Landgericht Köln:
Urteil vom 14. März 2013
Aktenzeichen: 31 O (Kart) 466/12

(LG Köln: Urteil v. 14.03.2013, Az.: 31 O (Kart) 466/12)

Tenor

I Die Klage wird abgewiesen.

II Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

III Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist überregionale Betreiberin von Breitbandkabelnetzen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen. Diese Kabelnetze wurden früher von der Deutschen Bundespost betrieben. Seit zwei Jahrzehnten überträgt die Klägerin über ihre Kabelnetze Fernsehprogramme u.a. der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten gegen Entgelt und gewährt den Sendern den Zugang zu ihren Netzen. Die Rundfunksignale wurden und werden von den Rundfunkveranstaltern leitungsgebunden geliefert oder per Satellit zur Verfügung gestellt und durch die Klägerin in der Regel zentral eingespeist, d.h. an die regionalen Kabelnetze herangeführt und dann über die eigentlichen Breitband-Koaxialverteilnetze regional verteilt.

In ihren Netzgebieten betreibt die Klägerin die sog. Netzebene 3 (Signaltransport in der Fläche) und zu einem wesentlichen Anteil auch die Netzebene 4 (letzte Meile, Hausverkabelung). Über ihre Breitbandkabelnetze bietet die Klägerin Endkunden oder der Wohnungswirtschaft gegen Entgelt verschiedene Kabelanschlussprodukte an oder stellt nachgelagerten Netzbetreibern entgeltlich die Lieferung von Programmsignalen für die Endkundenversorgung zur Verfügung. Neben ihren TV-Produkten bietet die Klägerin auch Telefon- und Internetzugang an. Mit ihren TV-Produkten erzielte die Klägerin im Konzern 2011 einen Umsatz von 1.158.382 TEUR und mit ihren Internet- und Telefonieangeboten weitere 541.352 TEUR. Die durch Einspeiseentgelte erzielten Umsätze belaufen sich nach dem Jahresfinanzbericht zum 31.3.2012 auf ca. 163.516 TEUR. Insgesamt erzielte sie einen Nettoprofit von ca. 160 Mio. EUR.

Der Beklagte zu 1) (WDR) bildet gemeinsam mit acht weiteren Landesrundfunkanstalten sowie der Deutschen Welle die Beklagte zu 2), die Arbeitsgemeinschaft der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD). Neben eigenen Programmen der jeweiligen Landesrundfunkanstalten werden von den Landesrundfunkanstalten gemeinsam auch die sog. Gemeinschaftsprogramme hergestellt, veranstaltet und bundesweit verbreitet. Zu diesen Gemeinschaftsprogrammen gehören die im vorliegenden Rechtsstreit streitgegenständlichen Programme "Das Erste", "tagesschau24", "Einsfestival" sowie "EinsPlus". Die ARD-Rundfunkanstalten erreichen mit ihrem Fernsehvollprogramm "Das Erste" bundesweit einen Zuschaueranteil von ca. 13%. Mit den weiteren Zusatzangeboten erreichen die ARD-Anstalten bundesweit einen Zuschaueranteil von unter 0,5 % in allen und von deutlich unter 1% in den digital versorgten Haushalten. Zusammen mit dem ZDF erreichen die ARD-Anstalten mit ihren Vollprogrammen und den Dritten Programmen der ARD-Rundfunkanstalten bundesweit einen Zuschaueranteil von unter 40% in den vergangenen vier Jahren (Bl. 79 f. d.A.).

Die Landesrundfunkanstalten haben den gesetzlichen Auftrag, Fernsehprogramme herzustellen und zu verbreiten. Bisher wurden die Programme terrestrisch, per Satellit oder Breitbandkabel verbreitet. In jüngerer Zeit findet auch eine Übertragung über das Internet statt. Für die terrestrische Übertragung nutzen die ARD-Rundfunkanstalten teils eigene Sendernetze, teils nutzen sie Dienstleistungen von Dritten. Bei der Satellitenverbreitung mieten die ARD-Rundfunkanstalten Transponderkapazitäten von Satellitenbetreibern.

Seit dem 30.4.2012 verbreiten die Rundfunkanstalten ihre Fernsehprogramme nur noch digital. Bei der digitalen Verbreitung werden im Gegensatz zur Analogverbreitung die Programmsignale zu sog. Multiplexen zusammengefasst. Das einzelne Programmsignal wird also nicht isoliert zur Nutzung für die Allgemeinheit zur Verfügung gestellt, sondern als Paket mehrerer Programmsignale der ARD-Rundfunkanstalten. In einem Multiplex sind verschiedene Programme miteinander verbunden, um Übertragungskapazitäten zu sparen; die Trennung der Programme erfolgt erst beim Rundfunkempfänger in dessen Empfangsgerät. Neben der Verbreitung von unverschlüsselten, für die Empfänger kostenfreien Rundfunksignalen, die sich unmittelbar an die Rundfunkteilnehmer richtet, ist es auch Festnetzbetreibern möglich, die Signale der Klägerin in ihre Netze einzuspeisen und an die angeschlossenen Haushalte weiterzuverbreiten.

Die Verteilung der Übertragungswege stellte sich 2011 nach einer tnsinfratest-Erhebung (Digitalisierungsbericht 2011, Anlage K4) in Marktanteilen wie folgt dar:

Terrestrik 11,8%

Satellit 44,7%

Kabel 50,2%

DSL-TV 3%.

Bisher zahlten die Landesrundfunkanstalten allen Übertragungsnetzbetreibern (bis auf DSL-TV) Geld für die Übertragung und Verbreitung ihrer Programme.

Grundlage der Zahlungen an die Klägerin war bis zum 31.12.2012 ein zwischen der Klägerin und

a) den in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten,

b) dem ZDF,

c) dem Deutschlandradio sowie

d) ARTE G.E.I.E./Arte Deutschland TV GmbH

geschlossener Vertrag über die entgeltliche Einspeisung und Verbreitung von öffentlichrechtlichen Rundfunkprogrammen und -angeboten in Breitbandkabelnetze der Klägerin (Vertrag vom 27.2.2008, Anlage K7) mit Ergänzungen zu Programmen in High-Definition-Qualität (Vertrag vom 28.1.210 ohne das Deutschlandradio, Anlage K6).

In Nr. 6 der Präambel ist festgehalten:

"Die Programmveranstalter sehen einen verstärkten Wettbewerb der digitalen Verbreitungsplattformen um Inhalte und Zuschauer, in dessen Folge die Rundfunkveranstalter als Anbieter von Inhalten auftreten, die die Vermarktungsfähigkeit der Plattformangebote überhaupt erst begründen und deren Werthaltigkeit den Aufwand für den Signaltransport mindestens kompensiert. Die Programmveranstalter gehen davon aus, dass sie für die digitale Verbreitung künftig keine Einspeiseentgelte mehr zahlen werden. Die B geht davon aus, dass sie auch künftig einen Teil ihrer Infrastruktur nicht endnutzer- sondern veranstalterseitig refinanzieren wird."

In § 8 Nr. 1 sind die seitens der Rundfunkanstalten zu zahlenden Entgelte geregelt. Dort heißt es:

"Die Parteien haben sich im Rahmen einer umfassenden Kooperation unter Berücksichtigung der diversen preisbildenden Faktoren auf beiden Seiten für alle nach diesem Vertrag zu erbringenden Leistungen auf die Zahlung eines jährlichen pauschalen Entgeltes durch die Veranstalter an B unter Berücksichtigung der Jahresvorauszahlung in Höhe von 27.000.000 € per annum geeinigt. Die Programmveranstalter werden sich unverzüglich nach Unterzeichnung dieser Vereinbarung auf eine interne Kostenverteilung verständigen und diese B unverzüglich übermitteln. B wird entsprechend dieser internen Kostenverteilung des Gesamtbetrages separate Rechnungen stellen (...)."

