Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 13. Juli 2005
Aktenzeichen: I-19 W 4/04 AktE

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 13.07.2005, Az.: I-19 W 4/04 AktE)

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ... und der Antragsteller ... und sowie die Anschlussbeschwerden der Anschlussantragsteller ... und ...gegen den Beschluss der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 25.02.2004 werden zurückgewiesen.

Die in der Beschwerdeinstanz entstandenen Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin tragen die Be-schwerdeführer zu 1) und 2) jeweils zu 29,85 %, der Beschwerdefüh-rer zu 3) zu 19,9 %, der Anschlussbeschwerdeführer zu 4) zu 19,9 % und die Anschlussbeschwerdeführerin zu 5) zu 0,5 %.

Im übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Der Geschäftswert wird für die Beschwerdeinstanz auf 200.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Im Jahre 1989 beschloss die Bundesregierung aufgrund des Gesetzes über die Deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank vom 11. Juni 1989 (BGBl. I S. 621) die Teilprivatisierung der ............ Siedlungs- und Landesrentenbank (nachfolgend: .... Bank).

Am 15. August 1989 wurde die AG (nachfolgend: Antragsgegnerin) gegründet und im Handelsregister des Amtsgerichts Bonn unter HRB 4924 eingetragen. Rechtsträger der .... Bank blieben die Bundesrepublik Deutschland mit etwa 99 % und die Länder Bayern und Berlin mit zusammen etwa 1 %. Aus Erwägungen des Körperschaftsteuerrechts wurde die Antragsgegnerin nicht unmittelbar am Kapital der .... Bank beteiligt; vielmehr wurde für sie die Rechtsstellung einer atypischen und stillen Gesellschafterin begründet, und zwar derart, dass sich - bezogen auf das Kapital der .... Bank - eine Beteiligungsquote von 48 % ergab. Die Einzelheiten des Beteiligungskonzepts folgen aus der ursprünglichen Satzung der .... Bank und aus dem Beteiligungsvertrag vom 6. September 1989, der durch einen "Interessenwahrungsvertrag", zwischen der Antragsgegnerin und der Bundesrepublik Deutschland vom gleichen Tage flankiert wurde. Seit Mitte 1989 unterhielt somit die Antragsgegnerin eine atypische stille Beteiligung an der seinerzeit in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts organisierten .... Bank. Bei diesen Rechtsverhältnissen blieb es bis Anfang 2000.

Durch das .... Bank-Umwandlungsgesetz vom 16. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2441), das am 23. Dezember 1999 in Kraft trat, wurde die .... Bank mit Wirkung zum 1. Januar 2000 von der Anstalt des öffentlichen Rechts in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Bereits vorher haben die Rechtsträger der .... Bank, also die Bundesrepublik Deutschland und die Länder Bayern und Berlin, die zukünftigen, nämlich erst durch Umwandlung der Anstalt in eine Aktiengesellschaft entstehenden Aktien an der .... Bank an die .... / .... veräußert. Die Antragsgegnerin war in dieses Projekt nicht eingebunden. Als Folge der Umwandlung der .... Bank in eine Aktiengesellschaft bestand die stille Beteiligung der Antragsgegnerin ab dem 1. Januar 2000 an der .... Bank Aktiengesellschaft.

Seit der zweiten Jahreshälfte 1999 ist die .... / .... AG Mehrheitsaktionärin der Antragsgegnerin. Dazu ist es aufgrund eines öffentlichen Übernahmeangebots der.... / .... gekommen, das zum Erwerb von gut 81 % der Aktien der Antragsgegnerin geführt hat. Durch spätere Zukäufe, teilweise im Zusammenhang mit dem von den Antragstellern vorgelegten freiwilligen öffentlichen Übernahmeangebot aus August 2001, hat die .... / .... AG ihre Beteiligung an der Antragsgegnerin auf ca. 85 % aufgestockt.

Im Mai 2000 wurde die .... Bank auf ihre Alleinaktionärin .... / .... AG verschmolzen. Die stille Beteiligung der Antragsgegnerin an der .... Bank AG setzt sich gemäß § 23 UmwG an der .... / .... AG fort. Die Antragsgegnerin verfügt daher über eine stille Beteiligung an ihrer Mehrheitsaktionärin.

