Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 10. Februar 1993
Aktenzeichen: 27 U 188/92

(OLG Köln: Urteil v. 10.02.1993, Az.: 27 U 188/92)

Eine Vereinbarung zwischen Zahnarzt und Patienten auf Óberschreitung des ein- bis dreieinhalbfachen Gebührensatzes kann nach § 2 Abs. 2 GOZ (Gebührenordnung für Zahnärzte vom 22. Oktober 1987) wirksam nur schriftlich vor Erbringung der Leistung des Zahnarztes getroffen werden, wobei das Schriftstück den Hinweis enthalten muß, daß eine Erstattung durch Erstattungsstellen möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleistet ist.

Die Rückforderung einer nur mündlich vereinbarten höheren Vergütung ist nicht ausgeschlossen. § 3 abs. 1 BRAGO ist nicht analog anwendbar.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 30. Juni 1992 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 17 O 479/90 - wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsrechtszuges zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Berufung ist statthaft sowie form-

und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit

zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg.

Dem Beklagten steht gemäß § 812 Abs. 1

Satz 1 BGB der mit der Widerklage geltend gemachte

Rückzahlungsanspruch in Höhe von 9.120,44 DM gegen den Kläger

zu.

Von den auf die Rechnung vom 6. März

1989 geleistete Zahlungen hat der Kläger dem Beklagten insgesamt

10.954,82 DM zuzüglich einer Zinsüber-

zahlung von 187,78 DM zu erstatten.

Nach Abzug des durch die Hilfsaufrechnung verbrauchten

Teilbetrages von 2.022,16 DM verbleibt ein Rückzahlungsanspruch

des Beklagten in Höhe von 9.120,44 DM. Gegen die Rechnungskürzung

wegen nicht gefertigter Implantatpfosten und wegen der Position 508

sowie wegen der Zinsüberzahlung wendet sich der Kläger mit seiner

Berufung nicht. Gegenstand der Prüfung im Rechtsmittelverfahren ist

vielmehr allein die Frage, ob der Beklagte die Rückerstattung der

in der Rechnung vom 6. März 1989 ausgewiesenen sogenannten

Abdingungsdifferenz in Höhe von 8.990,30 DM verlangen kann. Die

gegen einen solchen Erstattungsanspruch gerichteten Angriffe des

Klägers sind jedoch unbegründet.

Der Kläger hat dem Beklagten den

vereinnahmten Abdingungsdifferenzbetrag aus dem Rechtsgrund der

ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB

zurückzugewähren, da ihm kein Rechtsanspruch auf dieses

Teilhonorar zusteht. Nach § 5 Abs. 1 der Gebührenordnung für

Zahnärzte vom 22. Oktober 1987 (GOZ), bemißt sich die Höhe der

einzelnen Gebühren nach dem Einfachen bis Dreieinhalbfachen des

Gebührensatzes. Zwar kann durch Vereinbarung zwischen Zahnarzt und

Patient eine von dieser Regel abweichende Höhe der Vergütung

festgelegt werden (§ 2 Abs. 1 GOZ). Gemäß § 2 Abs. 2 GOZ ist jedoch

eine solche Vereinbarung zwischen Zahnarzt und Zahlungspflichtigem

vor Erbringung der Leistung des Zahnarztes in einem

Schriftstück zu treffen, das die

Feststellung enthalten muß, daß eine Erstattung der Vergütung durch

Erstattungsstellen möglicherweise nicht in vollem Umfang

gewährleistet ist. An einer schriftlichen Vereinbarung dieses

Inhalts fehlt es vorliegend. Der Kläger behauptet nicht einmal,

sich mit dem Beklagten mündlich auf die Zahlung einer

Abdingungsdifferenz geeinigt zu haben. Eine lediglich mündlich

getroffene Abrede wäre ohnehin nicht rechtswirksam. Die

Nichtigkeitsfolge einer etwaigen mündlichen Vereinbarung ergibt

sich daraus, daß § 2 Abs. 2 GOZ eine gesetzlich vorgeschriebene

Form im Sinne des § 126 Abs. 1 BGB enthält (§ 125 Satz 1 BGB). Da

nach Art. 2 EGBGB als Gesetz im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches

