Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg:
Beschluss vom 9. Januar 2012
Aktenzeichen: OVG 2 M 49.11

(OVG Berlin-Brandenburg: Beschluss v. 09.01.2012, Az.: OVG 2 M 49.11)

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 20. Juli 2011 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat ihren Antrag auf Beiordnung des in der Ukraine zugelassenen Rechtsanwalts S€ als Korrespondenzanwalt (§ 121 Abs. 4 ZPO i.V.m. § 166 VwGO) zu Recht abgelehnt.

Dabei ist zunächst klarzustellen, dass eine Beiordnung der in der Klageschrift als Korrespondenzanwälte benannten Gesellschaft €A€€, bei der es sich offenbar um ein Übersetzungsbüro, nicht aber um eine Rechtsanwaltsgesellschaft handelt, von vornherein nicht in Betracht kommt, sondern sich der Beiordnungsantrag bei sachdienlicher Auslegung allein auf den anscheinend dort beschäftigten Rechtsanwalt P€ bezieht. Auch dessen Beiordnung kommt jedoch nicht in Betracht, weil ausländische Anwälte, jedenfalls soweit sie nicht nach dem Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG) deutschen Rechtsanwälten gleichgestellt sind, nicht gemäß § 121 ZPO beigeordnet werden können (OLG Stuttgart, Beschluss vom 19. November 1997 € 16 WF 448 und 449/97 €, juris Rn. 5 f.; OLG Köln, Beschluss vom 29. Januar 1975 € 17 W 264/74 €; vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 5. Aufl. 2010, Rn. 530, 580; zweifelnd OLG Naumburg, Beschluss vom 13. September 2010 € 2 W 31/10 €, juris Rn. 10; a.A. OLG Bamberg, Beschluss vom 14. Juli 1997 € 7 WF 75/97 €, juris Rn. 8 ff.; OLG Nürnberg, Beschluss vom 19. April 2004 € 7 WF 1247/04 €, MDR 2004, S. 1017). Dass sich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 121 ZPO grundsätzlich nur auf in Deutschland zugelassene Rechtsanwälte bezieht, ergibt sich daraus, dass ausländische Rechtsanwälte hinsichtlich ihrer Qualifikation und beruflichen Stellung anderen Regelungen unterliegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beiordnung darauf angelegt ist, neben dem dadurch begründeten Vergütungsanspruch gegenüber der Staatskasse (vgl. §§ 45 ff. RVG) auch belastende Wirkungen gegenüber dem beigeordneten Rechtsanwalt zu entfalten, denen im Ausland zugelassene Rechtsanwälte indes kraft Gesetzes nicht unterworfen sind. So ist eine bedeutsame Wirkung der Beiordnung darin zu sehen, dass nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO der beigeordnete Rechtsanwalt gegenüber der Partei keinen Vergütungsanspruch geltend machen kann. Die Vergütung im Ausland niedergelassener Rechtsanwälte bestimmt sich jedoch regelmäßig (vorbehaltlich einer anderslautenden Rechtswahl) nach dem Recht am Ort ihrer Niederlassung (vgl. Art. 3 und Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Verordnung (EG) Nr. 593/2008 € Rom I € vom 17. Juni 2008, ABl. L 177/6, ber. ABl. 2009 L 309/87; Spickhoff in: Bamberger/Roth, Beck€scher Onlinekommentar BGB, Stand 1. März 2011, VO (EG) 593/2008 Art. 4 Rn. 13 m.w.N.). Des Weiteren begründet die Beiordnung gemäß § 48 BRAO die Verpflichtung zur Übernahme des Mandats, das der beigeordnete Rechtsanwalt nicht ohne Entpflichtung niederlegen darf (§ 48 Abs. 2 BRAO). Den Verpflichtungen nach der Bundesrechtsanwaltsordnung einschließlich der dort geregelten allgemeinen Berufspflichten unterliegen aber unmittelbar nur die nach §§ 4 ff. BRAO in Deutschland zur Rechtsanwaltschaft zugelassenen Rechtsanwälte, die zudem eine bestimmte Qualifikation erfüllen müssen (vgl. § 4 BRAO) und der Aufsicht der Rechtsanwaltskammern unterstellt sind. Ihnen gleichgestellt sind nach dem Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland lediglich die in Deutschland niedergelassen oder dort vorübergehend dienstleistenden europäischen Rechtsanwälte, die in den in der Anlage zu § 1 dieses Gesetzes genannten Staaten berechtigt sind, als Rechtsanwalt oder unter einer der dort genannten ausländischen Berufsbezeichnungen selbständig tätig zu sein. Ob daraus abgeleitet werden kann, dass auch sie gemäß § 121 ZPO beigeordnet werden können (so wohl Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O., Rn. 530; Bork in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2004, § 121 Rn. 5 i.V.m. § 78 Rn. 18), bedarf hier keiner Entscheidung, da der von der Klägerin benannte, in der Ukraine zugelassene Rechtsanwalt, nicht hierunter fällt. Unentschieden bleiben kann ferner, ob eine Beiordnung eines ausländischen Verkehrsanwaltes ausnahmsweise möglich ist, wenn schwierige Rechtsfragen des ausländischen Rechts zu beurteilen sind (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 14. Juli 1997 und OLG Nürnberg, Beschluss vom 19. April 2004, a.a.O.), da sich hier keine solchen Fragen stellen.

