Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. April 2004
Aktenzeichen: 25 W (pat) 28/03

(BPatG: Beschluss v. 29.04.2004, Az.: 25 W (pat) 28/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. Oktober 2002 aufgehoben soweit die Marke 399 79 659 aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 399 29 134 gelöscht worden ist.

Der Widerspruch wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Für die am 18. April 2000 in das Markenregister für die Waren "Arzneimittel" eingetragene Bezeichnung KYTERA wird nach Beschränkung des Warenverzeichnisses in der mündlichen Verhandlung noch Schutz für die Waren "verschreibungspflichtige Arzneimittel, nämlich Atemwegstherapeutika" beansprucht. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 18. Mai 2000.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, am 8. Juli 1999 ua für die Waren "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege" eingetragenen Marke 399 29 134 KYTOSA deren Widerspruchsverfahren am 13. November 2001 abgeschlossen wurde.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat - noch ausgehend von dem unbeschränkten Warenverzeichnis der angegriffenen Marke "Arzneimittel" - eine Verwechslungsgefahr bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Ausgehend von einer teilweise möglichen Warenidentität, einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und den angesprochenen Endverbrauchern seien strenge Anforderungen an den Markenabstand zu stellen, welche die angegriffene Marke ihrem Gesamteindruck sowohl in klanglicher Hinsicht wegen der erheblichen am Wortanfang und im Schlussvokal bestehenden Übereinstimmungen als auch in schriftbildlicher Hinsicht aufgrund des übereinstimmenden Wortanfangs und Wortendes nach nicht einhalte.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke mit dem sinngemäßen Antrag, den angefochtenen Beschluss im angegriffenen Umfang aufzuheben und den Widerspruch aus der Marke 399 29 134 zurückzuweisen.

Entgegen der Annahme der Markenstelle sei eine Verwechslungsgefahr selbst im Bereich identischer Waren auszuschließen. Denn auch insoweit halte die angegriffene Marke noch in jeder Hinsicht einen ausreichenden Markenabstand zu der Widerspruchsmarke ein. Es handele sich um relativ kurze Markenwörter, die sich in zwei von drei Silben sowohl klanglich als auch schriftbildlich markant unterschieden, zumal die Abweichungen unmittelbar aufeinander folgten, so dass ein relevanter Bereich der Markenwörter sich klanglich und optisch völlig unterschiedlich darstelle. Selbst wenn man dieser Ansicht für den Bereich identischer Waren nicht ohne weiteres folgen wollte, so sei jedenfalls aufgrund der Aufnahme einer Rezeptpflicht in das Warenverzeichnis der angegriffenen Marke eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen, da nunmehr Fachkreise angesprochen seien.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Auszugehen sei von einer überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, da diese - anders als insbesondere im Arzneimittelbereich üblich - keine beschreibenden Elemente aufweise und ein Phantasiewort sei. Ferner sei zu berücksichtigen, dass sich die Marken auch auf identischen Waren begegnen könnten. Die Markenstelle habe deshalb zutreffend unter Berücksichtigung der großen klanglichen und schriftbildlichen Ähnlichkeit der Markenwörter eine Verwechslungsgefahr bejaht. Auch die Beschränkung des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke im Beschwerdeverfahren auf Atemwegstherapeutika sowie die Aufnahme einer Rezeptpflicht rechtfertige keine andere Bewertung. Denn unter Berücksichtigung der zu stellenden strengen Anforderungen an den Markenabstand und der hochgradigen Ähnlichkeit der Marken könne auch im Hinblick auf Fachkreise die Gefahr von Verwechslungen schriftbildlicher oder klanglicher Art nicht verneint werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss sowie die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Es besteht nach Auffassung des Senats jedenfalls unter Berücksichtigung der im Beschwerdeverfahren erfolgten Beschränkung des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke und der danach maßgeblichen Warenkonstellation und Verkehrskreise keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Der angefochtene Beschluss ist deshalb insoweit aufzuheben, als die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet worden ist, und der Widerspruch zurückzuweisen, §§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG.

