Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Juni 2006
Aktenzeichen: 29 W (pat) 35/04

(BPatG: Beschluss v. 07.06.2006, Az.: 29 W (pat) 35/04)

Tenor

Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 16 vom 7. September 2001 und vom 5. November 2003 werden aufgehoben, soweit die Löschung der Marke Nr. 398 64 581 für die Waren und Dienstleistungen "Druckereierzeugnisse; Lehr- und Unterrichtsmittel; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" angeordnet wurde.

Gründe

I.

Gegen die am 2. Juni 1999 veröffentlichte Eintragung der Wort-/Bildmarke Nr. 398 64 581 Wort-/Bildmarke Nr. 398 64 581 für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 16 und 42

"Papier; Pappe, Druckereierzeugnisse, Fotografien, Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten, Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung"

ist (1.) Widerspruch eingelegt worden aus der prioritätsälteren Wortmarke Nr. 1 056 366 GENESYS eingetragen am 25. November 1983 für die Waren und Dienstleistungen 9, 16, 42

"auf Datenträger gespeicherte Computerprogramme (Software) und Datenbänke, Erstellung, Pflege und vertragsweise Überlassung von Computerprogrammen und -programmsystemen; Erstellen von EDV-Systemanalysen sowie Prüfung von EDV-Systemen; Datenerfassung sowie Verarbeitung von maschinell erfassten Daten für andere; technische Beratung und gutachterliche Tätigkeit auf dem Gebiet der EDV; Dienstleistungen eines Ingenieurs; Druckschriften, Zeitungen, Zeitschriften, Bücher und Drucksachen, insbesondere auf dem Gebiet der Datenverarbeitung; Schriften in Form von EDV-Ausdrucken, programmierbare Datenträger in Form von Lochkarten, Lochstreifen, gedruckten Listen und Broschüren"

und (2.) aus der prioritätsälteren Wortmarke Nr. 1 175 052 GENESYS eingetragen am 16. April 1991 für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 41, 42

"Schiffahrts-, Vermessungs-, elektronische, fotografische, Film-, optische, Wäge-, Meß-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente, wissenschaftliche Apparate und Instrumente für die Forschung in Laboratorien; Apparate und Instrumente für die Starkstromtechnik, nämlich für die Leitung, Umwandlung, Speicherung, Regelung und Steuerung; Registrierkassen und Rechenmaschinen; Datenverarbeitungsgeräte und Computer, sowie Geräte für die Datenerfassung, -übertragung und -speicherung sowie deren Teile, aus den vorgenannten Geräten zusammengestellte Anlagen; Apparate und Instrumente für die Schwachstromtechnik, nämlich für die Nachrichten-, Hochfrequenz- und Regelungstechnik, insbesondere Geräte und Apparate zur drahtgebundenen Nachrichtenübertragung einschließlich der über Glasfasern, zur nichtdrahtgebundenen Nachrichtenübertragung und zur Nachrichtenvermittlung, insbesondere auch für die Vermittlungsämter sowie aus vorgenannten Geräten und Apparaten bestehende Anlagen; Fernsprechnebenstellenanlagen, Fernsprechgeräte und -apparate, Faksimile-Geräte und Geräte für die Fernsehtelefon- und Telekopieübertragung sowie Teile solcher Anlagen, Geräte und Apparate; Halbleiterbauteile; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild, Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; elektronische Geräte und Apparate zur experimentellen und kommerziellen Sprachsynthese und -analyse; elektrische Kabel und Leitungen sowie Verbindungen hierfür; optische Fasern und Lichtleiter und Verbindungen hierfür; Kontroll-, Signal- und Alarmgeräte sowie daraus zusammengestellte Anlagen, insbesondere Bahn- und Zielverfolgungs- und Leitgeräte sowie Teile der vorgenannten Geräte; Meß- und Prüfgeräte sowie daraus zusammengestellte Anlagen, insbesondere Bahn- und Zielverfolgungs- und Leitgeräte sowie Teile der vorgenannten Geräte; Meß- und Prüfgeräte sowie daraus zusammengestellte Anlagen; optische Apparate und Instrumente sowie deren Teile; Radargeräte und Schallortungsgeräte sowie deren Teile, aus den vorgenannten Geräten zusammengestellte Anlagen; auf Datenträgern aufgezeichnete Computerprogramme und Datenbanken; Programmdokumentationen, Bedienungsanleitungen und Handbücher, Schulungsunterlagen; Druckschriften, Zeitungen, Zeitschriften, Bücher und Drucksachen, insbesondere auf dem Gebiet der Datenverarbeitung; Schriften in Form von EDV-Ausdrucken; programmierbare Datenträger in Form von Lochkarten, Lochstreifen, gedruckten Listen und Broschüren; Ausbildung, Fortbildung und Schulung Dritter auf dem Gebiet der EDV; Veröffentlichung und Herausgabe von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften auf dem Gebiet der EDV; Entwicklung, Erstellung und Vermietung von Datenverarbeitungsprogrammen und Datenbanken; Erstellen von EDV-Systemanalysen sowie Prüfung von EDV-Systemen; Datenerfassung sowie Verarbeitung von maschinell erfassten Daten für andere; technische Beratung und gutachterliche Tätigkeit auf dem Gebiet der EDV; Dienstleistungen eines Ingenieurs und eines Programmierers; Vermietung von Datenverarbeitungsanlagen".

Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat auf die Widersprüche aus den Marken Nr. 1 056 366 und Nr. 1 175 052 mit Beschluss vom 7. September 2001 die angegriffene Marke teilweise gelöscht, nämlich für die Waren und Dienstleistungen "Druckereierzeugnisse; Lehr- und Unterrichtsmittel; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung". Die Erinnerung gegen diesen Beschluss wurde durch weiteren Beschluss vom 5. November 2003 zurückgewiesen. Im Erstbeschluss hat die Markenstelle die Auffassung vertreten, die Widerspruchsmarken seien für "Computersoftware, Gebrauchsanweisungen und Handbücher für computergesteuerte Telekommunikations- und Telefonanlagen" rechtserhaltend benutzt. Damit bestehe enge Ähnlichkeit zu den gelöschten Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke. Unterstelle man eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken, bestehe zwar keine unmittelbare Verwechslungsgefahr, da dem Wortbestandteil "genesis" wohl keine markenrechtlich selbständig kollisionsbegründende Bedeutung zukomme. Allerdings sei die Gefahr von mittelbaren Verwechslungen wegen eines gedanklichen Inverbindungbringens gegeben. "GENESYS" sei nicht nur Marke der Widersprechenden, sondern auch seit 1979 Firmenkennzeichen derselben. Zudem verfüge sie neben den beiden verfahrensgegenständlichen Marken "GENESYS" über eine weitere Marke desselben Namens und eine Marke "GENESYS COMCP/M". Die Erinnerung gegen diesen Beschluss wies die Markenstelle mit der Begründung zurück, es bestehe unmittelbare Verwechslungsgefahr, da dem Wortbestandteil "genesis" der jüngeren Marke eine den Gesamteindruck prägende selbständig kollisionsbegründende Bedeutung zukomme. Der Bestandteil "World" entwickle daneben keine eigene Bedeutung. Damit bestehe klangliche Identität.

Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Markeninhaberin vom 15. Dezember 2003. Sie hat ihre Beschwerde nicht begründet.

Die Markeninhaberin und Beschwerdeführerin beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. September 2001 und vom 5. November 2003 aufzuheben, soweit die Löschung angeordnet wurde.

Die Widersprechende und Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die gem. § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde ist begründet.

Nach Auffassung des Senats besteht bei den sich gegenüberstehenden Marken nicht die Gefahr von Verwechslungen gem. §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

1. Die Frage der Verwechslungsgefahr ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Von maßgebender Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von den Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke und - abhängig davon - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in Betracht zu ziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (st. Rspr.; EuGH GRUR 1998, 387 - Sabl/Puma; GRUR Int. 1998, 875, 876 f. - Canon; BGH GRUR 2002, 167 - Bit/Bud m. w. N.; GRUR 2004, 598, 599 - Kleiner Feigling; GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder).

1.1. Die Frage der von der Inhaberin der angegriffenen Marke zulässig nach § 43 Abs. 1 MarkenG bestrittenen Benutzung der seit dem 25. November 1983 und 16. April 1991 eingetragenen Widerspruchsmarken kann dahingestellt bleiben. Denn auch wenn man zugunsten der Widersprechenden eine gem. §§ 43 Abs. 1, 26 MarkenG rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarken in den gem. § 43 Abs. 1 S. 1 und 2 MarkenG maßgeblichen Zeiträumen unterstellt und bei der Entscheidung über die von der Markenstelle gelöschten Waren und Dienstleistungen von allen für die Widerspruchsmarke eingetragenen Waren und Dienstleistungen ausgeht, ist eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr zu verneinen.

