Landgericht Köln:
Urteil vom 19. Januar 2012
Aktenzeichen: 88 O 40/11

(LG Köln: Urteil v. 19.01.2012, Az.: 88 O 40/11)

Tenor

Die Klage wird unter Aufhebung des Vollstreckungsbescheids des Amtsgerichts Coburg vom 10.02.2011 - 10-7753546-0-1 - abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung wegen der Nutzung eines Teils der Telekommunikationsleitungen der Klägerin, sog. Intra-Building-Abschnitte, durch die Beklagte für die Zeit von September 2006 bis Dezember 2007 in Anspruch.

Die Parteien sind gerichtsbekannte Telekommunikationsunternehmen. Die Klägerin betreibt ein digitales Mobilfunknetz, die Beklagte betreibt u.a. das von der Deutschen Bundespost und in der Nachfolge von der U2 AG aufgebaute Festnetz.

Das Mobilfunknetz der Klägerin ist zur wechselseitigen Übermittlung von Telefonverkehr mit dem Festnetz der Beklagten physikalisch verbunden, sog. Zusammenschaltung oder Interconnection. Die Zusammenschaltung erfolgt an verschiedenen Standorten der Parteien verteilt über das gesamte Bundesgebiet. Die Parteien stellen jeweils ihre Telekommunikationsleitungen an den jeweiligen Standorten zur Zusammenschaltung bereit. Die Zusammenschaltungsinfrastruktur wird insgesamt als Interconnection-Anschlüsse (ICAs) bezeichnet. Der Teil innerhalb der jeweiligen Räumlichkeiten der Parteien wird als Intra-Building-Abschnitt bezeichnet. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage B Teil 2, Typ I Ziffer 1.2 und 1.3 der Zusammenschlussvereinbarung Bezug genommen. Die Klägerin bedient sich hierzu eines technischen Dienstleisters, der Fa. C2 (Germany) GmbH & Co. oHG. Ein Telefonat aus dem Netz der Beklagten in das Netz der Klägerin durchläuft zunächst den Intra-Building-Abschnitt der Beklagten, dann die Leitung zwischen den Intra-Building-Abschnitten und sodann den Intra-Building-Abschnitt der Klägerin, wonach die Klägerin das Telefonat an ihren Kunden übermittelt (Terminierung). In gleicher Weise funktioniert die Gesprächsübermittlung umgekehrt aus dem Netz der Klägerin in das Netz der Beklagten.

Die Parteien schlossen unter dem 21.07.2003 eine Zusammenschaltungsvereinbarung zur Regelung der Zusammenschaltung. Gemäß Anlage C Teil 3 Ziff. 1.1 ist die Klägerin verpflichtet, über die vereinbarten ICAs vollautomatisch aufgebaute Verbindungen aus dem Telefonnetz der Beklagten in das Mobilfunknetz der Klägerin herzustellen.

Gemäß Anlage D Teil 1 Ziff. 1.1.1 zahlt die Klägerin für die Bereitstellung und Überlassung der Intra-Building-Abschnitte der Beklagten einen jährlichen Überlassungspreis im Voraus. Hiervon erhält die Klägerin nach Ablauf des Kalenderjahres eine Erstattung im Umfang der anteiligen Nutzung durch die Beklagte für in das Netz der Klägerin vermittelte Telefonate.

Eine Regelung zur Vergütung der Intra-Building-Abschnitte der Klägerin durch die Beklagte ist in der Zusammenschaltungsvereinbarung nicht vorhanden.

Die Bundesnetzagentur genehmigte am 08.11.2006 rückwirkend zum 30.08.2006 und hieran anschließend am 31.05.2007 die Entgelte für die Nutzung der Intra-Building-Abschnitte der Klägerin.

