Landgericht Köln:
Urteil vom 22. September 2005
Aktenzeichen: 31 O 205/05

(LG Köln: Urteil v. 22.09.2005, Az.: 31 O 205/05)

Tenor

1.

Die Beklagten zu werden verurteilt, es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs wie nachfolgend wiedergegeben in der Bundesrepublik Deutschland ohne behördliche Erlaubnis Sportwetten anzubieten und/oder zu bewerben:

- Es folgt eine neunseitige Darstellung der Werbedarstellung. -

2.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dieser seit dem 01.11.2004 aus den in Ziffer 1. beschriebenen Handlungen in Nordrhein-Westfalen bereits entstanden ist oder künftig noch entstehen wird.

3.

Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über die Umsätze, die mit oder aufgrund von Handlungen nach Ziffer 1. seit dem 01.11.2004 in Nordrhein-Westfalen erzielt wurden.

4.

Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt:

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen diese zu 7,5 % und im übrigen die Beklagten gesamtschuldnerisch, die auch ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben.

5.

Das Urteil ist wie folgt vorläufig vollstreckbar:

- hinsichtlich der Unterlassung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000 Euro

- hinsichtlich der Auskunft gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000 Euro

- hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin organisiert und veranstaltet im Gebiet des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen mit behördlicher Erlaubnis eine Vielzahl von Glücksspielen, insbesondere die Sportwette ODDSET. Die Veranstaltung von ODDSET findet in Abstimmung mit den übrigen 15 Landeslotteriegesellschaften statt, die jeweils für ihr Bundesland über die erforderlichen Genehmigungen verfügen. Der Jahresumsatz beträgt derzeit ca. 460 Mio. Euro, die jährlichen Werbeaufwendungen belaufen sich auf knapp 5 Mio. Euro.

Die Beklagte zu 1) ist eine Gesellschaft österreichischen Rechts mit Sitz in X. Der Beklagte zu 2) ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1). Die Beklagte zu 1) betreibt unter den Internetseiten www.T.de, www.T.com und www.F.com als Wettveranstalter einen Online-Dienst in deutscher Sprache, der den Nutzern die entgeltliche Teilnahme an T unterschiedlicher Art, u. a. aus den Bereichen Fußball, Boxen, Motorsport, Tennis, Hunderennen und Basketball ermöglicht.

Inhaberin der Domain www.T.de ist die in Liquidation befindliche Beklagte zu 5), deren Liquidator der Beklagte zu 6) ist. Letzterer fungiert darüberhinaus als AdminC für die besagte Domain. Inhaber der Domain www.T.com ist ein Herr T, der bis zur Teilklagerücknahme Beklagter zu 7) war. Die Beklagte zu 3), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 4) ist, tritt unter allen drei Internetdomains www.T.de, www.T.com und www.F.com als "Technischer Dienstleister" auf.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sich das Wettangebot unter allen drei Internetdomains, so wie es in der Abfolge im Tenor wiedergegeben ist, auch an Spieler aus der Bundesrepublik Deutschland richtet. Der Internetauftritt ist in deutscher Sprache gehalten, im Registrierungsformular ist durch das sog. Drop-Down-Menü Deutschland als Herkunftsstaat standardmäßig vorgegeben, des weiteren wird eine Bankverbindung für Deutschland angegeben. Ebenfalls unstreitig verfügt die Beklagte zu 1) in Deutschland über keine Genehmigung für die Veranstaltung von Wetten.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagten bei dem Angebot und der Bewerbung der im Klageantrag umschriebenen T wettbewerbswidrig gem. § 3, 4 Nr. 11 UWG handeln, weil die Beklagte zu 1) als Wettveranstalterin mangels Genehmigung in Deutschland unerlaubte Glücksspiele im Sinne der §§ 284, 287 StGB betreibe. Auf eine der Beklagten zu 1) erteilte Bewilligung österreichischer Behörden komme nicht an, weil und soweit ihr Wettangebot auch auf das Gebiet Deutschlands ausgerichtet sei.

Für den Rechtsverstoss der Beklagten zu 1) seien auch alle anderen Beklagten mitverantwortlich, weil sie als Teilnehmer anzusehen seien. Sie hafteten als diejenigen, die in Arbeitsteilung mit den Beklagten zu 1) und 2) die einschlägigen Domains zur Verfügung stellten bzw. diese technisch betreuten.