1.2. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs die Umstände zu berücksichtigen, die das Verhältnis der sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen kennzeichnen. Zu den maßgeblichen Kriterien gehören insbesondere die Art, der Verwendungszweck und die Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. Eine die Verwechslungsgefahr begründende Ähnlichkeit liegt dann vor, wenn das Publikum aufgrund der Branchenübung im maßgeblichen Waren- und Dienstleistungssektor annimmt, dass die Waren oder Dienstleistungen aus demselben oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 922 Rn. 23 - Canon; BGH WRP 2004, 357, 359 - GeDIOS; GRUR 1999, 731, 732 - Canon II; GRUR 1999, 586, 587 - White Lion).

Bezüglich der Dienstleistung "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" der angegriffenen Marke besteht Dienstleistungsidentität zur Widerspruchsmarke Nr. 1 175 052, die in ihrem Verzeichnis "Entwicklung, Erstellung und Vermietung von Datenverarbeitungsprogrammen und Datenbanken" enthält. Unterstellt man, dass die Herausgabe von "Informationsbroschüren" eine rechtserhaltende Benutzung der Marke Nr. 1 056 366 für "Druckschriften, ... und Drucksachen, insbesondere auf dem Gebiet der Datenverarbeitung" ist, obwohl es sich jeweils nur um das Inverkehrbringen von eigenen Broschüren der Widersprechenden für die eigene Ware, nicht aber um die Herstellung von Druckschriften "für Dritte" handelt, besteht engste Ähnlichkeit zu den "Druckereierzeugnissen" der jüngeren Marke. Enge Ähnlichkeit besteht im Übrigen zwischen den "Schulungsunterlagen" der Widerspruchsmarke und den "Lehr- und Unterrichtsmitteln" der angegriffenen Marke.

Damit ist davon auszugehen, dass sich die Vergleichsmarken auf eng ähnlichen Waren oder Dienstleistungen begegnen können und die Vergleichsmarken einen entsprechend weiten Abstand einhalten müssen.

1.3. Die Kennzeichnungskraft eines Zeichens ist stets produkt- bzw. dienstleistungsbezogen festzustellen, da sie je nach Ware oder Dienstleistung für die das Zeichen eingetragen ist, unterschiedlich sein kann (BGH GRUR 2004, 235, 237 - Davidoff II; GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder). Mangels entgegenstehender Umstände ist dabei regelmäßig von einer originär durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarken auszugehen. Da keine Anhaltspunkte für eine Schwächung oder Steigerung der originären Kennzeichnungskraft bei den verfahrensgegenständlichen Widerspruchsmarken ersichtlich sind, verbleibt es bei einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft. Die bloße Angabe der Umsatzzahlen in den Benutzungsunterlagen rechtfertigt für sich allein noch nicht die Annahme einer hohen Bekanntheit der Widerspruchsmarken. Die Vergleichszeichen müssen damit nach wie vor einen weiten Abstand einhalten.

1.4. Die Ähnlichkeit von Wortzeichen ist nach Klang, Schriftbild und Sinngehalt anhand des Gesamteindrucks der Marken zu beurteilen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Das angesprochene Publikum nimmt Marken regelmäßig in der Form auf, in der sie ihm entgegentreten ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen, mit der Folge, dass auch beschreibenden Angaben entnommene Bestandteile den Gesamteindruck mitprägen. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen wirkt (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042, 1044 - THOMSON LIFE; BGH GRUR 1999, 735, 736 - MONOFLAM/POLYFLAM; GRUR 2004, 783, 784 - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX). Auszugehen ist weiter von dem Grundsatz, dass sich der Verkehr bei einer aus Wortbestandteilen und grafischen Elementen zusammengesetzten Marke in der Regel an den Wortelementen als der einfachsten Form der Benennung orientiert (vgl. BGH GRUR 2002, 167, 169 - Bit/Bud; GRUR 2004, 778, 779 - URLAUB DIREKT).

1.4.1. Es stehen sich vorliegend somit die Zeichenund "GENESYS" gegenüber.

Unmittelbar sind diese Zeichen weder klanglich, schriftbildlich noch begrifflich zu verwechseln, da sie sich deutlich durch ihre grafische Ausgestaltung und durch die Wortlänge unterscheiden.