Die gebotene weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 24. März 2011 € 1 BvR 1737/10 €, juris Rn. 13 m.w.N.) steht der grundsätzlichen Beschränkung der Beiordnung auf in Deutschland zugelassene Rechtsanwälte nicht entgegen. Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass die Kosten der Hinzuziehung eines ausländischen Verkehrsanwaltes durch eine ausländische Partei in der Rechtsprechung regelmäßig als erstattungsfähig anerkannt werden (vgl. etwa OLG München, Beschluss vom 16. Februar 2011 € 11 W 224/11 €, juris Rn. 10), lässt sich eine hinreichende Angleichung der Situation einer unbemittelten ausländischen Partei auch dadurch erreichen, dass der ausländische Rechtsanwalt, soweit seine Hinzuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist (vgl. § 162 Abs. 1 VwGO), von dem beigeordneten Prozessbevollmächtigten als unterbevollmächtigter Verkehrsanwalt beauftragt wird. Die dem Hauptbevollmächtigten dadurch entstehenden Kosten gehören dann zu den Kosten, die er im Rahmen der §§ 45 und 46 RVG von der Staatskasse erstattet verlangen kann (vgl. zur Hinzuziehung eines ausländischen Beweisanwalts OLG Stuttgart, Beschluss vom 19. November 1997, a.a.O., Rn. 8). Ob eine Hinzuziehung des von der Klägerin benannten ukrainischen Rechtsanwalts in diesem Sinne zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist, wofür auch zu fragen ist, ob eine vermögende Partei unter gleichen Umständen die dadurch entstehenden Mehrkosten auf sich nehmen würde, erscheint allerdings als zweifelhaft. So ist es für Klageverfahren, die wie das vorliegende auf Erteilung eines Visums zum Familiennachzug oder zum Besuch von Verwandten in Deutschland gerichtet sind, kennzeichnend, dass der ausländische Kläger in Deutschland über eine oder mehrere Bezugspersonen (wie hier den Ehemann der Klägerin), verfügt, die ebenfalls den Kontakt zu dem Prozessbevollmächtigten vermitteln könnten. Die Klägerin hat bislang nicht dargetan, dass der erforderliche Informationsaustausch nicht auch über ihren Ehemann, zu dem sie nachziehen will, möglich ist, wodurch die Mehrkosten eines ausländischen Verkehrsanwalts erspart blieben. Dafür, ihn einzuschalten, dürfte ferner sprechen, dass es nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Hauptsacheverfahren vor allem um die Klärung der Frage gehen wird, ob es dem Ehemann der Klägerin zuzumuten ist, die ehelichen Lebensgemeinschaft im Ausland zu führen. Dies legt es ohnehin nahe, dem Prozessbevollmächtigten die erforderlichen Informationen unmittelbar durch den Ehemann der Klägerin zukommen zu lassen. Ersichtlich rechtfertigen auch die gesondert abrechenbaren Aufwendungen für notwendige Übersetzungen ukrainischer Unterlagen nicht die Hinzuziehung eines weiteren Rechtsanwalts.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es wegen der gesetzlich bestimmten Festgebühr nicht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).






OVG Berlin-Brandenburg:
Beschluss v. 09.01.2012
Az: OVG 2 M 49.11


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