Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. September 2002
Aktenzeichen: 29 W (pat) 5/00

(BPatG: Beschluss v. 11.09.2002, Az.: 29 W (pat) 5/00)

Tenor

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. Oktober 1999 wird aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Waren "Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Büroartikel (ausgenommen Möbel)" zurückgewiesen wurde.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I Die Wortmarke

"MultiCom"

ist für die Waren und Dienstleistungen Klasse 9: elektrische, elektronische, optische, Meß-, Signal-, Kontroll- oder Unterrichtsapparate und -instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten); Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; maschinenlesbare Datenaufzeichnungsträger; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Datenverarbeitungsgeräte und Computer;

Klasse 16: Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte und/oder geprägte Karten aus Gattung oder Plastik; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Büroartikel (ausgenommen Möbel);

Klasse 35: Werbung und Geschäftsführung;

Klasse 36: Finanzwesen; Immobilienwesen;

Klasse 37: Bauwesen; Installation, Wartung und Reparatur von Einrichtungen für die Telekommunikation;

Klasse 38: Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation, insbesondere für Funk und Fernsehen;

Klasse 42: Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Vermietung der Zugriffszeiten zu und Betrieb von Datenbanken sowie Sammeln und Liefern von Daten, Nachrichten und Informationen; Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern; Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikation"

zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 18. Oktober 1999 die Anmeldung für alle Waren und Dienstleistungen mit Ausnahme von "Werbung und Geschäftsführung; Finanzwesen; Immobilienwesen; Bauwesen" zurückgewiesen, da das angemeldete Zeichen insoweit eine freihaltebedürftige, nicht unterscheidungskräftige beschreibende Aussage darstelle. Die aus der im Deutschen äußerst gebräuchlichen Vorsilbe "Multi-" (Vielfach, mehrer..., Viel...") und dem Kürzel "Com" sprachüblich gebildete Wortkombination sei als beschreibende Bezeichnung etwa im Sinne von "Mehrfach-, vielfältige Kommunikation" für den Verkehr ohne weiteres verständlich. Andere theoretisch denkbare Bedeutungen lägen im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren fern und schieden von der Art der Wortbildung aus. Der vorliegende Warensektor werde in besonderem Maße durch Englisch als Fach- Werbe- und Umgangssprache geprägt. An dem erkennbaren Sinngehalt der Wortkombination ändere auch die Großschreibung des zweiten Wortbestandteils nichts, da es sich insoweit um eine werbeübliche Gestaltung handle. In Bezug auf die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen besage "MultiCom" lediglich, dass sie die Kommunikation in vielfältiger, vielfacher Weise ermöglichten und in den verschiedensten Bereichen der Kommunikationstechnik Anwendung finden könnten. Bei den Waren der Klasse 9 handle es sich um eine Beschaffenheitsangabe, bei den vom Oberbegriff "Druckereierzeugnissen" erfassten Karten, die zur Benutzung von Multi-Kommunikationseinrichtungen dienen könnten, um eine Bestimmungsangabe. Auch für die Erstellung von Datenverarbeitungsprogrammen, ohne die moderne technische Kommunikationsvorgänge undenkbar seien, handle es sich um eine Beschaffenheits- und Bestimmungsangabe. Hinsichtlich des Bereichs der Telekommunikation erübrigten sich weitere Ausführungen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde macht die Anmelderin geltend, dass ein beschreibender Gehalt des lexikalisch nicht nachweisbaren Phantasieworts "MultiCom" nur anhand grammatikalischer Überlegungen und durch Übersetzungsvorgänge konstruiert werden könne, weshalb es kein Hinweis auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen sei. Für die aus dem Englischen stammenden Bestandteile "Multi" und "Com" kämen nämlich jeweils mehrere Übersetzungsvarianten in Betracht. Es fehle auch an einem Nachweis für ein Freihaltungsbedürfnis. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Mitbewerber den fremdsprachigen Begriff beim inländischen Waren- und Dienstleistungsverkehr benötigen müssten.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

In der mündlichen Verhandlung vom 5. Dezember 2001, in der auch das Ergebnis der Internet-Recherche des Senats Gegenstand der Erörterung war, wurde auf Antrag der Anmelderin in das schriftliche Verfahren übergegangen. Seither hat sie sich zur Sache nicht mehr geäußert.

II 1. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache im wesentlichen keinen Erfolg. Der Eintragbarkeit des Begriffs "MultiCom" stehen mit Ausnahme der im Tenor genannten Waren die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 1, § 37 Abs. 1 MarkenG entgegen. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die angemeldete Wortverbindung neu ist oder nicht. Denn zur Beschreibung von Eigenschaften von Waren oder Dienstleistungen können im Verkehr nicht nur bereits existierende Bezeichnungen dienen, sondern auch solche Worte, deren Verwendung als Sachangabe in Zukunft erfolgen kann (EuGH GRUR 1999, 723, 726 - Chiemsee). Die Tatsache, dass aufgrund der Internet-Recherche eine mehrfache Verwendung von "Multicom" als Bestandteil von Firmennamen erscheint, sagt nichts darüber aus, dass es sich dennoch um ein nicht als Marke schutzfähiges Wort handeln kann. Hinsichtlich der Unterscheidungskraft von Firmennamen bestehen nämlich geringere Anforderungen als bei Marken.

2. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr u.a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen oder dienen können (vgl. BGH GRUR 2002, 64 - INDIVIDUELLE; BGH MarkenR 2000, 420 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; BGH GRUR 1999, 988, 989; BGH GRUR 1999, 1093, 1094 - FOR YOU). Dies ist bei den Waren der Klasse 9 und den in Klasse 16 beanspruchten Druckereierzeugnissen sowie den Telekommunikationsdienstleistungen der Klasse 38 und den Dienstleistungen "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung und Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikation". der Klasse 42 der Fall.

Für die angesprochenen Verkehrskreise, die zum einen aus Fachleuten bestehen und zum anderen - da überwiegend Waren und Dienstleistungen aus den Bereichen der Elektronik, der Datenverarbeitung und der Telekommunikation beansprucht sind - aus entsprechend überdurchschnittlich interessierten und informierten Endverbrauchern stellt das angemeldete Zeichen einen unmittelbar beschreibenden Hinweis auf die Art, die Beschaffenheit oder die Bestimmung der genannten Waren und Dienstleistungen dar.

"MultiCom" setzt sich, wegen der Großschreibung des jeweils ersten Buchstaben der einzelnen Wortteile, deutlich erkennbar aus den beiden Bestandteilen "Multi" und "Com" zusammen. "Multi" ist eine im Deutschen geläufige Vorsilbe, die "Vielfach, mehrer..., Viel..." bedeutet (vgl. z.B. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 4. Aufl.2001, Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 7. Auflage 2000) und die in Zusammensetzungen wie "multifunktional, multikulturell, multilateral, Multimedia, multimedial, multinational, Multimillionär" etc. (Wahrig a.a.O.) Bestandteil der Alltagssprache ist. Bei "Com" handelt es sich um die gebräuchliche Abkürzung für "Kommunikation", die auch in Deutschland verwendet wird (Duden, Wörterbuch der Abkürzungen, 4. Aufl.; Winkler, M + T Computerlexikon, Heyne Verlag 2000; Rosenbaum, Abkürzungslexikon ET/EDV/IT, Verlag Technik Berlin). Die Bedeutung "Kommunikation" entspricht dem spontanen Verständnis des Kürzels "Com" innerhalb des Gesamtzeichens "MultiCom". Dies folgt neben dem lexikalischen Beleg und der überragend bekannten Verwendung durch diverse Telekommunikationsunternehmen wie z.B. auch der Anmelderin selbst, wobei die Schreibweisen "c" oder "k" gleichberechtigt nebeneinander stehen, vor allem aus dem Waren- und Dienstleistungszusammenhang, innerhalb dessen die weiteren nachweisbaren Bedeutungen keinen vernünftigen Sinn ergeben. Es besteht also vorliegend keine Mehrdeutigkeit des Zeichens "MultiCom", sondern die Verwendung des fraglichen Ausdrucks lässt in Verbindung mit den beanspruchten Waren zwangsläufig nur einen bestimmten beschreibenden Hinweis erkennen (vgl BGH GRUR 1996, 634, 635 - Turbo II). Der sprachüblich zusammengesetzte Begriff "MultiCom" entspricht nämlich in seinem Aufbau den o.g. sowie weiteren auf dem hier relevanten Gebiet der Elektronik, der Datenverarbeitung und der Telekommunikation mit der Vorsilbe "Multi- oder multi-" gebildeten Verbindungen. Beispiele dafür sind: "Multimedia" für die Kombination und Verwendung mehrerer Medien; "Multiprogramming" für ein parallel stattfindendes, in zeitlicher Hinsicht auf den Ablauf hin koordiniertes Arbeiten von mehreren Programmen innerhalb eines einzelnen Computers; "Multitask" für die gleichzeitige Verarbeitung mehrerer Befehle (Wahrig a.a.O.); "Multilink" für Anwendungen, Dienste, Protokolle und Kommunikationsbeziehungen, die sich auf mehrere, teilweise auch unterschiedliche Kanäle abstützen; (Unterrichtsblätter der Anmelderin 54. Jahrgang Februar 2001). "MultiCom" wird daher von den angesprochenen fachkundigen Verkehrskreisen ohne weiteres und nur im Sinn von "Mehrfachkommunikation, mehrfachkommunikationsfähig" verstanden. Dies umso mehr, als diese Fähigkeit zunehmend an Bedeutung gewinnt. Kommunikation bedeutet auf den Gebieten Elektronik, IT-Technik und Telekommunikation Informationsübertragung, z.B. von einem Computer zu einem anderen, über ein Kommunikationsmedium wie Telefonleitung, Kabel, Richtfunk oder Satellitenverbindung (vgl. Microsoft Computerlexikon Ausgabe 2001, Stichwort "Kommunikation"), wobei gerade im Zusammenhang mit den sich durch die technische Entwicklung in der Computertechnologie, von Multimedia, Internet und Telekommunikation, insbesondere Mobilfunk eröffnenden Möglichkeiten die Anforderungen an die Fähigkeit, mehrfach und übergreifend Daten auszutauschen, wachsen. Dem wird durch entsprechende Angebote diverser Hersteller Rechnung getragen, in dem auf dem Markt z.B. Organisationsprogramme ("Manager") zur mobilen oder stationären Anbindung von technischen Systemen an GMS, GPS, an das Internet oder an Kommunikationsvorrichtungen zur Verfügung gestellt werden, oder die z.B. durch sogenannte Router die beschleunigte Bereitstellung der erforderlichen Daten z.B. für die Verbindung innerhalb eines Netzwerks oder aus einem Netzwerk ins Internet gewährleisten. Die hierfür erforderlichen Eigenschaften werden gebündelt mit "multi communication" bezeichnet. So bietet u.a. die Firma Siemens unter dem Motto "gemeinsam multimedial kommunizieren" eine PC-Karte an, die mit "multifunktionale Kommunikationsbausteinen" zum Einsatz kommt, in Verbindung mit der Videokommunikation u.a. auch den sog. "MCU Multi Communication Units" (vgl. siemensconsult.com/de). Im Zusammenhang mit drahtlosen Telemetrie- und Telematic-Fernwirksystemen zur Fernüberwachung und -steuerung von technischen Geräten, Einrichtungen und Anlagen (GSM-/GPS-Controllern) hat die Fa. LiTEC einen "M.C.M." genannten Multi Communication Manager entwickelt, eine Kombination von Hard- und Software auf der Basis eines Multiplattform Betriebssystems, mit dessen Hilfe über Mobilfunknetz oder Internet rund um den Globus eine gezielte Logistik für Produktion, Unterhalt/Service, Sicherheit und Ortung ermöglicht wird (vgl. LiTEC Ltd. - PRESSINFO). Das neue Mittelklassemodell A 4 des Automobilherstellers Audi wird als "Kommunikationszentrum auf vier Rädern" mit integrierter Antennenanlage "Multi Communication Bar" auf dem Markt eingeführt. Vor diesem Hintergrund weist die Kurzform "MultiCom" keinen anderen Sinngehalt auf als "multi communication", was übereinstimmt mit den Eigenschaften der beanspruchten Produkte, nämlich vielfältigen Datenaustausch zu ermöglichen oder zu verwalten, wie beispielsweise bei "MultiCom Router" von comtes, "Pocket MultiCom" von aboutIT, "Lightning MULTICOM Ethernet 2" oder "Multicom 2" von CoCoNet. Hier hat "MultiCom" die kontextbezogene sachbeschreibende Bedeutung.

