Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Oktober 2005
Aktenzeichen: 28 W (pat) 258/03

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die für diverse Waren der Klassen 9, 10 und 20, ua "ärztliche Instrumente, Apparate und Geräte" am 2. September 1999 eingetragene und am 7. Oktober 1999 veröffentlichte Wortmarke

"Corvas"

ist Widerspruch erhoben worden aus der international registrierten Wortmarke R 350 230

"CORDIS", die seit 1968 für die Waren "Instruments er appareils medicaux et chirurgicaux"

geschützt ist.

Die Markenstelle für Klasse 10 hat den Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, dass selbst bei identischen Waren ein ausreichender Markenabstand in Klang und Bild gegeben sei, denn beide Marken enthielten den eher kennzeichenschwachen, in vielen vergleichbaren Marken enthaltenen und für den beteiligten Fachverkehr zwanglos als Hinweis auf "Herz" zu erkennenden Bestandteil "cor", der für sich allein keine Verwechslungsgefahr begründen könne.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die angesichts identischer bzw hochgradig ähnlicher Waren und der Abweichung der Vergleichsmarken lediglich in zwei Buchstaben eine Verwechslungsgefahr für unausweichlich hält, zumal die Widerspruchsmarke nicht nur durch lange und umfangreiche Benutzung einen erhöhten Schutzumfang genieße, sondern gleichzeitig auch den Firmenname darstelle und als Dachmarke eingesetzt werde. Auf dem Gebiet der Herzkatheter sei die Widersprechende zudem Marktführerin.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie bestreitet nicht nur eine erhöhte Bekanntheit und Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, sondern hält diese wegen des nach der Drittzeichenlage verbrauchten Kürzels "cor" als Hinweis auf das Indikationsgebiet sogar eher für kennzeichnungsschwach. Darüber hinaus werde die Widerspruchsmarke für Spezialwaren benutzt, die zu den Waren der angegriffenen Marke allenfalls teilweise ähnlich seien. Was die Marken betreffe, würden diese vom ausschließlich beteiligten Fachverkehr ohne weiteres in Klang und Bild auseinandergehalten.

Im Zuge des Beschwerdeverfahrens hat die Markeninhaberin die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten, diese Einrede nach Vorlage von Unterlagen zur Glaubhaftmachung aber hinsichtlich der Waren "Führungskatheter, Ballon-Dilatationskatheter, Diagnostikkatheter, Stents, Führungsdrähte und Einführschleusen" nicht mehr aufrecht erhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist nicht begründet. Auch nach Auffassung des Senats halten die sich gegenüberstehenden Marken den erforderlichen Abstand ein, um eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG auszuschließen.

Nach dieser Vorschrift hängt das Bestehen der Verwechslungsgefahr ab von der Identität oder Ähnlichkeit der Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der durch diese Marken erfassten Waren. Daneben sind alle Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, vor allem die Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend eine Verwechslungsgefahr nicht bejaht werden.

Was die Warenlage anbetrifft, kann dahingestellt bleiben, ob die als rechtserhaltend benutzt anerkannten Spezialwaren im Sinne der von der Rechtsprechung für das Widerspruchsverfahren entwickelten erweiterten Minimallösung (vgl Ströbele/Hacker, aaO, § 26 Rdn 210 ff, 217 mwN) den Oberbegriffen in ihrem Warenverzeichnis zuzuordnen sind, da selbst die Spezialwaren dem Oberbegriff im angegriffenen Warenverzeichnis unterfallen, so dass von Warenidentität ausgegangen werden muss, was zunächst einmal stark kollisionsfördernd wirkt. Auf der anderen Seite ist zu beachten, dass auf dem betroffenen Warengebiet ausschließlich Fachleute tätig sind, die im Umgang mit Waren und ihren Kennzeichnungen erfahrungsgemäß eine erhöhte Aufmerksamkeit walten lassen, zumal wenn es sich wie vorliegend um Produkte für die innere Anwendung am Menschen handelt, bei denen eine fehlerhafte Auswahl zu ggfls irreparablen Schäden bis hin zum Tod des Patienten führen kann. Selbst wenn im Klinikbereich oder großen kardiologischen Praxen Bestellvorgänge auf - ohnehin fachlich geschultes - Hilfspersonal delegiert sein sollten, unterläge dies einer lückenlosen Überwachung durch die verantwortlichen Ärzte, so dass auch insoweit von einer überdurchschnittlichen Aufmerksamkeit gegenüber den Warenkennzeichnungen ausgegangen werden kann.

