Anwaltsgerichtshof Celle:
Urteil vom 9. Dezember 2013
Aktenzeichen: AGH 19/13, AGH 19/13 (II 11/15)

(AGH Celle: Urteil v. 09.12.2013, Az.: AGH 19/13, AGH 19/13 (II 11/15))

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft nicht allein wegen dessen strafrechtlicher Verurteilung durch das Amtsgericht B. vom 21. September 2012 und der Verneinung der Frage nach strafgerichtlichen Verurteilungen beim Antrag auf Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft versagt werden kann.

2. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 22. August 2013 verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

3. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

4. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

5. Der Streitwert wird auf 50.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I:

Der Kläger begehrt die Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft.

Der 1951 geborene Kläger wurde im September 2002 in Niedersachsen als Rechtsanwalt zugelassen, er unterhielt seine Kanzlei zuletzt in W.

Mit Bescheid vom 2. Juli 2004 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls. U.a. hatte der Kläger am 24. Juni 2003 die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Den hiergegen gerichteten Antrag des Klägers auf gerichtliche Entscheidung wies der Senat durch Beschluss vom 20. Dezember 2004 zurück, AGH 11/04. Die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde des Klägers hat der Bundesgerichtshof durch Beschluss vom 30. Januar 2006 zurückgewiesen, AnwZ (B) 20/05.

In der Folgezeit war der Kläger als freier Mitarbeiter in der Kanzlei des Rechtsanwalts D. in K. tätig. Daneben ergibt sich aus seinem Vorbringen im Insolvenzverfahren eine selbstständige Tätigkeit seit Juni 2012 mit einer Firma T. Kurierdienst.

Mit Beschluss vom 22. Dezember 2011 hat das Amtsgericht W. auf Antrag des Klägers über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet, 25 IN 162/11. Der Kläger hatte in seinem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung seine Verbindlichkeiten mit 512.078,82 Euro angegeben. Zur Insolvenztabelle wurden Forderungen in Höhe von 254.617,71 Euro angemeldet, denen ein verfügbares Vermögen von 550,23 Euro gegenüberstand, das unter den Verfahrenskosten lag. Mit Beschluss vom 7. Mai 2013 hat das Amtsgericht die Restschuldbefreiung angekündigt, die Wohlverhaltensphase auf sechs Jahre ab 22. Dezember 2011 festgelegt und Rechtsanwalt B. zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Beschluss vom 1. Juli 2013 ist das Insolvenzverfahren - ohne an die Gläubiger zu verteilende Masse - aufgehoben worden.

Der Kläger ist durch Strafbefehl des Amtsgerichts W. vom 21. September 2012, rechtskräftig seit dem 19. Oktober 2012, wegen einer am 26. Mai 2010 begangenen falschen Versicherung an Eides Statt zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 25,-- Euro verurteilt worden. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Kläger bei Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nur ein Girokonto angegeben, drei bzw. vier andere Konten jedoch nicht mitgeteilt hatte.

Daneben gibt es ein Urteil des Landgerichts N. vom 6. Juni 2004, durch das der Kläger wegen Beitragsvorenthaltung in 21 Fällen zu einer Geldstrafe von 1.400,-- Euro verurteilt worden ist, Bl. 19 ff der Akten AGH 11/04.

Mit Schreiben vom 27. Mai 2013 hat der Kläger bei der Beklagten unter Hinweis auf den bevorstehenden Abschluss des Insolvenzverfahrens die Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft beantragt. In dem dem Antrag beigefügten Fragebogen hat der Kläger die Frage €Sind gegen Sie strafgerichtliche Verurteilungen (§§ 4-8 BZRG) verhängt worden€, verneint. Im ebenfalls beigefügten Lebenslauf ist für die Zeit ab Januar 2006 nur die Tätigkeit bei Rechtsanwalt D. angegeben.

Das von der Beklagten eingeholte Führungszeugnis enthielt die Verurteilung durch das Amtsgericht W.