Auf die ARD-Anstalten entfällt ein Teilbetrag von 20.436.000 €. Auf das Gemeinschaftsprogramm entfallen nach Schätzung der Klägerin etwa 15%, mithin 3.065.400 €. Der Beklagte wird hierfür in voller Höhe in Anspruch genommen, weil der Klägerin der Aufteilungsschlüssel der ARD-Anstalten nicht bekannt ist (Bl. 14 d.A.).

Nach § 12 Nr. 1 Abs. 2 haften die Programmveranstalter auf Schadensersatz nicht gesamtschuldnerisch.

In § 13 Nr. 1 ist die Laufzeit des Vertrages wie folgt geregelt:

"Das Vertragsverhältnis beginnt zum 01.Januar 2008 und hat eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 2012. Es verlängert sich um jeweils zwölf Monate, wenn der Vertrag nicht von einer der Parteien spätestens sechs Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt wird."

In § 13 Nr. 2 findet sich eine Regelung zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Vertrages:

"Dieser Vertrag bedarf zu seiner Wirksamkeit der Genehmigung der jeweiligen zuständigen Gremien der Parteien (...). Der Vertrag gilt insgesamt als nicht genehmigt, wenn nur die Genehmigung bzgl. eines einzelnen Programmveranstalters nicht erfolgt ist."

Bzgl. dieses Vertrages haben die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten sowie das ZDF, DLR und ARTE unter dem 18.6.2012 die Kündigung ausgesprochen (Anlage K17). Vom Beklagten zu 1) wurde unter dem 20.6.2012 (Anlage K16) separat noch einmal die Kündigung erklärt.

Die Klägerin zahlte und zahlt nach wie vor unabhängig vom gekündigten Einspeisevertrag für die Verbreitung der urheberrechtlich geschützten Sendungen der ARD-Anstalten Gebühren an die GEMA (Vertrag über die Weitersendung von analogen und digitalen Hörfunk- und Fernsehprogrammen in Breitbandkabelnetzen, Anlage K 32).

Der Beklagte zu 1) sowie die anderen Landesrundfunkanstalten beabsichtigen, keinen neuen Vertrag über die Einspeisung mit der Klägerin zu schließen.

Nach wie vor stellen sie jedoch ihre Signale allen Übertragungsnetzbetreibern, mithin auch der Klägerin, zur Verfügung. Die Klägerin überträgt weiterhin, auch über den 31.12.2012 hinaus, die hier in Rede stehenden Programme. Ein Entgelt wird nicht mehr gezahlt und ist in den Finanzierungsbudgets des Beklagten und der anderen ARD-Anstalten vorerst nicht mehr vorgesehen.

Die Klägerin hat in einer Pressemitteilung vom 7.1.2013 angekündigt, dass sie die Bandbreite für die digitale Übertragung der öffentlichrechtlichen Programme an ihren Plattformstandard angleichen werde, was teilweise zur Reduzierung der Verbreitung der Dritten Programme führt (Anlage B8).

Die Klägerin hält die Kündigung für unwirksam. Sie erbringe die Einspeiseleistung regelmäßig gegen Entgelt mit Ausnahme der ausdrücklich gesetzlich geregelten Ausnahmefälle wie etwa der kostenfreien Übertragung von sog. Offenen Kanälen. Alle Programmveranstalter hätten dies bislang akzeptiert. Nunmehr seien aber die Beklagten der Ansicht, dass aufgrund der gesetzlichen Must-Carry-Verpflichtung, die Klägerin die Gemeinschaftsprogramme ohnehin weiter übertragen müsse. Dies hätten sie u.a. in einem Brief gegenüber den Direktoren der Landesmedienanstalten vom 10.12.2012 (Anlage K30) mit ihrer Bitte um Durchsetzung der Must-Carry-Regeln deutlich zum Ausdruck gebracht. Damit gingen die Beklagten davon aus, dass die Klägerin gesetzlich verpflichtet sei, auch weiter zu übertragen, selbst wenn für die Übertragungsleistung seitens der Beklagten keine Einspeisevergütung mehr entrichtet würde. Diese Situation nutzten die Beklagten aus, indem sie einerseits den entgeltlichen Einspeisevertrag mit der Klägerin kündigten, andererseits aber darauf spekulierten, dieselben Übertragungsleistungen der Klägerin nunmehr unentgeltlich in Anspruch nehmen zu können.

Es sei jedoch die gesetzliche Pflicht der Beklagten, ihre Programme nicht nur herzustellen, sondern auch bundesweit zu verbreiten. Um ihrer "Grundversorgungsaufgabe" gerecht zu werden, sei auch eine Übertragung über den Übertragungsweg "Breitbandkabel" zwingend notwendig, da etwa 50% der Haushalte über das Kabelnetz versorgt würden. Die ARD-Anstalten seien daher verpflichtet, die zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe benötigten Mittel am Markt zu beschaffen. Nach dem objektiven, maßgeblich von ihrem Rechtsauftrag geprägten Erklärungswert ihres Verhaltens nähmen die Beklagten die Verbreitungsleistung der Klägerin auch tatsächlich in Anspruch. Sie wollten auch, dass die Klägerin ihre Leistung unverändert erbringt und versuchten dies insbesondere durch Einwirkung auf die Landesmedienanstalten durchzusetzen. Mit der Kündigung des Einspeisevertrages erfüllten die Beklagten nun ihre gesetzlichen Verbreitungspflichten auf Kosten der Klägerin. Sie nutzten zum einen ihre Position als marktbeherrschendes Unternehmen missbräuchlich aus. Im Übrigen stehe die Kündigung in Widerspruch zum objektiven Erklärungswert des Verhaltens der Beklagten. Damit seien die Kündigungserklärungen als sog. protestatio facto contraria unbeachtlich. Wegen der weiteren Einzelheiten zum diesbezüglichen Vorbringen der Klägerin wird auf die S. 20-23 der Klageschrift (Bl. 20-23 d.A.) sowie den Schriftsatz der Klägerin vom 18.1.2013 (Bl. 179 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagten verhielten sich zudem vorsätzlich sittenwidrig und ausbeuterisch, weil sie gestützt auf ihre - durch Abstimmung mit den anderen ARD-Anstalten und dem ZDF noch verstärkte - Marktmacht und gesetzlichen Privilegien unentgeltliche Leistungen von der Klägerin erzwingen wolle. Dazu wären weder der Beklagte zu 1) noch die Beklagte zu 2) bei wirksamem Wettbewerb ohne die geballte, koordinierte Aktion mit den anderen Anstalten in der Lage (Bl. 33 d.A.). Eine unentgeltliche Einspeisung weiche krass vom Vergleichspreis ab. Die Beklagten wollten, dass ihre Gemeinschaftsprogramme von der Klägerin verbreitet werden. Gleichwohl kündigten sie und verweigerten einen neuen Vertrag. Dies sei Ausdruck des ausbeuterischen Kalküls, dass die Klägerin vertragslos und unentgeltlich weiter übertragen werde. Die Parteien unterlägen einem wechselseitigen Kontrahierungszwang, wobei das Kabelbelegungsregime nicht die Unentgeltlichkeit der Durchleitung bedinge, sondern vielmehr von der Entgeltlichkeit als Regelfall ausgehe. Die Beklagten wollten als marktmächtiges Unternehmen aber gerade mit ihrer mit den anderen Kartellanten abgesprochenen Kündigung diese Unentgeltlichkeit durchsetzen, so dass die Kündigung gem. § 134 BGB unwirksam sei (Bl. 33-44 d.A.).

