StGH des Landes Hessen:
Beschluss vom 15. August 2002
Aktenzeichen: P.St. 1356

(StGH des Landes Hessen: Beschluss v. 15.08.2002, Az.: P.St. 1356)

Gründe

A.

I.

Die Antragsteller wenden sich mit der sofortigen Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers beim Staatsgerichtshof, soweit darin Absetzungen von ihrem Kostenfestsetzungsgesuch vorgenommen worden sind.

Der Staatsgerichtshof gab mit Urteil vom 20. Oktober 1999 - P.St.1356 - einer Grundrechtsklage der Antragsteller gegen ein mietrechtliches Berufungsurteil statt und verurteilte das Land Hessen, den Antragstellern die notwendigen Auslagen zu erstatten. Mit Beschluss vom 13. Februar 2002 setzte der Staatsgerichtshof den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf 7600,-€ fest.

Die Antragsteller beantragten mit Gesuch vom 22. Februar 2002 die Festsetzung von Kosten in Höhe von insgesamt 1.494,23 €. Unter Zugrundelegung der ab 1. Januar 2002 geltenden Gebühren machten die Antragsteller insbesondere eine Erhöhung der Prozessgebühr wegen mehrerer Auftraggeber sowie die Erstattung der Kosten für 125 gefertigte Fotokopien geltend.

Nach Anhörung des Landes Hessen als Erstattungsschuldner setzte der Rechtspfleger beim Staatsgerichtshof Kosten in Höhe von insgesamt 2.474,28 DM fest, die er in 1.265,08 € umrechnete. Festgesetzt wurden ausgehend von einem Gegenstandswert in Höhe von 14.864,- DM eine Prozess- und eine Verhandlungsgebühr in Höhe von jeweils 1.046,50 DM, Entgelt für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen in Höhe von 40,- DM sowie Mehrwertsteuer in Höhe von 341,28 DM aus der Summe dieser Beträge. Zur Begründung der gegenüber dem Kostenfestsetzungsgesuch der Antragsteller erfolgten Absetzungen führte der Rechtspfleger hinsichtlich der Gebührenerhöhung nach § 6 der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung - BRAGO - aus, bei der im Grundrechtsklageverfahren angegriffenen hoheitlichen Maßnahme handele es sich um ein einheitliches Verfahren, in dem jeder Antragsteller nur seine eigene Grundrechtsverletzung geltend machen könne. Die beantragte Erhöhung der Prozessgebühr nach § 6 BRAGO komme nicht in Betracht, da kein Tätigwerden für mehrere Auftraggeber in derselben Angelegenheit vorliege. lm Hinblick auf die Erstattung von Schreibauslagen nach § 27 BRAGO legte der Rechtspfleger dar, die Herstellung von Abschriften und Fotokopien gehöre grundsätzlich zur üblichen, ordentlichen Geschäftstätigkeit des Rechtsanwalts und unterfalle somit den allgemeinen Geschäftsunkosten nach § 25 Abs. 1 BRAGO. Zudem komme eine Erstattung von Schreibauslagen im vorliegenden Fall auch deshalb nicht in Betracht, weil die Herstellung der Kopien zur sachgemäßen Bearbeitung nicht geboten gewesen sei. Die Berechnung der Vergütung bestimme sich im Übrigen nach dem vor dem 1. Januar 2002 geltenden Recht (§ 134 BRAGO).

Die Antragsteller haben gegen den ihnen am 28. Mai 2002 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss am 1. Juni 2002 sofortige Beschwerde eingelegt, der der Rechtspfleger nicht abgeholfen hat. § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO sei nach seinem Reglungszweck, dem Rechtsanwalt den mit der Vertretung von mehreren Mandanten verbundenen Koordinierungsaufwand zu erstatten, anwendbar, wenn ein Rechtsanwalt mehrere Personen vertrete, die eine hoheitliche Maßnahme mit der Grundrechtsklage angriffen. Die Kosten für gefertigte Kopien, deren Anzahl die Antragsteller im Beschwerdeverfahren auf 250 Fotokopien korrigiert haben, seien nach § 27 BRAGO zu erstatten. Um eine Grundrechtsklage sachgerecht zu führen, sei es geboten, eine Kopie der paginierten Gerichtsakte als Arbeitsgrundlage anzufertigen. Dies gelte namentlich, wenn - wie hier - wegen einer zeitnah drohenden Zwangsräumung ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu stellen gewesen sei. In der Situation der drohenden Zwangsräumung sei es auch höchst sinnvoll, dem Verfassungsgericht die Originalakten des Ausgangsverfahrens in Kopie zur Verfügung zu stellen.