Die außerordentliche Hauptversammlung der Antragsgegnerin vom 22.11.2000 hat die Auflösung der Antragsgegnerin beschlossen. Gegen diesen Beschluss waren beim Landgericht Bonn mehrere Anfechtungsklagen anhängig (Az.: 14 O 160/00). Die Klagen sind durch Urteil vom 02.05.2002, inzwischen rechtskräftig, abgewiesen worden. Der Beschluss über die Auflösung der Antragsgegnerin wurde am 19.02.2001 in das Handelsregister eingetragen. Die Bekanntmachung im Bundsanzeiger erfolgte im Februar 2001.

Die ordentliche Hauptversammlung der Antragsgegnerin vom 29.08.2001 hat über die Anpassung der aus Anlass der Verschmelzung der .... Bank auf die .... / .... AG übergegangenen, ursprünglich zwischen der Antragsgegnerin und der .... Bank abgeschlossenen Beteiligung vom 06.09.1989 Beschluss gefasst und in diesem Zusammenhang die Beteiligungsquote der Antragsgegnerin an der ................ / .... AG auf 9,42 % festgesetzt. Die Änderung des Beteiligungsvertrages wurde am 28.11.2001 in das Handelsregister der.... / .... eingetragen. Eine Eintragung in das Handelsregister der Antragsgegnerin erfolgte nicht. Gegen den Zustimmungsbeschluss zu dem neugefassten Beteiligungsvertrag erhob die Aktionärin .... .... Anfechtungsklage vor dem Landgericht Bonn. Die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre und der Antragsteller zu 2) sind der Anfechtungsklägerin .... .... als Nebenintervenienten beigetreten. Nachdem die Anfechtungsklägerin .... .... ihre Anfechtungsklage zurückgenommen hatte, beantragten die Nebenintervenienten die Feststellung, dass der Anfechtungsprozess im Verhältnis zu ihnen nicht beendet sei. Das Landgericht Bonn hat durch Urteil vom 10.10.2002

- 14 O 152/01 - festgestellt, dass die Klage auch in dem Verhältnis zu den Nebenintervenienten wirksam zurückgenommen worden sei. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht Köln mit Urteil vom 26.07.2003 - 18 U 168/02 - zurückgewiesen.

In der Hauptversammlung der Antragsgegnerin vom 22.07.2003 wurden die Minderheitsaktionäre auf Veranlassung der Hauptaktionärin gemäß § 327a ff. AktG ausgeschlossen.

Mit dem am 07.03.2001 bei Gericht eingegangenen Antrag begehren die Antragsteller zu 1) und zu 2) die gerichtliche Festsetzung einer angemessenen Barabfindung wegen "versteckter Eingliederung der Antragsgegnerin in die .... / .... AG durch Liquidation".

Mit dem am 08.08.2003 bei Gericht eingegangenen Antrag hat sich der Antragsteller zu 3) dem vorbezeichneten Antrag angeschlossen und beantragt ebenfalls gerichtliche Festsetzung einer Barabfindung.

Die Antragsteller haben zur Begründung ihrer Anträge vorgetragen, das gerichtliche Spruchverfahren müsse nach der Moto-Meter-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.08.2000 eröffnet sein. Die Antragsteller seien schutzbedürftig, da ihre Interessen vorliegend durch die Vorschriften über die Liquidation nach §§ 262 ff. AktG nicht hinreichend gewahrt seien. Die Mehrheitsaktionärin der Antragsgegnerin habe ein erhebliches Interesse daran, dass die im Rahmen der Liquidation aufzulösende Beteiligung möglichst niedrig bemessen werde, da sie selbst Schuldnerin des Auseinandersetzungsguthaben sei. Die Interessenlage der Antragsteller sei vergleichbar mit der Interessenlage von Minderheitsaktionären bei einer übertragenden Auflösung.

Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, es fehle an einer gesetzlichen Grundlage für das vorliegende Spruchverfahren. Im Übrigen habe der Liquidationsbeschluss vom 22.11.2000 die Interessen der Antragsteller nicht beeinträchtigen können. Die Interessen der Antragsteller könnten allenfalls durch die Neufestsetzung der Beteiligungsquote der Antragsgegnerin an der ................ / .... AG oder durch die Festsetzung des Auseinandersetzungsguthabens bei der Beendigung der stillen Beteiligung der Antragsgegnerin an der ................ / .... AG beeinträchtigt worden sein. Auch insoweit liege jedoch ein Unterschied zu der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darin, dass die Maßnahmen von den Liquidatoren der Antragsgegnerin nicht in eigener Machtvollkommenheit, sondern jeweils auf der Grundlage eines gesonderten Hauptversammlungsbeschlusses durchgeführt worden seien. Den Minderheitsaktionären der Antragsgegnerin stehe es offen, wie geschehen, dagegen Anfechtungsklage zu erheben oder gegebenenfalls das Spruchverfahren zu beantragen.