Durch Regulierungsverfügung der Bundesnetzagentur vom 30.08.2006 (Anlage K 8) wurde die Klägerin als Betreiberin eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes mit erheblicher Marktmacht verpflichtet, die Zusammenschaltung anderer Netzbetreiber mit dem Netz der Klägerin zu ermöglichen. Auf Antrag der Klägerin setzt die Bundesnetzagentur mit Beschluss vom 31.05.2007 (Anlage K 6) für Intra-Building-Abschnitte (2 MBit/s) ein einmaliges Bereitstellungsentgelt von 513,00 € und ein jährliches Überlassungsentgelt von 958,00 € fest.

Die Klägerin berechnete der Beklagten mit Rechnung vom 18.10.2007 (Anlage K 11) Entgelte für die Zeit von September 2006 bis Dezember 2007. Die Beklagte lehnte die Bezahlung ab. Auf die zwischen den Parteien geführte Korrespondenz (Anlagen K 12-16) wird Bezug genommen.

Am 07.06.2010 schlossen die Parteien eine Ergänzungsvereinbarung zur Zusammenschlussvereinbarung (Anlage K 17), wonach die Beklagte ab dem 01.01.2010 verpflichtet ist, an die Klägerin die genehmigten Entgelte für die Bereitstellung und Überlassung der Intra-Building-Abschnitte der Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte verzichtete bis zum 31.12.2010 auf die Einrede der Verjährung.

Die Klägerin ist der Auffassung, ein Entgeltanspruch folge aus dem Zusammenschaltungsvertrag in Verbindung mit § 37 Abs. 1, 2 Telekommunikationsgesetz (TKG) sowie aus §§ 612, 632 BGB, jedenfalls aus Bereicherungsrecht. Sie beruft sich auf den nach ihrer Meinung gleich gelagerten Beschluss der Bundesnetzagentur vom 23.11.2009 in Sachen W3 (Anlage K 9) und auf ein auf ihre Anfrage gefertigtes Schreiben der Bundesnetzagentur vom 24.03.2010 (Anlage K 10). Danach werde differenziert zwischen Festnetzunternehmen, bei denen historisch bedingt keine Entgeltgenehmigungen erfolgten und Mobilfunkunternehmen, bei denen Entgeltgenehmigungen erfolgten. Die Zusammenschaltungsvereinbarung verstoße wegen der Vergütung der Intra-Building-Abschnitte durch die Beklagte gegen § 37 Abs. 1 TKG, da die Parteien keine Vergütung vereinbart hätten und damit von dem von der Bundesnetzagentur genehmigten Entgelt abwichen. Die Klägerin könne gemäß § 37 Abs. 2 TKG die genehmigten Entgelte verlangen. § 37 Abs. 2 TKG sei zur Vermeidung von Umgehungen auch anwendbar, wenn eine Entgeltvereinbarung vertraglich nicht getroffen sei, eine der Entgeltgenehmigungspflicht unterliegende Leistung aber erbracht werde. Es spiele auch keine Rolle, ob die Beklagte diese Leistungen von der Klägerin „bestellt“ habe, da die Klägerin sowohl öffentlichrechtlich als auch zivilrechtlich zur Leistungserbringung verpflichtet sei. Ohne Nutzung der Intra-Building-Abschnitte der Klägerin könne die vereinbarte Leistung nach der Zusammenschaltungsvereinbarung nicht erbracht werden. Eine Berufung der Beklagten auf eine fehlende Bestellung sei treuwidrig, die Vorschrift des § 37 TKG liefe dann leer. Das Verständnis der Klägerin entspreche auch der Ergänzungsvereinbarung.