jede Rechtsnorm gilt, fällt auch § 2 der Gebührenordnung für

Zahnärzte als eine Rechtsverordnung der Bundesregierung unter §

126 Abs. 1 BGB. Dabei handelt es sich auch keineswegs um eine bloße

Ordnungsvorschrift, deren Verletzung Rechtsfolgen nicht nach sich

ziehen würde. Dafür spricht bereits der zwingende Wortlaut der

Bestimmung ("ist...zu treffen"), aber auch der mit der Vorschrift

erkennbar verfolgte Zweck, den Zahlungspflichtigen wegen der

Risiken einer Gebührenvereinbarung vor übereilten Bindungen zu

schützen (vgl. zur Warnfunktion gesetzlicher Formvorschriften

Palandt-Heinrichs, BGB, 52. Auflage, § 125 Rn. 1). Soll aber durch

die Formvorschrift der Zahlungspflichtige vor der unüberlegten und

übereilten Zusage eines höheren als des in der Gebührenordnung für

Zahnärzte

vorgesehenen Honorars geschützt werden,

so stellt § 2 Abs. 2 GOZ eine gesetzliche Formvorschrift im Sinne

von § 126 Abs. 1 BGB dar mit der Folge, daß eine nur mündlich

getroffene Abrede nichtig ist (so wohl auch Laufs/Uhlenbruck,

Handbuch des Arztrechts, § 82 Rn. 42).

Die Rechtsauffassung des Klägers, das

Rückforderungsrecht des Beklagten sei in entsprechender Anwendung

des § 3 Abs. 1 Satz 2 BRAGO ausgeschlossen, vermag der Senat nicht

zu teilen. In der Gebührenordnung für Rechtsanwälte ist

ausdrücklich bestimmt, daß der Auftraggeber Leistungen an den

Rechtsanwalt, die er freiwillig und ohne Vorbehalt erbracht hat,

nicht deshalb zurückfordern kann, weil seine auf eine höhere als

die gesetzliche Vergütung gerichtete Erklärung nicht der in § 3

Abs. 1 Satz 1 BRAGO vorgeschriebenen Form entspricht. Eine analoge

Anwendung dieser Regelung im vorliegenden Fall scheidet schon von

vornherein aus, weil es an einer Vereinbarung und damit an einer

"Erklärung" des Beklagten über eine höhere als die gesetzliche

Vergütung schlechthin fehlt. Eine Analogie zu § 3 Abs. 1 Satz 2

BRAGO scheitert (entgegen Schaub in: Münchener Kommentar zum BGB,

2. Aufl., § 612 Rn. 215 a) auch daran, daß die Gebührenordnung für

Zahnärzte eine der Ausnahmeregelung der BRAGO entsprechende

Bestimmung gerade nicht enthält und daher von einer "Nachbildung"

nicht die Rede sein kann.

Abgesehen davon sind auch die

Voraussetzungen einer der Ausnahmevorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 2

BRAGO entsprechenden Regel nicht erfüllt. Eine freiwillige Leistung

liegt nur dann vor, wenn der Auftraggeber bei Vornahme der Zahlung

weiß, daß seine Leistungen die gesetzliche Vergütung übersteigen

(Gerold/Schmidt von Eicken/Madert, BRAGO, 11. Aufl., § 3 Rn. 7).

Unwidersprochen hat der Beklagte vorgetragen, die Óberzahlung der

Rechnung vom 6. März 1989 sei in Unkenntnis der wahren Sach- und

Rechtslage geschehen.

Eine Rückforderung des

Abdingungsdifferenzbetrages ist dem Beklagten auch nicht durch §

814 BGB verwehrt. Der Ausschluß eines Bereicherungsanspruchs nach

dieser Vorschrift setzt voraus, daß der Leistende die Nichtschuld

gekannt oder zumindest das Bestehen der Verbindlichkeit

angezweifelt und die Leistung in der erkennbaren Absicht erbracht

hat, sie auch für den Fall der Nichtschuld zu bewirken

(Palandt-Thomas, § 814 Rn. 3). Für Kenntnis und Zweifel des

Leistenden kommt es allein auf den Zeitpunkt der

Leistungserbringung an (Palandt-Thomas, a.a.O.). Daß der Beklagte

bei den auf die Rechnung vom 6. März 1989 vorgenommenen Zahlungen

am 10. und 23. März 1989 bereits Zweifel an der Berechtigung des

Honoraranspruchs hatte, behauptet auch der Kläger nicht. Die zu

einem späteren Zeitpunkt ohne Vorbehalt erbrachten Zahlungen auf

die Rechnung vom 8. Mai 1989 sind nicht geeignet, den

Ausnahmetatbestand des § 814 BGB zu erfüllen.

