Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 4. Oktober 2002
Aktenzeichen: 6 U 61/02

(OLG Köln: Urteil v. 04.10.2002, Az.: 6 U 61/02)

Tenor

1.)

Die Berufung der Beklagten gegen das am 26.3.2002 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 33 O 9/02 - wird zurückgewiesen.

2.)

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten zu tragen.

3.)

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in nachbenannter Höhe abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit jeweils in derselben Höhe leistet. Es ist Sicherheit in folgender Höhe zu leisten bzw. sind folgende Beträge zu hinterlegen:

Bei Vollstreckung des Anspruches auf

a) Unterlassung pro Beklagter 50.000 EUR;

b) Kostenerstattung 120 % der zu vollstreckenden Summe.

Die Parteien können die Sicherheiten durch eine schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstitutes leisten.

4.)

Die Revision wird nicht zugelassen.

5.)

Die Beschwer der Beklagten wird auf über 20.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin und die vier Beklagten stehen sich als Vertreiber unter anderem von Computerhardware gegenüber. Die Beklagten gehören sämtlich zur "T."-Kette, stellen aber rechtlich selbständige Unternehmen dar. Die Parteien streiten über die Rechtswidrigkeit einer Zeitungsanzeige der Beklagten sowie die Frage der Rechtmäßigkeit des zunächst getrennten Vorgehens der Klägerin gegen die vier Beklagten.

In einer Werbebeilage, die dem K.er Stadtanzeiger vom 18.7.2001 beigefügt war, bewarben die Beklagten ein Notebook Satellite 3000-100 der Marke U. zum Preis von 4.299,- DM. In der Werbung war angegeben, dass die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers (im Folgenden: "UVP") 4.599,- DM betrage, weswegen der Kunde beim Kauf 300,- DM spare. Die UVP von U. hatte zuvor zwar tatsächlich 4.599,- DM betragen, war jedoch unter dem 16.7.2002, also zwei Tage vor dem Erscheinen der Anzeige, auf 4.299,- DM gesenkt worden.

Die Werbung ist - wie aus Bl.9 der Akten des Parallelverfahrens 6 U 62/02 ersichtlich ist - von den vier Beklagten und fünf weiteren Gesellschaften, insgesamt also von neun T.-Unternehmen, geschaltet worden.

Mit Schreiben vom 18.7.2001 (BA Bl.15) mahnte die Klägerin die Beklagte zu 1) ab . Mit drei weiteren Schreiben vom 19.7.2001 (BA Bl.81, 130 und 181) folgte sodann die Abmahnung der drei übrigen Beklagten.

Vor Einleitung des vorliegenden Hauptsacheverfahrens hat die Klägerin vier selbständige einstweilige Verfügungsverfahren betrieben, die später miteinander verbunden worden sind und den Gegenstand des Parallelverfahrens 6 U 62/02 bilden.

Nachdem das Landgericht unter dem 20.7.2001 (Beiakte Bl.20 ff.) eine einstweilige Verfügung gegen die Beklagte zu 1) erlassen hatte, wandte sich die Klägerin erneut an alle vier Beklagten und verlangte mit Blick auf jene Entscheidung die Abgabe einer Unterlassungserklärung (vgl. z.B. BA Bl.85 ff.). Nach Fristablauf beantragte sie unter dem 10.8.2001 (Bl.62 und 161 BA) bzw. unter dem 14.8. (Bl.110 BA) - jeweils in getrennten, erst später miteinander verbundenen Verfahren - den Erlass von einstweiligen Verfügungen gegen die Beklagten zu 2 - 4), die auch antragsgemäß ergangen sind.

Die Klägerin hat b e a n t r a g t,

die Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ein Computer-Notebook der Marke U., Typ Satellite 3000-100, zu einem Endpreis in Höhe von DM 4.299,00 zu bewerben mit dem Zusatz, dass Kunden bei dem Endpreis von DM 4.299,00 unter Bezugnahme auf die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers des Computer-Notebooks Marke U., Typ Satellite 3000-100 in Höhe von DM 4.599,00 einen Betrag von DM 300,00 gegenüber der unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers einsparen, wie nachstehend wiedergegeben:

pp.

Die Beklagten haben b e a n t r a g t,

die Klage abzuweisen.