Die Höhe des Entgelts entspreche dem Verhältnis des anteiligen Telefonverkehrs. Für die Zeit von September bis Dezember 2006 ergebe sich ein Nettobetrag von 61.117,00 € und für 2007 ein Betrag von 152.235,00 €, brutto 252.055,37 €. Soweit die Beklagte zu einem abweichenden Betrag von 240.385,50 € brutto gelangt sei, macht sich die Klägern diese Berechnung hilfsweise zu eigen. Sie ermittelt hierzu das monatliche Überlassungsentgelt, multipliziert mit der Anzahl der ICAs und damit INTRA Intra-Building-Abschnitte, der Feststellung des prozentualen Verkehrsanteils anhand der Verkehrsminuten der Beklagten. Der Anspruch sei nicht auf Intra-Building-Abschnitte am Vermittlungsstandort der Klägerin in der Variante Customer Sited beschränkt. Sie verweist zum Hintergrund auf die Regelung in § 1 Nr. 1 und 2 der Ergänzungsvereinbarung sowie auf die Entscheidungen der Bundesnetzagentur. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berechnung in der Klageschrift Bezug genommen. Der mit der Klage velangte Betrag gelte auch dann, wenn hilfsweise auf die übliche Vergütung gemäß §§ 612, 632 BGB oder weiter hilfsweise auf Bereicherungsrecht abzustellen wäre.

Wegen der Verzinsung beruft sich die Klägerin auf § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB i.V.m. Ziffer 17.5 der Zusammenschaltungsvereinbarung.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte das gerichtliche Mahnverfahren eingeleitet. Sie hat gegen die Beklagte eine Forderung in Höhe von 252.055,37 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz ab dem 19.11.2010 geltend gemacht. Unter dem 10.02.2011 ist antragsgemäß Vollstreckungsbescheid des AG Coburg - 10-7753546-0-1 - erlassen worden. Gegen diesen ihr am 15.02.2011 zugestellten Vollstreckungsbescheid hat die Beklagte fristgerecht mit am 22.02.2011 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Einspruch eingelegt.

Die Klägerin beantragt,

den Vollstreckungsbescheid des AG Coburg vom 10.02.2011 - 10-7753546-0-1- aufrecht zu erhalten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Aufhebung des Vollstreckungsbescheids abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung die Klägerin erbringe keine vertragliche Leistung zur Errichtung von Intra-Building-Abschnitten. Die Klägerin bestellte vielmehr bei der Beklagten ICAs, die die Beklagte einseitig errichtet habe. Dies sei Folge der einseitigen Bestellmöglichkeit der Klägerin. Es habe sich um eine historische Entscheidung unter Beteiligung der Wettbewerber gehandelt, u.a. auch der Klägerin. Unter den in der Zusammenschlussvereinbarung aufgeführten Leistungen der Klägerin finde sich keine Leistung für Intra-Building-Abschnitte im Hause der Klägerin. Zudem sei zwischen der Anschlussart ICA Physical Colocation und ICA Customer Sited zu unterscheiden. In beiden Varianten liege nur ein Intra-Building-Abschnitte vor, in der zweiten Variante noch ein sog. Inter-Building-Abschnitt. Neben den Intra-Building-Abschnitten der Klägerin sei auch für weitere Netzelemente kein Entgelt geregelt worden. Die Klägerin würde die Beklagte bei Einrichtung weiterer Intra-Building-Abschnitte indirekt zur Mitfinanzierung verpflichten. Der Sachverhalt in dem von der Beklagten angegriffenen W3-Beschluss weiche von dem hier zu beurteilenden Sachverhalt ab. In der Vereinbarung mit W3 sei ausdrücklich eine Entgeltvereinbarung vorgesehen gewesen, die aber eine Vergütung von 0 € vorgesehen habe. Die Klägerin verändere durch ihre Forderung die vereinbarte Entgeltstruktur. Die Klägerin habe die Kostenfaktoren vollständig in die Terminierungsentgelte einkalkuliert. Dies komme auch in den unterschiedlichen Verbindungsentgelten für die Klägerin einerseits und die Beklagte andererseits zum Ausdruck. Die von der Klägerin geschuldeten Entgelte seien niedriger, da die Beklagte noch andere vertragliche Entgelte beanspruchen konnte. Die Konsequenz der Auffassung der Klägerin, bei Entgeltgenehmigungspflicht eine Entgeltlichkeit auch bei fehlender Vereinbarung anzunehmen, führe letztlich zu einer nicht gewollten Begünstigung marktmächtiger Unternehmen, die alleine der Entgeltpflicht unterliegen. Die Auffassung der Beklagten entspreche der Rechtsprechung der 10. Kammer für Handelssachen des LG Köln - 90 O 15/10. Diese entspreche wiederum der Auffassung der Bundesnetzagentur, die stets eine Entgeltvereinbarung fordere, so in dem Verfahren betreffend C2. Die Auffassung gemäß Schreiben vom 24.03.2010 sei unbeachtlich. Eine Entgeltgenehmigung bestehe nur für Intra-Building-Abschnitte „Physical-Colocation“, wenn die Zusammenschaltung am eigenen Standort der Klägerin erfolge. Das sei nur an 34 von 954 Intra-Building-Abschnitten der Fall. Die Entgelthöhe sei nicht nachvollziehbar. Angesichts der Begrenzung auf 34 Intra-Building-Abschnitte können allenfalls ein Gesamtbetrag von 8.862,14 € gefordert werden. Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 37 Abs. 2 TKG i.V.m. der Zusammenschaltungsvereinbarung würden nicht vorliegen. Es fehle an einer Bestellung der Dienstleistung durch die Beklagte. Die Klägerin sei weder zivil- noch öffentlichrechtlich zur Errichtung der Intra-Building-Abschnitte verpflichtet. Es fehle an einem vereinbarten Entgelt. §§ 612, 632 BGB seien deshalb auch nicht anwendbar. Die Beklagte sei auch nicht rechtsgrundlos bereichert.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht für den streitbefangenen Zeitraum kein Anspruch gegen die Beklagte auf Vergütung der Nutzung der Intra-Building-Abschnitte der Klägerin durch die Beklagte zu.

Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf den Umfang der Bereitstellung von Intra-Building-Abschnitten durch die Klägerin an.

1.

Die Klägerin kann zunächst nicht aus der Zusammenschaltungsvereinbarung aufgrund einer ausdrücklichen Regelung vorgehen. Dies ist zwischen den Parteien auch unstreitig, da es in dem Vertragswerk an einer entsprechenden Vergütungsregelung fehlt.

2.

Eine Entgeltvereinbarung ergibt sich aus der Zusammenschaltungsvereinbarung auch nicht aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung.

a)

Eine ergänzende Vertragsauslegung, für den streitbefangenen Zeitraum eine - gesonderte - vertragliche Leistungsverpflichtung der Klägerin gegenüber der Beklagten anzunehmen, die aus Sicht der Vertragsparteien grundsätzlich einen entgeltlichen Charakter hat, widerspricht dem Vertragswerk.

Die Zusammenschaltungsvereinbarung regelte im Interesse der Klägerin die Zusammenschaltung ihres Mobilfunknetzes mit dem Festnetz der Beklagten. Dass hierdurch nicht nur Telefonverkehr von dem Netz der Klägerin in das Netz der Beklagten, sondern auch umgekehrt möglich wurde, war den Parteien bei Vertragsabfassung bekannt, spielte aber für die Bestimmung der Leistungspflichten in dem hier zu beurteilenden Punkt der Nutzung der Intra-Building-Abschnitte indes keine entscheidende Rolle. Die Parteien haben in der umfassenden Zusammenschaltungsvereinbarung ihre wechselseitigen Leistungspflichten genau geregelt.

Es fehlt aber nicht nur an einer Entgeltregelung, sondern auch an einer - ausdrücklichen - vertraglichen Verpflichtung der Klägerin, die Intra-Building-Abschnitte bereit zu stellen.

Zwar ist es zwischen den Parteien unstreitig, dass ohne die Bereitstellung von Intra-Building-Abschnitte durch die Klägerin die Zusammenschaltungsvereinbarung nicht umgesetzt werden kann, da eine physikalische Vermittlung weder aus dem Netz der Klägerin in das Netz der Beklagten noch umgekehrt möglich ist.