Bei mehrgliedrigen Zeichen kann der Gesamteindruck allerdings durch einzelne Bestandteile geprägt werden. Dies setzt jedoch voraus, dass die anderen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck des Zeichens nicht mitbestimmen (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2004, 598 - Kleiner Feigling; GRUR 2004, 865, 866 - Mustang). Der EuGH sieht es dabei als "Normalfall" an, bei komplexen Marken nicht nur einen Bestandteil zu berücksichtigen (Mitt. 2005, 511 ff. - Rn. 29 - THOMSON LIFE).

Für die angegriffene Marke gilt insoweit, dass der Bestandteil "THE NEW OFFICE DIMENSION" zum einen sehr lang und zum anderen sehr klein geschrieben ist, so dass der Verkehr - sofern er ihn optisch überhaupt wahrnimmt - wegen der Neigung zur - die Aussprechbarkeit erleichternden - Verkürzung die jüngere Marke als "genesisworld" bezeichnen wird. Eine weitere Verkürzung auf "genesis" scheidet allerdings nach Auffassung des Senats aus. Es handelt sich bei "genesisworld" um einen einheitlichen Gesamtbegriff, der in Bezug auf die angegriffenen Waren und Dienstleistungen ("Druckereierzeugnisse, Lehr- und Unterrichtsmittel und Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung") nicht beschreibend ist. Selbst bei einer - nicht gebotenen - analytisch zergliedernden Betrachtung weisen weder "genesis" noch "world" eine im Vordergrund stehende Sachangabe für die genannten Waren und Dienstleistungen auf. Anders als diverse andere Entscheidungen zur Schutzfähigkeit derartiger Kombinationsbegriffe, die mit "-world" gebildet sind, fehlt "genesisworld" der Inhaltsbezug zu den genannten Waren und Dienstleistungen. In der Entscheidung "rheumaworld" (BPatG GRUR 2003, 1051) hat der Senat ausgeführt, dass es sich lediglich um eine "Etablissementbezeichnung" für virtuelle oder tatsächliche Verkaufsstätten handle, in denen der Verkehr typischerweise ein Angebot an Waren und Dienstleistungen zum Thema "Krankheit und Rheuma" erwarte. Dementsprechend erwartet der Verkehr bei "SNOW WORLD" (BPatG 32 W (pat) 259/99) Waren und Dienstleistungen, die zur Verwendung im Schnee bestimmt sind. "Woman's World" in der Übersetzung "Welt der Frau" ist ein Synonym für alle Waren und Dienstleistungen, die sich mit frauenspezifischen Themen an die Zielgruppe "Frau" richten (BPatG 32 W (pat) 193/03). Ebenso entschieden wurden die Verfahren, in denen statt dem englischen Begriff "-world" das deutsche Wort "-welt" in der Zusammensetzung verwendet wird. Auch die "Tabakwelt" (BPatG 24 W (pat) 256/03) beschränkt sich als sachbezogene Aussage auf eine virtuelle oder tatsächliche Vertriebsstätte, in der Waren und Dienstleistungen rund um Tabak und Tabakwaren zu erwerben sind. In den vorgenannten Kombinationsmarken wird die jeweilige "Welt" durch das voranstehende deskriptive Nomen konkret beschrieben, so dass der Verbraucher eine Vorstellung hat, welche Ware oder Dienstleistung ihn in dem "Etablissement" erwartet. Anders liegt der Fall jedoch bei

.

Der Verkehr erwartet keine Vertriebsstätte in der es "genesis" gibt, und hat daher keine Veranlassung, diesen Gesamtbegriff auf "genesis" zu verkürzen. "Genesis" ist (1.) das Werden, Entstehen, Ursprung oder (2.) das 1. Buch Mose mit der Schöpfungsgeschichte (Duden - Das Fremdwörterbuch, 8. Aufl. Mannheim 2005 [CD-ROM]). Im Hinblick auf die angegriffenen Waren und Dienstleistungen "Druckereierzeugnisse; Lehr- und Unterrichtsmittel; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" wird er deshalb auch nicht zur Verkürzung dieses Gesamtbegriffs neigen und den Begriff "-world" weglassen. Der Wortbestandteil "-world" ist im Übrigen im Hinblick auf die o. g. Waren und Dienstleistungen seinerseits allein nicht beschreibend, sondern wird es erst mit einem geeigneten Substantiv, weshalb er in der vorliegenden Zusammensetzung gerade nicht so in den Hintergrund tritt, dass er den Gesamteindruck des Zeichens nicht mitbestimmen würde.

