Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht:
Urteil vom 24. März 2003
Aktenzeichen: 1 LB 152/02

(Niedersächsisches OVG: Urteil v. 24.03.2003, Az.: 1 LB 152/02)

Der Verpflichtung aus § 9 Abs. 1 NVwKostG, bei der Festsetzung der Gebühr aus einem Gebührenrahmen Verwaltungsaufwand und Gegenstandswert in angemessenem Verhältnis zu berücksichtigen, genügt die Behörde, wenn sie den durchschnittlichen Verwaltungsaufwand für Tätigkeiten dieser Art (§ 3 Abs. 2 NVwKostG) zum Ausgangspunkt der folgenden Berechnung nimmt: Summe aus Verhältnis konkreter zum durchschnittlichen Verwaltungsaufwand plus Verhältnis konkreter Gegenstandswert zum durchschnittlichen, geteilt durch zwei, mal Wert des durchschnittlichen Verwaltungsaufwandes.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Berechnung der Gebühren seines (durch Rücknahme erledigten) Widerspruchsverfahrens im Wesentlichen mit der Begründung, die von der Beklagten durchgeführten Rechenoperationen widersprächen den Denkgesetzen und denen der Mathematik sowie § 9 Abs. 1 NVwKostG.

Der Kläger führte gegen eine oder zwei Windenergieanlagen, welche in einem Abstand von etwa 770 m zu seinem Grundstück errichtet werden sollten, Widerspruch. Am 24. Juli 2000 nahm er diesen zurück, weil er das Grundstück veräußert hatte. Die Beklagte stellte das Widerspruchsverfahren daraufhin mit Bescheid vom 27. Juli 2000 ein. Mit hier angegriffenem Kostenbescheid vom gleichen Tage setzte sie die vom Kläger nach Nr. 72 der Anlage zur Allgemeinen Gebührenordnung zu zahlenden Gebühren auf 110,08 DM nach folgender Berechnungsmethode fest: Ausgangspunkt ist die Annahme, der durchschnittliche Verwaltungsaufwand für die Bearbeitung eines Nachbarwiderspruchs betrage 6 Stunden für einen Mitarbeiter des gehobenen Dienstes. Bei einem Stundenwert von 103,-- DM ergebe das 618,-- DM. Sodann ermittelte die Beklagte den Verwaltungsaufwand, den die Behandlung dieses Widerspruchs verursacht hatte/haben würde. Das seien hier nur 45 Minuten, d.h. das 0,125-fache des Regelaufwandes von 6 Stunden gewesen. Anschließend betrachtete sie den Gegenstandswert. Dieser betrage bei Nachbarwidersprüchen in der Regel 15.000,-- DM. Hier seien 20.000,-- DM anzusetzen gewesen, weil der Kläger die Beeinträchtigung seines Einfamilienhauses insgesamt gerügt und damit etwas über dem Durchschnitt liegende Einbußen geltend gemacht habe. Dementsprechend betrage der Gegenstandswert das 1,3-fache des Durchschnittsgegenstandswertes in Nachbarstreitigkeiten. Beide genannten Faktoren flössen gleichmäßig, d.h. zur Hälfte in die Ermittlung der ("an sich") geschuldeten Widerspruchsgebühren ein, weil § 9 Abs. 1 NVwKostG fordere, Gegenstandswert und tatsächlichen Verwaltungsaufwand zu gleichen Teilen zu berücksichtigen. Die Widerspruchsgebühr errechne sich damit folgendermaßen: 618,-- DM (durchschnittlicher Verwaltungsaufwand) X ((0,125 = Verwaltungsaufwand-Anteil + 1,3 = Gegenstandswert-Anteil) : 2) = 618,-- DM X 0,7125 = 440,33 DM. Dieser Betrag sei wegen § 11 Abs. 3 Buchst. b NVwKostG auf ein Viertel zu reduzieren. Das ergebe den geforderten Betrag.

Seinen Widerspruch begründete der Kläger wie folgt: Die Berechnungsweise widerspreche mathematischen Gesetzen. Denn bei der dabei angestellten Proportionalitätsrechnung dürften die einzelnen Elemente nur miteinander multipliziert, nicht aber addiert werden. Auf der Grundlage der im Einzelnen nicht bestrittenen Grundannahmen müsse daher die folgende Berechnung angestellt werden: 618 X 0,125 = 77,25 X 1,3 = 102,74, dies wiederum wegen § 11 NVwKostG geteilt durch 4 = 25,69 DM.