Dieser für die Klägerin im Kern ausschlaggebende Gesichtspunkt, eine vertragliche Vereinbarung durch ergänzende Vertragsauslegung zu ermitteln oder eine entsprechende Anwendung von § 37 Abs. 2 TKG zu fordern, trägt indes nicht.

b)

Die Einrichtung der Intra-Building-Abschnitte durch die Klägerin war aus Sicht der Parteien ein notwendiger Teil des physikalischen Netzzusammenschlusses und damit für die technische Funktionalität der vertraglichen Zusammenschlussvereinbarung unabdingbar. Dass diese technisch notwendige Leistung zugleich eine gesonderte vertragliche Leistung der Klägerin gegenüber der Beklagten sein sollte, ist damit aber noch nicht gesagt.

Mit Recht weist die Beklagte darauf hin, dass die Parteien verschiedene technische Leistungen im Rahmen des Zusammenschlusses erbrachten und erbringen, die keiner gesonderten Vergütungsregelung zugeführt sind. Die Parteien bestimmten die vergütungspflichtigen Leistungen vielmehr selbst. Angesichts des komplexen Regelungswerkes kann davon ausgegangen werden, dass beide Parteien den Umfang der Entgelte und Vergütungen sorgfältig geprüft und geregelt haben. Die technisch erforderlichen, aber vertraglich nicht ausdrücklich geregelten Leistungen können daher als mit der vereinbarten Vergütung bewusst abgegolten angesehen werden. Dabei kommt es auf die von der Beklagten aufgeworfenen Frage der jeweiligen - unterschiedlichen - Höhe des vereinbarten Verbindungsentgelts nicht an.

Eine vertragliche Leistung im Zusammenhang mit den ICAs und damit auch mit den Intra-Building-Abschnitten ist nur der Beklagten zugewiesen.

Schon bei der einleitenden Bestimmung des Vertragsgegenstands heißt in 1. Teil Ziffer 2 der Zusammenschaltungsvereinbarung, dass Vertragsgegenstand die „Realisierung der Interconnection-Anschlüsse durch die Telekom“ ist. Dies wird in 1. Teil Ziffer 5 näher ausgeführt, wobei es bei einer einseitigen Leistungspflicht der Beklagten bleibt. Soweit in 1. Teil Ziffer 2 zusätzlich Vertragsgegenstand die „gegenseitige Erbringung von Zusammenschaltungsdiensten der Vertragspartner auf Basis der Zusammenschaltung“ ist, betrifft dies gerade nicht die hier in Rede stehende Leistung betreffend ICAs, die nur der Beklagten obliegt. Dem entspricht, dass in Anlage B Teil 2 zu I und II die Realsierung der ICAs „Customer Sited“ und „Physical Colocation“ jeweils durch die Beklagte erfolgt. Der Klägerin werden im Rahmen der technischen Umsetzung nur Mitwirkungspflichten auferlegt - z.B. Anlage B Teil 2 Typ I Ziffer 3. Die Parteien haben daher sowohl die technischen Notwendigkeiten einschließlich der entsprechenden Mitwirkungen der Parteien erkannt und zugleich die vertraglichen Leistungspflichten zugeordnet, und zwar betreffend die ICAs der Beklagten. Folgerichtig sieht die Zusammenschaltungsvereinbarung unter 2. Teil Ziffer 9 eine Preisverpflichtung für die Bereitstellung und Überlassung der ICAs nur der Klägerin gegenüber der Beklagten vor und nicht umgekehrt. Ferner weist die Anlage D zur Preisgestaltung, Teil 1 die Preise für die Interconnection-Anschlüsse ausschließlich der Beklagten als Begünstigten zu.

c)

Das in der vertraglichen Leistungszuweisung und Preisgestaltung zum Ausdruck kommende Verständnis entspricht der Vertragshistorie.