Es sei ferner diskriminierend, dass die Beklagten nur der Klägerin kein Entgelt zahlten, während die Übertragung per Satellit und Terrestrik nach wie vor vergütet werde. Bei der Übertragung per Kabelnetz, Satellit und Terrestrik werde derselbe Bedarf abgedeckt, nämlich die Signalübertragungsleistung. Für eine ungleiche Behandlung gäbe es keinen sachlichen Grund. Dass die Klägerin im Gegensatz zu anderen Signalübertragungsunternehmen Endkundenbeziehungen und damit verbunden andere Einnahmemöglichkeiten habe, stelle keinen sachlichen Grund dar. Denn dies liefe nach Ansicht der Klägerin auf Abschöpfung fremder Leistungen hinaus, da sie allein aufgrund eigener Anstrengungen im Verhältnis zu Dritten Entgelte erziele. Vor diesem Hintergrund sei die Kündigung nach § 134 BGB unwirksam (Bl. 44-47 d.A.).

Die Klägerin rügt ferner, dass die Kündigung durch kartellrechtswidrige Absprachen mit anderen Anstalten zustande gekommen sei. Die Kündigung sei zwar nicht per se unzulässig, denn auch der Kontrahierungszwang lasse eine Änderungskündigung zu. Die ARD-Anstalten und das ZDF hätten sich jedoch - was unstreitig ist - gemeinsam zu einem Paradigmenwechsel entschlossen. Vor diesem Hintergrund sei die Kündigung erklärt worden in der Absicht, die Leistung der Klägerin in Zukunft unentgeltlich in Anspruch zu nehmen und den Abschluss entgeltlicher Verträge zu boykottieren. Hierzu verweist die Klägerin auf die Informationsschreiben des Beklagten zu 1) vom 16.7.2012 (Anlage K2), die Finanzvorschau des ZDF für 2013-2016 (Anlage K10), den Ausschnitt aus der Diskussionsrunde vom 18.6.2012 (Anlage K14 f.) sowie das gemeinsame Kündigungsschreiben. Daraufhin hat sich unstreitig das Bundeskartellamt eingeschaltet und darauf hingewiesen, dass die Absprache, keine weiteren Verträge mit der Klägerin schließen zu wollen, kartellrechtswidrig sein dürfte. Das Verhalten des Beklagten bezwecke und bewirke eine Beschränkung des horizontalen Wettbewerbsverhältnisses auf dem Nachfragemarkt für Einspeiseleistungen. Dieser Kartellverstoß führe - so die Klägerin - zur Unwirksamkeit der Kündigung und stehe jeder künftigen Kündigung entgegen, solange die ursprüngliche Abstimmung noch fortwirke (Bl. 199 d.A.). Die Kündigungen seien als einseitige Rechtsgeschäfte, an denen keine Dritten beteiligt sind, Ausführungshandlungen der Kartellvereinbarung und damit nach § 1 GWB iVm § 134 BGB unwirksam.

Die Beklagten könnten die Einspeisevergütung auch nicht mit dem Argument verweigern, die in umgekehrter Richtung gezahlten Urheberrechtsentgelte würden dem Wert der ARD-Programme nicht gerecht. Diese Fragen seien durch die gesetzlich vorgesehenen Streitschlichtungsmechanismen wie die Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt zu klären. Im Übrigen setzten die urheberrechtlichen Verträge als Geschäftsgrundlage gerade voraus, dass die technischen Transportleistungen der Klägerin wiederum in gesonderten Verträgen vergütet würden (Bl. 187 d.A.). Der ANGA-Gesamtvertrag (Anlage K32) der GEMA sehe gestaffelte urheberrechtliche Vergütungssätze vor, je nachdem ob der Kabelnetzbetreiber Einspeiseentgelte erhalte oder nicht.

Zum ersten Hilfsantrag behauptet die Klägerin, dass die Beklagten einem Kontrahierungszwang unterlägen. Sie müssten einen Vertrag mit der Klägerin schließen zu angemessenen, marktüblichen Konditionen, wie sie die Standardverträge der Klägerin darstellten. Diese würden von allen Programmveranstaltern in Deutschland als Vertragsinhalt oder jedenfalls als Grundlage zielorientierter Verhandlungen akzeptiert (Bl. 52 d.A.). Auch die privaten Sender wie ProSiebenSat1 oder RTL zahlten Einspeisevergütungen und bekämen diese auch nicht etwa rückvergütet. Allein richtig sei, dass im HD-Bereich die Einspeisung kostenpflichtig sei, aber die Sender aus den erzielten Endkundeneinnahmen einen Rückfluss erhielten (Bl. 191 d.A.). Sonderkonditionen gäbe es bei anderen Sendern nicht.

Abweichungen vom Standardvertrag bezögen sich auf einzelne vertragliche Nebenbedingungen wie Kündigungsfristen o.ä.. Private Rundfunkveranstalter zahlten auch anderen Breitbandkabelnetzbetreibern Einspeiseentgelte. Die seitens der Klägerin geforderten Entgelte erfüllten den Maßstab einer verursachungsgerechten Zuschlüsselung der Übertragungskosten für die Programme der Beklagten. Die Kurzpräsentation der Unternehmensberatung Q bestätige dies (Anlage K34). Überdies sei von sämtlichen mit der Preisgestaltung der Klägerin befassten Regulierungsbehörden bestätigt worden, dass die Preisgestaltung nicht missbräuchlich sei. Zuletzt hätten die Landesmedienanstalten als Aufsichtsbehörden die Angemessenheit und Rechtmäßigkeit des Einspeiseentgeltmodells bestätigt (Anlage K33 S. 6). Soweit Streit über die Angemessenheit der Konditionen besteht, seien diese durch das Gericht zu bestimmen.

Bzgl. des zweiten Hilfsantrags ist die Klägerin der Ansicht , dass die Beklagten gem. §§ 33 Abs. 1, 3 GWB iVm §§ 249 ff. BGB verpflichtet seien, den Zustand herzustellen, der ohne den zum Ersatz verpflichtenden Umstand, also der Kündigung, bestünde. Da die Kündigung nicht erklärt worden wäre, würde die Klägerin weiterhin ihre vertraglich vereinbarte Einspeisevergütung erhalten.

Zur Zulässigkeit der Anträge vertritt die Klägerin die Auffassung, dass eine notwendige Streitgenossenschaft nicht vorliege. Allein aus der Kooperation bei den technischen Modalitäten der Übergabe der Programmsignale ergäbe sich keine gemeinschaftliche Rechtszuständigkeit unter dem Vertrag. Die Regelung, die ein Ausscheiden einzelner Anstalten vorsehe, zeige bereits, dass das Bestehen des Vertrags nicht voraussetze, dass sämtliche Anstalten (noch) Partei seien. Auch aus dem vertraglichen Anspruch auf Transport lasse sich keine ausschließliche gemeinschaftliche Prozessführungsbefugnis oder Rechtszuständigkeit herleiten (Bl. 199 d.A.). Auch die Pflicht zur Zahlung des Entgelts sei eine gesamtschuldnerische. Es sei auch nirgends vorgesehen, dass für Gemeinschaftsprogramme die Beschaffung von Einspeisekapazitäten zwingend durch sämtliche Anstalten in Rechtsgemeinschaft erfolgen müsse. Es sei möglich, dass eine Anstalt allein die erforderlichen Kapazitäten beschaffe und ein Ausgleich im Innenverhältnis erfolge (Bl. 200 d.A.).

