Landgericht Berlin:
Beschluss vom 11. Februar 2014
Aktenzeichen: 15 O 58/14

(LG Berlin: Beschluss v. 11.02.2014, Az.: 15 O 58/14)

Tenor

1. Der Antrag der Antragstellerin vom 6. Februar 2014 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Verfahrenswert beträgt 6.667,00 Euro.

Gründe

Die Antragstellerin begehrt ein urheberrechtliches Verbot, die als Anlage AST 3 beigebrachte Vorlage vom 16. November 2011, auf deren Inhalt verwiesen wird, öffentlich zugänglich zu machen. Die Vorlage wurde durch den ... und den ... verfasst. Beide versichern an Eides statt, "alle Nutzungs- und Verwertungsrechte" an dieser Vorlage im Rahmen ihres Dienstverhältnisses mit Übergabe der Vortage dem Bundesministerium des Innern übertragen zu haben (Anlagenkonvolut AST 4).

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zurückzuweisen, weil kein Verfügungsanspruch besteht.

Die Antragstellerin stützt ihr Begehren ausschließlich auf das Urheberrecht. Ein Unterlassungsanspruch nach § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG setzt unter anderem voraus, dass der betroffene Text urheberrechtlich schutzfähig ist. Das ist bei dem streitgegenständlichen Text auch unter Anlegung des Maßstabs der kleinen Münze nicht der Fall.

Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 UrhG Sprachwerke wie Schriftwerke, soweit es sich dabei um persönliche geistige Schöpfungen handelt.

Die streitgegenständliche Vorlage beinhaltet eine rechtsgutachterliche Befassung mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit einer 5-Prozent-Sperrklausel im Hinblick auf eine 2,5-Prozent-Sperrklausel. Das Schriftwerk ist daher dem (rechts-) wissenschaftlichen Bereich zuzuordnen.

Bei wissenschaftlichen Werken findet der erforderliche geistig-schöpferische Gehalt seinen Niederschlag und Ausdruck in erster Linie in der Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffes und nicht ohne weiteres auch, wie meist bei literarischen Werken, in der Gedankenformung und -führung des dargebotenen Inhalts. Die Frage, ob ein Schriftwerk einen hinreichenden schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad besitzt, bemisst sich dabei nach dem geistig-schöpferischen Gesamteindruck der konkreten Gestaltung, und zwar im Gesamtvergleich gegenüber vorbestehenden Gestaltungen. Lassen sich nach Maßgabe des Gesamtvergleichs mit dem Vorbekannten schöpferische Eigenheiten feststellen, so sind diese der durchschnittlichen Gestaltertätigkeit gegenüberzustellen. Die Urheberrechtsschutzfähigkeit erfordert ein deutliches Überragen des Alltäglichen, des Handwerksmäßigen, der mechanisch-technischen Aneinanderreihung des Materials (BGH - I ZR 213/83 -, Urteil vom 17. April 1986 - Anwaltsschriftsatz; OLG München - 29 W 2325/07 -, Beschluss vom 16. Oktober 2007). Dabei beschränkt sich der urheberrechtliche Schutz wissenschaftlicher Werke grundsätzlich auf die Formgestaltung, während die inhaltlichen Elemente ungeschützt bleiben. Die in der Vorlage enthaltenen inhaltlichen Schlussfolgerungen sind nicht schutzfähig, sondern jeder ist frei, dieselben rechtswissenschaftlichen Gedanken zu pflegen und Schlüsse zu ziehen, Art. 5 Abs. 3 GG. Eine urheberrechtlich geschützte Leistung kann daher nur in der eigentümlichen Auswahl, Anordnung, Einteilung und / oder Darstellung des behandelten Stoffes liegen.

Die Antragstellern hat nicht dargetan und es ist auch sonst nicht festzustellen, dass der streitgegenständliche Text diesen Anforderungen genügt.

Die Unterteilung des Textes in Votum, Sachverhalt und Stellungnahme ist üblich und nicht eigentümlich, dazu trägt die Antragstellerin auch nichts Gegenteiliges vor.

Der Text ist von herkömmlichen Denkkategorien geprägt. Aufbau und Einordnung des Tatsachenmaterials und der rechtlichen Gesichtspunkte folgen nach einem für rechtswissenschaftliche gutachterliche Stellungnahmen üblichen Schema. Die Verfasser haben in ihrer Stellungnahme eine einschlägige Norm wiedergegeben und sich unter Berufung auf eine Literaturfundstelle mit der Reichweite dieser Norm befasst, um sich sodann mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts und der vorgegebenen Frage, was sich daraus für eine 2,5-Prozent-Sperrklausel ergibt, auseinanderzusetzen. Dazu haben die Verfasser das Urteil auf eine systematisch und darstellerisch routinemäßige Weise ausgewertet, indem sie sich zunächst mit den Obersätzen und sodann mit den Einzelbegründungen und einzelnen Ausführungen des Urteils befassten und dabei jeweils Teile des Urteils zitierten und durch eigene Hervorhebungen und verbindende Anmerkungen die eigenen Schlussfolgerungen zogen und begründeten. Die Stellungnahme ist nach Sprache, Gedankenführung und Gliederung alltäglich, ohne dass die Ausnutzung eines individuellen Gestaltungsspielraums zu erkennen ist. Die Verfasser haben in der gebräuchlichen Fachsprache formuliert und sich üblicher Formulierungen bedient, ohne dass in dem Text eigenschöpferische Züge zu erkennen sind. Dem Gericht sind aus der ständigen Befassung mit eigenen und fremden gutachterlichen Auswertungen von einzelnen Urteilen in Bezug auf konkrete Fragestellungen viele nach Inhalt und Zweck vergleichbare Schriftwerke bekannt. Im Vergleich mit solchen vorbestehenden Gestaltungen ist eine schöpferische Eigenheit der streitgegenständlichen Vorlage und deren deutliches Überragen des Alltäglichen und Handwerksmäßigen hier nicht festzustellen. Diese ist auch nicht damit zu begründen, dass die Verfasser der Vorlage etwa aus einer umfangreichen Materialsammlung und komplizierten Materie eine übersichtlich und eingängige Darstellung geschaffen hätten. Die Vorlage lässt eine Auseinandersetzung mit anderen Gerichtsentscheidungen oder rechtswissenschaftlichen Äußerungen nicht erkennen, sondern sie beschränkt sich auf eine Auswertung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 2011 und konzentriert sich dabei auf eine Auswahl einschlägiger Zitate aus diesem Urteil, um damit Schlussfolgerungen für die konkrete Fragestellung zu ziehen und zu begründen.

Nach Ansicht der Kammer handelt es sich bei der streitgegenständlichen Vorlage daher nicht um ein Werk im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG.

Das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs war bereits aus diesem Grunde zu verneinen, ohne dass es hier noch auf dessen weitere Voraussetzungen ankam, so dass es dazu keiner näheren Ausführungen bedarf.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Wertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO und legt den von der Antragstellerin in ihrer Abmahnung mit 10.000,00 € angesetzten Gegenstandswert zu Grunde. Der Gegenstandswert entspricht einem Streitwert in der Hauptsache, von dem für das nur vorläufige Eilverfahren zwei Drittel anzusetzen sind.






LG Berlin:
Beschluss v. 11.02.2014
Az: 15 O 58/14


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