Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 11. April 2002
Aktenzeichen: 6 U 31/01

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 11.04.2002, Az.: 6 U 31/01)

Tenor

Die Berufung gegen das am 01.12.2000 verkündete Urteil der 12. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main wird auf Kosten der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es im Unterlassungsausspruch statt "insbesondere, wenn dies gemäß den nachfolgenden Abbildungen geschieht:" lautet: "wie in den nachfolgend abgebildeten Beilagen zu Bild Frankfurt vom 16.02.2000 S. 3 und zu Bild Frankfurt vom 05.04.2000".

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 35.000,-- E abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschwer der Beklagten: 30.819,86 E

Gründe

Der Kläger ist ein in die beim Bundesverwaltungsamt geführte Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherverband. Die Beklagte betreibt den Einzelhandel mit Elektrogeräten. Sie warb in Zeitungsbeilagen für das Philips- Navigationssystem Carin SY 522 und für die Krups Kompakt Aroma 130 Kaffeemaschine jeweils mit der unter dem Preis in einem orangefarben unterlegten Kästchen zusätzlich angebrachten Angabe "eUVP, ** DM... Sie haben gespart: DM...' Am oberen rechten Rand der zeitungsgroßen Beilagenseiten findet sich der kleingedruckte vertikale Hinweis "** eUVP = ehemalige unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers". Wegen der weiteren Angaben in den Werbebeilagen wird auf die Anlagen K5 und K6 zur Klageschrift Bezug genommen. Der Kläger hat die Beklagte erfolglos abgemahnt. Der Kläger sieht in der beanstandeten Preisangabe eine irreführende (§ 3 UWG), ohne hinreichenden Aufklärungszusatz versehene Blickfangwerbung und nimmt die Beklagte deswegen auf Unterlassung und Erstattung der Abmahnkosten in Anspruch.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte unter Androhung von Ordnungsgeld, bis zu 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in der Werbung für das Philips Carin SY 522 Navigationssystem sowie für die Krups Compact Aroma 130 Kaffeemaschine die Angabe "eUVP" zu verwenden, ohne deutlicher als durch zwei Sternchen und durch einen vertikal angebrachten Hinweis zu erläutern, dass es sich um die ehemalige unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers handelt, insbesondere wenn dies gemäß den Abbildungen K5 und K6 zur Klageschrift geschieht,

2. die Beklagte zu verurteilen, DM 278,40 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europ. Zentralbank seit dem 18. Februar 2000 an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat zur Verteidigung auf ihre schriftsätzlichen Ausführungen im vorausgegangenen Eilverfahren (2-3 0 143/00 Landgericht Frankfurt am Main/6 U 164/00 OLG Frankfurt am Main) verwiesen. Mit Urteil vom 01.12.2000, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. In der Berufungsinstanz verfolgt der Kläger den Unterlassungsanspruch mit der aus dem nachfolgenden Antrag ersichtlichen Maßgabe weiter. Die Beklagte stellt die Klagebefugnis des Klägers in Abrede und bestreitet mit Nichtwissen die erforderliche sachliche, personelle und finanzielle Ausstattung des Beklag- ten. Weiter hält sie die angegriffene Werbung für zulässig, weil sich "eUVP" beim Verkehr als Abkürzung für die ehemalige unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers durchgesetzt habe und selbst etwaige Zweifel hierüber durch den angebrachten Sternchenhinweis ausgeräumt würden; abzustellen sei insoweit auf den aufgeklärt, verständigen Durchschnittsverbraucher.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage auch mit dem im Berufungsverfahren modifizierten Antrag des Klägers abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Unterlassungsantrag statt des "insbesondere"-Satzes wie folgt gefasst wird: "wie in den nachfolgend abgebildeten Beilagen zu Bild Frankfurt vom 16.02.2000 S. 3 und zu Bild Frankfurt vom 05.04.2000 . Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Wegen des weiteren Parteivorbringens wird au f die gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen Bezug genommen.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren - im Anschluss an die vom Senat im Eilverfahren gemäß § 938 ZPO gewählte Tenorierung - den Klageantrag modifiziert hat, liegt hierin lediglich eine Klarstellung des von Anfang an in der Sache verfolgten Unterlassungsbegehrens. Die Klagebefugnis des Klägers zur Verfolgung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche ergibt sich aus § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG i.V.m. § 4 UKlaG. Die Aussetzung des Verfahrens nach § 4 Abs. 4 UKlaG rechtfertigende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger zu Unrecht in die Liste der qualifizierten Einrichtung nach § 4 Abs. 1 UKlaG eingetragen ist, sind weder von der Beklagten vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Dem Kläger steht - wie das Landgericht mit Recht angenommen und der erkennende Senat bereits nach Erlass des angefochtenen Urteils im vorausgegangenen Eilverfahren (6 U 221/00) mit Urteil vom 22.03.2001 (OLG-Report 01, 165 = GRUR-RR 2001,242) ausgeführt hat - der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 3,13 Abs. 2 Nr. 3 UWG zu.