Nachdem die Klägerin vor dem Termin vom 01.09.2005 die Klage gegen den Beklagten zu 7), dem die Klage nicht zugestellt werden konnte, zurückgenommen hat, beantragt sie nunmehr,

wie erkannt.

Die Beklagten zu 1) - 6) beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten zu 3) bis 6) wenden sich bereits gegen ihre wettbewerbsrechtliche Verantwortlichkeit. Als bloße Inhaber bzw. technische Betreuer der fraglichen Internetseiten hätten sie auf deren Inhalte keinen Einfluß. Sie seien selbst nicht Wettveranstalter und stünden daher nicht in einem Wettbewerbsverhältnis zur Klägerin.

Im übrigen könne die Klage keinen Erfolg haben, weil die Beklagte zu 1) aufgrund des Bescheides der Polizeiabteilung M2 des Landes Oberösterreich vom 01.02.2005, vorgelegt als Anlage A1 zur Klageerwiderung, Inhaberin einer Erlaubnis für den geschäftsmäßigen Abschluß von Wetten sei. Diese Erlaubnis erstrecke sich insbesondere auch auf ihre Wettbedingungen. In Anbetracht dessen, daß sie über eine staatliche Erlaubnis eines EU-Mitgliedstaates verfüge, verstoße sie nicht gegen § 284 StGB, weil sie keine Wetten "ohne behördliche Erlaubnis" veranstalte.

Dies ergebe sich aus gemeinschaftsrechtlichen Aspekten, die die Beklagten in den Mittelpunkt ihres Verteidigungsvorbringens rücken. Sie vertreten die Auffassung, das gesamte Normengeflecht, welches das staatliche Monopol auf dem Glücksspielsektor in Deutschland begründen und absichern solle - § 284 StGB eingeschlossen - verstosse gegen höherrangiges Recht, nämlich die in Artikel 43 und 49 EG-Vertrag gewährte Dienst- und Niederlassungsfreiheit. Hierzu berufen sie sich auf die sogenannte Gambelli-Entscheidung des EuGH vom 06.11.2003 (NJW 2004, 139) sowie auf eine Entscheidung des BVerfG vom 27.04.2005 (1 BvR 223/05).

Nach der Rechtsprechung des EuGH seien Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit durch innerstaatliches Recht zwar zulässig; diese müßten jedoch durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden. Staatliche Monopole auf dem Glücksspielsektor müßten notwendig und geeignet sein, um die anerkennenswerten Ziele auch zu erreichen. Ermuntere der Staat die Verbraucher auch dazu, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen, könnten sich die Behörden dieses Staates nicht im Hinblick auf die Notwendigkeit, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, auf die öffentliche Sozialordnung berufen. Genau dies sei jedoch vorliegend der Fall. Die staatlichen Lottogesellschaften betrieben - wie die Beklagten näher darlegen - intensive Werbung für die von ihnen veranstalteten Glücksspiele mit dem Ziel, möglichst hohe Einnahmen zu generieren. Das staatliche Monopol diene folglich nicht der sozialpolitisch gewünschten Kanalisierung und Eindämmung des Spieltriebes, sondern ganz oder überwiegend fiskalischen Zwecken.

Erwiesen sich demnach der Lotterie-Staatsvertrag und die darauf aufbauenden Landesgesetze als europarechtswidrig, sei auch § 284 StGB nicht (mehr) anwendbar. Soweit der BGH noch in der Schöner Wetten-Entscheidung (GRUR 2004, 693) eine andere Auffassung vertreten habe, bedürfe dies der Überprüfung, insbesondere vor dem Hintergrund der oben genannten Entscheidung des BVerfG. Auch darin werde die Vereinbarkeit des § 284 StGB mit den Vorschriften des Gemeinschaftsrechts in Frage gestellt.

Hilfsweise beantragen die Beklagten, das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof bestimmte Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst überreichten Anlagen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet, weil das Angebot von T in der beanstandeten Form gegen die §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 284 StGB verstößt und deshalb unlauter ist.

Vorab ist festzustellen, dass alle Beklagten zu Recht auf Unterlassung des Angebots von T in der konkreten Form in Anspruch genommen werden und nicht etwa lediglich der "Tatbeitrag" eines jeden einzelnen Beklagten "isoliert" auf seine wettbewerbsrechtliche Relevanz hin zu überprüfen ist.