1) Der Senat geht bei seiner Entscheidung von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus. Allein der Umstand, dass diese als Phantasiewort und nicht als sogenannte "sprechende Marke" gebildet ist, wie dies bei Arzneimittelmarken häufig der Fall ist, rechtfertigt nicht ohne weiteres eine andere Bewertung, auch wenn dieser Umstand nicht von vornherein ohne Bedeutung ist und in die Beurteilung der für die Kennzeichnungskraft einer Marke und ihres Schutzumfangs maßgeblichen Eigenschaften, welche diese von Haus aus besitzt, einzufließen hat. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass auch ein normaler Schutzumfang eine variable Größe mit einer relativ großen Bandbreite darstellt (vgl Ströbele/Hacker MarkenG 7. Aufl., § 9 Rdn 290 mwN) und ein darüber hinausreichender erweiterter Schutzbereich nicht bereits dadurch eröffnet wird, dass eine Marke aufgrund ihrer Bildung - wie hier zB als Phantasiewort - eine uneingeschränkte Unterscheidungseignung aufweist, sondern dass es hierzu regelmäßig besonderer sonstiger Umstände wie insbesondere einer gesteigerten Verkehrsbekanntheit bedarf (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 9 Rdn 288 und Rdn 297 mwN). Es kann dahinstehen, ob der Originalität einer Markenkreation als solcher grundsätzlich aus normativen Gründen keine Ausweitung des Schutzumfanges tragende Bedeutung zugebilligt werden kann und sich die Bedeutung des originären Grades der Kennzeichnungskraft für den Schutzumfang darin erschöpft, ihn im Vergleich zum Normalfall allenfalls zu reduzieren (so Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 14 Rdn 338). Denn auch nach Ansicht des Senats rechtfertigt jedenfalls der alleinige Umstand, dass sich ein Zeichen als Phantasiewort darstellt, keine Überschreitung der Bandbreite eines normalen Schutzumfanges.

2) Nach der vorliegend maßgeblichen Registerlage können sich die gegenüberstehenden Marken wegen des weiten Oberbegriffs "pharmazeutische Erzeugnisse" im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke auch nach der Beschränkung des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke auf identischen Waren "verschreibungspflichtige Arzneimittel, nämlich Atemwegstherapeutika" begegnen. Insoweit wirkt sich zugunsten der Inhaberin der angegriffenen Marke aber deutlich kollisionsmindernd die nunmehr im Warenverzeichnis festgeschriebene Rezeptpflicht aus. Denn als maßgebende Verkehrskreise stehen bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln Fachleute, insbesondere Ärzte und Apotheker, deutlich im Vordergrund (BGH GRUR 1993, 118, 119 - Corvaton / Corvasal; GRUR 1995, 50, 52 - Indorektal / Indohexal), was in gewissem Umfang auch bei nur einseitiger Rezeptpflicht gelten muss (vgl hierzu BGH MarkenR 1999, 154, 156 - Cefallone). Diese Fachleute sind aufgrund ihrer beruflichen Praxis und Erfahrung im Umgang mit Arzneimitteln sehr sorgfältig und unterliegen daher Markenverwechslungen weitaus weniger als Endverbraucher (vgl hierzu auch; BGH MarkenR 2000, 138, 139 - Ketof / ETOP; BPatG Pharma Recht 2000, 217, 219 - Taxanil), was nicht nur der klanglichen, sondern auch der bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln im Vordergrund stehenden schriftlichen Verwechslungsgefahr verwechslungsmindernd entgegenwirkt (vgl BPatGE 44, 33 - ORBENIN).

Wenngleich hierdurch weder Markenbenennungen durch weniger geschulte medizinische Hilfskräfte oder durch Laien völlig ausgeschlossen werden können (vgl BGH GRUR 1998, 815, 817 - Nitrangin), so sind diese doch sehr deutlich reduziert. Im übrigen ist auch bei Laien grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen (vgl zum geänderten Verbraucherleitbild BGH MarkenR 2002, 124, 127 - Warsteiner III - mit weiteren Hinweisen; EuGH MarkenR 2002 , 231, 236 - Philips/Remington), der allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, sogar eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal / Indohexal).

