 28 und 33 bis 38). Dieser Entgegenhaltung sind jedoch im Zusammenhang mit den dort beschriebenen Hyperforinenthaltenden Extrakten keine Ausführungen hinsichtlich einer Stabilisierung bzw deren Stabilität selbst zu entnehmen.

Anregungen zu einer Bereitstellung eines Johanniskrautextraktes, der 0,2 bis 5 % eines Stabilisators, wie zB Ascorbinsäure, enthält, um auf diese Weise zu einem Extrakt mit der gewünschten Lagerstabilität von mindestens 12 Monaten zu gelangen (vgl geltende Unterlagen S 3 Z 3 bis 10 iVm S 4 Beispiel 4), erhält der Fachmann aber auch nicht mit den weiteren von den Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung herangezogenen Entgegenhaltungen.

So werden zwar mit den Dokumenten (D1) und (D13), wie die Einsprechenden zutreffend vorgetragen haben, Zubereitungen genannt, die neben einem Johanniskrautextrakt auch Ascorbinsäure in einem höheren Anteil aufweisen. Der Fachmann hat jedoch keine Veranlassung, auf eines dieser Dokumente zurückzugreifen, weil auch sie keine Angaben enthalten, die sich mit der Stabilisierung von Hyperforin enthaltenden Extrakten befassen.

Dem Argument der Einsprechenden, der Fachmann sei in Kenntnis von (D4) veranlasst gewesen, den daraus bekannten hyperforinreicheren Extrakt in Formulierungen gemäß (D1) einzusetzen, womit er ohne erfinderisches Zutun einen stabilisierten Extrakt gemäß Patentanspruch 1 erhalten hätte, kann der Senat nicht folgen. Der Fachmann wird nämlich bei der Lösung der Aufgabe eher von der nächstliegenden (D4) ausgehen. Die vermeintliche Einfachheit der Maßnahme, die Extrakte von (D4) in Präparaten nach (D1) einzusetzen und somit gleichsam automatisch die gewünschte Stabilität zu erzielen, beruht somit auf einer unzulässigen rückschauenden Würdigung des Standes der Technik in Kenntnis der fertigen Erfindung (vgl auch Busse PatG 6. Aufl § 4 Rdn 70).

Gemäß (D13) werden Ascorbinsäure und Cystein ebenfalls neben vielen anderen Komponenten als Wirkstoffe zur Formulierung der dort beschriebenen dermatologischen Zubereitungen eingesetzt (vgl (D13 b) S 2 Abs 1). Auch hier hatte der Fachmann keine Veranlassung, die in dieser Entgegenhaltung neben anderen gegebenenfalls zu verwendenden Pflanzenextrakten genannten wässrigen Johanniskraut-Zubereitungen durch die aus (D4) bekannten Trockenextrakte zu ersetzen. Bei dem in (D13) beschriebenen Extrakt handelt es sich nämlich um einen stark verdünnten Auszug mit einem hohen Anteil hydrophiler Komponenten (vgl (D13 b) S 5 "Preparation of the plant extract"). Es ist dem Senat daher nicht ersichtlich, weshalb der Fachmann diesen Extrakt mit dem aus (D4) bekannten, den lipophilen Inhaltsstoff Hyperforin in angereicherter Form aufweisenden Extrakt gleichsetzen und als mit diesem austauschbar ansehen sollte.

Anregungen, Antioxidantien, wie zB Ascorbinsäure, zur Stabilisierung eines hyperforinreichen Johanniskrautextraktes einzusetzen, werden dem Fachmann auch nicht mit den Entgegenhaltungen (D10) alleine bzw iVm (D55) oder (D7) gegeben. So werden in (D10) zwar oxidative Prozesse als mögliche Ursachen für den Hyperforin-Abbau diskutiert. Letztendlich führt dieses Dokument aber von der Lehre gemäß Streitpatent weg, denn es vermittelt die Lehre, daß übliche Antioxidationsmittel keinen Oxidationsschutz gewähren (vgl S 139 bis S 140 Z 11, S 144 Kap 7.3 bis S 147 Abs 2, S 153 Abs 1, S 158 Abs 1 4. Spiegelstrich sowie S 160 Abs 2 und 3 iVm Abb 7-10). Bestätigung erfährt diese Aussage auch durch die mit (D55) angegebene Zubereitung, die Vitamin E, ein Antioxidans, enthält, im Hinblick auf Hyperforin jedoch - wie aus (D10) zu ersehen ist - keine Stabilität aufweist (vgl (D55) E II - 5a, 5b 1. Seite "1.2 Hilfsstoffe" iVm (D10) S 162 Abs 2 iVm Tabelle 7 - 7/Fin 1565931).

Zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage führt die mit (D7) vermittelte Lehre. Wird dort doch lediglich im Zusammenhang mit der Herstellung eines Aloe vera-Gels beschrieben, Inhaltsstoffe, die die Stabilität des Gels beeinträchtigen, oxidativ abzubauen. Dies erfolgt über eine katalytische Oxidation unter Verwendung von Wasserstoffperoxid. Beendet wird dieser Reaktionsschritt sodann mit der Zugabe eines Antioxidans in Form von Ascorbinsäure (vgl Patentanspruch 1 iVm Sp 3 Z 13 bis Sp 4 Z 15 sowie Sp 5 Z 47 bis 55). Hinweise jedoch, welche Maßnahmen der Fachmann ergreifen sollte, wenn er vor die Aufgabe gestellt ist, einen hinsichtlich seines Hyperforin-Gehaltes stabilisierten Johanniskrautextrakt zur Verfügung zu stellen, gibt diese Schrift damit nicht. Der Fachmann erhält sie - entgegen der Auffassung der Einsprechenden - auch nicht in einer Zusammenschau mit (D10), weil diese - wie vorstehend dargelegt - sogar lehrt, daß die Verwendung von Antioxidantien zur Stabilisierung von Hyperforin in Extrakten wirkungslos ist.

Damit ist es, auch in Kenntnis des von den Einsprechenden zitierten Standes der Technik nicht zu erwarten gewesen, daß hyperforinhaltige Johanniskrautextrakte dann zuverlässig eine Lagerstabilität von mindestens 12 Monaten aufweisen, wenn sie 0,2 % bis 5 % eines Stabilisators aus der Gruppe der organischen Thiolverbindungen, Ascorbinsäure und deren Derivaten enthalten. Es mag zwar, wie die Einsprechende vorträgt, auch vor dem Prioritätstag bereits vereinzelt Johanniskrautextrakte gegeben haben, die über einen längeren Zeitraum stabil gewesen sind. Wie jedoch die stark divergierenden, während des Verfahrens von den beteiligten Parteien vorgelegten Versuchsdaten zeigen und die Ausführungen zB in den Dokumenten (D27) und (D53) bestätigen (vgl (D27) S 57 mi Sp Abs 1 und (D53) S 351 li Sp "Abstract" sowie S 353/354 li/re Sp übergreifender Absatz), war diese in Rede stehende Eigenschaft in der Regel jedoch nicht zuverlässig allen Johanniskrautextrakten, die Hyperforin enthalten, zu eigen. Angesichts dieser Sachlage stellt die Bereitstellung des beanspruchten Extraktes eine erfinderische Leistung dar.

Die Berücksichtigung der weiteren, dem Senat vorliegenden, in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffenen Druckschriften führt zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage. Dies gilt auch hinsichtlich der Gegenstände der geltend gemachten Benutzung. Auch eine Zusammenschau führt zu keinen weiteren Gesichtspunkten.

4. Somit erfüllt der stabile Extrakt aus Hypericum perforatum L. gemäß geltendem Patentanspruch 1 alle Kriterien der Patentfähigkeit, so daß dieser Anspruch gewährbar ist.

Das gleiche gilt für die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 10, die besondere Ausgestaltungen des Extraktes nach Patentanspruch 1 betreffen.

Die nebengeordneten Patentansprüche 11, 20 und 21 sind auf ein Verfahren zur Herstellung eines stabilen Johanniskrautextraktes nach Anspruch 1, diesen enthaltende pharmazeutische Zubereitungen sowie dessen Verwendung zur Herstellung solcher Zubereitungen gerichtet. Bezüglich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit gelten für diese sowie die dem Patentanspruch 11 nachgeordneten Ansprüche 12 bis 19 die vorstehend dargelegten Gesichtspunkte gleichermaßen, so daß diese Ansprüche ebenfalls Bestand haben.

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BPatG:
Beschluss v. 28.06.2005
Az: 14 W (pat) 13/03


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