Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Januar 2003
Aktenzeichen: 30 W (pat) 83/02

(BPatG: Beschluss v. 20.01.2003, Az.: 30 W (pat) 83/02)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung VIRILAN DUOJECT ist unter der Nr 396 51 778.1 für die Waren

"Arzneimittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion; medizintechnische Hilfsmittel zur Injektion vasoaktiver Substanzen, soweit in Klasse 10 enthalten"

in das Register eingetragen worden.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der seit 28. September 2002 unter der Nr 2 106 353 für die Waren "Antibiotika/antivirale Mittel mit Ausnahme von Dermatika und Ophthalmika" geschützten Marke Virolan.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat durch Beschluss einer Beamtin des höheren Dienstes ua diesen Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, nach dem Gesamteindruck unterschieden sich die Marken ausreichend. Zuverlässige Anhaltspunkte dafür, dass der Bestandteil DUOJECT im angegriffenen Zeichen lediglich eine beschreibende Angabe sei und daher vom Verkehr vernachlässigt werde, bestünden nicht.

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt und diese mit näheren Ausführungen darauf gestützt, dem Markenbestandteil DUOJECT könne eine im Gesamtzeichen jedenfalls nur untergeordnete Bedeutung beigemessen werden. Duo, das lateinische Zahlwort für zwei, sei in die deutsche Sprache eingegangen und werde generell zur Bezeichnung einer Zweier-Einheit verwendet. JECT ließe sich vom deutschen Wort Injektion ableiten, so dass für DUOJECT die Bedeutung Doppelspritze für jedermann erkennbar sei. Die Widersprechende verweist zudem darauf, dass DUO und JECT als Bestandteile vieler Marken auftauchen und daher zumindest für die Klassen 5 und 10 als verbraucht anzusehen seien.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden hat keinen Erfolg. Es besteht keine Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (st Rspr vgl etwa BGH MarkenR 1999, 297 - HONKA).

Nach der Registerlage können sich die Marken auch bezüglich der Klasse 5 nicht auf identischen Waren begegnen. Antibiotika/Antiinfektiva bilden die Hauptgruppe 10 der Roten Liste 2001 (antivirale Mittel fallen in deren Untergruppe B 14), Mittel gegen erektile Dysfunktion sind dagegen die Untergruppe 6 in der Hauptgruppe 82 (Urologika). Überschneidungen der Gruppen liegen jedenfalls nicht auf der Hand. Bei den Waren der angegriffenen Marke handelt es sich um spezielle Waren eines Krankheitsbildes, das nicht in den Bereich der sog Alltagsbeschwerden zu zählen ist. Bei solchen ausgefalleneren Beschwerden darf von einer erhöhten Aufmerksamkeit des angesprochenen Publikums ausgegangen werden, wobei im Zusammenhang mit Arzneimitteln der angesprochene Verkehr gewöhnlich ohnehin nicht nachlässig handelt.

Bei den weiteren Waren "medizintechn. Hilfsmittel zur Injektion vasoaktiver Substanzen, soweit in Klasse 10 enthalten" der angegriffenen Marke ist erst recht nicht von einer engeren Ähnlichkeit der Waren auszugehen. Es scheint hier vielmehr sogar sehr fraglich, ob überhaupt noch Warenähnlichkeit besteht (vgl Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren u Dienstleistungen, 12. Aufl, S 54, BPatG 28 W (pat) 127/97).

Inwieweit die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke durch den beschreibenden Bestandteil Vir (als Kürzel von Virus) geschwächt ist, kann dahingestellt bleiben. Für das Gesamtzeichen unterstellt der Senat normale Kennzeichnungskraft.

Den sonach zur Vermeidung von Verwechslungen von der jüngeren Marke einzuhaltenden nur durchschnittlichen Abstand hält diese jedoch noch ein. Dabei kann dahingestellt bleiben, inwieweit deren Bestandteil VIRILAN mit der Widerspruchsmarke verwechselbar wäre, weil auch der Senat in Übereinstimmung mit der Markenstelle keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür hat finden können, dass das angegriffene Zeichen von diesem Bestandteil allein geprägt würde.

Selbständig kollisionsbegründend ist einer von mehreren Markenbestandteilen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann, wenn er den Gesamteindruck der mehrgliedrigen Marke prägt. Davon kann nur dann ausgegangen werden, wenn die übrigen Markenteile für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (vgl etwa BGH MarkenR 2000, 20 - RAUSCH/ELFI RAUCH). Zur Prägung des Gesamteindrucks können aber im Einzelfall selbst schutzunfähige Markenteile beitragen (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 185). Auch gibt es keinen Erfahrungsgrundsatz dahin, dass der Verkehr grundsätzlich dazu neige, mehrgliedrige Marken auf einen Bestandteil zu verkürzen. Somit ist nicht allein maßgebend, ob sich feststellen lässt, dass ein Markenteil kennzeichnungsschwächer ist als der weitere. Maßgebend ist, ob die Schwäche auch so ausreichend deutlich hervortritt, dass dieser Zeichenteil für die Bewertung des Gesamteindrucks ohne Bedeutung ist. Das lässt sich hier nicht feststellen. Im Widerspruchsverfahren, bei dem das Warenverzeichnis und nicht eine konkrete Präsentation der Marke auf einer bestimmten Ware maßgebend ist, kann nämlich nur geprüft werden, inwieweit ein bestimmter Markenteil abstrakt gesehen erkennbar beschreibend ist oder mindestens deutlich beschreibenden Anklang hat. Unter diesem Gesichtspunkt lässt sich schon kaum feststellen, dass das allgemeine Publikum den Bestandteil JECT als Hinweis auf die Applikationsform iSv Spritze versteht. Der Bestandteil JECT erinnert zwar deutlich an Begriffe wie das engl. Wort "inject" bzw das deutsche Wort "Injektion". Es handelt sich dabei jedoch nicht um einen unmittelbar beschreibenden Sachhinweis auf die Verwendungsart der angemeldeten Waren in Form einer Spritze, sondern um einen - wenn auch kennzeichnungsschwachen Bestandteil - durch Abkürzung der Begriffe "Inject" oder "injection".