Sie haben vorgetragen, das geschilderte Vorgehen der Klägerin in zunächst getrennten Verfügungsverfahren sei rechtsmissbräuchlich, weswegen die Klägerin nunmehr auch im Hauptsacheverfahren ihre etwaigen Ansprüche nicht mehr durchsetzen könne.

Das L a n d g e r i c h t hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt und - unter Bezugnahme auf seine sinngemäß gleichlautende Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren - ausgeführt, die strengen Voraussetzungen für den von den Beklagten eingewandten Rechtsmissbrauch lägen nicht vor. Die Voraussetzungen für die Annahme eines Rechtsmissbrauches seien in der vorliegenden Fallgestaltung, in der ein einziger Gläubiger gegen mehrere Unterlassungsschuldner vorgehe, auch nach neuerer Rechtsprechung des BGH hoch anzusetzen. Anders als im Fall der Mehrfachverfolgung auf Klägerseite hätte ein einzelner Titel nicht genügt, um das Werbeverhalten aller Mitglieder der T.-Kette bundesweit zu unterbinden.

In der Sache bestehe der geltendgemachte Anspruch aus § 3 UWG, weil die UVP unrichtig angegeben gewesen sei.

Zur Begründung ihrer B e r u f u n g gegen dieses Urteil wiederholen die Beklagten den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs und tragen überdies vor, die Schaltung der streitgegenständlichen Anzeige sei auch nicht wettbewerbswidrig gewesen. Nach der maßgeblichen Entscheidung "missbräuchliche Mehrfachverfolgung" des BGH (GRUR 2000, 1089,1093) könne ein Missbrauch auch darin gesehen werden, dass mehrere Unterlassungsschuldner nicht in einem Verfahren, sondern jeweils gesondert in Anspruch genommen würden, obwohl eine subjektive Klagehäufung auf der Passivseite für den Kläger mit keinerlei Nachteilen verbunden wäre. Um einen solchen Fall handele es sich hier. Die Klägerin hätte ihr Ziel, eine nochmalige Beifügung der Beilage zu verhindern, schon durch die Inanspruchnahme einer der vier Beklagten erreichen können, weil in dem Prospekt sämtliche betroffenen T.filialen angegeben gewesen seien. Jedenfalls hätte sie die vier Gesellschaften in einem einzelnen verbundenen Verfügungsantrag in Anspruch nehmen können. Demgegenüber spreche kein sachlich gerechtfertigter Grund für die Verfahrensweise der Klägerin, die im Verfügungsverfahren - bis zur Verfahrensverbindung - vier selbständige Verfahren betrieben habe. Der mithin vorliegende Rechtsmissbrauch im einstweiligen Verfügungsverfahren führe dazu, dass die etwaigen Ansprüche auch im Hauptsacheverfahren aus Rechtsgründen nicht mehr geltend gemacht werden könnten.

Im übrigen sei die Klage aber auch unbegründet, weil sie die notwendige Kenntnis von den die Irreführung begründenden Umständen nicht gehabt hätten. So hätten sie überhaupt erst durch die Abmahnung seitens der Klägerin Kenntnis von der Änderung der UVP erlangt. Die neue U.-Preisliste hätten sie erst etwa eine Woche nach Erscheinen der Werbebeilage per Post erhalten. Die Firma U. bringe üblicherweise am Anfang jeden Monats eine neue Preisliste heraus. Sie hätten daher mit einer Änderung der UVP mitten im Monat nicht rechnen können. Zudem wäre es ihnen aus Gründen des Druckvorlaufes nicht mehr möglich gewesen, das Erscheinen der Beilage zu verhindern, wenn sie tatsächlich am 16.7. bereits Kenntnis von der Änderung erhalten gehabt hätten.

Die Beklagten b e a n t r a g e n,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen.