Erst mit der weiteren Entwicklung setzte sich die Erkenntnis durch, dass es der Billigkeit entspricht, nicht nur die Vergütung für die Nutzung der Intra-Building-Abschnitte der Beklagten durch die Klägerin, sondern auch umgekehrt die Vergütung für die Nutzung der Intra-Building-Abschnitte der Klägerin durch die Beklagte zu regeln. Hierbei mag der Gesichtspunkt eine Rolle gespielt haben, dass die Klägerin an Marktmacht gewann und die Kontakte aus dem Netz der Beklagten in das Netz der Klägerin aus Sicht der Beklagten attraktiver wurden. Da die Parteien diesen Gesichtspunkt aber anfangs in den Entgelt- und Vergütungsregelungen gerade anders geregelt haben, kann eine solche reziproke Entgeltpflicht nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gefunden werden, sondern bedurfte einer Vertragsänderung oder -ergänzung, wie sie schließlich zwischen den Parteien in der Ergänzungsvereinbarung getroffen wurde. Diese Ergänzungsvereinbarung ist daher nicht für den Rückschluss geeignet, dass die dort vereinbarten Leistungen bereits anfänglich in dem Vertrag angelegt waren.

d)

Auch mit der Regulierungsverfügung vom 30.08.2006 (Anlage K 8) und der Entgeltgenehmigung der Bundesnetzagentur vom 08.11.2006 (Anlage K 5) änderte sich die Beurteilung nicht. Zwar wird an diesen deutlich, dass die von der Klägerin verlangte Vergütung als billig und angemessen anzusehen sein dürfte.

Die Regulierungsverfügung verpflichtete aber die Klägerin nur allgemein gegenüber Betreibern von öffentlichen Telefonnetzen, die Zusammenschaltung zu ermöglichen. Zwischen den Parteien bestand aber schon die Zusammenschaltungsvereinbarung, die auch - wechselseitig - praktiziert wurde. Zudem sollte die Regulierungsverfügung die Klägerin verpflichten und nicht berechtigen. Daher kann die Klägerin die Regulierungsverfügung nicht gegenüber der Beklagten als Begründung anführen, nunmehr bisher nicht geregelte Leistungen gegenüber der Beklagten zu erbringen.

Die Entgeltgenehmigung führt zu keiner anderen Beurteilung. Diese Entscheidung ist mit §§ 35 Abs. 3, 31 Abs. 1, 30 Abs. 1 Satz 1 TKG begründet. Danach obliegen Entgelte marktmächtiger Betreiber eines öffentlichen Telefonnetzes der Genehmigungspflicht für gemäß § 21 TKG auferlegte Zugangsleistungen. § 21 TKG knüpft an Zugangsverpflichtungen der Bundesnetzagentur gegenüber marktmächtigen Telefonnetzbetreibern an, setzt also letztlich die Umsetzung einer Regulierungsverfügung voraus.

Hieran fehlt es wie dargelegt aber gerade, da die Einrichtung und Nutzung der ICAs auf der Zusammenschaltungsvereinbarung der Parteien beruht, die gerade nicht das Ergebnis einer Regulierungsverfügung ist.

Es kommt daher für die Anwendung der Entgeltgenehmigung wieder darauf an, ob eine Dienstleistung im Sinne von § 37 Abs. 2 TKG vereinbart ist. Fehlt es daher an einer vertraglichen Vereinbarung zum Anspruchsgrund, wird dieser weder durch die Regulierungsverfügung noch durch die Entgeltgenehmigung geschaffen.

Diese Entscheidungen gaben aus Sicht der Klägerin vielmehr Anlass, die vertragliche Vergütungsstruktur zu überdenken und auf eine Änderung hinzuwirken, wie sie letztlich mit der Ergänzungsvereinbarung gefunden wurde.

Dementsprechend führt die ergänzende Vertragsauslegung nicht zu dem Ergebnis, dass zwischen den Parteien eine anfängliche Entgeltpflicht oder eine solche ab Genehmigung der Entgelte durch die Bundesnetzagentur bestand.

3.