Mit Bescheid vom 22. August 2013 hat die Beklagte wegen dieser Verurteilung und der unterbliebenen Angabe der Verurteilung bei der Antragstellung den Antrag des Klägers auf Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft abgelehnt. Gegen diesen ihm am 24. August 2013 zugestellten Bescheid hat der Kläger mit am 24. September 2013 beim Anwaltsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz Klage erhoben.

Der Kläger trägt zu dem Strafbefehl des Amtsgerichts W. vor, in einem vom Gerichtsvollzieher B. nach seinen Angaben ausgefüllten Vermögensverzeichnis sei unter Ziffer 14 nur sein Girokonto bei der N. eingetragen worden, weitere Konten seien unerwähnt geblieben. Dabei habe es sich zunächst um ein Konto bei der I. gehandelt, das zum 22. Juni 2010 aufgelöst worden sei. Diese bevorstehende Auflösung sei ihm bekannt gewesen. Soweit auf dem Konto noch ein geringfügiges Guthaben bestanden habe, sei dies verpfändet gewesen. Der Gerichtsvollzieher habe auf seine Frage erklärt, dieses Konto müsse er nicht angeben. Bei einem weiteren auf seinen Namen geführten Konto bei der F. Sparkasse habe es sich um ein Konto des H. Sparvereins gehandelt. Schließlich habe bei der F.-Bank noch ein Darlehenskonto bestanden, nach Darlehenskonten sei jedoch nicht gefragt worden. Da es möglicherweise ein Fehler gewesen sei, der Auskunft des Gerichtsvollziehers zu folgen und die Ansicht vertreten werden könne, dass das Konto bei der I. hätte angegeben werden müssen, habe er den Strafbefehl akzeptiert. Es handele sich jedoch nicht um eine schwerwiegende Verfehlung, die einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft entgegenstehen könnte. Dies ergebe sich schon aus der geringen Höhe der Strafe von lediglich 40 Tagessätzen, die zeige, dass das Gericht nur von einer geringen Schuld des Klägers ausgegangen sei. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass ihm aufgrund seines Alters nur noch wenig Zeit zur Ausübung seines Berufs als Anwalt bliebe.

Bei seinem Wiederzulassungsantrag habe er die Verurteilung nicht angegeben, weil er davon ausgegangen sei, dass diese nicht in ein Führungszeugnis einzutragende Verurteilung nicht angegeben werden müsse.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass einer Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft der Versagungsgrund des § 7 Nr. 5 BRAO nicht entgegensteht und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 22. August 2013 zu verpflichten, den Kläger zur Rechtsanwaltschaft zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, dass sie ihre Entscheidung nicht allein auf die Verurteilung des Klägers wegen Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung, sondern auch auf seine diesbezüglich falsche Angabe beim Antrag auf Wiederzulassung gestützt habe. Dabei habe es sich nicht nur um ein Verschweigen gehandelt, vielmehr habe der Kläger die entsprechende Frage mit €nein€ beantwortet und somit bewusst gelogen. Jede dieser beiden Verhaltensweisen reiche schon für sich aus, um die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen. Dabei sei insbesondere zu beachten, dass die strafrechtliche Verurteilung erst im Oktober 2012 erfolgt und somit bei der Antragstellung gerade ein halbes Jahr verstrichen gewesen sei. Zudem bagatellisiere der Kläger diese Verurteilung weiterhin, während gerade derartige Aussagedelikte die Rechtspflege in ihrem Kern beeinträchtigten und deshalb bei einer entsprechenden Verurteilung regelmäßig Unwürdigkeit für die Ausübung des Anwaltsberufs anzunehmen sei.