Die Klägerin b e a n t r a g t,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs lägen nicht vor. Die getrennte Abmahnung sämtlicher Verletzer sei sogar erforderlich gewesen, um die Wiederholungsgefahr hinreichend sicher zu beseitigen. Sie habe im übrigen erst nach Versendung der Abmahnung der Beklagten zu 1) erkannt, dass es sich bei den vier Beklagten um jeweils rechtlich selbständige Gesellschaften der T.-Gruppe handele. Sodann habe sie - wie oben dargestellt - nach Erhalt der ersten einstweiligen Verfügung den übrigen Beklagten erneut Gelegenheit gegeben, durch Abgabe einer Unterlassungserklärung die Durchführung eines streitigen Verfahrens zu vermeiden. Erst nachdem sodann die Abgabe einer Abschlusserklärung für alle vier Beklagten abgelehnt worden sei, habe sie die übrigen drei Verfügungsanträge gestellt. In der mündlichen Verhandlung vom 5.3.2002 habe sie sodann ohne weiteres der Verbindung der Verfahren zugestimmt. Unter diesen Umständen liege eine missbräuchliche Mehrfachverfolgung nicht vor. Zudem habe sie auch davon abgesehen, die fünf weiteren T.märkte in Anspruch zu nehmen, und auch im Hauptsacheverfahren sogleich alle vier Beklagten gemeinsam verklagt.

In der Sache sei das nunmehrige Vorbringen der Beklagten schon als verspätet zurückzuweisen, nachdem die Beklagten die Einwände in erster Instanz nicht erhoben hätten. Im übrigen bestreitet die Klägerin, dass die Beklagten keine Kenntnis von den die Irreführung begründenden Umständen gehabt hätten. Es treffe nicht zu, dass die neue Preisliste erst ca. eine Woche nach dem 18.7.2001 erschienen sei und die Beklagten erst durch die Abmahnung Kenntnis von der Änderung erlangt hätten. Auch die Behauptungen über die Usancen bei der Versendung neuer Preislisten bestreitet die Klägerin. Das gleiche gilt für den Druckvorlauf. Im übrigen seien die Beklagten verpflichtet gewesen, sich über die Richtigkeit ihrer Werbeaussage bei U. zu vergewissern. Schließlich komme es auf die Kenntnis auch nicht an, weil der Irreführungstatbestand des § 3 UWG einen Vorsatz nicht voraussetze.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten des Parallelverfahrens 6 U 62/02 OLG Köln = 33 O 236/01 LG Köln Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens der Beklagten ist deren Verurteilung durch das Landgericht zu Recht erfolgt.

Die Klage ist zulässig, insbesondere stellt sich die Vorgehensweise der Klägerin nicht als im Sinne des § 13 Abs. 5 UWG rechtsmissbräuchlich dar.

Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH (GRUR 2000, 1089 f - "missbräuchliche Mehrfachverfolgung"), ist die Vorschrift des § 13 Abs. 5 UWG allerdings auch auf die vorliegende Fallkonstellation anwendbar, in der sich nicht abstrakte Wettbewerber im Sinne des § 13 Abs. 2 Ziff. 1 UWG, sondern unmittelbare Wettbewerber gegenüber stehen.

Indes liegen die Voraussetzungen der missbräuchlichen Inanspruchnahme nach § 13 Abs. 5 UWG nicht vor. Der Rechtsmissbrauch durch die Klägerin soll dadurch begründet sein, dass sie - dem vorliegenden Hauptsacheverfahren vorauslaufend -vorläufigen Rechtsschutz in vier getrennten, jeweils auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die einzelnen Beklagten gerichteten Verfahren gesucht hat. Soweit darin ein rechtsmissbräuchliches Verhalten liegen würde, würde dies zwar auch im nachfolgenden Hauptsacheverfahren ein Vorgehen ausschließen (vgl. dazu BGH GRUR 02, 357, 359 - "missbräuchliche Mehrfachabmahnung"). Das beschriebene Vorgehen in - zunächst - vier getrennten Verfahren ist unter den gegebenen Umständen aber nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen.