Die in ihrer konkreten Gesamtgestaltung angegriffene Werbung enthält irreführende (§ 3 UWG) Angaben über die Preisgestaltung, da sie beim durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher, der das Werbeverhalten mit einer der Situation angemessenen Aufmerksamkeit verfolgt (vgl. hierzu BGH WRP 02, 81, 84 Anwalts- und Steuerberatung; WRP 01, 1286, 1289 - Mitwohnzentrale; WRP 2000, 517 - Orient-Teppichmuster) die unzutreffende Vorstellung hervorrufen kann, bei dem dem verlangten Preis gegenübergestellten, als "eUVP" bezeichneten höheren Preis handele es sich um den aktuellen vom Hersteller empfohlenen Preis. Im Einzelhandel besteht inzwischen die verbreitete Übung in der Werbung den eigenen Preis dem höheren, vom Hersteller empfohlenen Preis gegenüberzustellen. Dabei wird der empfohlene Preis vielfach mit Abkürzungen wie "UVP" bezeichnet. Im Hinblick darauf versteht der Durchschnittsverbraucher im vorliegenden Fall die Abkürzung "eUVP" lediglich als eine Variante, mit der ebenfalls die derzeitige Herstellerpreisempfehlung bezeichnet werden soll. Dies drängt sich vor allem deswegen auf, weil die Abkürzung ohne weiteres als "empfohlener unverbindlicher Preis" gelesen werden kann. Dagegen ist die Überlegung, der Buchstabe "e" in der Abkürzung könne für "ehemalig" stehen, im vorliegenden Fall deswegen fernliegend, weil der zugleich gegebene Hinweis "Sie haben gespart: DM ..." zusätzlich einen aktuellen Preisvorteil vorspiegelt, der nur bei dem Vergleich mit einer derzeit noch bestehenden Preisempfehlung vorhanden ist. Diese auf der allgemeinen Lebenserfahrung beruhende Feststellung kann der Senat, dessen Mitglieder zum angesprochenen Verkehrskreis gehören, selbst treffen. Die demgegenüber von der Beklagten aufgestellte Behauptung, "eUVP" habe sich im Verkehr als Abkürzung für "ehemalige unverbindliche Preisempfehlung" durchgesetzt, ist durch nichts belegt; die Beklagte hat - worauf der Kläger mit Recht hingewiesen hat (Schriftsatz des Klägervertreters vom 06.08.2001, S. 4, 5) - kein Beispiel dafür vorgelegt, dass ein anderes Unternehmen diese Abkürzung entsprechend verwendet.