Da sich die Beklagten eines Rechts dahingehend berühmten, dass die Klägerin auch ohne Vertrag weiterhin verpflichtet sei, ihre Gemeinschaftsprogramme zu übertragen, bestehe ebenfalls ein Bedürfnis, feststellen zu lassen, dass eine solche Pflicht nicht bestehe. Die Klägerin müsse ansonsten befürchten, dass ihr die Beklagten aufgrund ihres vermeintlichen Rechts ernstliche Hindernisse entgegensetzen werden, was sie mit ihrer Bitte an die Landesmedienanstalten schon begonnen hätten. Ihr Vortrag, wonach sie sich keiner Rechte berühmten, sei nach Treu und Glauben unbeachtlich (S. 3 des Schriftsatzes der Klägerin vom 30.1.2013).

Bzgl. ihres Antrags nach § 142 Abs. 1 ZPO behauptet sie, dass die Vorlage entscheidungserheblich sei, weil umfängliche Abstimmungen und Kartellierungen und weitere Feststellungen des Bundeskartellamts zum Vorschein kommen würden.

Die Klägerin beantragt,

1a) festzustellen, dass der Vertrag über die Einspeisung und Verbreitung von öffentlichrechtlichen Rundfunkprogrammen und -angeboten in Breitbandkabelnetze zwischen der Klägerin und dem Beklagten (hilfsweise: der weiteren Beklagten) vom 27.2.2008 im Hinblick auf die Fernsehprogramme:

- Das Erste

- tagesschau24

- Einsfestival

- EinsPlus

auch nach Ablauf des 31.12.2012 für die Verbreitung in der Freien Hansestadt Bremen, in der Freien und Hansestadt Hamburg, in den Freistaaten Bayern, Sachsen und Thüringen und in den Ländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Saarland und Schleswig Holstein fortbesteht;

hilfsweise

1b) den Beklagten (hilfsweise: die weitere Beklagte) zur Annahme des als Anlage K1a und K1b beigefügten Standard-Vertragsangebots der Klägerin für einen Einspeisevertrag für die Programme zu 1a) für die Zeit ab dem 1.1.2013 beschränkt auf eine Verbreitung in der Freien Hansestadt Bremen, in der Freien und Hansestadt Hamburg, in den Freistaaten Bayern, Sachsen und Thüringen und in den Ländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Saarland und Schleswig Holstein zu verurteilen;

höchst hilfsweise (für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu a) und b))

1c) festzustellen, dass die Beklagten der Klägerin zum Ersatz sämtlicher Schäden verpflichtet sind, die der Klägerin aus der mit den anderen öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten abgestimmten Kündigung des Vertrages des Antrag zu 1a) und Verweigerung des Abschlusses des Vertrages im Sinne des Antrags zu 1b) für die Zeit ab dem 1.1.2013 entstehen werden;

1d) festzustellen, dass die Beklagten gegenüber der Klägerin verpflichtet sind für die Verbreitung der streitgegenständlichen Programme ab dem 1.1.2013 Aufwendungsersatz und Bereicherungsausgleich zu zahlen;

1e) festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin im Hinblick auf die Verbreitung der streitgegenständlichen Programme keine technischen Beschränkungen auferlegen dürfen;

1f) festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, die Programme zu 1a) in ihre Netze einzuspeisen und auch keine Kapazität hierfür vorhalten muss, soweit und solange die Beklagten keinen Vertrag mit der Klägerin über die Einspeisung haben;

2. den Beklagten nach § 142 Abs. 1 ZPO aufzugeben, Abschriften folgender Urkunden vollständigen und ungeschwärzt vorzulegen:

a)

Schriftsatz der Sozietät E und F vom 12. Februar 2012 an das Bundeskartellamt im Kartellverwaltungsverfahren zu Geschäftszeichen B 7 20/12 und die Anlagen hierzu [Blatt 42-236 der Verfahrensakte des BKartA]

b)

Schreiben des Bundeskartellamts an die Sozietät E und F vom 24. Februar 2012 im Verfahren zu Geschäftszeichen B 7 20/12 [Blatt 256 - 260 der Verfahrensakte des BKartA]

c)

Schriftsatz der Sozietät E und F vom 12. April 2012 an das Bundeskartellamt im Kartellverwaltungsverfahren zu Geschäftszeichen B 7 20/12 nebst Anlagen [Blatt 340-347 der Verfahrensakte des BKartA]

d)

Vermerk zum Gespräch der Beschlussabteilung B 7 mit Vertretern von ARD und ZDF am 16. April 2012 [Blatt 353/001-012 der Verfahrensakte des BKartA]

e)

Schriftsatz der Sozietät E und F vom 26. April 2012 an das Bundeskartellamt im Kartellverwaltungsverfahren zu Geschäftszeichen B7 20/12 [Blatt 375-376 der Verfahrensakte des BKartA]

f)

Entscheidungsvorlagen des Beklagten zur Kündigung und zur Anmeldung der Verbreitungsentgelte für die Kabelverbreitung bei der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF):

3. dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Klage gegen ihn bereits unzulässig ist, weil ein Fall der notwendigen Streitgenossenschaft vorliege. Der Hauptantrag betreffe die von allen ARD-Anstalten gemeinsam veranstalteten Gemeinschaftsprogramme, so dass der Beklagte zu 1) nicht allein prozessführungsbefugt sei. Auch fehle für eine Feststellung isoliert gegenüber dem Beklagten das Rechtsschutzbedürfnis. Daran ändere auch nichts, dass der Vertrag die Möglichkeit des Ausscheidens einzelner Anstalten vorsehe. Bei den Gemeinschaftsprogrammen handele es sich um gemeinschaftliche Veranstaltungen. Der Vertrag ende daher, wenn der Vertrag gegenüber einer Anstalt ende, weil der Vertrag von den verbleibenden Anstalten nicht allein erfüllt werden könne. Die Konstellation, dass nur eine Anstalt Kapazitäten beschafft, sei zwar denkbar, aber rein hypothetisch (Bl. 222 d.A.). Im konkreten Vertrag bestünden die Rechte und Pflichten nicht nur im Transport und der Zahlung von Entgelt, sondern auch darin, die Programmangebote zur Verfügung zu stellen. Da die Gemeinschaftsprogramme aufgrund zwingender rechtlicher Vorgaben nur gemeinschaftlich veranstaltet würden, könnten sie auch nur von allen gemeinsam zur Verfügung gestellt werden.

Gegen die hilfsweise weiter verklagte Beklagte sei die Klage ebenfalls unzulässig, weil es ihr an eigener Rechtspersönlichkeit fehle und sie nicht parteifähig sei.

Bzgl. des Hilfsantrags zu 1f) sei bereits der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht eröffnet, weil die Klägerin über die gesetzliche Must-Carry-Regelung dem Staat gegenüber verpflichtet sei. Damit liege jedenfalls den Beklagten gegenüber kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vor (Bl. 221 d.A.).

In der Sache behaupten die Beklagten, dass die Einspeiseentgelte ursprünglich als Hilfeleistung für den Aufbau einer flächendeckenden Breitbandkabelinfrastruktur dienen sollten. Mittlerweile hätten sich die technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so verändert, dass die Zahlung von Entgelten nicht mehr zu rechtfertigen sei. Diese Entwicklung habe sich 2008 schon angedeutet und habe in der Präambel § 6 ihren Niederschlag gefunden. Die Veränderungen lägen darin, dass es zum einen im digitalen Zeitalter keine Knappheitssituation mehr gäbe und dass zum anderen eine Vielzahl von Netzbetreibern (über 350) erfolgreich Programmsignale gegenüber Wohnungswirtschaft und Haushalten vermarkte, ohne zusätzlich Einspeiseentgelte von Rundfunkveranstaltern zu erhalten (Bl. 72 d.A.)