Das Landgericht hat die Anträge als unzulässig zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsteller zu 1), 2) und 3) mit den folgenden Anträgen:

1. Der Beschluss des Landgerichts Köln vom 25.02.2004 wird aufgehoben.

2. Die Anträge der Antragsteller zu 1) bis 3) werden für zulässig erklärt und das Verfahren zur Bestimmung der angemessenen Abfindung für die Minderheitsaktionäre der Antragsgegnerin aus Anlass der Einbeziehung der Antragsgegnerin in die .... / .... AG "durch Liquidation" an das Landgericht Köln zurückverwiesen;

2. a) hilfsweise:

Das Verfahren wird an das Landgericht Köln mit der Maßgabe zurückverwiesen, dass die Anträge der Antragsteller zu 1) bis 3) als zulässige Anträge gegen die Gesamtmaßnahme zu behandeln sind, welche die Hauptversammlungsbeschlüsse

vom 22.11.2000 über die Auflösung der Antragsgegnerin und

vom 29.08.2001 über die Festsetzung der Beteiligungsquote der Antragsgegnerin an der .... / .... AG auf 9,42 %

umfasst, und für die die angemessene Abfindung der Minderheitsaktionäre zu bestimmen ist.

Die Beschwerdeführer tragen vor, das Landgericht habe die Parallelität des vorliegenden Falles zu dem der "Moto-Meter-Entscheidung" des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegenden Sachverhalt zu Unrecht verneint. Das Landgericht habe nicht gewürdigt, dass das Vermögen der Antragsgegnerin nach der Verschmelzung der .... Bank AG auf die .... / .... AG ausschließlich in einer stillen Beteiligung bei der ................ / .... AG mit Umtauschrecht in Aktien der ................ / .... AG bestanden habe. Der von der ................ / .... AG als Mehrheitsaktionärin der Antragsgegnerin gefasste Hauptversammlungsbeschluss vom 22.11.2000 habe zu einem Ergebnis geführt, welches den Folgen des Zustimmungsbeschlusses zum Ausverkauf des Gesellschaftsvermögens an die Mehrheitsaktionärin in dem vom Bundesverfassungsgericht beurteilten Fall entspreche. Die Feststellung des Landgerichts, die Abwickler der Antragsgegnerin hätten im vorliegenden Fall eine eigenständige Verwertungsbefugnis gehabt, sei unzutreffend. Im Zuge der Liquidation der Antragsgegnerin, deren einziges Vermögen in der stillen Beteiligung mit Umtauschrecht in Aktien ursprünglich an der .... Bank AG und dann an der ................ / .... AG bestanden habe, habe es für die Abwickler keine Vermögensmasse gegeben, welche bestmöglich im Interesse der Aktionäre zu verwerten gewesen wäre. Das Landgericht Bonn habe in seinem Urteil vom 02.05.2002 deutlich gemacht, dass die Interessen der Mehrheitsaktionärin auf eine möglichst geringe Festsetzung des Wertes der stillen Beteiligung gerichtet seien, damit das an die Minderheitsaktionäre auszuzahlende Auseinandersetzungsguthaben möglichst gering gehalten werde.

In dem vorliegenden Verfahren habe bisher die materielle Bewertung des Auflösungsguthabens keine Rolle gespielt. Hierzu könnten die Antragsteller vortragen, wenn die Anträge für zulässig erklärt worden seien.

Für den Fall, dass es auf die vorliegende Beschwerde so angesehen würde, als vollziehe sich die am 22.11.2000 von der ................ / .... AG zu ihren eigenen Gunsten beschlossene Liquidation der Antragsgegnerin erst mit dem Beschluss vom 29.08.2001, mit dem die Beteiligungsquote an der ................ / .... AG auf 9,42 % festgesetzt worden sei, sei der Hilfsantrag zu 2. a) gestellt. Die Anträge seien wegen des Hauptversammlungsbeschlusses vom 22.11.2000 zulässig, da dieser Beschluss die rechtliche Grundlage für alle nachfolgenden Maßnahmen der Antragsgegnerin bilde.