1.4.2.1. Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr dahin gehend, dass die angegriffene Marke im Verkehr gedanklich unter dem Gesichtspunkt einer Serienzeichenbildung mit den Widerspruchsmarken in Verbindung gebracht werden könnte (BGH GRUR 2002, 542, 544 - BIG; GRUR 2002, 544, 547 - BANK24), besteht nicht. Für die Annahme einer solchen Art der Verwechslungsgefahr ist grundsätzlich Zurückhaltung geboten, da nicht jede mögliche assoziative Verbindung rechtlich relevant ist. Die Rechtsprechung fordert einen besonders hohen Grad an Ähnlichkeit der Stammbestandteile, da sich die Verkehrskreise, die sich mit dem jeweiligen Zeichen befassen, über Zeichenabwandlungen durchaus Gedanken machen (BGH GRUR 2000, 886, 888 - Bayer/BeiChem). Ein gedankliches Inverbindungbringen kann deshalb nur dann angenommen werden, wenn die Vergleichszeichen nicht unmittelbar verwechselbar sind, jedoch in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens sieht und deshalb weitere Bezeichnungen, die einen identischen oder wesensgleichen Stamm aufweisen, demselben Markeninhaber zuordnet. Für einen Stammcharakter kann u. a. die Gewöhnung des Verkehrs durch Benutzung einer entsprechenden Zeichenserie sprechen. Dabei kann nicht von einer "Zeichenserie" ausgegangen werden, wenn - wie hier - dasselbe Zeichen - mit jeweils unterschiedlichem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis - dreimal im Register eingetragen ist. Die Widersprechende hat drei Marken mit den Nr. 1 175 052; Nr. 1 076 990 und Nr. 1 056 366 für sich eingetragen, die jeweils alle das gleiche Markenwort, nämlich "GENESYS", betreffen. Ebenso wenig wie bei einer erkennbaren Übersetzung einer Marke in die englische Sprache (BGH GRUR 1999, 241 - STEPHANSKRONE II) liegt für den Verkehr dann nämlich die Annahme nahe, es handele sich um eine Serie, wenn dreimal dieselbe Marke - mit diversifiziertem Verzeichnis - eingetragen ist. Der Verkehr, der eine Marke optisch oder akustisch aufnimmt, kennt nämlich in der Regel die zugrunde liegende registerrechtliche Eintragung nicht, und weiß daher auch nicht, für welche Waren und Dienstleistungen eine Marke eingetragen ist. Die Widersprechende verfügt allerdings noch über eine weitere Eintragung unter Nr. 1 061 259, bei der das Markenwort auf "GENESYS COMCP/M" lautet. Gegen einen - für das Publikum erkennbaren - Stammcharakter spricht bei dieser Marke allerdings, dass die jüngere Marke durch eine abweichende Zeichenbildungsstruktur nicht in die "Serie" passen würde. Einerseits wird die jüngere Marke als einheitlicher Gesamtbegriff und nicht in zwei Worten gebildet. Andererseits ist der zweite Markenbestandteil der angegriffenen Marke begrifflich verständlich, wohingegen "COMCP/M" eine Aneinanderreihung von Buchstaben darstellt, deren Bedeutung sich allenfalls einem Fachverkehr erschließt. Eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens ergibt sich weiterhin schon wegen der unterschiedlichen Schreibweise von "GENESYS" und "genesis" nicht.

1.4.2.2. Auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne, bei der das Publikum zwar die Unterschiede zwischen den Zeichen erkennt, aber wegen ihrer teilweisen Übereinstimmung wirtschaftliche oder organisatorische Verflechtungen zwischen den Zeicheninhabern annimmt, besteht nicht. Dies setzt voraus, dass sich die Widerspruchsmarke allgemein zu einem Hinweis auf das Unternehmen der Widersprechenden entwickelt hat, was insbesondere dann anzunehmen ist, wenn die Widerspruchsmarke zugleich das Firmenschlagwort ist (BGH GRUR 2004, 779, 783 - Zwilling/Zweibrüder). "GENESYS" ist zwar Teil der Firmenbezeichnung der Widersprechenden. Die jüngere Marke hat allerdings nicht die Widerspruchsmarken "GENESYS" in ihr Markenwort integriert, sondern den Begriff "genesis". Das Firmenschlagwort der Widersprechenden ist damit nicht Bestandteil der jüngeren Marke. Schriftbildlich kann deshalb eine erweiterte Verwechslungsgefahr aufgrund des Firmenschlagworts ausgeschlossen werden. Der restriktiv auszulegende Anwendungsfall der Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn kann im Übrigen nur gelten, wenn das Firmenschlagwort in der richtigen Schreibweise in der jüngeren Marke Verwendung findet. Aber selbst wenn man davon ausginge, dass eine klangliche Übereinstimmung im Firmenschlagwort - bei unterschiedlicher Schreibweise - ausreicht, besteht vorliegend nicht die Gefahr von Verwechslungen. Aufgrund der unterschiedlichen Schreibweise der jeweiligen Wortbestandteile kann es bei Teilen der Verkehrskreise zu abweichender Aussprache kommen. In der englischen Sprache wird der Begriff "Entstehung", "Genese" - wie im Deutschen - in der Schreibweise mit "i", also "genesis" verwendet und [dschenisis] ausgesprochen (Collins, Globalwörterbuch Englisch, 1. Aufl. 2001, Band 1, S. 515). "GENESYS" ist lexikalisch nicht nachweisbar, hat als Phantasiewort in der Schreibweise mit "y" allerdings deutliche Bezüge zu "system" und könnte grundsätzlich auch [dschi:n'sis] ausgesprochen werden.