Nach Zurückweisung seines Widerspruchs durch Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 5. September 2000 hat der Kläger Klage erhoben und unter Vertiefung seiner Widerspruchsbegründung beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 2000 und deren Widerspruchsbescheid vom 5. September 2000 insoweit aufzuheben, als darin ein höherer Betrag als 25,69 DM festgesetzt worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

und ihre Berechnung verteidigt.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit der angegriffenen Entscheidung, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, vollen Umfangs entsprochen und dazu im Wesentlichen ausgeführt: Die von der Beklagten angestellte Berechnung stelle letztlich eine rein mathematische Vorgehensweise dar, in der die Faktoren Gegenstandswert und Verwaltungsaufwand nicht, wie nach der Rechtsprechung des OVG Lüneburg und von § 9 Abs. 1 NVwKostG gefordert, ins Verhältnis gesetzt, sondern ohne Gewichtung pauschal addiert würden. Selbst wenn daher z.B. der Verwaltungsaufwand nur 77,25 DM betrage, führe ein geringer Gegenstandswert von 3.000,-- DM zu einer Erhöhung der Widerspruchsgebühr um rund 23,-- DM, statt diese weiter abzusenken. Abgesehen davon schöpfe die Berechnungsmethode der Beklagten den Rahmen nicht aus, den Nr. 72 der Anlage zur AllGO vorgebe. Weder sei es möglich, bis auf 50,-- DM "herunterzukommen", noch sei gewährleistet, dass die Widerspruchsgebühr unterhalb des Höchstbetrages bleibe. Dieser Ermessensfehler führe zur Aufhebung der Bescheide. Es sei der Kammer verwehrt, ihre Ermessensentscheidung an die Stelle der Beklagten zu setzen.

Durch Beschluss vom 7. Juni 2002 - 1 LA 2788/01 - hat der Senat die Berufung zugelassen. Zu deren Begründung macht die Beklagte geltend: Der Gesetzeswortlaut gebe vor, die Elemente Bedeutung der Sache und Verwaltungsaufwand gleichmäßig, d.h. zu gleichen Teilen zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts stehe ihr sogar zu, dieses Verhältnis im Wege der Einschätzungsprärogative zu bestimmen. Anders als im Sachverhalt, welcher der vom Verwaltungsgericht zu Unrecht herangezogenen Entscheidung des Senats vom 14. Juli 1988 - 1 OVG A 136/87 - zugrunde gelegen habe, seien hier nicht lediglich zwei Werte addiert und daraus die Gebühr bestimmt worden. Vielmehr seien beide Elemente wertend ins Verhältnis zueinander gesetzt worden. Das Verwaltungsgericht habe keine Begründung angeführt, welche es als ungerechtfertigt erscheinen lasse, Verwaltungsaufwand und Bedeutung der Sache im Verhältnis 1 : 1 zu berücksichtigen. Die verwandte Formel garantiere, dass die Widerspruchsgebühr nicht willkürlich bestimmt werde, und gestatte es, den Gebührenrahmen sowohl nach unten als auch nach oben voll auszuschöpfen. Selbst wenn in Einzelfällen die Berechnung dazu führe, dass die Maximalgebühr überschritten werde, führe dies nicht zur Rechtswidrigkeit der Methode. Dann wirke sich Nr. 72 AllGO a.F. als Kappungsgrenze aus.

Die Beklagte beantragt,

die angegriffene Entscheidung zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erwidert: Jeder könne ohne weiteres erkennen, dass die Berechnungsmethode mathematisch unzutreffend sei. Das zeige schon der Umstand, dass die Beklagte in ihrer Gebührenberechnung vom 27. Juli 2000 mit 440,33 DM zu einem Betrag gekommen sei, der das 5,7-fache des in seinem Fall entstandenen Verwaltungsaufwands ausmache. Diese Art der Berechnung sei mathematisch unrichtig. Die Formel müsse nach § 9 Abs. 1 NVwKostG sicherstellen, dass die Widerspruchsgebühr im Verhältnis des Verwaltungsaufwandes und der Bedeutung der Sache steige oder falle. Das habe zur Folge, dass die Werte miteinander multipliziert werden müssten und nicht addiert werden dürften.

Wegen der Einzelheiten von Vortrag und Sachverhalt wird auf die gewechselten Schriftsätze und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.