Mit Schriftsätzen vom 04.10.2004 haben sich der Antragsteller zu 4) und die Antragstellerin zu 5) den Anträgen der Antragsteller zu 1) bis 3) angeschlossen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerden zurückzuweisen.

Die Beschwerdegegnerin trägt vor, der vorliegende Sachverhalt habe mit dem der "Moto-Meter-Entscheidung" zugrunde liegenden Sachverhalt keine Gemeinsamkeiten. Der Liquidationsbeschluss habe die Vermögensinteressen der Minderheitsaktionäre nicht berührt. Alle Maßnahmen, die gegebenenfalls die Vermögensinteressen der Minderheitsaktionäre hätten tangieren können, hätten mit der Anfechtungsklage, in Einzelfällen auch durch ein Spruchverfahren überprüft werden können. Von diesen Möglichkeiten hätten zahlreiche Minderheitsaktionäre Gebrauch gemacht. Soweit die zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe nicht genutzt worden seien, könne dies nicht zur Schaffung eines weiteren Spruchverfahrens und damit zur Vervielfältigung des Rechtswegs führen.

Der Antrag der Antragsteller zu 1) und 2) vom 07.03.2001 habe sich ausschließlich gegen den Liquidationsbeschluss vom 22.11.2000 gerichtet. Diesem Antrag habe sich der Antragsteller zu 3) mit Schriftsatz vom 05.03.2003 angeschlossen. Es sei unzulässig, den Streitgegenstand des Verfahrens nachträglich ändern zu wollen und nunmehr statt des Liquidationsbeschlusses die Beschlussfassung der Hauptversammlung zu der Neufassung des Beteiligungsvertrags und der Anpassung der Beteiligungsquote zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens zu machen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Parteien und Anlagen und die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

II.

A. Die sofortige Beschwerde der Antragsteller ist gemäß § 12 SpruchG zulässig. Ebenfalls zulässig sind die Anschlussbeschwerden der weiteren Beschwerdeführer. Da im Rahmen eines Spruchverfahrens Anschlussanträge gestellt werden können, muss dies grundsätzlich auch mit der Anschlussbeschwerde möglich sein.

Da die sofortige Beschwerde nach dem 01.09.2003 eingelegt wurde, sind gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 SpruchG die Vorschriften dieses Gesetzes anwendbar.

B. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat richtig entschieden. Die Anträge auf gerichtliche Festsetzung einer angemessenen Barabfindung wegen "versteckter Eingliederung der Antragsgegnerin in die .... / .... AG durch Liquidation" sind unzulässig. Ebenfalls unzulässig ist der erstmals mit der Beschwerde geltend gemachte Hilfsantrag.

I. Die Beschwerdeführer begehren mit dem Hauptantrag, das Verfahren zur Bestimmung der angemessenen Abfindung für die Minderheitsaktionäre der Antragsgegnerin aus Anlass der Einbeziehung der Antragsgegnerin in die .... / .... AG durch Liquidation für zulässig zu erklären.

1. Eine gesetzliche Regelung zur Bestimmung der angemessenen Abfindung der Minderheitsaktionäre bei der Auflösung einer Aktiengesellschaft besteht nicht. Die Vorschriften über die Auflösung und nachfolgende Liquidation einer Aktiengesellschaft sehen ein solches Verfahren nicht vor.

2.

Das Fehlen einer gesetzlichen Abfindungsregelung verletzt die Antragsteller auch dann nicht in ihren verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsrechten, wenn mit der Auflösung und Liquidation beabsichtigt ist, die Antragsteller aus der Gesellschaft zu drängen. Das Bundesverfassungsgericht hat in der "Moto-Meter-Entscheidung" festgestellt, dass Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG es grundsätzlich nicht ausschließt,

"eine Aktionärsminderheit gegen ihren Willen aus einer Aktiengesellschaft zu drängen. Das hat das Bundesverfassungsgericht zuletzt mit Blick auf die Vorschriften über die Eingliederung (§§ 320 ff. AktG) festgestellt (vgl. BverfGE 100, 289 [302 f.]). Es gilt aber auch dann, wenn ein Großaktionär

- statt die mit entsprechenden gesetzlichen Schutzvorkehrungen ausgestatteten Wege der Eingliederung oder Verschmelzung nach dem Umwandlungsgesetz zu beschreiten - eine "übertragende Auflösung" wählt und dabei - wie vom Beschwerdeführer unterstellt - das Ziel verfolgt, die wenigen (verbliebenen) Minderheitsaktionäre möglichst einfach aus der Gesellschaft zu drängen."