Nach der Rechtsprechung des BGH (a.a.O. - "missbräuchliche Mehrfachverfolgung", S. 1091) kommt ein rechtsmissbräuchliches Verhalten allerdings dann in Betracht, wenn mehrere Unterlassungsschuldner nicht in einem Verfahren, sondern jeweils gesondert in Anspruch genommen werden, obwohl eine subjektive Klagehäufung auf der Passivseite für den Kläger mit keinerlei Nachteilen - etwa bei der Wahl des Gerichtsstandes - verbunden wäre. Eine derartige Verfahrensweise führt zur Erhöhung des mit der Rechtsverteidigung verbundenen Kostenrisikos und lässt in der Regel darauf schließen, dass mit den Verfahren nicht nur bestehende Ansprüche durchgesetzt, sondern die Schuldner darüber hinaus sachfremd auch in unangemessener Weise belastet werden sollen. Indes rechtfertigt nicht jede getrennte Inanspruchnahme mehrerer Unterlassungsschuldner ohne weiteres die Bewertung als rechtsmissbräuchlich. Vielmehr erfordert die Annahme eines Rechtsmissbrauchs, durch die die im Interesse eines möglichst lückenlosen Rechtschutzes durch das Gesetz grundsätzlich in Kauf genommene Möglichkeit einer Mehrfachverfolgung eingeschränkt wird, eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände (vgl. BGH a.a.O.). Die Umstände des Einzelfalles belegen ein missbräuchliches Vorgehen durch die Klägerin nicht.

Der Missbrauchsvorwurf kann nicht aus dem Umstand hergeleitet werden, dass die Klägerin nicht von Anfang an alle vier Beklagten gemeinsam in einem einzigen Verfügungsverfahren, sondern zunächst nur die Beklagte zu 1) in Anspruch genommen hat. Denn die Klägerin hat, wie sie unwidersprochen vorträgt, im Zeitpunkt des ersten Abmahnschreibens vom 18.07.2001 noch - irrig - angenommen, es handele sich bei der Beklagten zu 1) um die Muttergesellschaft und bei den übrigen Unternehmen um unselbständige Filialen. Nachdem dieser Irrtum beseitigt und die rechtliche Selbstständigkeit der verschiedenen in der Werbung geannten "Filialen" bekannt war, hat die Klägerin am 19.07.2001 den Verfügungsantrag gegen die Beklagte zu 1) nach ergebnislosem Fristablauf eingereicht und zugleich jeweils Abmahnschreiben mit eigener Fristsetzung an die Beklagten zu 2) - 4) versandt. Das durfte sie unter de Gesichtspunkt der Eilbedürftigkeit tun, ohne unter dem Aspekt des § 13 Abs. 5 UWG abwarten zu müssen, bis eine Reaktion aller Beklagten vorlag und ein gebündeltes gerichtliches Vorgehen gegen sie möglich war.

Ebenso gereicht es der Klägerin nicht zum Vorwurf, dass sie nach Verstreichen der den Beklagten zu 2) - 4) gesetzten Fristen zur Abgabe einer Unterlassungserklärung diese drei verbliebenen Unternehmen nicht gemeinsam in einem einzigen Verfahren in Anspruch genommen hat. Die Klägerin hat zunächst zur Klärung der Geschäfts- und insbesondere Vertretungsverhältnisse Handelsregisterauszüge über die Beklagten zu 2) - 4) angefordert und dann die Verfügungsanträge nach Eingang dieser Auszüge gestellt. Der Senat hat nicht abschließend zu beurteilen, ob diese Verfahrensweise zur Vorbereitung eines zulässigen Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zwingend geboten war, ob also etwa im Hinblick auf die Anforderungen des § 253 Abs.2 Ziff.1 ZPO nach der Rechtsprechung der angerufenen Kammer die Vertretungsverhältnisse der Beklagten im einzelnen anzugeben waren. Denn jedenfalls handelt es sich um ein Vorgehen, das die Klägerin bzw. ihre Vertreter aus Gründen anwaltlicher Vorsicht für geboten halten konnten, ohne sich dem Vorwurf des Rechtsmissbrauches auszusetzen.

Es belegt auch nicht eine rechtsmissbräuchliche Schädigungsabsicht, dass die Klägerin nach Erhalt der diese Beklagten betreffenden Handelsregisterauszüge unter dem 10.8.2001 Verfügungsanträge gegen jene beiden Beklagten gestellt und damit nicht auf den Eingang des Auszuges über die Beklagte zu 4) gewartet hat. Denn es war angesichts der verschiedenen für die Erteilung der Auszüge zuständigen Handelsregister nicht sicher, dass auch der fehlende Handelsregisterauszug alsbald eintreffen würde, und die Klägerin musste den Vorwurf des Dringlichkeitsverlustes gewärtigen, nachdem inzwischen etwa drei Wochen nach Erscheinen der Werbung verstrichen waren.