Gründe

Im Einverständnis mit den Beteiligten (Schriftsätze vom 24. und 29. Januar 2003) entscheidet der Senat über die Berufung ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige, insbesondere rechtzeitig begründete Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten.

Dabei braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob eine Klagestattgabe bereits deshalb ausscheiden musste, weil der Kläger in jedem Fall den geforderten Betrag zu zahlen hat und sich eventuelle Fehler in der Ermessensbetätigung in keinem Fall zu seinen Gunsten hätten auswirken können. Denn die von der Beklagten gewählte Methode ist jedenfalls für den Bereich des öffentlichen Baunachbarrechts nicht zu beanstanden.

Bei der hier noch anzuwendenden Nr. 72 AllGO i.d.F. vom 4. April 2000 (NdsGVBl. S. 86) handelt es sich um eine Rahmengebühr. § 9 Abs. 1 NVwKostG ordnet dafür Folgendes an: Bei der Festsetzung der aus einem Rahmen zu entnehmenden Gebühr hat die Behörde das Maß des Verwaltungsaufwandes für die einzelne Amtshandlung sowie den Wert des Gegenstandes der Amtshandlung zu berücksichtigen. Gemäß § 3 Abs. 2 NVwKostG ist dabei der durchschnittliche Verwaltungsaufwand des jeweils in Rede stehenden Verwaltungszweiges maßgeblich. Das sind nicht nur die Personal-, sondern auch die sächlichen Kosten. Dieser Aufwand bestimmt die Höhe der Gebühr jedoch nicht allein. Der wirtschaftliche Wert und Nutzen, den eine Antragsstattgabe für den Widerspruchsführer gehabt haben würde, ist ebenfalls zu "berücksichtigen". Da das Gesetz ein festes Verhältnis beider Gesichtspunkte nicht vorschreibt, sondern der Behörde nur aufgibt, beide Gesichtspunkte "zu berücksichtigen", hat die Behörde einen relativ breiten Entscheidungsspielraum. Dieser wird nur begrenzt durch das Äquivalenzprinzip (keine Gesamtgebührenhöhe, welche den Verwaltungsaufwand überschreitet) und den Gleichheitssatz (im Wesentlichen gleiche Gebührenhöhe bei im Wesentlichen gleicher Inanspruchnahme der behördlichen Leistungen).

Hier hat sich die Beklagte dafür entschieden, Verwaltungsaufwand und den Wert des Gegenstandes zu gleichen Teilen zu berücksichtigen. Das ist jedenfalls unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Das von der Beklagten gewählte Ermittlungsmodell besteht entgegen der Deutung des Verwaltungsgerichts und des Klägers nicht in einer bloßen Addition zweier Werte für den Verwaltungsaufwand und den Gegenstandswert, sondern berücksichtigt beide in Einklang mit § 9 Abs. 1 NVwKostG gleichmäßig nach Maßgabe einer den Einzelfall ergreifenden Wertung. Dazu ist Folgendes auszuführen:

Die Rahmengebühr nach Nr. 72 AllGO a.F. kann nicht wie die Rahmengebühr behandelt werden, die z.B. Rechtsanwälten gemäß § 118 Abs. 1 BRAGO zusteht. Denn dort ist die Höhe der vollen Gebühr durch den Streitwert und die Tabelle bestimmt, die § 11 BRAGO als Anlage beigefügt ist. Deshalb ist es bei Nr. 72 AllGO a.F. nicht möglich, wie bei der Handhabung des § 118 Abs. 1 BRAGO von einem Durchschnittswert (dort: 7,5/10) auszugehen und je nach Aufwand der Tätigkeit zu interpolieren. Daher hat es der Senat gebilligt, bei der Ermittlung der aus dem Rahmen von Nr. 72 AllGO a.F. zu entnehmenden und im Einzelfall geschuldeten Gebühr vom durchschnittlichen Aufwand für die Art der jeweils in Rede stehenden Verwaltungstätigkeit auszugehen (vgl. zum Folgenden: NdsOVG, Urt. v. 14.7.1988 - 1 OVG A 136/87 -, V.n.b.). Vorausgesetzt wird allerdings, dass der durchschnittliche Aufwand nicht zu hoch festgesetzt wird. Nicht ausgeschlossen ist es damit, im Einzelfall einen deutlich höheren oder niedrigeren Aufwand zugrunde zu legen. Bei der Ermittlung des Maßes des Verwaltungsaufwandes muss damit auf den ganz konkreten, im Einzelfall entstandenen Aufwand abgestellt werden und nicht auf denjenigen, der typischerweise entsteht (so schon OVG Lüneburg, Urt. v. 16.2.1972 - VII OVG A 73/72 -, OVGE 28, 415). Um § 9 Abs. 1 NVwKostG gerecht zu werden, muss die Behörde anschließend auch den Gegenstandswert der Amtshandlung berücksichtigen. Daher ist bei der Festsetzung der Gebühr zu ermitteln, in welchem Verhältnis der konkrete Gegenstandswert hinter als durchschnittlich einzustufenden Gegenstandswerten für derartige Amtshandlungen zurückbleibt oder - umgekehrt - darüber hinausgeht.

