Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 22. Mai 2007
Aktenzeichen: I-24 U 12/07

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 22.05.2007, Az.: I-24 U 12/07)

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 9. Zivilkammer des Land-gerichts Düsseldorf - Einzelrichter - vom 28. Dezember 2006 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Antrag des Beklagten, eine Sicherheitsleistung des Klägers für die Kosten des Berufungsverfahrens anzuordnen, wird zurückgewiesen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 3.500,00 €.

Gründe

I.

Der Beklagte war in der Zeit vom 1. März 2004 bis zum 31. März 2005 für den Prozessbevollmächtigten des Klägers und dessen beim Oberlandesgericht nicht zugelassene Sozien als angestellter Rechtsanwalt tätig. Während der Dauer seiner Beschäftigung hatte der Beklagte von seinen früheren Arbeitgebern den Auftrag erhalten, für den Kläger einen Prozesstermin in Sachen H. ./. S. (Personalkredit) vor dem Arbeitsgericht München wahrzunehmen. Nach Ausführung dieses Auftrags erschien der Beklagte nicht mehr zur Arbeit und gab die Handakte jenes Verfahrens seinen damaligen Arbeitgebern nicht zurück.

Im Kündigungsschutzprozess 1 Ca 291/05 vor dem Arbeitsgericht Oberhausen machte der Beklagte Zahlungsansprüche gegen seine früheren Arbeitgeber geltend und berief sich hinsichtlich der genannten Handakte auf ein Zurückbehaltungsrecht. Das Verfahren wurde durch Vergleich vom 23. Juni 2005 abgeschlossen. In Ziffer 5. jenes Vergleichs verpflichtete sich der Beklagte, die Handakte "H. ./. S. (Personalkredit)" an seine früheren Arbeitgeber herauszugeben.

Nach Anfechtung des Vergleichs durch die früheren Arbeitgeber stellte das Arbeitsgericht Oberhausen mit Urteil vom 28. Juli 2005 die Erledigung des Rechtsstreits durch den genannten Vergleich fest. In dem dieser Entscheidung vorausgehenden Sitzungstermin vom 28. Juli 2005 bot der Beklagte die Übergabe einer mitgeführten Akte, die er als jene Handakte bezeichnete, an; der Prozessbevollmächtigte der früheren Arbeitgeber, Rechtsanwalt H., lehnte die Annahme der Akte ohne Einsichtnahme ab. Wegen dieser Annahmeverweigerung wies das Arbeitsgericht Oberhausen mit Beschluss vom 2. August 2005 den Antrag der früheren Arbeitgeber des Beklagten, ihnen eine vollstreckbare Ausfertigung zu Ziffer 5. des Vergleichs zu erteilen, zurück.

Mit seiner am 23. Juli 2005 bei dem Landgericht Düsseldorf eingegangenen und dem Beklagten am 29. August 2005 zugestellten Klage hat der Kläger die Herausgabe der Handakte "H. ./. S. (Personalkredit)" an sich aus eigenem Recht verlangt. Nach am 31. August 2005 erfolgter Übergabe der Handakte an seinen Prozessbevollmächtigten hat der Kläger die Klage in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts verwiesen wird, hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat überdies durch Beschluss vom 28. Februar 2006 auf Antrag des Beklagten den Kläger zur Zahlung einer Sicherheit gemäß §§ 110, 112 ZPO in Höhe von 2.500 € verpflichtet.

Mit seiner Berufung macht der Beklagte geltend, die Klage sei von Anbeginn unzulässig, jedenfalls unbegründet gewesen. In Form des Prozessvergleichs vom 23. Juni 2005 habe der Kläger bereits über einen Titel verfügt, so dass eine erneute Klage sinnlos gewesen sei. Das Rechtsschutzbedürfnis sei auch nicht mit Blick auf den Beschluss des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 2. August 2005 neu entstanden, da der Prozessbevollmächtigte des Klägers durch sein Verhalten am 28. Juli 2005 den Vollstreckungstitel mutwillig unbrauchbar gemacht habe. Überdies sei die Klage auch unbegründet, da eine Anspruchsgrundlage nicht bestanden habe. Ein Anspruch auf Herausgabe der Handakte aber allenfalls den Rechtsanwälten H. & Collegen als früheren Arbeitgebern zugestanden, mangels Vertragsverhältnisses nicht aber dem Kläger selbst. Ob dem Kläger aus Eigentum ein Herausgabeanspruch hinsichtlich einzelner von ihm überreichter Unterlagen zugestanden habe, sei ohne Bedeutung, da die Klage auf die Herausgabe der ganzen Handakte gerichtet gewesen sei.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise

das Urteil und der Aufrechterhaltung im übrigen insoweit abzuändern, dass die Kosten des Rechtsstreits gänzlich dem Kläger auferlegt werden, (Hilfsantrag für den Fall des Scheiterns des Hauptantrages zu Nr. 1),

äußerst hilfsweise

den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten Schadensersatz in Höhe der Prozesskosten für das Verfahren vor dem Landgericht Düsseldorf (Gerichtskosten und Rechtsanwaltskosten für beide Parteien) zu zahlen. (Hilfsantrag für den Fall des Scheiterns des ersten Hilfsantrages).

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Überdies widerspricht er dem Antrag auf Verpflichtung zu einer Sicherheitsleistung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung sowie zur Abweisung der Klage.

1.

