Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. November 2004
Aktenzeichen: 25 W (pat) 143/03

(BPatG: Beschluss v. 10.11.2004, Az.: 25 W (pat) 143/03)

Tenor

Auf die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Oktober 2001 und 22. April 2003 aufgehoben, soweit die Löschung der Marke 398 38 171 wegen des Widerspruchs aus der Marke 396 47 437 für die Waren "Dentalmedizinische Produkte, soweit in Klasse 5 enthalten, Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke" angeordnet worden ist.

Der Widerspruch aus der Marke 396 47 437 wird auch insoweit zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die am 8. Juli 1998 angemeldete Marke 398 38 171 MEDIDENT ist am 15. Oktober 1998 für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 5 und 42, ua auch für die Waren

"Dentalmedizinische Produkte, soweit in Klasse 5 enthalten, Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke"

in das Markenregister eingetragen worden. Diese Eintragung wurde am 19. November 1998 veröffentlicht.

Die Inhaberin der am 14. April 1997 für die Waren

"Chemische Erzeugnisse für gewerbliche, wissenschaftliche, photographische, land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke; Kunstharze im Rohzustand, Kunststoffe im Rohzustand; Düngemittel; Feuerlöschmittel; Mittel zum Härten und Löten von Metallen; chemische Erzeugnisse zum Frischhalten und Haltbarmachen von Lebensmitteln; Gerbmittel; Klebstoffe für gewerbliche Zwecke; Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbizide; Handschuhe für medizinische Zwecke; chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Instrumente und Apparate, künstliche Gliedmaßen, Augen und Zähne; orthopädische Artikel; chirurgisches Nahtmaterial"

eingetragenen Marke 39647437 Meditempderen Benutzung im Beschwerdeverfahren teilweise bestritten wurde, hat dagegen Widerspruch erhoben. Der Abschluss des Widerspruchsverfahrens gegen diese Widerspruchsmarke erfolgte am 1. September 1997.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit zwei Beschlüssen vom 26. Oktober 2001 und vom 22. April 2003, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen dieses Widerspruchs die teilweise Löschung der Marke 398 38 171, nämlich hinsichtlich der Waren "Dentalmedizinische Produkte, soweit in Klasse 5 enthalten, Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke" angeordnet.

Eine Verwechslungsgefahr sei insoweit zu bejahen. Es lägen identische (Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke) bzw. sehr ähnliche Produkte (dentalmedizinische Erzeugnisse einerseits und pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse andererseits) vor. Ausgehend von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke halte die angegriffene Marke in klanglicher Hinsicht den erforderlichen großen Zeichenabstand wegen Übereinstimmung in der Gesamtwortlänge, der Silbenzahl, der Vokalfolge, der Sprech- und Betonungsweise und im Wortanfang selbst dann nicht ein, wenn man berücksichtigt, dass der Wortanfang "medi" als verbraucht anzusehen sei. Hinsichtlich der angemeldeten Dienstleistungen wurde mangels Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen eine Verwechslungsgefahr verneint und der Widerspruch insoweit zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss hat der Inhaber der angegriffenen Marke Beschwerde eingelegt und beantragt sinngemäß, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Oktober 2001 und vom 22. April 003 aufzuheben, soweit die teilweise Löschung der angegriffenen Marke angeordnet worden ist, und den Widerspruch aus der Marke 396 47 437 auch insoweit zurückzuweisen.

Selbst bei identischen Waren bestünde keine Verwechslungsgefahr. Der Bestandteil "medi" spiele bei der Beurteilung der Verwechselbarkeit eine untergeordnete Rolle Es seien mehr als 700 Marken mit diesem beschreibenden Bestandteil eingetragen. Die klanglichen Unterschiede zwischen "dent" mit weichen "d" und "temp" mit hartem "t" bewirkten eine unterschiedliche Klangwirkung. Wortform und ein Vergleich der Buchstabenbreiten ergäben einen deutlichen Unterschied auch in visueller Hinsicht. Die Benutzung der Widerspruchsmarke wurde zudem mit Eingabe vom 2. September 2003 hinsichtlich der Waren "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke" bestritten.

Die Widersprechende hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert, insbesondere auch keine Benutzungsunterlagen eingereicht.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, da jedenfalls nach der nunmehr maßgeblichen Sachlage keine Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG besteht.

Im Beschwerdeverfahren hat der Inhaber der angegriffenen Marke mit Eingabe vom 2. September 2003 zulässig (§ 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG) die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke, bei der zu diesem Zeitpunkt das Widerspruchsverfahren bereits mehr als fünf Jahre abgeschlossen war, teilweise bestritten, nämlich hinsichtlich der Waren "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke". Diese Waren können bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Beschwerdeverfahren nicht berücksichtigt werden, da die Widersprechende keine Benutzungsunterlagen eingereicht hat (§ 43 Abs 1 Satz 3 MarkenG).

Die Widerspruchsmarke ist jedoch noch für weitere Waren geschützt, die mit den Waren der angegriffenen Marke ähnlich sind.

Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren kennzeichnen; hierzu gehören insbesondere die Art der Waren, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren (EuGH WRP 1998, 1165, 1166 Tz. 23 - Canon). Für die Ähnlichkeit von Waren ist auch nicht die Feststellung gleicher Herkunftsstätten entscheidend (EuGH WRP 1998, 1165, 1168 Tz. 29 - Canon), sondern die Erwartung des Verkehrs von einer Verantwortlichkeit desselben Unternehmens für die Qualität der Waren.

