Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. November 2000
Aktenzeichen: 10 W (pat) 18/00

(BPatG: Beschluss v. 13.11.2000, Az.: 10 W (pat) 18/00)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Am 12. Juli 1993 wurde der Patentinhaberin das Patent mit dem Gegenstand "Verfahren und Anlage zur Durchführung des Verfahrens zum Betreiben einer Anlage zur Nutzung von Windenergie" erteilt. Als Vertreter waren seit der Anmeldung - Vollmacht vom 18. April 1986 - die Patentanwälte S... und P... bestellt. An diese war auch der Erteilungsbeschluß gerichtet.

Unter dem 5. August 1996 versandte das Patentamt eine Benachrichtigung gemäß § 17 Abs 3 PatG hinsichtlich der 11. Jahresgebühr. Diese Benachrichtigung war ebenfalls an die Patentanwälte S... & Partner gerichtet, sie trägt als Hinweis auf die Art der beabsichtigten Zustellung den Vermerk "Sammelempfangsbekenntnis".

Die 11. Jahresgebühr wurde nicht bezahlt. Das Patentamt vermerkte deshalb in den Akten, daß die Anmeldung zum 1. Januar 1997 als zurückgenommen gelte.

Am 23. Juli 1999 erfuhr die Patentinhaberin, die eine Adressenänderung mitgeteilt hatte, daß das streitgegenständliche Patent wegen Nichtzahlung der 11. Jahresgebühr erloschen sei. Sie stellte daraufhin am 20. September 1999 Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legte diesem Antrag einen Scheck zur Bezahlung der 11., 12. und 13. Jahresgebühr bei. Sie hat zur Wiedereinsetzung folgendes vorgetragen: Ihr Vertreter für das Verfahren vor dem Patentamt sei nicht Patentanwalt S... , sondern Patentanwalt P... gewesen. Die Patentanwälte S... und P... hätten sich 1990 getrennt und Patent- anwalt P... habe sich der Kanzlei R... & Partner angeschlossen. Im Jahre 1994 habe sie, die Patentinhaberin sich entschlossen, die Einzahlung der Jahresgebühr in eigener Regie in der Annahme vorzunehmen, daß das Patentamt auf einen drohenden Rechtsverlust aufmerksam mache. Ein entsprechendes Erinnerungsschreiben habe sie aber nicht erhalten. Im Jahr 1995 sei sie nach Ismaning umgezogen und habe dies auch dem Patentamt mitgeteilt. Sie habe Gebührennachrichten nicht erhalten. Ein Betrag von 1.300,-- DM, den sie 1998 für die 13. Jahresgebühr entrichtet habe, sei zwar zurückgezahlt worden, aber bei ihr nicht angekommen.

Mit Bescheid vom 22. Oktober 1999 teilte das Patentamt der Patentinhaberin mit, daß die Benachrichtigung vom 5. August 1996 an die in der Rolle als Vertreter eingetragenen Patentanwälte S... & P... zugestellt worden sei, da eine Änderung der Bevollmächtigten nicht beantragt worden sei.

Am 8. Dezember 1999 stellte die Patentinhaberin durch ihren Verfahrensbevollmächtigten erneut Wiedereinsetzungsantrag. Die Nachricht vom 05. August 1996 habe nicht an Patentanwalt S... zugestellt werden dürfen. Dieser und/oder Pa- tentanwalt P... hätten die Nachricht nicht weitergeleitet. Die Patentinha- berin sei deshalb selbst gegenüber dem Patentamt tätig geworden und habe die Vollmacht konkludent widerrufen. Im übrigen sei die beantragte Wiedereinsetzung auch von Amts wegen zu gewähren. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die Versäumung der Jahresfrist ausschließlich im Verschuldensbereich der Behörde oder des Gerichts liege. Hier hätten dem Patentamt durch das eigene Tätigwerden der Patentinhaberin Anhaltspunkte vorgelegen, aus denen es habe entnehmen können, daß Patentanwalt Dr. S... nicht mehr zustellungsbevoll- mächtigt gewesen sei. Außerdem seien die jährlichen Zahlungen von der Kanzlei R... & Partner getätigt worden. Anhand dieser Umstände habe das Patentamt davon ausgehen müssen, daß Patentanwalt Dr. S... nicht mehr mit der Überwa- chung des Patents beauftragt gewesen sei.