Die Voraussetzungen eines

Erlaßvertrages im Sinne von § 397 BGB schließlich liegen

ersichtlich nicht vor. Die Teilzahlungen des Beklagten auf die

weitere Rechnung vom 8. Mai 1989 können unabhängig davon, ob der

Beklagte in der Zwischenzeit Kenntnis von seinem

Rückforderungsrecht erlangt hat, nicht als konkludentes Angebot zum

Abschluß eines Erlaßvertrages hinsichtlich eines die frühere

Rechnung vom 6. März 1989 betreffenden Erstattungsanspruchs

aufgefaßt werden.

Demnach kann der Beklagte die

Rückzahlung des Abdingungsdifferenzbetrages von 8.990,30 DM

verlangen. Die von der privaten Krankenversicherung vorgenommene

Kostenerstattung hat ihn nicht seiner Fähigkeit beraubt, diesen

Anspruch selbst geltend zu machen. Da die Versicherungsgesellschaft

etwaige auf sie übergegangene Erstattungsansprüche an den

Beklagten abgetreten hat, kann die von den Parteien aufgeworfene

Frage, ob insoweit ein gesetzlicher Anspruchsübergang nach § 67

Abs. 1 Satz 1 VVG stattgefunden hat, unbeantwortet bleiben.

Dasselbe gilt für einen etwaigen Anspruchs-übergang auf die

gesetzliche Krankenversicherung - die T. -. Der Kläger beruft sich

darauf, daß auch die T. Erstattungen auf seine Rechnung vom 6. März

1989 vorgenommen habe, ohne jedoch im einzelnen darzulegen, welche

Erstattungsbeträ-ge auf diejenigen Positionen entfallen, um die

das Landgericht die Rechnung vom 16.

März 1989 gekürzt hat. Der pauschale Hinweis in der

Berufungsbegründung auf die Gesamtsummen der von den

Krankenversicherungen auf seine beiden Rechnungen vom 6. März und

8. Mai 1989 geleisteten Zahlungen reicht dafür nicht aus.

Unstreitig ist, daß die T. auf die Abdingungsdifferenz keine

Leistungen erbracht hat. Inwieweit der Beklagte auch von der

gesetzlichen Krankenkasse Erstattungen auf diejenigen

Rechnungspositionen erhalten hat, deretwegen er

Rückzahlungsansprüche gegen den Kläger geltend macht, läßt sich

dessen Vortrag auch in Verbindung mit den Schriftsätzen des

Beklagten nicht mit der gebotenen Deutlichkeit entnehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97

Abs. 1 ZPO. Die Óberbürdung eines Teils der Rechtsmittelkosten auf

den Beklagten gem. § 97 Abs. 2 ZPO kommt nicht etwa deshalb in

Betracht, weil der Beklagte ohne die vorgenommene Abtretung durch

die Privatversicherung möglicherweise zu einem Teil unterlegen

gewesen wäre. Die Anwendung des § 97 Abs. 2 ZPO setzt voraus, daß

die obsiegende Partei im früheren Rechtszug eine vom Standpunkt

eines vernünftigen und gewissenhaften Prozeßbeteiligten

notwendigen Vortrag versäumt hat. Unabhängig von der zwischen den

Parteien streitigen Frage der Auslegung von § 67 VVG trifft den

Beklagten ein solcher Vorwurf jedenfalls deshalb nicht, weil das

Landgericht, seiner Rechtsauffassung folgend, die Anwendbarkeit

von § 67 VVG verneint hat. Eine - hier

zu erwägende - abweichende rechtliche

Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht kann aber nicht

kostenmäßig zu Lasten der obsiegenden Partei gehen (vgl.

Zöller-Schneider/Herget, ZPO, 16. Aufl., § 97 Rn. 11).

Der Ausspruch über die vorläufige

Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO.

Berufungsstreitwert: 9.120,44 DM.

Beschwer für den Kläger: unter

60.000,-- DM






OLG Köln:
Urteil v. 10.02.1993
Az: 27 U 188/92


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