Die Beklagten sind der Ansicht, dass die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten ihren gesetzlichen Grundversorgungsauftrag bereits ausreichend erfüllen, indem sie ihre Programme primär per Satellit und DVB-T an die Allgemeinheit aussendeten. Eine Pflicht, ihre Programme auch über das Breitbandkabelnetz zu verbreiten, besteht ihrer Ansicht nach nicht. Damit erfülle die Klägerin, wenn sie die Signale der Gemeinschaftsprogramme der ARD-Anstalten weiterleite, keine Pflicht der und zugunsten der Beklagten, sondern eine eigene gesetzliche Pflicht im Rahmen der Must-Carry-Regelungen bzw. zur Erfüllung ihrer eigenen wirtschaftlichen Interessen, um Produkte bei Haushalten und Wohnungswirtschaft und nachgelagerten Netzbetreibern besser vermarkten zu können. Dies zeige sich insbesondere daran, dass die Klägerin nach wie vor an der analogen Rundfunkverbreitung festhalte, obwohl sie darauf verzichten könnte. Die ARD-Anstalten stellten ihre Signale seit dem 30.4.2012 per Satellit unstreitig nur noch digital zur Verfügung, die analoge Satellitenverbreitung sei eingestellt. Auch die terrestrische Verbreitung finde nur noch digital statt. Trotzdem verbreite die Klägerin weiter analog. Sie "analogisiere" die digitalen Signale auf ihre Kosten, um sie dann einzuspeisen und zu übertragen (Bl. 202 ff. d.A.).

Die öffentlichrechtlichen Anstalten lieferten darüber hinaus wertvolle Vorprodukte für das Vermarktungsmodell der Klägerin. Da sei es gerade nicht marktüblich oder angemessen, dass derjenige, der ein wertvolles Vorprodukt liefere, dafür noch eine Vergütung entrichten solle. Die Kosten, die durch die Signalübertragung entstünden, sowie die urheberrechtliche Vergütung von ca. 2.6 Mio. € jährlich würden durch den Vermarktungswert der Vorprodukte mehr als ausgeglichen.

Anders sei die Situation bei der Übertragung per Satellit oder Terrestrik. Diese Betreiber hätten nicht die Möglichkeit, eigene Produkte auf dem Endkundenmarkt zu vermarkten. Wenn sie Signale unverschlüsselt und damit für jedermann frei empfangbar verbreiteten, würden sie die Endnutzer gar nicht kennen und hätten damit nicht die Möglichkeit, die Programmsignale als Vorprodukt zur Vermarktung eigener Produkte nutzbringend zu verwerten. Sie würden schlicht eine technische Dienstleistung für die ARD-Anstalten erbringen und entsprechend auch keine Urheberrechtsvergütungen zahlen, da es sich um eine primäre Verbreitung handele (Bl. 81 d.A.).

Die Beklagten behaupten, dass es keine Marktüblichkeit von Einspeiseentgelten überhaupt gebe und dass darüber hinaus die konkreten von der Klägerin verlangten Entgelte nicht marktüblich seien. Abgesehen von den gekündigten Verträgen zahlten die ARD-Rundfunkanstalten keinem anderen Breitbandkabelnetzbetreiber, der sich über Endkundenentgelte und Entgelte nachgelagerter Netzbetreiber finanziere, ein Einspeiseentgelt. Auch im Ausland komme die Zahlung von Einspeiseentgelten nicht vor.

Die Klägerin verwende zudem im Markt ganz unterschiedliche Vertrags- und Vergütungskonstruktionen. Damit spiele sie ihrerseits ihre Marktmacht aus. Häufig würden - wenn überhaupt noch Einspeiseentgelte gezahlt werden - diese durch gegenläufige Zahlungsströme kompensiert, etwa bei den Programmen der großen Sendergruppen ProSiebenSat1 und RTL (Bl. 83 d.A.). Seit Januar 2010 verbreite die Klägerin auch die digitalen HD-Signale der Programme "Das Erste", ZDF und ARTE, ohne hierfür von den Anstalten ein Entgelt zu verlangen. Das BKartA habe auch festgestellt, dass die Klägerin ohne wettbewerbliche Kontrolle auf dem Einspeisemarkt agiere und sie im Vergleich etwa zum Anbieter A GmbH (A) Einspeiseleistungen zu weniger günstigen Konditionen anbiete. Bei einer Gegenüberstellung von pro Haushalt erhaltenem Einspeiseentgelt erziele die TC rund 25% weniger Entgelte. Wenn man die Einspeiseentgelte abzgl. damit in Zusammenhang stehender Zahlungen auf anderen Märkten, d.h. Urheberrechtsentgelte sowie CPS-Zahlungen an private Sender zugrundelege, betrage der Abstand zu KDG mind. 50% (Anlage B11, S. 77 Rn. 203).

Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

I. Die Klage ist teilweise unzulässig, teilweise unbegründet.

1. Der Hauptantrag zu 1a) gegenüber dem Beklagten zu 1) ist unzulässig.

Die isolierte Feststellungsklage gegenüber dem Beklagten ist unzulässig, weil es sich bei dem Beklagten und den weiteren ARD-Anstalten hinsichtlich der Veranstaltungs- und Verbreitungspflicht der im Vertrag vom 27.2.2008 erfassten gemeinsam veranstalteten Gemeinschaftsprogramme um eine notwendige Streitgenossenschaft im Sinne des § 62 Abs. 1 2. Alt. ZPO handelt.

a. Im Falle einer notwendigen Streitgenossenschaft aus materiellrechtlichen Gründen nach § 62 Abs. 1 2. Alt. ZPO ist die Klage eines oder gegen nur einen Streitgenossen mangels Prozessführungsbefugnis unzulässig (BGHZ 92, 351, 353; 30, 195, 197). Das Erfordernis einer gemeinschaftlichen Klage ergibt sich aus der lediglich gemeinschaftlich vorhandenen materiellrechtlichen Verfügungsbefugnis (BGH Urteil vom 14.4.2012, IV ZR 135/08 Tz.17).

b. Die Klägerin ist der Ansicht, dass es sich bei den Rechten und Pflichten aus dem gekündigten Vertrag vom 27.2.2008 um gesamtschuldnerische Pflichten handelt. Der Vertrag sehe ausdrücklich das Ausscheiden einzelner Programmveranstalter aus dem Vertragsverhältnis vor und regele die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses. Es sei auch nicht notwendig, dass bei der Beschaffung von Kapazitäten für Gemeinschaftsprogramme notwendig alle Anstalten gemeinsam handelten. Da eine Vertragsfortsetzung mit dem Beklagten isoliert auch möglich sei, bestehe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung des Fortbestehens des Vertragsverhältnisses mit dem Beklagten allein.

c. Diese Ansicht teilt die Kammer nicht. Vorliegend betrifft der Rechtsstreit die Frage der Fortsetzung des Einspeisevertrages bzgl. ganz bestimmter im Antrag aufgezählter Gemeinschaftsprogramme. Gemeinschaftsprogramme der ARD-Anstalten sind gem. § 11b RStV und § 1 ARD-Staatsvertrag gemeinschaftlich zu veranstalten. Der Vertrag enthält in § 3 Nr. 1 die Pflicht der Programmveranstalter, für die Dauer des Vertrages ihre Angebote per Satellit oder auf Wunsch der Klägerin leitungsgebunden zur Verfügung zu stellen. Bzgl. ihrer eigenen Programme mag dem Beklagten die Zurverfügungstellung gem. § 3 Nr. 1 des Vertrages möglich sein. Da die Gemeinschaftsprogramme jedoch zwingend gemeinschaftlich veranstaltet werden und nach dem Vertrag auch nicht nur von einem bestimmten Programmveranstalter geschuldet werden, sondern die Programmveranstalter "ihre Angebote" zur Verfügung zu stellen haben, liegt eine gemeinschaftliche Schuld vor, die eine Klageerhebung gegenüber allen Landesrundfunkanstalten erfordert.

