Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Mai 2004
Aktenzeichen: 29 W (pat) 37/02

(BPatG: Beschluss v. 26.05.2004, Az.: 29 W (pat) 37/02)

Tenor

1. Der Beschluß der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. Dezember 2001 wird aufgehoben.

2. Die Löschung der Marke 399 25 314 wird angeordnet für die Waren "Pinsel; Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall oder plattiert); Bürsten; Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit in Klasse 21 enthalten".

3. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die Eintragung der Wortbildmarke 399 25 314 Grafik der Marke 39925314.9 für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 18, 21, 24, 25, 27, 28, 35 und 41, unter anderem für die Waren Pinsel; Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall oder plattiert); Bürsten; Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit in Klasse 21 enthaltenist Widerspruch erhoben worden aus der prioritätsälteren Wortmarke 911 001 JUSTINUS eingetragen für die Waren Messerschmiedewaren, Messer aller Art (soweit in Klasse 8 enthalten), Eß- und Tafelbestecke, kleine Haus- und Küchengeräte sowie tragbare Behälter für Haushalt und Küche.

Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 28. Dezember 2001 zurückgewiesen. Die beiderseitigen Waren seien zwar teilweise identisch bzw. sehr ähnlich, eine Verwechslungsgefahr bestehe aber mangels Markenähnlichkeit nicht. Sowohl klanglich als auch schriftbildlich unterscheide sich die ältere Marke "Justinus" aufgrund der zusätzlichen und betonten Silbe "ti" und der sich daraus ergebenden Unterschiede in Silbenzahl, Silbengliederung und Vokalfolge deutlich von der angegriffenen Marke. Auch die Tatsache, dass es sich bei "Justus" erkennbar um einen männlichen Vorname handele, erleichtere die Unterscheidung der Marken.

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass die Widerspruchsmarke auf Grund ihres Bekanntheitsgrades und der intensiven langjährigen Marktpräsenz eine gesteigerte Kennzeichnungskraft aufweise. Die Widersprechende habe im Jahr 2003 mit kleinen Haus- und Küchengeräten einen Jahresumsatz von ca. ... EUR erzielt. Die Ver- gleichsmarken seien begrifflich identische Formen desselben männlichen Vornamens, wobei "Justinus" eine Nebenform von "Justus" darstelle. Die jüngere Marke "Justus" sei somit die um die Silbe "in" verkürzte Form der älteren Marke "Justinus". Auch schriftbildlich und klanglich bestehe eine erhebliche Markenähnlichkeit, denn die Anfangs- und Endbestandteile seien bei beiden Marken identisch.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den Beschluss der Markenstelle vom 28. Dezember 2001 aufzuheben und die Löschung der Marke 399 25 314 anzuordnen.

Der Markeninhaber hat sich in der Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg. Hinsichtlich der Waren "Pinsel; Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall oder plattiert); Bürsten; Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit in Klasse 21 enthalten; Pinsel" besteht für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen. Insoweit war die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen (§ 43 Abs 2 S 1 iVm §§ 42 Abs 2, 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG).

1. Die Frage der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren- und Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st Rspr; vgl BGH WRP 2003, 521, 524 - Abschlussstück mwN). Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall für die Waren "Pinsel; Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall oder plattiert); Bürsten; Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit in Klasse 21 enthalten" die Gefahr von Verwechslungen gegeben.

2. Die Waren "Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall oder plattiert)" im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke sind mit den von der Widerspruchsmarke erfassten Waren "kleine Haus- und Küchengeräte sowie tragbare Behälter für Haushalt und Küche" identisch. Hinsichtlich der weiteren Waren "Pinsel; Bürsten; Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit in Klasse 21 enthalten" besteht zu den genannten Widerspruchswaren eine erhebliche Ähnlichkeit, weil sie hinsichtlich ihres Verwendungszwecks im Haushalt, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft und ihres Vertriebs in Haushaltwarengeschäften und -abteilungen enge Berührungspunkte aufweisen.

3. Im Bereich dieser identischen bzw. ähnlichen Waren kommt der Widerspruchsmarke eine normale Kennzeichnungskraft zu. Die von der Widersprechenden vorgetragenen Umsatzzahlen reichen für die Annahme einer erhöhten Kennzeichnungskraft nicht aus. Zum einen lassen sie nicht erkennen, ob es sich dabei um den mit der Marke erzielten Gesamtumsatz oder um den hier allein ausschlaggebenden Umsatz im Inland handelt. Zum anderen fehlen ergänzende Angaben zum Gesamtvolumen des inländischen Marktes für kleine Haushalts- und Küchengeräte, aus der sich der von der Widersprechenden gehaltene Marktanteil ergeben könnte. Die Frage der erhöhten Kennzeichnungskraft kann aber letztlich dahingestellt bleiben, weil die angegriffene Marke auch unter Berücksichtigung einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke den angesichts der Warenidentität bzw -ähnlichkeit zu fordernden Abstand nicht einhält.

4. Für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist auf den jeweiligen Gesamteindruck der Marken abzustellen. Die Ähnlichkeit ist nach Schriftbild, Klang und Sinngehalt zu beurteilen, wobei es für die Annahme einer Verwechslungsgefahr in der Regel ausreicht, wenn die Zeichen in einer Hinsicht ähnlich sind (st Rspr; vgl BGH WRP 2003, 1436, 1438 - Kelly mwN).

Zwischen den beiderseitigen Marken besteht eine erhebliche begriffliche Ähnlichkeit. Die grafische Gestaltung der angegriffenen Marke in Form einer stilisierten handschriftlichen Wiedergabe des Namens "Justus" liegt im Rahmen des Werbeüblichen und weist keinerlei kennzeichnende Wirkung auf. Für den Zeichenvergleich stehen sich daher "Justus" und "Justinus" gegenüber. Bei "Justus" handelt es sich um einen deutschen Vornamen lateinischen Ursprungs ("der Gerechte"), der dem Verkehr aufgrund berühmter Namensträger wie zB Justus von Liebig oder Justus Frantz bekannt ist. Der ebenfalls lateinische Name "Justinus" ist eine Nebenform des Namens "Justus". Entsprechende mit der Endung "-inus" bzw

"-ina" gebildete Nebenformen lateinischer Namen sind auch als deutsche Vornamen gebräuchlich, wie zB Angelina, Marina, Justina. Selbst wenn man unterstellt, dass das angesprochene Publikum die Bedeutung des Namens "Justus" nicht erkennt, ist davon auszugehen, dass es die Vergleichsmarken in ihrer Gesamtheit aufgrund des identischen Wortstammes "Just" und der gemeinsamen Endung "-us" ohne weiteres als einander sehr ähnliche männliche Vornamen wahrnimmt.

5. Unter Berücksichtigung der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der begrifflichen Ähnlichkeit der beiderseitigen Marken besteht daher im Bereich der identischen bzw ähnlichen Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen. Insoweit war die Löschung der Marke anzuordnen.

6. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG).

Grabrucker Baumgärtner Fink Hu






BPatG:
Beschluss v. 26.05.2004
Az: 29 W (pat) 37/02


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