Es spricht wie schon ausgeführt nichts dafür, dass bei der damaligen Regelung die Nutzung von der Klägerin eingerichteten Intra-Building-Abschnitte irrtümlich nicht als Teil einer vertraglichen Leistungsregelung niedergelegt wurde. Dann wäre wie bei einem Kalkulationsirrtum vorzugehen. Lediglich ein sog. offener Kalkulationsirrtum, also ein auch für die Vertragsgegenseite erkannter oder erkennbarer Irrtum, wäre beachtlich. Hierfür fehlen aber Anhaltspunkte, dass beide Parteien, insbesondere auch die Beklagte von einer entgeltlichen Leistungspflicht der Klägerin ausgingen. Es fehlen sogar Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin selbst anfänglich von einer Entgeltlichkeit ausging. Vielmehr ging es stets um eine auch bewusst so bezeichnete Leistungspflicht der Beklagten.

Ein nachträglicher Wandel der Anschauungen, wie er hier vorliegen dürfte, rechtfertigt die Annahme eines Irrtums über die Entgeltlichkeit jedenfalls nicht.

4.

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann diese aber auch in Verbindung mit § 37 Abs. 2 TKG keinen Anspruch gegen die Beklagte herleiten.

a)

§ 37 Abs. 2 TKG bestimmt für Verträge über Dienstleistungen, die andere als die genehmigten Entgelte enthalten, dass diese mit der Maßgabe wirksam werden, dass das genehmigte Entgelt an die Stelle des vereinbarten Entgelts tritt.

Aus den im Kern gleichen Erwägungen wie zur ergänzenden Vertragsauslegung kommt auch eine entsprechende Anwendung des § 37 Abs. 2 TKG auf die Entgeltpflicht für die Nutzung der Intra-Building-Abschnitte der Klägerin durch die Beklagte nicht in Betracht.

Eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift scheitert, wie vorstehend ausgeführt, daran, dass eine vertragliche, entgeltliche Dienstleistung der Klägerin nicht vereinbart worden ist.

Die entsprechende Anwendung setzt eine Regelungslücke voraus. Eine Regelungslücke würde wiederum voraussetzen, dass ein planwidrig ungeregelter Zustand besteht. Dies dürfte dann anzunehmen sein, wenn eine gesonderte Leistung vereinbart ist, für die ein auf 0 reduziertes Entgelt vereinbart ist oder eine abschließende Entgeltregelung nicht getroffen ist. In der Tat dürfte es fraglich sein, ob der Anwendungsbereich des § 37 Abs. 2 TKG ausgeschlossen sein sollte, wenn statt eines nur geringen Entgelts eine Unentgeltlichkeit vereinbart wurde oder die Entgeltregelung offen blieb. Hier könnte aus dem Schluss a maiore ad minus gefolgert werden, dass bei Unentgeltlichkeit gegenüber einem zu geringen Entgelt erst recht das genehmigte Entgelt anzusetzen sein müsste.

Um diese Fälle geht es hier aber nicht, da danach stets Voraussetzung ist, dass die Parteien eine vertragliche Leistung geregelt haben. Dies ist aber wie schon ausgeführt weder ausdrücklich noch bei Zuhilfenahme der ergänzenden Vertragsauslegung anzunehmen. Eine planwidrige Lücke liegt nicht vor, wenn es an einer vereinbarten vertraglichen Leistung fehlt, auf die das genehmigte Entgelt bezogen werden könnte. In diesem Fall ist nämlich davon auszugehen, dass die Vertragsparteien eine entsprechende vertragliche Leistung nicht vereinbart haben und auch nicht vereinbaren wollten.

b)

Ein Widerspruch zu der Entscheidungspraxis der Bundesnetzagentur liegt nach Dafürhalten der Kammer in der Beurteilung nicht. Soweit sich die Klägerin auf den Beschluss der Bundesnetzagentur in Sachen W3 vom 23.11.2009 (Anlage K 9) beruft, liegt der Fall hier anders. In der Sache W3 ist der Intra-Building-Abschnitt-Zugang ausdrücklich als gesonderter Leistungsbestandteil vereinbart worden, wobei unter „offene Verhandlungspunkte“ ausgeführt war, dass die Kosten für die Intra-Building-Abschnitte auf Seiten von W3 berücksichtigt werden sollten und beide Vertragsparteien sich zu einer ernsthaften Verhandlungslösung verpflichteten. In dem Vertrag kam damit zum Ausdruck, dass die Nutzung der Intra-Building-Abschnitte der Klägerin durch die Beklagte als gesonderte Leistung, zudem als vergütungspflichtiger Faktor, angesehen wurde. So liegt der Fall hier aber wie schon dargelegt nicht. Weder wurde eine gesonderte Leistungspflicht der Klägerin gegenüber der Beklagten normiert noch wurde diese als prinzipiell entgeltpflichtig angesehen. Die Motivationslage der Vertragsparteien war daher im vorliegenden Fall eine andere.