Für diese Kurzform sind für Waren der Klasse 5 mehrere Bedeutungen denkbar wie zB das Ineinanderbringen von Flüssigkeiten oder Flüssigkeit und Pulver in verschiedenen Formen, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Bestandteil "JECT" einen rein beschreibenden Gehalt hat und etwa auf eine Injektionsspritze hinweist, zumal die angegriffene Marke nicht nur für die Verwendung von Spritzen vorgesehen ist.

Auch der Hinweis der Widersprechenden auf die Drittzeichen mit dem Bestandteil "ject" belegt nicht, dass dieser Markenteil bei der Kollisionsbeurteilung zu vernachlässigen sei.

Aus der zeichenrechtlichen Verbrauchtheit eines Bestandteils lässt sich nämlich noch kein Erfahrungssatz des Inhalts feststellen, die vorliegend angesprochenen Endverbraucher orientierten sich hier ausschließlich an dem Bestandteil "Virilan", weil sie nur hierin die eigentliche Kennzeichnung sähen. Sogenannten sprechenden Zeichen begegnet der Verkehr gerade auf dem Sektor der Arzneimittel in besonders starkem Maße. Beschreibende Anklänge sind hier in der Regel auch als eine Indikationshilfestellung besonders erwünscht.

Erst recht gilt dies für den Gesamtausdruck DUOJECT. Duo hat im Deutschen wie auch im Englischen nicht generell die Bedeutung von zwei, sondern wird soweit ersichtlich ausschließlich iS einer vorzugsweise auf Personen bezogenen Zweier-Einheit verwendet, nämlich Duo als die Aufführenden eines Duetts (oder Duo) wie auch das eher ironisch gemeinte Zusammenwirken von zwei häufig gemeinsam in Erscheinung tretenden Menschen. In Wortverbindungen lässt sich Duo jedenfalls im englischen Sprachkreis nicht nachweisen. Auch im Deutschen, bei dem Wortzusammenstellungen wesentlich häufiger vorkommen als im Englischen, findet sich in Wortzusammensetzungen entweder das Wort Zwei (Zweiachser, Zweibeiner etc) oder aber Doppel (vgl etwa Doppelbelastung, Doppelbesteuerung, Doppelbett etc), während im deutschen Wörterbuch (Duden, Rechtschreibung) hinter Duo Duodenum und anschließend Duodez folgen, also Wörter die von lateinisch duodezim = zwölf herrühren. Durch die somit eher eigenwillige Zusammenstellung wird der sich hinter dem Wort DUOJECT verbergende Sinngehalt für das allgemeine Publikum soweit verschleiert, dass es den Bedeutungsinhalt jedenfalls nicht spontan und ungestützt erkennen kann. Eine beschreibende Angabe iSv Doppelspritze als Verwendungsform kann dem Bestandteil DUOJECT daher nicht entnommen werden.

Der Vortrag der Widersprechende, zahlreiche Eintragungen in Mehrwortmarken unter Verwendung der Bestandteile DUO und JECT wiesen auf die Verwendung als beschreibende Angaben hin, so dass diese Bestandteile als verbraucht anzusehen sind und keine Kennzeichnungskraft aufwiesen, vermag nicht zu überzeugen. Der bloße Hinweis auf Registereintragungen ohne Nachweis einer tatsächlichen Verwendung in Fachkreisen oder im Handel stellt nur ein Indiz aber keinen Beweis dar.

Deshalb bestehen keine ausreichend sicheren Anhaltspunkte, dass es diesem Bestandteil wegen einer offensichtlichen Kennzeichnungsschwäche zeichenrechtlich keine Bedeutung beimessen werde, zumal der weitere Bestandteil VIRILAN, der wegen des beschreibenden Teils viril in Kombination mit der schwachen Endsilbe "an" für Waren, die die virile Dysfunktion betreffen, ebenfalls beschreibenden Anklang hat.

Das mitangesprochene Fachpublikum mag zwar die in DUOJECT enthaltenen beschreibenden Anklänge leichter als das allgemeine Publikum erkennen. Dies gilt dann aber auch verstärkt für den beschreibenden Gehalt von VIRILAN. In der Kombination wecken beide Bestandteile in dieser konkreten Zusammenstellung zwar Assoziationen mit Eigenschaften des Produkts bzw ihrer Darreichungsform. Auch beim Fachverkehr ist aber nicht davon auszugehen, dass ihm der Sinngehalt von DUOJECT ohne jedes Nachdenken, der von Virilan jedoch nur erheblich schwerer erkennbar wäre, so dass auch bei ihm nicht davon ausgegangen werden kann, der Bestandteil VIRILAN präge das angegriffene Zeichen allein.

Zu einer Auferlegung von Kosten bietet der Streitfall keinen Anlass (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Dr. Buchetmann Schramm Hartlieb Fa






BPatG:
Beschluss v. 20.01.2003
Az: 30 W (pat) 83/02


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