Dementsprechend sind die "dentalmedizinischen Produkte, soweit in Klasse 5 enthalten" der angegriffenen Marke den "Desinfektionsmitteln" der Widerspruchsmarke sehr ähnlich, da es auch Desinfektionsmittel speziell für den zahnmedizinischen Bereich gibt. Ebenso besteht eine Ähnlichkeit mit den "Präparaten für die Gesundheitspflege" der Widerspruchsmarke, da diese sich ebenfalls auf den zahnmedizinischen Bereich beziehen können. "Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke" der angegriffenen Marke sind mit "Desinfektionsmittel" ähnlich, außerdem auch mit "künstlichen Zähnen" (vgl auch Richter/Stoppel, 12. Aufl, S. 368, 369).

Der Senat geht bei der Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit noch von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft aus. Die Einzelbestandteile weisen zwar einen Begriffsinhalt bzw Begriffsanklänge auf ("MEDI" vorwiegend als Hinweis auf "Medizin" oder etwa als Anlehnung an das Wortelement "medio" = Mitte, mittlerer und "TEMP" auf "Temperatur" oder auch zB "tempern"), jedoch ist die Aussage der Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit nicht beschreibend bzw nicht eindeutig genug, um ihr deshalb lediglich einen geringen Schutzumfang zubilligen zu können.

Bei Zugrundelegung einer noch durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und teilweise erheblicher Warenähnlichkeit reichen jedoch die vorhandenen Unterschiede in jeder Hinsicht aus, eine rechtserhebliche Verwechslungsgefahr zu verhindern.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Waren der angegriffenen Marke weitgehend an den Fachverkehr wenden, der mit Warenkennzeichnungen vertrauter ist als Laien. So sind die Abnehmer von Zahnfüllmitteln und von Abdruckmassen regelmäßig Zahnarztpraxen. Auch dentalmedizinische Produkte, soweit in Klasse 5 enthalten, werden regelmäßig in Zahnarztpraxen benötigt und diesen angeboten. Wenn auch im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke und dabei insbesondere bei den dentalmedizinischen Produkten, soweit in Klasse 5 enthalten, eine Beschränkung auf den Fachverkehr nicht enthalten ist, wird dies jedoch weitgehend in der tatsächlichen Verwendung der Fall sein. Doch selbst soweit einzelne unter diesen Oberbegriff fallende Waren auch unmittelbar für Laien bestimmt sein können, ist zu berücksichtigen, dass diese allem, was mit der Gesundheit zu tun hat, eine gesteigerte Aufmerksamkeit zuwenden und daher sorgfältiger und weniger verwechslungsanfällig sind als bei anderen Produkten.

Die Wörter "MEDIDENT" und "MEDITEMP" sind unter Berücksichtigung der geringen kennzeichnenden Bedeutung von "MEDI" nicht so ähnlich, dass unter den genannten Umständen mit einer noch erheblichen Verwechslungsgefahr zu rechnen wäre. Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist dabei maßgeblich auf den Gesamteindruck der Zeichen abzustellen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rdn 152).

Klanglich sind die Zeichen hinreichend verschieden. Da der Bestandteil "MEDI" auf dem vorliegenden Gebiet schwach ist, weil er vorwiegend auf Medizin hinweist und in Marken, die für Waren der für den medizinischen Bereich erheblichen Klassen 5 und 10 geschützt sind, häufig Verwendung findet, wird der Verkehr auch die weiteren Bestandteile der sich gegenüber stehenden Marken besonders beachten und deren Unterschied ohne weiteres erkennen und in Erinnerung behalten, zumal insbesondere der Bestandteil "DENT" (= Zahn) einen deutlichen Begriffsinhalt aufweist, welcher als Merkhilfe dient, und "TEMP" wohl häufig als Abkürzung für "Temperatur" verstanden wird. Diese Bestandteile haben lediglich den Vokal "E" gemeinsam, unterscheiden sich jedoch in allen übrigen Lauten. Auch wenn "D"/"T", "N"/"M" und "T"/"P" jeweils noch eine gewisse Klangverwandtschaft aufweisen, summieren sich die Unterschiede in den übersichtlichen Zeichen jedoch zu einem deutlich unterschiedlichen Gesamtklangbild, so dass für die hier einschlägigen Verkehrskreise keine Verwechslungsgefahr besteht.

Auch schriftbildlich sind die Zeichen hinreichend verschieden, zumal bei einer Wiedergabe in Kleinbuchstaben bei großem Anfangsbuchstaben die angegriffene Marke eine zusätzliche Oberlänge (t), die Widerspruchsmarke dagegen eine zusätzliche Unterlänge (p) am jeweiligen Wortende aufweist. Da "MEDI" kennzeichnungsschwach ist und die weiteren Buchstaben bis auf den Vokal unterschiedlich sind, sind die Zeichen im Gesamteindruck in jeder Schreibweise hinreichend verschieden, zumal das Schriftbild von Marken erfahrungsgemäß eine genauere und in der Regel sogar wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl § 9 Rdn 207).

Die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke hat daher Erfolg.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Sredl Bayer Na






BPatG:
Beschluss v. 10.11.2004
Az: 25 W (pat) 143/03


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