Im vorliegenden Fall gelten nämlich nicht etwa die - im Einzelnen nach neuerer Rechtsprechung streitigen oder zweifelhaften - allgemeinen Grundsätze der Störerhaftung, wonach jeweils nach Prüfungspflichten, Zumutbarkeit pp. zu differenzieren wäre (vgl. dazu nur beispielhaft BGH a.a.O. Schöner Wetten mit weiteren Nachweisen). Im Gegensatz zu den dieser Rechtsprechung zugrundeliegenden Konstellationen handeln hier alle Beteiligten arbeitsteilig zur Verwirklichung eines gemeinschaftlichen Zwecks, sind also "Mittäter" oder jedenfalls "Beteiligte" im wettbewerbsrechtlichen Sinn.

Die Beklagte zu 1), für deren Verhalten der Beklagte zu 2) als deren Geschäftsführer einzustehen hat, ist ausweislich des Inhalts der jeweiligen Internetseiten "Wettveranstalter", die Beklagte zu 3), für deren Verhalten der Beklagte zu 4) als Geschäftsführer haftet, ist jeweils "Technischer Dienstleister". Die Domain www.T.de wird gehalten von der Beklagten zu 5), für die der Beklagte zu 6) als Liquidator einzustehen hat. Alle Beklagten zusammen bewirken, daß T, so wie geschehen, von der Beklagten zu 1) angeboten werden können. Nicht zutreffend ist die Ansicht, daß die Beklagten zu 3) bis 6) als bloße "Technische Dienstleister" bzw. Inhaber einer der Internetseiten nicht für deren Inhalt verantwortlich seien. Ihre Verantwortlichkeit ergibt sich daraus, daß sie durch ihr Handeln die Wettveranstaltungen der Beklagten zu 1) unterstützen.

In der Sache selbst verbleibt die Kammer auch nach erneuter Überprüfung - und unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH und des BVerfG - bei ihrer in ständiger Rechtsprechung geäußerten Auffassung, dass das Angebot von T in Deutschland wettbewerbsrechtlich unlauter im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 284 StGB ist, wenn diese T nicht behördlich erlaubt wurden, insbesondere eine solche Erlaubnis noch nicht einmal beantragt ist. Sie sieht sich insoweit in vollständiger Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH vor und nach der Gambelli-Entscheidung (vgl. BGH GRUR 2002, 636 T einerseits und BGH GRUR 2004, 693 Schöner Wetten andererseits) sowie der nahezu einhelligen instanzgerichtlichen wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung (vgl. nur OLG Hamburg MMR 2004, 752).

Im Einzelnen:

Zwischen den Parteien wird die Frage, ob es sich bei den angebotenen T um Glücksspiele im Sinne des §§ 284 StGB handelt, nicht weiter problematisiert. Dies entspricht aber praktisch einhelliger Auffassung und wurde auch von der Kammer stets so gesehen, weil das Wesen dieser Wetten darin besteht, daß die Entscheidung über Gewinn und Verlust nicht wesentlich von den Kenntnissen und Fähigkeiten der Spieler, sondern hauptsächlich von dem ihrer Einwirkungsmöglichkeit entzogenen Zufall abhängt (vgl. nur BGH a.a.O. T m. w. N.). Daß bestimmte Spielausgänge aus Sicht des bewanderten Spielers möglicherweise zu Recht als mehr oder weniger wahrscheinlich erscheinen mögen, ändert daran nichts, weil dies bereits bei der Festsetzung der Wettquoten Berücksichtigung findet.

Die Veranstaltung derartiger T bedarf deshalb gemäß § 284 StGB zur Vermeidung einer Strafbarkeit der Erlaubnis einer zuständigen inländischen Behörde. Dass in § 284 StGB die Erlaubniserteilung einer zuständigen inländischen Behörde und nicht etwa nur irgendeiner Behörde innerhalb der Gemeinschaft jedenfalls nach bisheriger Rechtslage vorausgesetzt ist, ist von den Gerichten stets so gesehen worden (vgl. nur BGH a.a.O. T, Schöner Wetten). Dies ergibt sich bereits aus der Natur der Sache. Im gemeinschaftsrechtlich nicht harmonisierten Bereich des Glücksspielwesens steht es nämlich im Ermessen eines jeden Mitgliedstaates, ob und ggf. welche Regelungen er hierzu treffen will (vgl. nur BGH a.a.O. T, Schöner Wetten m. w. N.). Von daher versteht es sich von selbst, daß behördliche Genehmigungen immer nur in den Grenzen des jeweiligen Mitgliedstaates, nicht aber für das Gebiet der anderen Mitgliedstaaten gelten können.