Vor diesem Hintergrund hält die angegriffene Marke den damit zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr erforderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke noch ein. Zwar ist richtig, dass die Marken gewisse klangliche und schriftbildliche Gemeinsamkeiten aufweisen, wie gleiche Buchstaben- und Silbenzahl, identischen erste Silbe und Schlusskonsonant; andererseits unterscheiden sie sich aber in der Vokalfolge und der zweiten Silbe, wobei zu beachten ist, dass der Wortbestandteil "Cor" (= Lat "Herz") wegen seines Indikationshinweises und seiner nach der Registerlage vielfachen Verwendung in Drittmarken (über 530 Eintragungen von "Cor"-Marken in der Klasse 5 und über 100 in Klasse 10) als eher wenig kennzeichnend einzustufen ist, auch wenn aus einer damit verbundenen isolierten Kennzeichnungsschwäche nicht ohne weiteres auf die allein maßgebende Kennzeichnungskraft der Gesamtbezeichnung geschlossen werden kann, zumal es bei pharmazeutischen Erzeugnissen der üblichen Praxis entspricht, Marken in der Weise zu bilden, dass diese als sogenannte sprechende Zeichen durch eine phantasievolle Zusammenstellung jedenfalls für den Fachmann erkennbarer zB Anwendungsangaben das Indikationsgebiet kenntlich machen. Wie im angefochtenen Beschluss der Markenstelle zutreffend ausgeführt ist, kann dem übereinstimmenden Wortanfang "Cor" aber wegen dieser Schwäche kein entscheidendes Gewicht für die Begründung einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr beigemessen werden, auch wenn Teile einer einheitlichen Marke, deren Kennzeichnungskraft insgesamt mangels entgegenstehender Anhaltspunkte als normal einzustufen ist, nicht unberücksichtigt bleiben dürfen, sondern im Zusammenhang mit weiteren Ähnlichkeiten der Vergleichsmarken als zusätzlicher Grund für die Bejahung der Verwechslungsgefahr durchaus Bedeutung erlangen können. Dies gilt selbst bei beschreibenden Bestandteilen, auch wenn ihnen keine besondere Gewichtung zukommen wird, obwohl sie am Wortanfang stehen (BGH GRUR 2004, 783 (785) - NEURO-VIBOLEX/ NEURO-FIBRAFLEX). Ist aber wie vorliegend ausschließlich Fachverkehr beteiligt und handelt es sich hier um hochsensible Waren mit beiden Marken entnehmbaren klaren Indikationshinweisen, können bei der Prüfung der maßgebenden Gesamtwirkung der Zeichen die beschreibenden Sachhinweise nicht in der ihrer Stellung am Wortanfang eigentlich entsprechenden Bedeutung ins Gewicht fallen. Selbst der Erfahrungssatz, dass Wortanfänge häufig stärker als die übrigen Markenteile beachtet werden, gilt für derart schwache Bestandteile nur eingeschränkt. Vorliegend wird sich der beteiligte Fachverkehr damit nicht ausschließlich oder überwiegend am Kürzel "cor" orientieren, sondern auch den weiteren Markenbestandteilen Beachtung schenken, die aber deutlich voneinander abweichen, zumal die Silbe "vas" erkennbar auf "vaskulär" hinweist und damit den Fachleuten eine weitere begriffliche Stütze zur Unterscheidung der Marken anbietet.

Eine andere rechtliche Beurteilung wäre allenfalls dann angezeigt, wenn man, wie von der Widersprechenden behauptet, eine durch Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zugrunde legen würde, von der allerdings nach der Aktenlage und vor dem Hintergrund qualifizierten Bestreitens der Markeninhaberin nicht ausgegangen werden kann. Zwar hat die Widersprechende zahlreiche Unterlagen zum Umfang der Benutzung der Widerspruchsmarke eingereicht und Umsatzzahlen für die hier streitigen Waren genannt, die ihre Behauptung zur Marktführerschaft untermauern sollen, doch ist für den Senat im summarischen Registerverfahren nicht zweifelsfrei feststellbar, ob und in welchem Umfang sich diese Benutzungshandlungen tatsächlich auf den Bekanntheitsgrad der Widerspruchsmarke ausgewirkt haben, zumal der Einwand der Markeninhaberin, die Bekanntheit beziehe sich allein auf den Firmennamen und nicht auf die Produkte nicht von der Hand zu weisen ist, da die eingereichten Prospekte, Werbeblätter, Tagungsbereichte usw. in der Tat auch eine solche firmenmäßige Benutzung aufzeigen. Bedenkt man, dass Umsatzzahlen für sich genommen ohnehin nicht ohne weiteres zum Beleg einer gesteigerten Verkehrsbekanntheit geeignet sind, verbleiben damit Zweifel, die zu Lasten der Widersprechenden gehen.

Bei dieser Sach- und Rechtslage hat die Markenstelle den Widerspruch zurecht zurückgewiesen, so dass die Beschwerde keinen Erfolg haben konnte.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (vgl § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG).

Stoppel Schwarz-Angele Paetzold Bb






BPatG:
Beschluss v. 12.10.2005
Az: 28 W (pat) 258/03


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