Durch Beschluß vom 20. Dezember 1999 hat das Patentamt den Wiedereinsetzungsantrag unter Bezugnahme auf den vorangegangenen Bescheid vom 22. Oktober 1999 zurückgewiesen.

Mit der Beschwerde vertritt die Patentinhaberin weiter die Auffassung, daß die Voraussetzungen für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorliegen. Ergänzend trägt sie vor, daß Patentanwalt S... die Benachrichtigung zwar an Patentanwalt P... weitergeleitet, dieser sie aber nicht informiert habe.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung vom 28. Februar 2000 Bezug genommen.

Die Patentinhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Der Senat hat bei den Patentanwälten S... und P... Ermittlungen über das Datum und die Art und Weise der Zustellung der Benachrichtigung vom 5. August 1996 angestellt. In diesem Zusammenhang wird auf den Schriftsatz des Patentanwalts P... vom 16. August 2000 und den des Patentanwalts S... vom 4. September 2000 jeweils nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das deutsche Patent- und Markenamt hat den Wiedereinsetzungsantrag der Patentinhaberin zu Recht zurückgewiesen.

Nach § 123 Abs 1 PatG kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn eine dem Patentamt gegenüber einzuhaltende Frist, deren Versäumung nach einer gesetzlichen Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hat, unverschuldet versäumt wurde. Dabei muß die Wiedereinsetzung grundsätzlich innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des zur Fristversäumung führenden Umstands beantragt und die versäumte Handlung nachgeholt werden. Spätestens ein Jahr nach Ablauf der versäumten Frist ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung unstatthaft.

1. Die Frist des § 17 Abs 3 Satz 3 PatG zur Zahlung der 11. Jahresgebühr mit dem Zuschlag ist versäumt. Die Benachrichtigung des Patentamts vom 5. August 1996 ist ordnungsgemäß zugestellt worden, so daß die Frist wirksam in Lauf gesetzt wurde. Die Ermittlungen des Senats hierzu haben ergeben, daß die Nachricht an Patenanwalt Dr. S... am 14. August 1996 zugestellt worden ist. Dies ist durch die von Patentanwalt Dr. S... vorgelegte Kopie des Sammel- empfangsbekenntnisses vom 14. August 1996 belegt. Dr. S... hat die Nachricht an Patentanwalt P... weitergeleitet, der sie am 19. August 1996 erhalten hat. Dies ergibt sich aus der von Patentanwalt P... vorgelegten Kopie der ihm übersandten Nachricht, die den Eingangsstempel 19. August 1996 trägt. Nach eigenen Angaben hat Patentanwalt P... schließlich am 20. August 1996 die Nachricht an die Patentinhaberin gesandt. Diesen Vortrag belegt er mit einer Fotokopie der entsprechenden Seite seines Postausgangsbuches. Der weitere Verbleib der Benachrichtigung, die die Anmelderin nach deren Angaben nie erreicht hat, ist ungewiß.