Es bleibt danach der Umstand, dass die Klägerin unter dem 10.8.2001 die Beklagten zu 2) und 3) nicht gemeinsam in Anspruch genommen, sondern am selben Tage getrennte Verfügungsanträge gestellt hat. Dies allein kann indes bei der gebotenen Gesamtberücksichtigung aller Umstände den Vorwurf des Rechtsmissbrauches nicht rechtfertigen. Insoweit ist zunächst maßgeblich, dass die auf diese Weise für die Beklagten entstandenen Mehrkosten nicht sehr hoch sind. Dabei ist nur eine Gerichtsgebühr (KV 1310 zu § 11 Abs.1 GKG) und die Prozessgebühr gem. § 31 Abs.1 Ziff.1 BRAGO zu berücksichtigen, weil nach Widerspruch eine Verbindung der Verfahren möglich war, wie sie dann auch tatsächlich vorgenommen worden ist. Im übrigen hat die Klägerin davon abgesehen, auch die übrigen fünf für die Werbung verantwortlichen T.-Unternehmen in Anspruch zu nehmen, was ohne den Vorwurf des Rechtsmissbrauches zu rechtfertigen hätte geschehen können. Schließlich kann nicht außer Acht bleiben, dass die Klägerin am 23.7.2001 unter Hinweis auf die gegen die Beklagte zu 1) vorher bereits erlassene einstweilige Verfügung noch eine zweite - verfahrensrechtlich und aus Kostengründen unnötige - zweite Abmahnung ausgesprochen und so den drei bis dahin noch nicht gerichtlich in Anspruch genommenen Beklagten nochmals die Gelegenheit gegeben hat, die Angelegenheit außergerichtlich zu erledigen.

Soweit die Beklagten noch anführen, es hätte überhaupt genügt, nur eine von ihnen in Anspruch zunehmen, trifft das ersichtlich nicht zu. Allein der Umstand, dass in der Werbung alle neun T.-Märkte aufgeführt waren, gewährleistete für die Klägerin nicht, dass eine nur gegen eine der Beklagten erlassene einstweilige Verfügung auch von den übrigen Beklagten befolgt worden wäre. Wenn auch in einer Folgewerbung der eine dann nur in Anspruch genommene T.-Markt nicht hätte aufgeführt werden können, hätte das doch die anderen Gesellschaften nicht gehindert, eine weitere, trotz des Weglassens jener Gesellschaft kerngleiche Werbung zu schalten.

Nach alledem liegen die Voraussetzungen missbräuchlichen Verhaltens nicht vor.

Der Anspruch ist aus § 3 UWG begründet.

Das Vorliegen der objektiven Voraussetzungen der Vorschrift ist - mit Recht - zwischen den Parteien nicht umstritten. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind aber auch die subjektiven Voraussetzungen erfüllt.

Allerdings trifft es entgegen der Auffassung der Klägerin zu, dass im Rahmen des § 3 UWG, obwohl dieser einen Vorsatz des Störers nicht voraussetzt, die Kenntnis der die Irreführung begründenden Umstände erforderlich ist (vgl. z.B. Köhler-Piper, § 3 UWG Rz. 88). Es genügt allerdings auch, dass der Störer mit den die Irreführung begründenden Umständen rechnet (vgl. Köhler-Piper a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben.

Die Beklagten berufen sich darauf, sie hätten bei Schaltung der Anzeige nicht gewusst und auch nicht damit rechnen müssen, dass die UVP der Herstellerin aktuell geändert worden sei. Mit diesem Vortrag sind sie indes gem. § 531 Abs.2 ZPO ausgeschlossen. Nach Abs. 3 dieser Vorschrift - Abs. 1 und 2 greifen erkennbar nicht - sind neue Verteidigungsmittel nur dann zuzulassen, wenn sie im ersten Rechtszuge nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Beklagten beruht. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Entgegen der Auffassung der Beklagten trifft es zunächst nicht zu, dass sie den Gesichtspunkt der fehlenden Möglichkeit, die Druckvorlage noch zu ändern, und die angebliche Unkenntnis von der Änderung der UVP in erster Instanz bereits vorgetragen hätten. Sowohl die Klageerwiderung als auch der einzige weitere erstinstanzliche Schriftsatz der Beklagten vom 4.3.2002 befassen sich ausschließlich mit der angenommenen Rechtsmissbräuchlichkeit des klägerischen Vorgehens. Dadurch, dass die Klägerin mit der Klageschrift (als Anlage K 1) das vorprozessual auf die Abmahnung erfolgte Antwortschreiben der Beklagten vom 18.7.2001 vorgelegt hat, wird dessen Inhalt nicht zum Prozessvortrag der Beklagten. Im übrigen ergibt das Schreiben auch nicht, dass tatsächlich eine Stornierung der Werbung nicht mehr möglich gewesen wäre. Das Fehlen des Vortrages zur Sache ist auch als nachlässig zu bewerten. Die Beklagten konnten sich bei Meidung des Vorwurfes der Nachlässigkeit nicht darauf verlassen, dass die von ihnen beanstandete Vorgehensweise der Klägerin durch die Instanzen als rechtsmissbräuchlich angesehen werden würde.