Diese Grundsätze gelten auch für den vergleichbaren Auflösungsbeschluss gemäß § 262 Abs. 1 Satz 2 AktG auch unter besonderer Berücksichtigung von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Ein besonderes Schutzbedürfnis für die Minderheitsaktionäre besteht im Fall der Auflösung der Aktiengesellschaft deshalb nicht, weil die Abwicklung der Gesellschaft zum Schutz der Aktionäre zwingend nach den Vorschriften der §§ 264 ff. AktG vorzunehmen ist. Die gesetzlich vorgeschriebene Form der Abwicklung sichert die bestmögliche Verwertung des Gesellschaftsvermögens und die Beteiligung der Aktionäre an dem Auseinandersetzungsguthaben.

3. Die in der "Moto-Meter-Entscheidung" des Bundesverfassungsgerichts vom 23.08.2000 - Az.: 1 BvR 68/95, 1 BvR 147/97 - (zitiert aus juris) entwickelten Grundsätze zur Abfindung von Minderheitsaktionären bei einer sogenannten übertragenden Auflösung finden auf den vorliegenden Sachverhalt keine Anwendung. Der dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zugrunde liegende Sachverhalt ist mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar.

a) Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der dortige Beschwerdeführer war als Minderheitsaktionär an der früheren ---- .... AG, die von der ------ GmbH mit knapp 99 % des Aktienkapitals beherrscht wurde, beteiligt. Die ------ GmbH gründete eine später als ---- .... GmbH firmierende Gesellschaft, an welche die ---- .... AG ihr gesamtes Vermögen verkaufte. Zugleich beschloss die ------ GmbH als Mehrheitsaktionärin der ---- .... AG deren Liquidation. Die erforderlichen Beschlüsse zur Vermögensübertragung sowie zur Liquidation wurden auf der Hauptversammlung der ---- .... AG mit der Mehrheit der ------ GmbH gefasst. Der Beschwerdeführer wandte sich mit einer Anfechtungsklage gegen die zustimmenden Beschlüsse der Hauptversammlung. Der Antrag blieb ebenso ohne Erfolg wie der Antrag in einem weiteren Verfahren auf Festsetzung einer angemessenen Abfindung für die Minderheitsaktionäre.

Das Bundesverfassungsgericht hat in der "---___-Entscheidung" besondere Schutzvorkehrungen für den Fall verlangt, dass eine Interessenkollision zwischen Mehrheits- und Minderheitsaktionären besteht und es an einer gerichtlichen Überprüfung des Ausgleichs der Minderheitsaktionäre fehlt. Das Bundesverfassungsgericht hat beanstandet, dass weder in dem Anfechtungsverfahren noch in dem Verfahren, in welchem der Beschwerdeführer die Festsetzung einer angemessenen Abfindung beantragt hatte, geprüft wurde, ob die dortige Beklagte für ihr Gesellschaftsvermögen von der Mehrheitsaktionärin einen Preis erhalten habe, welcher dem Wert des arbeitenden Unternehmens entsprochen habe. Der Großaktionärin sei es dadurch möglich gewesen, den Preis für das Gesellschaftsvermögen und damit mittelbar den Liquidationserlös letztlich selbst und ohne jegliche Kontrolle zu bestimmen. Das durch Artikel 14 Abs. 1 GG geschützte Recht des Beschwerdeführers, für den Verlust seiner Gesellschaftsbeteiligung wirtschaftlich voll kompensiert zu werden, sei damit nicht hinreichend gesichert gewesen.

b) Mit dem der "---___-Entscheidung" zugrunde liegenden Sachverhalt ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar.

aa) Den Antragstellern ist zuzugeben, dass ihre Interessen und die Interessen der Mehrheitsaktionärin nicht gleichgerichtet sind. Während die Antragsteller bei der Liquidation der Antragsgegnerin auf eine bestmögliche Verwertung des Gesellschaftsvermögens bedacht sind, ist das Interesse der Hauptaktionärin auf die Feststellung eines möglichst geringen Wertes des Auseinandersetzungsguthabens gerichtet. Das Landgericht Bonn hat in dem Urteil vom 02.05.2002 - Az.: 14 O 160/00 - (Bl. 211 ff.), in dem es u.a. um die Anfechtung des Beschlusses zu Tagesordnungspunkt 8 der Hauptversammlung vom 05.04.2000 über die Auflösung der Antragsgegnerin ging, auf S. 43 ausgeführt:

"...Die Interessen der Mehrheits- und Minderheitsaktionäre der Beklagten sind nicht homogen auf die Erzielung eines möglichst hohen Auseinandersetzungsguthabens gerichtet. Die Mehrheitsaktionärin... ist selbst der Vertragspartner der aufzulösenden Beteiligung und damit Schuldnerin des Auseinandersetzungsguthabens. Die Beklagte wird zu mehr als 80 % von der Mehrheitsaktionärin beherrscht. Die Auflösung der Beklagten wurde mit den Stimmen der Mehrheitsaktionärin gegen die Minderheitsaktionäre durchgesetzt. Die Nebenintervenientin zu 2) (.... / .... AG) hat ein eigenes Interesse daran, dass der Wert der stillen Beteiligung möglichst gering festgesetzt wird, damit das von ihr an die Minderheitsaktionäre als Wert ihrer Anteile auszuzahlenden Auseinandersetzungsguthaben bei Beendigung der Beteiligung möglichst gering gehalten wird."

Das Landgericht Bonn hat indessen die Annahme einer Gefährdung des verfassungsrechtlich geschützten Anspruchs der Minderheitsaktionäre auf wirtschaftliche Kompensation ihrer verlorenen Beteiligung mit der Begründung abgelehnt, anders als bei der "---___-Entscheidung" sei es der Mehrheitsaktionärin nicht möglich, die Höhe des auszuzahlenden Auseinandersetzungsguthabens selbst und ohne jegliche Kontrolle durch ein Gericht zu bestimmen, da die Beteiligungsquote aufgrund einer Schiedsvereinbarung durch Wirtschaftsprüfer ermittelt worden sei. Die Beteiligungsquote sei Gegenstand der Beschlussfassung der Hauptversammlung vom 29.08.2001 gewesen. Dieser Beschluss sei Gegenstand einer Anfechtungsklage.

Die "---___-Entscheidung" des Bundesverfassungsgerichts beruht auf dem Umstand, dass die Vorschriften zum Schutz der Aktionäre bei der Abwicklung der Aktiengesellschaft nicht den Fall der übertragenden Auflösung erfassen, in dem die Mehrheitsaktionärin das gesamte Gesellschaftsvermögen der ---- .... AG verkaufte und zugleich deren Liquidation beschloss, und ohne dass dem Minderheitsaktionär die Möglichkeit zur gerichtlichen Überprüfung eingeräumt worden sei. Das Bundesverfassungsgericht führt hierzu aus:

"Verfassungsrechtlich bedenklich ist es aber, dass das Oberlandesgericht weder im Anfechtungsverfahren noch in dem Verfahren, in dem der Beschwerdeführer die Festsetzung einer angemessenen Abfindung beantragt hatte, geprüft hat, ob die Beklagte für ihr Gesellschaftsvermögen von der Mehrheitsaktionärin einen Preis erhalten hat, der dem Wert des arbeitenden Unternehmens entsprach. Der Großaktionärin war es dadurch möglich, den Preis für das Gesellschaftsvermögen und damit mittelbar den Liquidationserlös letztlich selbst und ohne jegliche Kontrolle, sei es durch Marktmechanismen, sei es durch ein Gericht, zu bestimmen. Das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Recht des Beschwerdeführers, für den Verlust seiner Gesellschaftsbeteiligung wirtschaftlich voll kompensiert zu werden, war damit nicht hinreichend gesichert."