3) Unter Berücksichtigung dieser Umstände genügt die jüngere Marke noch den an die Einhaltung eines ausreichenden Markenabstandes zu stellenden Anforderungen, auch wenn es sich fast schon um einen Grenzfall handeln mag. Nach Auffassung des Senats ist die Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu verneinen.

So weisen die wie "kytera" und "kytosa" gesprochenen, klanglich gut überschaubaren und relativ kurzen Markenwörter wegen der markanten vokalischen Abweichung in der Mittelsilbe und des sich anschließenden unterschiedlichen Anlauts der Schlusssilbe nach Auffassung des Senats im jeweiligen klanglichen Gesamteindruck noch eine ausreichende Differenzierung auf, auch wenn im Lautbestand und im Sprechrhythmus nicht unbeachtliche Gemeinsamkeiten bestehen und zu berücksichtigen ist, dass die Auffassung des Verkehrs eher von einem undeutlichen Erinnerungsbild bestimmt wird (st Rspr - vgl EuGH MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd / Loints). Insoweit darf allerdings auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass wegen der hier im Vordergrund stehenden Fachkreise die Bedeutung einer klanglichen Verwechslungsgefahr von vorneherein reduziert ist.

Noch etwas knapper sieht der Senat die Entscheidung im Vergleich der Schriftbilder, wobei sich wiederum die oft eher undeutliche handschriftliche Wiedergabe als besonders kritisch erweisen kann. Wenn diese auf dem Arzneimittelbereich wegen der möglichen handschriftlichen Rezeptur auch neben der drucktechnischen Wiedergabe in Groß- und Kleinschreibung durchaus als verkehrsübliche Wiedergabeform einzubeziehen ist, so ist andererseits zu beachten, dass die handschriftliche Rezeptur wegen der heute vorhandenen EDV Ausstattung in Arztpraxen und auch in Krankenhäusern nur noch in sehr reduziertem Umfang erfolgt und weiter an Bedeutung verliert. Die handschriftliche Wiedergabe besitzt danach für die Beurteilung der schriftbildlichen Verwechslungsgefahr nur noch eine stark eingeschränkte Bedeutung (vgl auch BPatGE 43, 108, 113-114 - Ostex/OSTARIX; BPATGE 44, 33, - ORBENIN mwN), wobei im übrigen der Beurteilung der Markenähnlichkeit nur eine normal leserliche Schrift zugrunde zu legen ist (vgl BPatGE 43, 108, 113-114 - Ostex/OSTARIX; Ströbele/Hacker, Markenrecht, 7. Aufl., § 9 Rdn 211).

Wenn danach vorliegend der gedruckten Wiedergabe der Marken von vornhinein eine wesentlich größere Bedeutung für die Beurteilung einer Verwechslungsgefahr zukommt, so bleiben nach Auffassung des Senats auch unter angemessener Berücksichtigung der verbleibenden Fälle einer Verwechslungsgefahr aufgrund handschriftlicher Wiedergabe die in der abweichenden Kontur der aufeinanderfolgenden Buchstaben "ER" zu "OS" bzw "er" zu "os" begründeten Markenunterschiede nicht unerkannt. Diese reichen aber auch im Gesamteindruck der Wörter und aus der Erinnerung heraus aus, einer relevanten Verwechslungsgefahr entgegenzuwirken, zumal das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort und es sich hier auch um gut überschaubare, relativ kurze Markenwörter handelt. Eine Verwechslungsgefahr ist deshalb auch in schriftbildlicher Hinsicht zu verneinen.

Ebenso sieht der Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass die angesprochenen Verkehrskreise, insbesondere die im Vordergrund stehenden Fachkreise , die Marken gedanklich miteinander in Verbindung bringen, da diese keine strukturellen Gemeinsamkeiten aufweisen, welche Anlass für eine gemeinsame betriebliche Zuordnung der Marken sein könnten (vgl hierzu Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 9 Rdn 454 ff mwN).

Nach alledem war auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke der angefochtene Beschluss aufzuheben, soweit die angegriffene Marke auf Grund des Widerspruchs aus der Marke 399 29 134 gelöscht worden ist, und der Widerspruch aus dieser Marke zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs 1 MarkenG.

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BPatG:
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Az: 25 W (pat) 28/03


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