Das von der Beklagten entwickelte Modell wird diesen Vorgaben gerecht. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts addiert es nicht in der vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg am 14. Juli 1988 (a.a.O.) für rechtswidrig angesehenen Weise schlicht zwei Werte zu einem Gesamtwert. Ausgangspunkt des Rechenmodells ist vielmehr der durchschnittliche Verwaltungsaufwand, den eine Bearbeitung eines Widerspruchs in diesem Verwaltungszweig, nämlich der Behandlung von Baunachbarrechtswidersprüchen erfordert (§ 3 Abs. 2 NVwKostG). Das ist nach der obigen Ausführung nicht zu beanstanden. Dieser Ausgangswert wird anschließend in zweierlei Richtungen regelgerecht gewichtet, ohne zwei Werte ungewichtet zu addieren. Zum einen geschieht dies hinsichtlich des in dem konkreten Fall aufzuwendenden Verwaltungsaufwandes und zum anderen hinsichtlich des Wertes, den die Amtshandlung für den Widerspruchsführer hatte/gehabt hätte. Dies wird in Einklang mit § 9 Abs. 1 NVwKostG umgesetzt. Insbesondere ist es entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts und des Klägers richtig, dass der zum Ausgangspunkt gewählte Durchschnittswert für beide Rechenoperationen maßgeblich ist, d.h. sowohl für die Ermittlung des Verhältnisses, in dem der konkrete Verwaltungsaufwand zum Durchschnittsaufwand steht, als auch in demjenigen, in dem der Nutzen der Amtshandlung für den konkreten Widerspruchsführer im Verhältnis zu dem Nutzen steht, den ein "Durchschnittswiderspruchsführer" von einem ihm positiven Ausgang des Widerspruchsverfahrens hat. Da beides zu gleichen Teilen berücksichtigt werden soll, werden beide Werte (wohlgemerkt: erst nach einer gewichtenden Operation) addiert und dann durch zwei geteilt. Beide Rechenoperationen beziehen sich daher nicht auf einen abstrakten Gegenstandswert, der - wie im zum Az. 1 OVG A 136/87 entschiedenen Fall offenbar geschehen - schlicht zum konkreten Verwaltungsaufwand addiert wird. Vielmehr bestimmt eine gewichtende Betrachtung, ob der Durchschnittsverwaltungsaufwand sowohl nach dem konkret betriebenen Aufwand als auch nach dem Gegenstandswert zu korrigieren ist.