Die Akten der Staatsanwaltschaft B., 404 Js 17308/12 VRs, die Akten des Amtsgerichts W., 25 IN 162/11, sowie die Akten des Anwaltsgerichtshofs, AGH 11/04 = AnwZ(B) 20/05, haben vorgelegen. Aus den Akten der Staatsanwaltschaft B. ergibt sich, dass das Verfahren gegen den Kläger zunächst auch wegen Bankrotts geführt wurde, insoweit jedoch wegen des Vorwurfs der falschen eidesstattlichen Versicherung nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt wurde. In einem Verfahren beim Amtsgerichts W., 12 C 366/12, ist der Kläger durch Teilurteil vom 5. Juni 2013 zur Zahlung von 4.169,51 € an den 1. FC W. verurteilt worden. Es ging um die Frage, ob der Kläger vom 1. FC W. eine Bar gepachtet hatte. Der Kläger hat gegen das Teilurteil Berufung eingelegt, das Landgericht hat in der Sache am 10. Dezember 2013 verhandelt.

II.

Die Klage ist zulässig und in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang begründet. Dagegen ist die weitergehende Klage unbegründet.

Nach § 7 Nr. 5 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen, wenn der Bewerber sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, das ihn unwürdig erscheinen lässt, den Beruf eines Rechtsanwalts auszuüben.

Unwürdig ist insbesondere ein Verhalten, das sich in Straftaten zeigt, die sich gegen Rechtsgüter richten, die für die anwaltliche Berufsausübung von unmittelbarer Bedeutung sind, BGH BRAK-Mitt. 1998, 198. Dabei sind bei der Entscheidung alle erheblichen Umstände abzuwägen, wie etwa der Zeitablauf und die zwischenzeitliche Führung des Rechtsanwalts. Es ist einerseits das berechtigte Interesse des Bewerbers nach beruflicher und sozialer Wiedereingliederung gegen das Interesse der Öffentlichkeit, insbesondere der Rechtsuchenden, an der Integrität des Anwaltsstandes wertend abzuwägen, BGH NJW-RR 1998, 132, 133; BGH Beschluss vom 10. Juli 2000, AnwZ (B) 40/99; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2010, AnwZ (B) 116/09. Dabei muss unter Berücksichtigung der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG dem Interesse an einer beruflichen Wiedereingliederung des Antragstellers erhebliches Gewicht beigemessen werden, BGH BRAK-Mitt. 2000, 306, ebenso auch der Senat in einem Beschluss vom 19. November 2007, AGH 14/07. Eine Versagung der Zulassung setzt voraus, dass das vorausgegangene Verhalten des Antragstellers die Prognose zulässt, er werde zukünftig eine Gefährdung für wichtige Belange der Rechtspflege darstellen.

Die Beklagte stützt ihre Ablehnung auf die strafrechtliche Verurteilung des Klägers durch Strafbefehl wegen der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung am 26. Mai 2010. Die Richtigkeit solcher Versicherungen ist für die Rechtspflege von erheblicher Bedeutung. Der Kläger als Jurist kann sich auch nicht mit Erfolg damit verteidigen, dass ihm der Gerichtsvollzieher erklärt habe, er brauche die Konten ohne Guthaben bzw. mit verpfändeten Guthaben nicht anzugeben. Andererseits ergibt sich in dieser Sache aus den Strafakten, dass die falschen Angaben des Klägers in der eidesstattlichen Versicherung im Ergebnis auch für die Gläubiger des Klägers ohne Bedeutung waren. Hinsichtlich der Konten bei der I., der F. Sparkasse und der F. Bank bestätigt der Inhalt der Strafakten den Vortrag des Klägers. Allerdings gab es nach den Strafakten noch ein weiteres nicht angegebenes Konto bei der U. I. S. Bank AG. Dies wies ein Guthaben von 76,65 Euro per 12. Dezember 2011 auf, wobei der Bank die Pfändung dieses Kontos zugunsten des Landes Niedersachsen und zugunsten des Landes Brandenburg am 4. Juni 2010 angezeigt worden war. Auch dieses Konto hat somit für Vollstreckungsmöglichkeiten keine Rolle gespielt.

Weiter ist aus den Strafakten ersichtlich, dass der Kläger jedenfalls das Konto bei der U. I. Bank gegenüber dem Insolvenzverwalter - bei einer Besprechung am 1. Dezember 2011 - angegeben hatte.