Insgesamt ist daher weder von einer unmittelbaren noch von einer mittelbaren Verwechslungsgefahr der Vergleichszeichen auszugehen, so dass der Abstand zwischen der jüngeren und der älteren Marke trotz einer Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken ausreichend ist.

2. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG).

3. Ein Ausspruch im Tenor zur Zurückweisung des Widerspruchs ist nicht veranlasst, denn das Bundespatentgericht ist in seinem Verfahren gehalten, lediglich die Rechtmäßigkeit des exekutiven Handelns des Deutschen Patent- und Markenamts als Verwaltungsbehörde bei der Entstehung von Schutzrechten in der Form der von ihm erlassenen Beschlüsse zu prüfen (a. A. zum patentrechtlichen Beschwerdeverfahren BGH GRUR 1969, 562, 563 - Appreturmittel; GRUR 1995, 333 ff. - Aluminium-Trihydroxid). In diesem Rahmen prüft es auch die materiellrechtlichen Voraussetzungen des Erfolgs oder der Zurückweisung des Widerspruchs durch die Behörde. Das Gericht ist jedoch aufgrund des Gewaltenteilungsprinzips selbst nicht befugt über bei der Exekutive zu stellende Anträge, über die zu entscheiden allein dieser als gesetzlich zuständiger Behörde zukommt, zu befinden.

Hebt das Gericht die Entscheidung der Behörde auf, so liegt darin bereits die materiellrechtliche Prüfung des Widerspruchs, d. h. dass hier dem Widersprechenden kein subjektives Recht aus seiner Marke zusteht, die Schutzerteilung an einen Anderen verhindern zu können, wie rechtswidrig vom Deutschen Patent- und Markenamt angenommen. Aus der Bindung der vollziehenden Gewalt nach Art. 20 Abs. 3 GG auch an Richterrecht (BVerfGE 34, 269, 291) ergibt sich damit inzident die Zurückweisung des Widerspruchs, ohne dass das Gericht die Anweisung an die Behörde aussprechen müsste, den Widerspruch explizit zurückzuweisen. Da Deutsches Patent- und Markenamt und Bundespatentgericht auch nicht als im Verhältnis eines Instanzenzuges zueinander stehend angesehen werden können, wie sich u. a. z. B. auch aus § 72 Abs. 2 MarkenG ergibt - andernfalls müsste § 41 Nr. 6 ZPO anwendbar sein - (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 72 Rn. 8), war der Ausspruch zur Zurückweisung des Widerspruchs auch nicht im Sinne der "vorangegangenen Entscheidung in der Instanz" (§§ 511 Abs. 1, 542 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen. Das bundespatentgerichtliche Verfahren ist in ständiger Rechtsprechung ein Amtsverfahren, d. h. es gilt der Amtsermittlungsgrundsatz, mit Ausnahme des kontradiktorischen Verfahrens beim Einwand der Nichtbenutzung und eingeschränkt bei Feststellung der Kennzeichnungskraft. Selbst wenn daher im Rubrum des Gerichts bei Widerspruchsbeschwerdeverfahren Markeninhaber und Widersprechender als einander gegenüberstehende Beteiligte dargestellt sind, so mag dies historische Gründe bei der Schaffung des Gerichts im Jahre 1961 gehabt haben. Das Verfahren bleibt jedoch seinem materiellrechtlichen Charakter nach dennoch eines der Kontrolle der Exekutive durch die Judikative.






BPatG:
Beschluss v. 07.06.2006
Az: 29 W (pat) 35/04


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