Damit ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar. Der Auflösungsbeschluss, der zu der gesetzlich im einzelnen geregelten Abwicklung der Gesellschaft führte, ist von verschiedenen Aktionären, darunter dem Beschwerdeführer zu 3), mit der Anfechtungsklage angegriffen worden. Das Landgericht Bonn hat die Anfechtungsklage - 14 O 160/00 - mit Urteil vom 02.05.2002 - rechtskräftig - abgewiesen. Entscheidend ist, dass den Minderheitsaktionären der Antragsgegnerin im Gegensatz zu den Minderheitsaktionären der ---- .... AG die gerichtliche Überprüfung des Auflösungsbeschlusses vom 22.11.2000 durch die Anfechtungsklage offen stand und sie mit der Klage vor dem Landgericht Bonn diese Möglichkeit auch genutzt haben. Deshalb besteht kein Anlass, den Minderheitsaktionären in entsprechender Anwendung der Vorschriften über das Spruchverfahren noch ein weiteres Rechtsschutzverfahren an die Hand zu geben. Der Umstand, dass der Auflösungsbeschluss vom 22.11.2000 von dem Landgericht Bonn als rechtmäßig bestätigt worden ist, ändert daran nichts. Das für die Antragsteller ungünstige Ergebnis der inhaltlichen Überprüfung kann nicht dazu führen, dass ihnen in - im vorliegenden Fall unzulässiger - richterlicher Rechtsfortbildung weitere Rechtsschutzformen zur Verfügung gestellt werden. Die entsprechende Anwendung der Vorschriften über das Spruchverfahren kann nur dann in Betracht kommen, wenn anders Rechtsschutz nicht zu erlangen ist. Eine solche Lücke in der Rechtsschutzgewährung besteht im vorliegenden Fall aber gerade nicht, wie die Vielfalt der Verfahren zeigt. Nicht nur der Auflösungsbeschluss vom 22.11.2000 ist gerichtlich inhaltlich überprüft worden, sondern auch die weiteren Beschlüsse der Hauptversammlung der Antragsgegnerin, die auf die Rechtsstellung der Minderheitsaktionäre Einfluss nehmen konnten, sind angefochten oder zum Gegenstand eines Spruchverfahrens gemacht worden.

Gegen den Beschluss der Hauptversammlung vom 29.08.2001 über die Feststellung der Beteiligungsquote erhob die Aktionärin .... .... Anfechtungsklage zum Landgericht Bonn. Die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre und der Antragsteller zu 3) sind der Klage als Nebenintervenienten beigetreten. Die Anfechtungsklage wurde auch im Verhältnis zu den Nebenintervenienten wirksam zurückgenommen, vgl. Urteil des Landgerichts Bonn - 14 O 152/01 - vom 10.10.2002 (Bl. 259 GA). Das Oberlandesgericht Köln hat die Entscheidung mit Urteil vom 26.06.2003 - 8 U 168/02- bestätigt.

Gegen den Beschluss vom 31.07.2003 zur Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die .... / .... (Squeeze-Out) haben mehrere Aktionäre Anfechtungsklage erhoben. Das Landgericht Bonn hat die Klage mit Urteil vom 04.02.2004 - 16 O 49/03 - abgewiesen und gleichzeitig beschlossen - Az. 16 O 66/ 03 -, dass die Anfechtungsklagen der Eintragung des Beschlusses nicht entgegenstehen. Das Oberlandesgericht Köln hat die Entscheidung mit Beschluss vom 26.08.2004 - Az. 18 W 15/04 - bestätigt. Der Squeeze-Out Beschluss ist am 08.11.2004 in das Handelsregister eingetragen worden.

Zur Überprüfung der Angemessenheit der Barabfindung ist außerdem ein Spruchverfahren eingeleitet worden.

Dies bestätigt, dass im Gegensatz zu dem der ---___-Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt alle von der Hauptversammlung der Antragsgegnerin beschlossenen Strukturmaßnahmen gerichtlich überprüft worden sind oder überprüft werden oder jedenfalls hätten überprüft werden können. Damit ist kein Raum für ein weiteres Verfahren.

Eine Gefährdung der Vermögensinteressen der Minderheitsaktionäre konnte im übrigen durch den Auflösungsbeschluss als solchen nicht eintreten. Eine Gefährdung der Vermögensinteressen der Antragsteller konnte allenfalls durch die zum Zwecke der Abwicklung im einzelnen beschlossenen Maßnahmen entstehen, insbesondere die Feststellung der Beteiligungsquote und das Squeeze-Out. Diese Maßnahmen waren oder sind indessen Prüfungsgegenstand der gerichtlichen Überprüfung.

II. Hilfsantrag

Der Hilfsantrag der Beschwerdeführer, das Verfahren an das Landgericht Köln mit der Maßgabe zurückzuverweisen, dass die Anträge der Antragsteller zu 1) bis 3) als zulässige Anträge gegen die Gesamtmaßnahme zu behandeln seien, welche die Hauptversammlungsbeschlüsse vom 22.11.2000 über die Auflösung der Antragsgegnerin und vom 29.08.2001 über die Festsetzung der Beteiligungsquote der Antragsgegnerin an der .... / .... AG auf 9,42 % umfasse, und für welche die angemessene Abfindung der Minderheitsaktionäre zu bestimmen sei, ist unzulässig.