aa. Eine gemeinschaftliche Schuld besteht, wenn Schuldner in ihrer Verbundenheit zu einer Gesamtleistung verpflichtet sind, die Leistungspflicht des einzelnen Schuldners beschränkt sich dann nicht auf eine selbständige Teilleistung, sie erstreckt sich aber auch nicht auf die gesamte Leistung, sondern geht dahin, im Zusammenwirken mit den anderen Schuldner den Leistungserfolg herbeizuführen (vgl. Grüneberg in: Palandt, ZPO, 72. Aufl. Überb v § 420 Rn. 7 m.w.N.). Sind mehrere, die keine Gesamthandsgemeinschaft bilden, zu einer Leistung verpflichtet, die sie nur zusammen erbringen können, ist es Auslegungsfrage, welche Rechtsform der Schuldnermehrheit vorliegt (Grüneberg, a.a.O. Rn. 9). Vielfach ist zwar Gesamtschuld gegeben. Auch dass der einzelne Schuldner nicht allein leisten kann, schließt die Gesamtschuld nicht aus (arg § 431); da auch ein auf eine unmögliche Leistung gerichteter Vertrag wirksam ist (§ 311a), kann der Schuldner sich verpflichten, auch für das Verhalten des anderen mit einzustehen (vgl. Grüneberg a.a.O.). Eine solche Auslegung gibt der streitgegenständliche Einspeisevertrag indessen nicht her.

bb. Nach dem Wortlaut des Vertrages haben sich - soweit vorliegend von Interesse - die in der ARD zusammengeschlossenen im Vertragstext im Einzelnen aufgeführten Landesrundfunkanstalten gegenüber der Klägerin vertraglich verpflichtet. Neben der Verpflichtung zur Zahlung eines pauschalen Entgelts (§ 8 Nr. 1), welches jedoch nach einer noch mitzuteilenden internen Kostenverteilung den einzelnen Programmveranstaltern separat in Rechnung zu stellen ist, haben sich die Landesrundfunkanstalten in § 3 Nr. 1 verpflichtet, ihre Angebote wie näher vereinbart per Satellit oder leistungsgebunden zur Verfügung zu stellen. Dass der Beklagte sich vor diesem Hintergrund verpflichten wollte, auch für das Verhalten der anderen Mitschuldner einzustehen, lässt sich dem Vertrag nicht entnehmen. Bzgl. der Zahlung sollten Teilbeträge separat in Rechnung gestellt werden, was gegen eine gesamtschuldnerische Haftungsübernahme spricht. Was die Pflicht aus § 3 Nr. 1 betrifft, spricht die Vertragsausgestaltung mangels gegenteiliger Anhaltspunkte dafür, dass sich die einzelnen Landesrundfunkanstalten - jedenfalls bezogen auf die Gemeinschaftsprogramme - dahingehend verpflichten wollten und verpflichtet haben, im Zusammenwirken mit den anderen die Leistung herbeizuführen, ähnlich der gemeinschaftlichen Verpflichtung mehrerer Musiker zu einer Orchesterveranstaltung, bei der im Zweifel auch keine Gesamtschuld, sondern eine gemeinschaftliche Schuld i.e.S. vorliegt (vgl. Grüneberg, a.a.O.).

cc. Dass der Vertrag in § 13 Nr. 3 die Möglichkeit vorsah, dass auch einzelne Anstalten eine Kündigung aussprechen und auch einzelnen Anstalten gegenüber eine Kündigung erklärt werden konnte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Eine Beendigung des Vertrags durch bzw. gegenüber nur einem Programmveranstalter sollte nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes im Verhältnis der Klägerin zu dem jeweiligen Programmveranstalter möglich sein. Als wichtige Gründe sind etwa aufgeführt die Insolvenz eines konkreten Programmveranstalters oder sonstige Vertragsverletzungen durch bzw. gegenüber einem konkreten Programmveranstalter. Nur in diesen Fällen sieht der Vertrag ein Ausscheiden nur eines einzelnen Programmveranstalters vor. Ein solcher wichtiger Grund ist vorliegend unstreitig nicht gegeben, so dass auch diese vertragliche Regelung nicht der Auslegung widerspricht, dass der Einspeisevertrag - jedenfalls bezogen auf die Gemeinschaftsprogramme - nur entweder gegenüber allen ARD-Anstalten fortbestehen kann oder nicht.

dd. Dass grundsätzlich die theoretische Möglichkeit besteht, dass der Beklagte auch allein die Beschaffung von Übertragungskapazitäten für Gemeinschaftsprogramme organisieren könnte, lässt das Vorliegen einer notwendigen Streitgenossenschaft im konkreten Fall unberührt, da sich die ARD-Anstalten mit dem Vertrag vom 27.2.2008 gerade gegen eine solche alleinige Beschaffung entschieden und ausdrücklich gemeinsam verpflichtet haben.

d. Entsprechend der Rechtslage bei der Leistungsklage liegt auch bei der Feststellungsklage eine notwendige Streitgenossenschaft aus materiellrechtlichen Gründen bei Mitberechtigten vor, wenn die Mitberechtigten ausnahmsweise die festzustellende Verpflichtung nur gemeinsam erfüllen können, z.B. die Zustimmung zur Mieterhöhung gegenüber mehreren Mietern (vgl. Schultes in Münchener Kommentar, 3. Aufl. § 62 Rn. 38) oder auch bei Klagen gegen mehrere Miturheber im Sinne des § 8 UrhG (vgl. Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. § 62 Rn. 20). Die ARD-Programmveranstalter, die gemeinsam die Gemeinschaftsprogramme veranstalten, sind zwar nicht als Miturheber iSd § 8 UrhG anzusehen. Sie sind jedoch gemeinsam Inhaber des verwandten Schutzrechts nach § 87 UrhG. Das verwandte Schutzrecht des § 87 UrhG schützt die organisatorischwirtschaftliche Leistung der Veranstaltung bzw. Durchführung von Funksendungen. Folglich ist Sendeunternehmen i.S.d. Norm dasjenige Unternehmen oder diejenige Person, welche eine Funksendung i.S.v. § 20 UrhG durchführt, die zum Empfang durch die Öffentlichkeit oder doch zumindest eines Teils von dieser bestimmt ist (vgl. Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl. § 87 Rn. 5). Schutzinhaber ist, wer für die Ausstrahlung eines eigenen Programms organisatorisch und wirtschaftlich verantwortlich ist, wer die Aussendung der programmtragenden Signale veranlasst hat bzw. die Ausstrahlung an die Öffentlichkeit kontrolliert und verantwortet (vgl. Dreier, a.a.O.). Da bei den Gemeinschaftsprogrammen alle ARD-Anstalten gemeinsam für die Veranstaltung und auch Ausstrahlung verantwortlich sind, lässt sich die im Einspeisevertrag aufgeführte Pflicht nicht allein vom Beklagten, sondern nur von allen ARD-Anstalten gemeinsam erfüllen (vgl. ähnlich Binder in: Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl. § 11b Rn. 63, 146).

e. Dass es der Klägerin letztlich nicht auf die Pflicht zur Zurverfügungstellung, sondern vielmehr auf die Pflicht zur Zahlung ankommt, ändert nichts daran, dass in ihrem Klageantrag zu 1a) die Feststellung der Fortführung des gesamten Einspeisevertrages bezogen auf die Gemeinschaftsprogramme den Streitgegenstand bildet. Bei einer entsprechenden Leistungsklage wäre mithin auch über die Pflicht zur Zurverfügungstellung der Gemeinschaftsprogramme zu entscheiden, so dass eine isolierte Feststellung gegenüber dem Beklagten unzulässig ist.