Die Beklagten können sich in Anbetracht dessen nicht auf die der Beklagten zu 1) erteilte Genehmigung der Polizeiabteilung M2 des Landes Oberösterreich berufen, weil und soweit sie ihre Wetten auch in Deutschland anbieten. Letzeres geschieht dadurch, daß sich ihr Wettangebot - unstreitig - auch an Teilnehmer in Deutschland richtet und diese in Deutschland die Wetten abschließen. Der Veranstaltungsort liegt damit jedenfalls auch in Deutschland. Damit sind die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 284 StGB erfüllt. Auf subjektive Umstände kommt es nicht an (vgl. BGH GRUR 2005, 778 Atemtest)

Der Verstoß gegen die Vorschrift des § 284 StGB, die eine wettbewerbsbezogene Norm darstellt (BGH a.a.O. T, Schöner Wetten), welche auch dem Schutz der Verbraucher dient, führt dementsprechend zur Unlauterkeit des Handelns der Beklagten gemäß den §§ 3, 4 Nr. 11 UWG und läßt gemäß § 8 UWG den geltend gemachten Unterlassungsanspruch entstehen.

Die von den Beklagten hiergegen erhobenen Bedenken gehen nach Auffassung der Kammer an der Sache vorbei.

Soweit die Beklagten die landes- und bundesgesetzlichen Regelungen, die bislang - faktisch - ein Monopol der staatlich kontrollierten Landesgesellschaften zur Veranstaltung von T vorsehen, unter Darlegung der Bedenken vor allem im Hinblick auf die Gambelli-Entscheidung des EuGH für europarechtswidrig halten, braucht hierüber nicht entschieden zu werden. Diese Fragestellungen betreffen bei Lichte betrachtet lediglich die Problematik, ob die bisherige Erlaubnispraxis der deutschen Behörden gemeinschaftsrechtlich diskriminierungsfrei erfolgt oder ob der Gesetzgeber und/oder die Behörden gehalten sind, hier künftig andere Maßstäbe anzulegen.

Diese gesamte Diskussion ändert aber nichts daran, dass die Vorschrift des § 284 StGB als solche nach zutreffender Auffassung nicht gegen die durch Art. 43 und 49 EG-Vertrag gewährleisteten Grundfreiheiten der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit verstößt. Der BGH hat hierzu - in Kenntnis und unter Berücksichtigung der Gambelli-Entscheidung des EuGH - in seiner Entscheidung Schöner Wetten ausgeführt:

"Die Strafvorschrift des § 284 StGB verbietet jedoch lediglich das Veranstalten eines Glücksspiels ohne behördliche Erlaubnis und istinsoweit durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ... Sie trifft selbst keine Entscheidung darüber, ob und inwieweit Glücksspiele abweichend von ihrer grundsätzlichen Unerlaubtheit zugelassen werden können oder nicht (vgl. Bundesverwaltungsgericht, NJW 2001, 2648), und verstößt als solche schon deshalb nicht gegen die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit... Nach europäischem Gemeinschaftsrecht steht es im Ermessen der Mitgliedsstaaten, Glücksspiele auch vollständig zu verbieten (es folgen Zitate von EuGH - Entscheidungen). Selbst wenn die landesrechtlichen Vorschriften über die Erteilung einer behördlichen Erlaubnis zur Veranstaltung von Glücksspielen nicht mit Artikel 46 und 49 EG vereinbar sein sollten... wäre deshalb die Veranstaltung von Glücksspielen im Internet für inländische Teilnehmer nicht erlaubnisfrei zulässig (vgl. BGH GRUR 2002 636 T; A.A. - in einem Eilverfahren - VGH Kassel, GewAarch 2004, 153)."