Angesichts der vorstehend unter A im einzelnen dargelegten Umstände durften sie nicht annehmen, die Rechtslage sei so eindeutig, dass wegen Rechtsmissbrauches ein Vortrag zur Sache nicht erforderlich sei, zumal bislang - soweit ersichtlich - keine Gerichtsentscheidungen vorliegen, die bei der hier gegebenen Fallkonstellation einen Rechtsmißbrauch bejaht haben: Die Fallgruppe einer unterbliebenen subj. Klagehäufung auf der Passivseite ist (lediglich) in einem obiter dictum des BGH (aaO) angeführt.

Im übrigen könnte die Berufung der Beklagten aber auch dann keinen Erfolg haben, wenn ihr Vortrag berücksichtigungsfähig wäre. Nach dem zweitinstanzlichen Vortrag der Beklagten ist der Druckauftrag für die verfahrensgegenständliche Werbebeilage von der von ihr beauftragten Marketing-Agentur "R.B." am 18.6.2001, also einen Monat vor Erscheinen der Werbung, erteilt worden. Die Werbebeilage sei dann am 14.7.2001 gedruckt und am 15.7.2001, also drei Tage vor Erscheinen der Ausgabe, an den "K.er Stadtanzeiger" ausgeliefert worden. Auf diese Weise haben die Beklagten nicht hinreichend dem Umstand Rechnung getragen, dass - nach ihrem eigenen Vortrag - der Hersteller U. "üblicherweise am Anfang jeden Monats mit einer Vorlaufzeit von 5 - 10 Tagen eine neue Preisliste" herausbringt. Es hätte ihnen in dieser Situation oblegen, durch entsprechende Vereinbarungen mit der Druckerei sicherzustellen, dass Änderungen der UVP, die auf die Gestaltung der Werbebeilage Einfluss haben, noch berücksichtigt werden konnten. Es hätte den Beklagten weiter oblegen, bei dem Hersteller U. in Erfahrung zu bringen, ob eine Änderung der UVP bevorstehe. Das ergibt sich zum einen aus der besonders hohen Werbewirksamkeit der Angabe von unverbindlichem Verkaufsempfehlungen des Herstellers und zum anderen aus dem Umstand, dass U. nach dem Vortrag der Beklagten üblicherweise im Monatsrhythmus neue Preislisten herausgab. Es kommt hinzu, dass angesichts des bekannten Preisverfalls im Segment der Elektronikprodukte die Beklagten nicht davon ausgehen konnten, dass der Hersteller die UVP über längere Zeit unverändert lassen würde.

Aus diesen Gründen oblag es den Beklagten, entweder von einer Werbung mit der Angabe der UVP Abstand zu nehmen oder aber durch eine Rückfrage bei dem Hersteller sicherzustellen, dass diese weiterhin gelte. Allein der Umstand, dass zum üblichen Zeitpunkt eine neue Preisliste nicht herausgekommen war, konnte die Beklagten nicht zu der Annahme veranlassen, dass U. tatsächlich in dem betreffenden Zeitraum Preisänderungen überhaupt nicht vornehmen würde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 543 ZPO liegen nicht vor.

Die Festsetzung der Beschwer der Beklagten entspricht dem Wert ihres Unterliegens im Rechtsstreit.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 200.000 EUR






OLG Köln:
Urteil v. 04.10.2002
Az: 6 U 61/02


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