Auch das Strafmaß von 40 Tagessätzen spricht dafür, dass das Amtsgericht nur von einer geringen Schuld ausgegangen ist. Ferner ist zugunsten des Klägers zu beachten, dass der Strafbefehl zwar erst am 21. September 2012 erlassen worden ist, die zugrunde liegende Tat aber am 25. Mai 2010 begangen wurde, somit bei Antragstellung drei Jahre zurücklag. Allein diese strafgerichtliche Verurteilung lässt den Kläger nicht als unwürdig erscheinen, den Beruf eines Rechtsanwalts auszuüben.

Daneben hat der Kläger in seinem Antrag auf Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft die Frage nach strafgerichtlichen Verurteilungen - wahrheitswidrig - verneint. Zwar ist es richtig, dass ein Strafbefehl über 40 Tagessätze nach § 32 Abs. 2 Ziffer 5 BZRG nicht in das Führungszeugnis aufgenommen wird, in dem vom Kläger auszufüllenden Fragebogen ist aber deutlich nicht nur nach in ein Führungszeugnis aufzunehmenden Verurteilungen, sondern nach allen Verurteilungen gefragt. Ferner enthält der Fragebogen den Hinweis, dass die Rechtsanwaltskammer gemäß §§ 36 Abs. 1 und 2 BRAO, 41 BZRG ein Recht auf uneingeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister hat, dies umfasst nach § 41 Abs. 1 BZRG auch Eintragungen, die in ein Führungszeugnis nicht aufgenommen werden. Weiter heißt es in dem Fragebogen, dass nur im BZR bereits getilgte Verurteilungen nicht angegeben werden müssten. Danach hätte der Kläger erkennen können und müssen, dass der Strafbefehl anzugeben war.

Da im Ergebnis die strafgerichtliche Verurteilung jedoch nicht geeignet war, dem Kläger die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu verweigern, lässt auch dieses mit der Antragstellung verbundene Fehlverhalten noch nicht die Prognose zu, der Kläger werde künftig eine Gefährdung für wichtige Belange der Rechtspflege darstellen.

Unter Berücksichtigung der Bedeutung des Grundrechts aus Artikel 12 GG reichen auch beide Verhaltensweisen zusammen noch nicht aus, dem Kläger nach § 7 Nr. 5 BRAO die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen.

Dies führt jedoch nicht dazu, dass die Beklagte nunmehr verpflichtet ist, den Kläger zur Rechtsanwaltschaft zuzulassen, denn § 7 BRAO verlangt eine Gesamtschau unter Berücksichtigung aller Umstände. Die Beklagte hat, da sie bereits die strafrechtliche Verurteilung und die falsche Angabe im Zulassungsantrag für ausreichend angesehen hat, die Zulassung zu verweigern, die sonstigen Verhältnisse des Klägers, insbesondere auch die wirtschaftliche Situation, nicht geprüft. Es fehlt auch an näheren Angaben zu der im Lebenslauf nicht aufgeführten Tätigkeit bei der Firma T. Kurierdienst.

Auf den Antrag des Klägers ist deshalb festzustellen, dass seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht allein wegen der strafrechtlichen Verurteilung durch das Amtsgericht W. vom 21. September 2012 und der falschen Angabe im Zulassungsantrag zu strafgerichtlichen Verurteilungen versagt werden kann. Die Beklagte ist unter Aufhebung ihres Bescheides vom 22. August 2013 zu verpflichten, den Antrag des Klägers auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Die weitergehende Klage ist jedoch abzuweisen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, 155 Abs. 1 VwGO, 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

Ein Anlass, die Berufung nach §§ 124 VwGO, 112 Abs. 1, 112 e BRAO zuzulassen, besteht nicht. Weder weist die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung. Ein Fall der Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist ebenfalls nicht gegeben.






AGH Celle:
Urteil v. 09.12.2013
Az: AGH 19/13, AGH 19/13 (II 11/15)


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