Damit steht zunächst fest, daß das Patentamt die Benachrichtigung an einen der in der Rolle als Vertreter eingetragenen Patentanwälte unter deren - ehemals - gemeinsamer Anschrift zugestellt hat. Diese Zustellung ist wirksam, denn das Patentamt hat an den richtigen Zustellungsadressaten zugestellt. Ob aus der Sicht der Patentinhaberin Patentanwalt P... der eigentliche Vertreter war und daß sich die Patentanwälte Dr. S... und P... zum Zeitpunkt der Zu- stellung bereits getrennt hatten bzw das Mandatsverhältnis zur Patentinhaberin geendet hatte, ging weder aus der ursprünglich vorgelegten Vollmacht hervor, noch war es dem Patentamt im vorliegenden Verfahren bekannt. Eine entsprechende Mitteilung der Anmelderin ist erst am 21. Juni 1999 eingegangen; die von der Anmelderin als Anlagen A6, A7, A8, A10 vorgelegten Mitteilungen an das Patentamt betreffen andere Patentanmeldungen. Die Anmelderin durfte nicht davon ausgehen, daß das Patentamt von sich aus Mitteilungen über eine Änderung der Verfahrensbevollmächtigung zu anderen anhängigen Anmeldeverfahren weiterreichte. Dies ist schon deswegen unzulässig, weil ein Anmelder seine Vertretung bzw. Bevollmächtigung von Rechts- oder Patentanwälten in den einzelnen Anmeldeverfahren unterschiedlich gestalten kann; eine in allen Verfahren übereinstimmende Bevollmächtigung ist nicht zwingend. Auch kann ein Anmelder neben seinen ständigen Verfahrensbevollmächtigten einen Dritten mit bestimmten Geschäften, insbesondere mit der Überwachung und Zahlung der Jahresgebühren betrauen. Das Patentamt mußte hier deshalb nicht von einer Beendigung des Mandatsverhältnisses zu den Patentanwälten S... und P... ausgehen, nur weil Gebühren von einer anderen Kanzlei bezahlt wurden. Es ist in derartigen Fällen vielmehr auf eine eindeutige Mitteilung des Anmelders angewiesen, die in diesem Verfahren jedenfalls nicht vorlag.

2. Da sonach die Benachrichtigung gem § 17 Abs. 3 PatG ordnungsgemäß zugestellt worden und die gesetzte Frist fruchtlos verstrichen ist, kommt grundsätzlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht, denn die Benachrichtigung ist - aus welchen Gründen auch immer - nicht an die Anmelderin gelangt.

Die Gewährung der Wiedereinsetzung scheitert aber schon an dem Ablauf der Jahresfrist des § 123 Abs. 2 S. 4 PatG. Dabei handelt es sich um eine absolute Ausschlußfrist, die unabhängig von Kenntnis und Verschulden läuft (Busse, PatG, 5. Aufl. § 123 Rdnr. 66 mwN) und eine Wiedereinsetzung später als ein Jahr nach Verstreichen der Frist ausschließt. Die Jahresfrist ist am 31. Dezember 1997 abgelaufen, so daß der Wiedereinsetzungsantrag vom 20. September 1999 verspätet und damit unstatthaft ist.

Die Wiedereinsetzung von Amts wegen kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil in einem solchen Fall Voraussetzung ist, daß die versäumte Handlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt wurde. Bereits dies trifft nicht zu, denn die früheste Zahlung, die die Patentinhaberin nach Ablauf der Zahlungsfrist geleistet hat und die die 11. Jahresgebühr abdecken könnte, ist am 04. Mai 1998 bei dem Patentamt eingegangen und damit nach Ablauf der Jahresfrist gemäß § 123 Abs. 2 S. 4 PatG. Abgesehen davon hätten dem Patentamt innerhalb der Antragsfrist auch die entschuldigenden Umstände bekannt gewesen sein müssen. Das trifft ebenfalls nicht zu, denn - wie ausgeführt - hat das Patentamt an den richtigen Adressaten zugestellt. Ihm war nicht bekannt, daß die Gebührennachricht - angeblich - auf dem Postweg verloren gegangen war. Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen bloßen Behördenverschuldens sieht das Gesetz - entgegen der Meinung der Patentinhaberin - nicht vor. Im übrigen liegt - wie ausgeführt - weder die Versäumung der gesetzten Frist des § 17 Abs. 3 S. 3 PatG noch die der Jahresfrist des §123 Abs. 2 S. 4 PatG im Verantwortungsbereich des Patentamts.

Bühring Dr. Schermer Schuster Pr






BPatG:
Beschluss v. 13.11.2000
Az: 10 W (pat) 18/00


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