Eine Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache ist durch die Übergabe der Handakte "H. ./. S. (Personalkredit)" am 31. August 2005 nicht eingetreten, da die Klage zwar zulässig, nicht aber begründet war.

a) Im Ergebnis zu Recht ist das Landgericht von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen. Bei Klageerhebung durch Zustellung der Klageschrift am 29. August 2005 war der geltendgemachte Herausgabeanspruch noch nicht erfüllt. Der Kläger verfügte auch nicht über einen Vollstreckungstitel, der seiner Herausgabeklage das Rechtsschutzbedürfnis hätte nehmen können. Der von seinem Prozessbevollmächtigten und dessen Sozien im eigenen Namen am 23. Juni 2005 vor dem Arbeitsgericht Oberhausen mit dem Beklagten geschlossene Vergleich gab dem Kläger keine eigenen Rechte, sondern titulierte lediglich den Herausgabeanspruch seines Prozessbevollmächtigten. Eine Umschreibung des Titels war ohne Abtretung des Anspruchs nicht möglich.

b) Die Klage war nicht begründet:

aa) Mangels Vertragsverhältnisses der Parteien hatte der Kläger gegen den Beklagten im Zeitpunkt der Klageerhebung keinen Anspruch auf Herausgabe der Handakte aus §§ 667, 675 BGB. Zwischen dem angestellten Rechtsanwalt - hier dem Beklagten - und dem Mandanten kommt kein Vertragsverhältnis zustande (Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl., Rn. 263). Der Anwaltsdienstvertrag, aus dem sich ein Anspruch auf Herausgabe der Handakte ergibt, ist vielmehr zwischen dem Kläger und den früheren Arbeitgebern des Beklagten (Rechtsanwälte H. & Collegen) geschlossen worden, nicht aber mit dem lediglich als Erfüllungsgehilfen der beauftragten Rechtsanwälte eingeschalteten Beklagten. Ohne Bedeutung ist es insoweit, dass der Beklagte für den Kläger als Bevollmächtigter vor dem Arbeitsgericht München aufgetreten ist. Denn auch durch die Vollmachtserteilung ist ein unmittelbares Vertragsverhältnis der Parteien nicht entstanden; ihr lagen vielmehr das den Rechtsanwälten H. & Collegen vom Kläger erteilte Mandat einerseits und das Arbeitsverhältnis des Beklagten und der genannten Rechtsanwälte andererseits zu Grunde.

bb) Für eine analoge Anwendung der §§ 667, 675 BGB im Verhältnis zwischen dem Mandanten und dem angestellten Rechtsanwalt ist ein hinreichender Anlass nicht zu erkennen. Der Mandant ist durch den Anspruch gegen seinen Auftragnehmer, den beschäftigenden Anwalt, auf Herausgabe der Handakte hinreichend geschützt. Ist dieser trotz seines Direktionsrechts faktisch nicht in der Lage, den angestellten Anwalt zur Herausgabe einer von diesem zurückgehaltenen Handakte zu veranlassen, so kann der Mandant den beschäftigenden Anwalt gemäß § 285 Abs. 1 BGB auf die Herausgabe des Ersatzes, nämlich die Abtretung des arbeitsrechtlichen Herausgabeanspruchs gegen den angestellten Anwalt, in Anspruch nehmen.

cc) Der Klageanspruch war überdies nicht aus Eigemtümer-Besitzer-Verhältnis - § 985 BGB - gerechtfertigt. Es mag sein, dass sich in der Handakte einzelne Originalunterlagen des Klägers befanden, deren Herausgabe der Beklagte dem Kläger nicht nach § 986 BGB hätte verweigern dürfen. Solche im Eigentum des Klägers stehenden Originalunterlagen sind aber weder im (ursprünglichen) Klageantrag noch in den Klagegründen bezeichnet. Der Klageantrag war vielmehr auf die Herausgabe der vollständigen Handakte gerichtet, ohne zwischen einzelnen Teilen der Handakte nach den jeweiligen Eigentumsverhältnissen zu unterscheiden. Vortrag zu etwaigem Eigentum des Klägers ist der Klageschrift nicht zu entnehmen.

dd) Auch aus den berufsrechtlichen Vorschriften des § 50 Abs. 3 BRAO und des § 17 BORA war der Beklagte dem Kläger nicht zur Herausgabe der Handakte verpflichtet. Denn diese Normen setzen die aus dem Anwaltsdienstvertrag in Verbindung mit § 667 BGB folgende Herausgabeverpflichtung voraus (vgl. BGHZ 106, 260, 264; Feuerich/Weyland, Bundesrechtsanwaltsordnung, 6. Aufl., § 50 BRAO Rn. 17; Hartung/Nerlich, Anwaltliche Berufsordnung, 3. Aufl., § 50 BRAO Rn. 123, 124); sie regeln lediglich die Voraussetzungen und Folgen eines Zurückbehaltungsrechts des Anwalts.

ee) Der Klageanspruch war schließlich auch nicht aus fremdem, etwa abgetretenem Recht der früheren Arbeitgeber des Beklagten, schlüssig. Denn der Kläger hat die Herausgabe der Handakte nur aus eigenem Recht verlangt und eine Abtretung der Ansprüche Dritter nicht behauptet.

Mangels Herausgabeanspruchs des Klägers bedarf es keiner Erörterung, ob dem Beklagten irgendwelche Zurückbehaltungsrechte an der Handakte zugestanden haben oder nicht.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Z. S. H. VROLG ROLG R’inOLG






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 22.05.2007
Az: I-24 U 12/07


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