Das Gegenbeispiel, welches das Verwaltungsgericht auf S. 5 des Urteilsabdruckes wählt, missversteht diese Rechenoperation. Dort wird ausgeführt: Wenn der Verwaltungsaufwand - wie hier - nur 77,25 DM betrage, dann müsse ein unterdurchschnittlicher Gegenstandswert (wirtschaftlicher Nutzen einer stattgebenden Entscheidung für den Widerspruchsführer) zu einer weiteren Reduktion gerade dieses Wertes führen. Tatsächlich sei es aber so, dass selbst ein unterdurchschnittlich hoher Gegenstandswert von nur 3.000,-- DM die Gebühr auf 100,42 DM anschwellen lasse. Hierbei begeht das Verwaltungsgericht den Fehler, als Bezugspunkt für die Berücksichtigung des Gegenstandswertes den schon verringerten Verwaltungsaufwand von 77,25 DM zu nehmen und nicht den Durchschnittsaufwand von 618,-- DM. Denn dieser bildet nach den obigen Ausführungen und schon nach der Senatsentscheidung vom 14. Juli 1988 (a.a.O.) den Ausgangspunkt für beide Rechenoperationen. Dementsprechend ist auch dieser Durchschnittsaufwand in dem gewählten Beispiel als Ausgangswert mit dem Multiplikator malzunehmen, der den unterdurchschnittlichen Gegenstandswert ausdrückt. Tut man dies, dann verringert sich entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts die vom Widerspruchsführer zu zahlende Gebühr unter den Durchschnittswert. Denn würde man nur den Durchschnittsgegenstandswert zugrunde legen und damit in die Berechnung den Durchschnittsverwaltungsaufwand einstellen, ergäbe sich folgende Berechnung: 77,25 DM für den auf den konkreten Fall reduzierten Verwaltungsaufwand. Zuzüglich 618,-- DM : 2 ergäbe 347,62 DM. Die Teilung durch zwei ist erforderlich, da jeder der beiden in § 9 Abs. 1 NVwKostG benannten Gesichtspunkte nur zu gleichen Teilen und nicht allein die Gebührenhöhe bestimmen soll. Beträgt der vom Widerspruchsführer mit seinem Rechtsbehelf verfolgte wirtschaftliche Wert dagegen lediglich 3.000,-- DM und damit nur ein Fünftel des Durchschnittswertes von 15.000,-- DM, dann ist folgende Rechnung aufzumachen: (77,25 + 123,60) : 2 = 100,42 DM. Der verringerte Gegenstandswert wirkt sich also tatsächlich widerspruchsgebührenmindernd aus. Würde man mit dem Kläger und dem Verwaltungsgericht als Bezugspunkt für die Ermittlung des Gegenstandswertes den wegen geringen Verwaltungsaufwandes ohnehin schon auf ein Achtel reduzierten Wert (77,25 DM) nehmen, würde der Verwaltungsaufwand im Ergebnis eine deutlich größere Bedeutung haben für die Bemessung der Widerspruchsgebühr und damit das von § 9 Abs. 1 NVwKostG beabsichtigte Verhältnis beider Gesichtspunkte gründlich zu Lasten des Gegenstandswertes verfehlt.

Deshalb geht der Einwand des Klägers fehl, der Ausgangswert von 440,33 DM habe schon deshalb nicht richtig sein können, weil er das 5,7-fache des in seinem Fall konkret entstandenen Verwaltungsaufwands bedeute. Damit verkennt er, dass Bezugspunkt eben nicht der verminderte, konkrete Verwaltungsaufwand zu sein hat, sondern der durchschnittliche in diesem Verwaltungszweig entstehende, und dass die konkrete Gebührenhöhe nicht nur durch den Verwaltungsaufwand, sondern - gleichrangig - durch den Vorteil bestimmt wird, den er gehabt hätte, wäre er mit seinem Widerspruch durchgedrungen.

Auch der weitere vom Verwaltungsgericht angeführte Gesichtspunkt gegen das von der Beklagten gefundene Berechnungsmodell vermag nicht zu überzeugen. Der Ausgangspunkt der Überlegungen ist allerdings entgegen der Annahme der Beklagten richtig. Gelingt es dem Berechnungsmodell im Regelfall nicht, zu Gebührenhöhen zu führen, welche sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens (hier nach Nr. 72 des Anhangs zur AllGO a.F.: 50,-- DM bis 5.000,-- DM) halten, dann gerät die Berechnungsmethode in die Gefahr, als untauglich angesehen zu werden. Insbesondere dann, wenn bei ihrer Anwendung der Gebührenrahmen regelmäßig überschritten wird und daher die "Kappungsgrenze" geradezu regelmäßig eingreift, führte das zu einer nicht zu rechtfertigenden Begünstigung der Widerspruchsführer, welche ein verwaltungsaufwendiges Verfahren bei hohem Gegenstandsinteresse betreiben, und einer damit gleichheitssatzwidrigen Belastung derjenigen Widerspruchsführer, deren Verfahren einen geringen Verwaltungsaufwand erfordert, von geringem Gegenstandswertinteresse getragen ist und gleichwohl den Gebührenrahmen im Wesentlichen voll ausschöpft (vgl. zum Vorstehenden: Loeser, Niedersächsisches Verwaltungskostengesetz, § 9 Anm. 4 c, S. 6 f., unter Hinweis auf Bad.-Württ.VGH, Urt. v. 8.11.1988 - 14 S 940/87 -, BWVBl 1989, 375 = GewArch 1989, 344; NdsOVG, Urt. v. 2.12.1996 - 12 L 182/95 -, Juris, unter 2.4.3 am Ende der Entscheidungsgründe).