Wegen des Vorbringens der Antragsteller im Einzelnen wird auf die Schriftsätze vom 29. Mai 2002 und vom 19. Juli 2002 Bezug genommen.

II.

Der Landesregierung und der Landesanwaltschaft ist Gelegenheit gegeben worden, sich zur sofortigen Beschwerde zu äußern.

B

I.

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller ist zulässig, aber unbegründet.

Die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers beim Staatsgerichtshof folgt aus § 11 Abs. 1 Rechtspflegergesetz in Verbindung mit §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung (vgl. § 26 Nr. 10 des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung), insbesondere übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 50,-€.

Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil der angegriffene Kostenfestsetzungsbeschluss rechtsfehlerfrei ist, insbesondere die von den Antragstellern gerügten Absetzungen zu Recht erfolgt sind.

Für die Festsetzung von den Antragstellern im Zusammenhang mit ihrer erfolgreichen Grundrechtsklage entstandenen notwendigen Kosten maßgeblich sind dabei nach § 134 BRAGO die §§ 6 Abs. 1 und 27 Abs. 1 BRAGO in der bis zum 15. Dezember 2001 geltenden Fassung, da der Auftrag zur Erhebung der Grundrechtsklage vor diesem Zeitpunkt erteilt wurde.

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BRAGO erhält der Rechtsanwalt die Gebühr nur einmal, wenn er in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird. Ist der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe, so erhöhen sich die Geschäftsgebühr und die Prozessgebühr durch jeden weiteren Auftraggeber um drei Zehntel, § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO. Die von den Antragstellern begehrte Erhöhung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO scheitert daran, dass die Antragsteller mit der Grundrechtsklage jeweils nebeneinander und unabhängig voneinander bestehende Grundrechte und damit nicht denselben Gegenstand geltend gemacht haben. Während die Angelegenheit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 den einheitlichen Lebensvorgang - hier die Grundrechtsklage - bezeichnet, innerhalb dessen sich die durch eine Gebühr abzugeltende anwaltliche Tätigkeit abspielt, ist der Gegenstand im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 das Recht oder Rechtsverhältnis, auf das sich die Tätigkeit des Anwalts bezieht (vgl. BVerfGE 96, 251, 255 ff.; von Eicken in: Gerold/Schmidt, BRAG0, 15. Aufl. 2002, § 6 Rdnr. 25; Madert, ebd., § 13 Rdnr.5). Mit der Grundrechtsklage haben die Antragsteller verschiedene Gegenstände, nämlich Verletzungen in den ihnen jeweils individuell zustehenden Grundrechten, verfolgt.

Die Vertretung mehrerer Antragsteller, die mit einer Grundrechtsklage ihre jeweiligen Grundrechte und damit verschiedene Gegenstände geltend machen, wirkt sich sonach nicht bei der Gebührenfestsetzung aus, sondern kommt als Kriterium bei der Bemessung des Gegenstandswertes nach § 113 Abs. 2 Satz 2 BRAGO in Betracht.

Die Antragsteller haben ferner keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der gefertigten 250 Kopien. Nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO in der bis zum 15. Dezember 2001 geltenden Fassung stehen dem Rechtsanwalt für Ablichtungen aus Gerichtsakten Schreibauslagen zu, soweit die Ablichtung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Fachgerichtliche Rechtsprechung (vgl. BayVGH NVwZ-RR 2001, 413; VG Oldenburg NdsRPfl. 2001, 215) und Literatur (vgl. von Eicken, a.a.0.,§ 27 Rdnr.15) räumen dem Anwalt dabei hinsichtlich des Gebotenseins einen Bewertungsspielraum ein. Auch bei Berücksichtigung eines derartigen Spielraums ist es indes zur sachgemäßen Bearbeitung auch einer Grundrechtsklage jedenfalls nicht geboten, dass - wie hier - die vollständige Akte des fachgerichtlichen Ausgangsverfahrens einschließlich des Aktendeckels und gerichtlicher Verfügungen abgelichtet und dem Staatsgerichtshof übermittelt bzw. vom Anwalt als Arbeitsgrundlage verwendet wird (vgl. BayVGH, a.a.O.; von Eicken, a.a.0., § 27 Rdnr.15 ff. m.w.N.). Ist - wie hier - selbst eine überschlägige Prüfung des Gebotenseins der aus der fachgerichtlichen Akte kopierten Vorgänge durch den Anwalt unterblieben, so obliegt es auch der kostenfestsetzenden Stelle nicht, ihrerseits eine derartige Einschätzung vorzunehmen und gegebenenfalls eine teilweise Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Kosten auszusprechen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 28 StGHG.






StGH des Landes Hessen:
Beschluss v. 15.08.2002
Az: P.St. 1356


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