1. Die Beschwerdeführer zu 1) und 2) haben mit ihrer Antragsschrift vom 07.03.2001 die Einleitung des Spruchverfahrens aufgrund des Liquidationsbeschlusses der Hauptversammlung der Antragsgegnerin vom 22.11.2000 begehrt. Diesem Antrag hat sich der Beschwerdeführer zu 3) mit Schreiben vom 05.08.2003, eingegangen am 08.08.2003 (Bl.126 GA), ausdrücklich angeschlossen. Mit diesem Antrag wird die Einleitung des Spruchverfahrens wegen einer "versteckten Eingliederung .der Antragsgegnerin in die .... / .... AG durch Liquidation" beantragt. Damit ist ausschließlich der Liquidationsbeschluss vom 22.11.2000 Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Andere Beschlüsse der Hauptversammlung der Antragsgegnerin, die nunmehr in die Beurteilung einbezogen werden sollen, gab es zum Zeitpunkt der Einreichung der Antragsschrift durch die Beschwerdeführer zu 1) und 2) nicht.

Die Beschwerdeführer begehren erstmals mit der Beschwerde Überprüfung der sogenannten "Gesamtmaßnahme", welche die Hauptversammlungsbeschlüsse vom 22.11.2000 über die Auflösung und vom 29.08.2001 über die Festsetzung der Beteiligungsquote an der .... / .... AG umfasse, und für welche die angemessene Abfindung der Minderheitsaktionäre zu bestimmen sei. Diese Beschlüsse können mit der Beschwerde nicht zulässig zum Gegenstand dieses Verfahrens gemacht werden. Das Landgericht hat bereits zutreffend hingewiesen, dass die Hauptversammlungsbeschlüsse der Antragsgegnerin aus den Jahren 2001 bis 2003 nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sind.

2. Es besteht auch kein Anlass zur Einbeziehung der in den Jahren 2001 bis 2002 gefassten Beschlüsse der Hauptversammlung der Antragsgegnerin in das vorliegende Verfahren. Diese Beschlüsse sind eigenständige Sachverhalte, wie sich schon daran zeigt, dass sie jeweils eigenen Anfechtungsfristen oder eigenständigen Fristen zur Einleitung des Spruchverfahrens unterliegen. Das gilt zum einen für den Beschluss vom 29.08.2001 über die Neufassung des Beteiligungsvertrags. Die Änderung wurde am 28.09.2001 in das Handelsregister eingetragen. Gegen den Zustimmungsbeschluss wurde Anfechtungsklage erhoben. Gegen den Beschluss der Hauptversammlung der Antragsgegnerin vom 31.07.2003 gemäß §§ 327 a ff. AktG ("Squeeze Out") haben verschiedene Aktionäre, darunter die Anschlussbeschwerdeführer, Anfechtungsklage erhoben. Gleichzeitig wurde zur Überprüfung der Angemessenheit der Barabfindung ein Spruchverfahren eingeleitet. Angesichts der vorhandenen und auch genutzten Rechtsschutzmöglichkeiten bedarf es weder einer Einbeziehung dieser Beschlüsse in dieses Verfahren noch bedarf es der analogen Anwendung der Regeln des Spruchverfahrens auf einen dieser Sachverhalte.

III. Kostenentscheidung

Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Gerichtskosten folgt für das Beschwerdeverfahren aus § 15 Abs. 2 S. 2 SpruchG. Die Verteilung der außergerichtlichen Kosten richtet sich für das Beschwerdeverfahren nach § 15 Abs. 4 SpruchG. Die mit der Beschwerde geltend gemachten Anträge sind offensichtlich unzulässig, worauf das Landgericht frühzeitig hingewiesen hat. Deshalb ist eine Abweichung vom gesetzlich vorgesehenen Normalfall geboten (vgl. Senat, AG 1993, 40; MüKo AktG-Volhard § 15 SpruchG, RdNr. 14 m.w.N.). Dabei richtet sich der Kostenanteil der einzelnen Beschwerdeführer nach dem Verhältnis ihrer Aktienanteile.

Den Geschäftswert hat der Senat für das Beschwerdeverfahren gemäß § 15 Abs. 1 SpruchG auf 200.000 EUR festgesetzt; infolge der Zurückweisung der Anträge ist der Mindestwert maßgeblich.

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OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 13.07.2005
Az: I-19 W 4/04 AktE


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