Die sich an diese Überlegungen anschließenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts treffen jedoch nicht den Kern. Die Berechnung der Beklagten führt regelmäßig dazu, dass sich die Gebührenhöhe bei Nachbarwidersprüchen im unteren Drittel bis etwa zur Hälfte des Gebührenrahmens bewegt. Das ergeben folgende Berechnungsbeispiele, die jeweils zum Ausgangspunkt den durchschnittlichen Verwaltungsaufwand von 618,-- DM nehmen:

Erstens: Der tatsächlich zu leistende Verwaltungsaufwand beträgt 60 %, der konkrete Wert der erstrebten Amtshandlung für den Widerspruchsführer ist aber beträchtlich, nämlich das Doppelte des Normalen.

Das ergibt folgende Rechnung: 618 X ((0,6 + 2) : 2) = 803,40 DM.

Zweitens: Hohe Arbeitsintensität, das Vierfache des normalen Verwaltungsaufwandes. Der Nutzen der Amtshandlung ist für den Widerspruchsführer auch sehr hoch und beträgt das Fünffache des Durchschnittswertes.

Das ergibt die Berechnung: 618 X ((4 + 5) : 2) = 2.781,-- DM.

Drittens: Dass bei tatsächlich sehr niedrigem Verwaltungsaufwand und geringem Gegenstandswert der Mindestwert von 50,-- DM unterschritten werden kann, hat die Beklagte auf S. 8 Mitte ihrer Berufungsbegründung vom 9. Juli 2000 dargelegt.

Das Ergebnis dieser Berechnungen zeigt im Gegensatz zur Einschätzung des Verwaltungsgerichts gerade nicht, dass das von der Beklagten verwandte und entwickelte Rechenmodell untauglich ist. Diese Einschätzung ist von der Annahme getragen auch im Bereich baurechtlicher Nachbarwidersprüche - dieser ist hier nach § 3 Abs. 2 NVwKostG allein maßgeblich - müsse der Gebührenrahmen der Nr. 72 AllGO a.F. voll ausgeschöpft werden können. Diese Annahme trifft nicht zu. Nr. 72 der AllGO a.F. hat für eine ganze Reihe von Verwaltungszweigen Gültigkeit. Dementsprechend ist es für andere Verwaltungszweige ohne weiteres möglich, den Gebührenrahmen erheblich größeren Umfangs auszuschöpfen. Darf die Verwaltung - wie oben belegt - den durchschnittlichen Verwaltungsaufwand zum Ausgangspunkt ihrer Gebührenberechnung wählen, dann ist es gerade nicht zu beanstanden, dass der Gebührenrahmen bei Nachbarwidersprüchen kaum ausgeschöpft werden kann, wenn der dort durchschnittlich anzutreffende Verwaltungsaufwand eben entsprechend gering ist. Dieser beträgt nach der nicht in Abrede genommenen Angabe der Beklagten, welcher näher nachzugehen kein Anlass besteht, nur 618,-- DM. Dann müsste bei einem durchschnittlichen Verwaltungsaufwand das Gegenstandsinteresse des Widerspruchsführers schon gut das Fünfzehnfache des durchschnittlichen Wertes betragen, um das obere Ende des Gebührenrahmens (5.000,-- DM) in etwa zu erreichen (((1 + 15) : 2) X 618 = 4.944,-- DM(. Das ist unrealistisch.

Es ist - ohne dass der Kläger dies gerügt hätte - unter Ermessensgesichtspunkten auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte hier das 1,3-fache des durchschnittlichen Gegenstandswerts angenommen hat. In dem Eilverfahren, das die hier interessierenden Windenergieanlagen betraf und von einem anderen Nachbarn betrieben worden war, hat der Senat in seinem Beschluss vom 26. Oktober 1999 - 1 M 3519/99 - einen Streitwert von 10.000,-- DM angenommen. Für das Hauptsacheverfahren wäre also ein Streitwert von 20.000,-- DM veranlasst gewesen. Damit ging die wirtschaftliche Bedeutung über den Durchschnitt hinaus. Denn der Streitwertrahmen in der hier maßgeblichen Fassung der Veröffentlichung in den Niedersächsischen Verwaltungsblättern 1995, 80, reichte nach der hier einschlägigen Nr. 8 a zwar von 5.000,-- DM bis 40.000,-- DM. In der Regel hat der Senat jedoch nur Streitwerte zwischen 10.000,-- DM und 15.000,-- DM festgesetzt.






Niedersächsisches OVG:
Urteil v. 24.03.2003
Az: 1 LB 152/02


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