2. Vor dem Hintergrund, dass es umstritten ist, ob bei einem Passivprozess gegen eine notwendige Streitgenossenschaft aus materiellrechtlichen Gründen eine Einzelklage stets als unzulässig abzuweisen ist (vgl. etwa Vollkommer in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. § 62 Rn. 17 f.), sieht die Kammer sich veranlasst auszuführen, dass der Antrag jedenfalls auch unbegründet wäre. Der Vertrag vom 27.2.2008 würde nur dann fortbestehen, wenn die Kündigung des Beklagten unwirksam wäre. Die Kündigung ist jedoch wirksam.

a. Der Vertrag sieht selbst ausdrücklich ein Auslaufen des Vertrages zum 31.12.2012 vor. Die Parteien sind bei Abschluss des Vertrages davon ausgegangen, dass der Vertrag nicht unbefristet läuft, sondern am 31.12.2012 beendet wird, mit der Option der Verlängerung. Diese Verlängerungsoption hat der Beklagte nicht wahrgenommen und fristgerecht die Kündigung erklärt. Aus formalen Gründen scheitert die Kündigung nicht.

b. Die Kündigung ist auch nicht sittenwidrig, § 138 BGB. Die Klägerin geht bei ihrer Argumentation von der Prämisse aus, dass der Beklagte auch nach dem 1.1.2013 die Leistungen der Klägerin für sich in Anspruch nimmt und die Klägerin für ihn übertrage. Dabei setzt sie voraus, dass der Beklagte aufgrund seines Funktionsauftrags (für die Gesamtheit der Bevölkerung Programme anzubieten, die umfassend und in der vollen Breite des klassischen Rundfunkauftrag informieren) verpflichtet ist, auch die Kabelnetze, die fast 50% der TV-Haushalte erreichen, als Übertragungswege zu nutzen.

aa. Bereits diese Pflicht besteht nicht in dieser Absolutheit. Denn nach § 11 Abs. 1 RStV ist es zwar der Auftrag der ARD-Anstalten Programme herzustellen und zu verbreiten. Nach § 19 S. 1 und 2 RStV können sie ihrem gesetzlichen Auftrag jedoch durch Nutzung geeigneter Übertragungswege nachkommen und haben bei der Auswahl der Übertragungswege die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. Letztlich steht es in ihrem Ermessen, welche Übertragungswege sie zur Verbreitung wählen. Der Beklagte ist der Ansicht, dass es nicht seine Aufgabe sei, die Gemeinschaftsprogramme über Kabelnetze zu verbreiten. Seiner Grundversorgungsaufgabe komme er nach seiner Ansicht bereits mit der Verbreitung über Satellit und Terrestrikanlagen nach, da er darüber nicht nur den Endnutzern, sondern auch den Kabelnetzbetreibern die Möglichkeit gebe, auf seine Programme zuzugreifen. Da § 19 RStV den Rundfunkanstalten ausdrücklich ein Auswahlermessen bei der Wahl ihrer Übertragungswege zuweist, ist eine "mustoffer"-Pflicht der Rundfunkanstalten zumindest aus rundfunkrechtlichen Normen nicht abzuleiten (vgl. Wagner in : Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl. § 52b Rn. 29-30). Da die ARD-Anstalten ihre Gemeinschaftsprogramme nach wie vor auch der Klägerin zur Verfügung stellen, ergibt sich eine Verpflichtung zur Einspeisung in die Kabelnetze der Klägerin auch nicht aus wettbewerbsrechtlichen oder urheberrechtlichen Gesichtspunkten.

bb. Dem stehen auch nicht die Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. C ("Der Verbreitungsauftrag der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten" vom 25.7.2012, Anlage K9) entgegen. Er vertritt die Auffassung der Klägerin, dass aus dem Funktionsauftrag der ARD-Rundfunkanstalten sich deren Pflicht ergibt, die gesamte Bevölkerung zu erreichen und dazu den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechend, die Übertragung auch durch Kabelnetze zu nutzen. Er setzt sich jedoch nicht näher damit auseinander, dass § 19 RStV den Rundfunkanstalten einen Entscheidungsspielraum bei der Wahl geeigneter Übertragungswege einräumt, sondern führt aus, dass § 19 RStV nicht die Grundlage zur "beliebigen" Wahl der Übertragungswege gewähre. Die Begründung, weshalb die Übertragung per Satellit und Terrestrik keine geeigneten Übertragungswege i.S.d. § 19 RStV darstellen und zwingend der Beklagte die Übertragung auch über Kabelnetze wählen muss, ist nicht überzeugend und berücksichtigt nicht die tatsächlichen Gegebenheiten auf dem Markt.

cc. Die Signale werden seitens der Landesrundfunkanstalten jedermann digital auf den Wegen Satellit und Terrestrik zur Verfügung gestellt und sind für alle frei empfangbar. Sie sind auch frei empfangbar für Kabelnetzbetreiber, die ihrerseits ihren Kunden, die sich für einen TV-Empfang über das Kabelnetz entschieden haben, diese Programme tatsächlich weiterleiten und hierzu sogar - sei es aus vertraglichen Gründen oder gesetzlich angeordnet - verpflichtet sind. Damit ist aus Sicht der Kammer der Funktionsauftrag der öffentlichenrechtlichen Programmanstalten, der gesamten Bevölkerung Programme anzubieten und sie zu erreichen, erfüllt. Aus welchen Gründen der Beklagte bei seiner Auswahlentscheidung gem. § 19 RStV gezwungen sein soll, - daneben und zusätzlich - ebenfalls die Übertragung über Kabel als einen für seine Grundversorgungsaufgabe geeigneten Übertragungsweg zu wählen, wird im Gutachten nicht ausgeführt. Mit der Frage, weshalb eine Pflicht dahingehend bestehen soll, einen konkreten Übertragungsweg wählen zu müssen, obwohl bereits durch andere - sei es wegen vertraglicher Verpflichtungen oder aufgrund gesetzlichen Auftrags - die Übertragung auf diesem Übertragungsweg gesichert ist, setzt sich das Gutachten nicht näher auseinander. Eine solche Pflicht lässt sich aus Sicht der Kammer - jedenfalls in der Konstellation, wie man sie derzeit auf dem Einspeisemarkt vorfindet - nicht begründen.

dd. Über die von ihr behauptete gesetzliche Pflicht der Landesrundfunkanstalten zur Übertragung über Kabel hinaus, hat die Klägerin keine weiteren Anhaltspunkte vorgetragen, die den Schluss zuließen, dass der Beklagte weiterhin ihre Leistung in Anspruch nimmt, d.h. dass die Klägerin tatsächlich für den Beklagten und zu seinen Gunsten überträgt. Die Klägerin bezieht sich zur Begründung einer solchen Inanspruchnahme seitens des Beklagten darauf, dass das Verhalten des Beklagten objektiv und nach dem maßgeblich von seinem Rechtsauftrag geprägten Erklärungswert auszulegen sei, wonach er ihre Leistungen tatsächlich in Anspruch nehme. Teilt man das klägerische Verständnis des auch zur Kabelnetznutzung verpflichtenden Rechtsauftrags der ARD-Anstalten nicht, spricht der unstreitige Sachverhalt vielmehr dafür, dass die Klägerin die Programme nicht mehr für den Beklagten, sondern aus in ihrer Sphäre liegenden Gründen und damit für sich selbst überträgt.