In der Bedeutung "Mehrfachkommunikation, mehrfachkommunikationsfähig" dient "MultiCom" daher zur Beschreibung verkehrswesentlicher Eigenschaften der angemeldeten Waren aus der Elektronik, der IT-Technik und der Telekommunikation. Bei den beanspruchten elektrischen, elektronischen und optischen Meß-, Signal-, Kontrollapparaten und -instrumenten (soweit in Klasse 9 enthalten) kann es sich um die schon erwähnten Router handeln oder um Module, die für die Multikommunikationsfähigkeit sorgen. Ebenso können dies die unter die Druckereierzeugnisse fallenden Karten sein (vgl. die o.ä. Ausführungen der Fa. Siemens). Gleiches gilt bezüglich der Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; maschinenlesbaren Datenaufzeichnungsträger, erst recht für die Datenverarbeitungsgeräte und Computer der Klasse 9. Auch Unterrichtsapparate und -instrumente können Teile eines Netzwerks sein, ebenso Verkaufsautomaten (vgl. die Presseinformation der Fa. LiTEC). Bei der Telekommunikation, dem Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung und der Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikation beschreibt das angemeldete Zeichen die Bestimmung sowie deren Art bzw. Zuschnitt.

3. Soweit "MultiCom" jedoch hinsichtlich der weiteren Dienstleistungen, unmittelbar keine Merkmale beschreibt, fehlt dem Zeichen dennoch jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, denn bei diesen sämtlich mehrfach kommunikationsfähige Gegenstände betreffenden Dienstleistungen "Installation, Wartung und Reparatur von Einrichtungen für die Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation, insbesondere für Funk und Fernsehen; Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Vermietung der Zugriffszeiten zu und Betrieb von Datenbanken sowie Sammeln und Liefern von Daten, Nachrichten und Informationen; Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern" ist der o.g. Sachbezug derart eng, dass auf Grund des im Vordergrund stehenden sachbeschreibenden Begriffsinhalts hier der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH MarkenR 2001, 480 f - LOOK mwN).

4. Bezüglich der "Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Büroartikel (ausgenommen Möbel)" weist die Bezeichnung "MultiCom" keinen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt im oben dargestellten Sinn auf noch kann das angemeldete Zeichen insoweit zur Bezeichnung wesentlicher Eigenschaften dienen.

Grabrucker Baumgärtner Pagenberg Cl






BPatG:
Beschluss v. 11.09.2002
Az: 29 W (pat) 5/00


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