Dem ist hinzuzufügen, dass die zuletzt als abweichend zitierte Auffassung des VGH Kassel nach Sichtung der jüngeren Rechtsprechung eine Mindermeinung darstellen dürfte (vgl. etwa VGH Mannheim MD 2005, 466 ODDSET- Wetten mit zahlreichenNachweisen).

Nach Auffassung der Kammer kann nicht ernsthaft darüber diskutiert werden, dass Glücksspiel ein erhebliches Gefahrenpotential bei der Förderung von Spielleidenschaft und Spielsucht in sich birgt, und dass es deshalb aus übergeordneten Interessen der Allgemeinheit reglementiert werden darf. Das betont auch ausdrücklich derEuGH in ständiger Rechtsprechung, zuletzt in der Gambelli-Entscheidung. Ein probates, verhältnismäßiges Mittel ist insoweit sicher der Erlaubnisvorbehalt, der strikt zu trennen ist von der Frage nach den Kriterien für die Erlaubniserteilung oder -versagung. Lediglich letzteres mag einer Überprüfung bedürfen, nicht aber der Grundsatz als solcher.

Auch der EuGH geht in seiner Gambelli-Entscheidung nicht davon aus, daß bereits ein strafbewehrtes Verbot der Veranstaltung von Wetten als solches eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt, sondern - wie er in Beantwortung der Vorlagefrage (Erwägung Nr. 76) ausführt - nur dann, wenn der betreffende Mitgliedstaat keine Konzession oder Genehmigung erteilt. Nur dann stellt sich überhaupt die Frage, ob die einer solchen ablehnenden Entscheidung zugrunde liegenden Regelungen angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten den damit verfolgten anerkennenswerten Zielen Rechnung tragen.

Die Beklagten haben aber nicht dargetan, daß sie eine Erlaubnis bei den zuständigen deutschen Behörden überhaupt beantragt haben, geschweige denn, daß und ggf. aus welchen Gründen eine solche abgelehnt worden wäre.

Vor diesem Hintergrund sieht die Kammer keinen Anlaß, dem hilfsweise gestellten Antrag der Beklagten auf Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nachzukommen. Etwas anderes ergibt sich für die Beurteilung des vorliegenden Falles auch nicht aus der von den Beklagten angeführten Entscheidung des BVerfG vom 27.04.2005, die auf die Gambelli-Entscheidung des EuGH Bezug nimmt. Diese - im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergangene Entscheidung - betrifft den besonderen Fall der lediglich vorläufigen Vollziehbarkeit einer behördlichen Untersagungsverfügung. Damit ist noch nichts darüber gesagt, ob die behördliche Untersagung einer Glücksspielveranstaltung mit Rücksicht auf eine fehlende Genehmigung im Hauptsacheverfahren nicht weiter Bestand haben kann. Davon geht bislang die weit überwiegende verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung aus.

Im vorliegenden Fall geht es weder um die eine, noch um die andere, sondern um die wiederum anders gelagerte Frage nach dem wettbewerbswidrigen Verhalten eines Veranstalters, der Wetten anbietet, ohne die dafür erforderliche behördliche Erlaubnis eingeholt oder auch nur beantragt zu haben. Auch dafür kann aus der Entscheidung des BVerfG nichts unmittelbar hergeleitet werden.

Erweisen sich nach alledem die geltend gemachten Unterlassungsansprüche als begründet, waren die Beklagten auch zur Auskunftserteilung zu verurteilen sowie die Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz festzustellen, da ihr Verschulden offensichtlich ist.

Die wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung des BGH war im hier fraglichen Zeitraum (Annexansprüche werden ab dem 01.11.2004 geltend gemacht) auch unter Berücksichtigung der Gambelli-Entscheidung völlig eindeutig und zweifelsfrei; Fragen der Zulassungspraxis haben mit dem vorliegenden Verfahren ersichtlich nichts zu tun, zumal eine Erlaubnis nie beantragt wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 269 Abs. 3 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 709 ZPO.

Streitwert:

Bis zur Teilklagerücknahme: 250.000,00 Euro

Davon für die Beklagten zu 1) - 6): 215.000,00 Euro

Für den Beklagten zu 7): 35.000,00 Euro

Nach der Teilklagerücknahme: 215.000,00 Euro






LG Köln:
Urteil v. 22.09.2005
Az: 31 O 205/05


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