Es wird nicht verkannt, dass die Bundesnetzagentur in dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben vom 24.03.2010 die Auffassung vertrat, dass im vorliegenden Fall der Klägerin die verlangte Vergütung zustehe. Wie schon in der Entscheidung der 10. Kammer für Handelssachen- Urteil vom 22.07.2011 (90 O 15/10) - ausgeführt, gelingt eine widerspruchsfreie Einordnung dieses Schreibens in die angeführten Entscheidungen der Bundesnetzagentur nicht. Die Bundesnetzagentur geht in dem Schreiben davon aus, dass eine vertragliche Leistung der Klägerin gegenüber der Beklagten vorliegt. Dies schließt die Bundesnetzagentur im Wesentlichen aus der praktizierten wechselseitigen Nutzung der ICAs, was nach vorstehend dargelegter Auffassung die vertragliche Leistungszuweisung außer Betracht lässt. Für den Fall einer solchen einseitigen Leistungszuweisung hat die Bundesnetzagentur, worauf in dem Verfahren vor der 10. Kammer für Handelssachen bereits hingewiesen worden ist, in dem Verfahren betreffend C2 GmbH & Co. oHG (Anlage B6) ausgeführt, dass die Antragstellerin bei dem vertraglichen Angebot der Zusammenschaltungsanschlüsse durch die Antragsgegnerin keine Anschlussleistungsentgelte verlangen kann, sondern erst auf die Änderung der Zusammenschaltungsgrundlagen hinwirken muss. So liegt der Fall auch hier.

c)

Die vorstehende Beurteilung deckt sich mit der schon herangezogenen Entscheidung der 10. Kammer für Handelssachen - Urteil vom 22.07.2011 (90 O 15/10) - in einer vergleichbaren Fallgestaltung.

5.

Auch §§ 612, 632 BGB können den Anspruch nicht begründen, da die übliche Vergütung nur dann verlangt werden kann, wenn eine vertragliche Leistung vereinbart war. Hieran fehlt es wie schon ausgeführt in dem streitbefangenen Zeitraum. Es fehlt nämlich an einer entsprechenden Vereinbarung einer Leistungspflicht der Klägerin gegenüber der Beklagten. Die Parteien gingen wie dargelegt vielmehr davon aus, dass die technische Funktionalität durch die Klägerin als Voraussetzung der Zusammenschaltung geleistet wird.

6.

Ebenso kann die Klägerin ihren Anspruch nicht aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 BGB begründen. Die Beklagte hat für den streitbefangenen Zeitraum die Nutzung der Intra-Building-Abschnitte der Klägerin nämlich nicht rechtsgrundlos, sondern auf Grundlage der Zusammenschaltungsvereinbarung erlangt. Diese war Grundlage für die vertragliche Zusammenarbeit und diese erforderte zur Zusammenschaltung die Nutzung der Intra-Building-Abschnitte der Klägerin durch die Beklagte. Diese technische Leistung war mit der Entgelt- und Vergütungsregelung zwischen den Parteien indes abgegolten, so dass hierin auch der Rechtsgrund für das Erlangte, nämlich die Nutzung der Intra-Building-Abschnitte lag.

7.

Auf die zwischen den Parteien streitige Frage zur Höhe des Anspruchs kommt es bei dieser Betrachtung nicht mehr an.

8.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

Streitwert: 252.055,37 €






LG Köln:
Urteil v. 19.01.2012
Az: 88 O 40/11


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