Der Irreführungsgefahr, die von den hervorgehobenen Angaben in dem orangefarben unterlegten Kästchen aus geht, wird auch nicht dadurch hinreichend entgegengewirkt, dass die Abkürzung "eUVP" mit einem Doppelsternchen versehen ist, welches am oberen rechten Rand der Werbebeilage mit dem kleingedruckten" vertikalen Hinweis "** eUVP = ehemalige unverbindliche Preisempfehlung" erläutert wird. Der Sternchenhinweis nimmt selbst nicht am Blickfang teil und wird daher nicht ohne weiteres beim Lesen des orangefarben unterlegten Kästchens wahrgenommen (vgl. hierzu BGH WRP 2000, 1248, 1251 - Computerwerbung -m.w.N.). Derartige abgesetzte, der hervorgehobenen Basisangabe nicht unmittelbar zugeordnete Sternchenhinweise sind zwar grundsätzlich ein wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstandendes Mittel, um die Basisangabe zusätzlich zu erläutern. Vermittelt dagegen in einem solchen Fall die Basisangabe bereits aus sich heraus beim Leser eine bestimmte - unrichtige - Vorstellung, ist auch ein Sternchenhinweis, mit dem die in der Basisangabe gemachte Aussage nicht erläutert, sondern berichtigt werden soll, in der Regel ungeeignet, die Irreführungsgefahr zu beseitigen. Denn wenn der Leser der Werbung meint, den Aussagegehalt der hervorgehobenen Basisangabe bereits vollständig erfasst zu haben, wird er im allgemeinen keinen Anlass sehen, sich überhaupt noch mit dem Sternchenhinweis zu befassen, da er von ihm jedenfalls keine Korrektur der bereits mit dem Blickfang erhaltenen Information erwartet.

Dies gilt jedenfalls bei Werbemitteln wie Anzeigen oder Zeitungsbeilagen, mit denen sich selbst der aufmerksame Verbraucher vergleichsweise flüchtig beschäftigt. Im vorliegenden Fall geht der Leser der beanstandeten Werbung davon aus, dass das Doppelsternchen an der Abkürzung "eUVP" ihn lediglich zu einer Erläuterung darüber führen wird, was er aus den oben bereits genannten Gründen der verwendeten Abkürzung ohnehin schon entnommen zu haben glaubt, nämlich dass es sich hierbei um die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers handelt. Dagegen rechnet er nicht damit, dass damit lediglich die frühere Preisempfehlung gemeint sein könnte. Ungeachtet des vollständig und zutreffenden Inhalts des Sternchenhinweises bleibt die durch die Basisangabe bereits hervorgerufene Fehlvorstellung daher bestehen. Unter diesen Umständen kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob eine Irreführungsgefahr nach § 3 UWG bereits dadurch begründet werden kann, dass eine lediglich missverständliche Blickfangangabe den Werbeadressaten dazu veranlasst, sich näher mit dem weiteren Inhalt der Werbung zu befassen, der ihn sodann zutreffend aufklärt. Die hervorgerufene Fehlvorstellung führt auch zu einer relevanten Irreführung im Sinne von § 3 UWG. Die Differenz zwischen den beiden genannten Preisen lässt das Angebot der Beklagten wesentlich günstiger erscheinen, wenn es sich - wie der Leser meint - bei dem höheren Preis um die aktuelle und nicht nur um eine frühere Preisempfehlung des Herstellers handelt. Zwar kann grundsätzlich auch die dem verlangten Preis gegenübergestellte ehemalige Preisempfehlung dem Verkehr als sachgerechte Orientierungshilfe zur Einschätzung der Preiswürdigkeit dienen (vgl. BGH WRP 2000, 383, 385 - ehemalige Herstellerpreisempfehlung). Eine entsprechende Werbung ist jedoch irreführend, wenn sie - wie hier - vom Verkehr fälschlicherweise als Hinweis auf die derzeit verlangte Preisempfehlung verstanden wird und ihr damit der Charakter eines aktuellen Preisvergleiches beigemessen wird. Der beanstandete Wettbewerbsverstoß berührt im Hinblick auf Art und Bedeutung der hervorgerufenen Irreführung wesentliche Belange der Verbraucher (§ 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG).

Der weiter geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten steht dem Kläger nach den Grundsätzen über die Geschäftsführung ohne Auftrag zu; insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 543 Abs. 1 ZPO a. F.). Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO n.F. - über die der Senat im vorliegenden Verfahren gemäß § 26 Ziff. 7 EGZPO zu befinden hat - besteht kein Anlass. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt im wesentlichen von der Anwendung der in der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Grundsätze zu irreführenden Werbung auf den Einzelfall ab; die in § 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO n.F. genannten Voraussetzungen sind daher nicht erfüllt.






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