aaa. Dass die Klägerin die Programme der öffentlichrechtlichen Anstalten "analogisiert" und anschließend auch analog überträgt, obwohl die ARD-Anstalten mittlerweile 12 sowohl bei der Satelliten- als auch bei der terrestrischen Übertragung auf eine analoge Verbreitung verzichten, spricht bereits dafür, dass sie die Übertragung für sich selbst vornimmt und nicht für den Beklagten.

bbb. Dafür spricht auch, dass die Klägerin jedenfalls den bereits gewonnenen Endkunden und sonstigen Vertragspartnern im Zweifel vertraglich zur Übertragung auch der hier streitgegenständlichen Gemeinschaftsprogramme verpflichtet ist. Darüber hinaus steht auch eine mögliche eigene gesetzliche Verpflichtung der Klägerin aufgrund der Must-Carry-Regelungen im Raum.

ccc. Dass die Klägerin dennoch für den Beklagten weiterüberträgt bzw. es der Beklagte ist, der ihre Leistung weiter in Anspruch nimmt, ist nach alledem nicht ersichtlich und jedenfalls nicht hinreichend substantiiert dargetan. Da sich die Klägerin auf die Sittenwidrigkeit beruft, obliegt ihr die Darlegungs- und Beweislast für die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit (vgl. Ellenberger in: Palandt, BGB, 72. Aufl. § 138 Rn. 23).

c. Aus denselben Gründen liegt auch keine Unwirksamkeit nach den Grundsätzen der sog. protestatio facto contraria nach § 242 BGB vor. Denn auch dafür wäre Voraussetzung, dass der Beklagte die Leistung der Klägerin de facto weiter in Anspruch nimmt, d.h. dass die Klägerin für den Beklagten die Gemeinschaftsprogramme überträgt. Denn nur vor dem Hintergrund einer tatsächlichen Inanspruchnahme einer Leistung käme überhaupt ein in der Kündigungserklärung liegender unbeachtlicher Vorbehalt in Betracht.

d. Von einem Missbrauch der Marktmacht i.S.d. § 19 Abs. 1, 4 GWB, um unentgeltlich eine Leistung der Klägerin zu erzwingen, kann - unabhängig von der Frage, ob der Beklagte überhaupt Normadressat ist - nicht ausgegangen werden, wenn der Beklagte nicht zur Nutzung des Kabelnetzes verpflichtet ist und auch nicht genügend Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es der Beklagte ist, für den die Übertragung stattfindet, d.h. er das Kabelnetz der Klägerin überhaupt tatsächlich für sich in Anspruch nimmt.

e. Eine Unwirksamkeit der Kündigung wegen Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot des 20 GWB i.V.m. § 134 BGB kommt ebenfalls nicht in Betracht, da jedenfalls ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung vorliegt.

aa. Bezogen auf den Einspeisemarkt ist eine Abgrenzung des Breitbandkabelnetzes zu den alternativen Übertragungswegen Satellit, Terrestrik und IPTB vorzunehmen. Das BkartA ist der Ansicht, dass nach dem Bedarfsmarktkonzept die genannten Verbreitungswege nach ihren Eigenschaften, ihrem wirtschaftlichen Verwendungszweck und ihrer Preislage auch heute nicht so nahe stehen, dass ein Programmanbieter diese als für die Deckung eines bestimmten Bedarfs gegeneinander austauschbar ansieht (vgl. Abmahnung des Bundeskartellamts, 7. Beschlussabteilung vom 6.12.2012 in der Sache B 7 - 70/12 Rn. 183 m.w.N.).

bb. Anders als bei Anbietern von Satelliten- und Terrestrikübertragung besteht bei Kabelnetzanbietern die Möglichkeit, sich über Endkundenentgelte zu finanzieren. Diese Möglichkeit besteht bei den anderen beiden Übertragungsformen bei unverschlüsselt zu versendenden Programmen nicht. Insoweit erfüllen die Satelliten- und Terrestrikbetreiber lediglich eine technische Dienstleistung gegenüber den öffentlichrechtlichen Sendeanstalten. Die Klägerin hingegen nutzt die Programme der Sender als Vorprodukte zu ihrem Kabelanschlussangebot an ihre Endkunden. Sie zieht also einen eigenen Nutzen aus der Übertragung.

f. Die Kündigung ist auch nicht vor dem Hintergrund einer etwaigen weiteren Absprache der ARD-Anstalten und dem ZDF dahingehend, den Abschluss entgeltlicher Verträge zu boykottieren, unwirksam gem. § 1 GWB iVm. § 134 BGB. Es bestehen bereits Bedenken gegen die Einordnung der Kündigung durch die Klägerin als Ausführungsvertrag und die daran anknüpfende Unwirksamkeitsfolge. Das OLG Düsseldorf hat in WUW/E OLG 4182 ausgeführt:

"Ausführungsverträge sind nur solche, die innerhalb eines Kartells oder durch Beitritt eines Dritten zum Kartell geschlossen werden. Verträge, die eine kartellrechtliche Absprache oder eine abgestimmte Verhaltensweise in die Tat umsetzen, werden jedoch als Folgeverträge angesehen. Derartige Folgeverträge teilen nicht das Schicksal einer selbst unzulässigen Kartellabsprache oder eines unzulässigen abgestimmten Verhaltens. Der Grund hierfür besteht darin, daß aus Gründen der Rechtssicherheit der kartellfremde Dritte nicht mit der Unwägbarkeit belastet werden soll, ob das Kartellverhalten rechtens ist oder nicht und deshalb auch das Schicksal des Folgevertrages zweifelhaft sein könnte."

Die Kündigung des Beklagten ist kein Vertrag innerhalb eines Kartells und auch kein Vertrag, der durch Beitritt eines Dritten zu einem Kartell geschlossen wurde, sondern setzt nach dem Vortrag der Klägerin die abgestimmte Verhaltensweise gerade in die Tat um, so dass bereits nach der eigenen Argumentation der Klägerin keine Unwirksamkeit gegeben wäre. Im Übrigen beschränkt sich der Feststellungsantrag auf das Fortbestehen des Einspeisevertrages in Bezug auf die Gemeinschaftsprogramme und damit ist auch die Kündigung im Hinblick auf die Gemeinschaftsprogramme zu prüfen. Bzgl. dieser war jedoch eine Abstimmung und Koordinierung zwischen den daran beteiligten Sendeanstalten wie bereits ausgeführt erforderlich. Sie stehen bzgl. der Gemeinschaftsprogramme zueinander auch gerade nicht im Wettbewerb. Die weitergehende Abstimmung etwa mit dem ZDF stellt ebenfalls keine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung i.S.d. § 1 GWB dar. Soweit die Anstalten nicht verpflichtet sind und auch nicht ersichtlich ist, dass sie von sich aus daran interessiert wären, den Übertragungsweg "Breitbandkabel" zur Erfüllung ihrer Grundversorgungsaufgabe zu nutzen, stehen die Anstalten zueinander nicht im Wettbewerb. Es käme allenfalls ein Preiswettbewerb in Betracht, der aber eine (nicht feststellbare) tatsächliche Leistungsinanspruchnahme durch die Rundfunkanstalten voraussetzen würde.

3. Es bestehen ebenfalls Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des Hilfsantrags, die Fortführung des Vertrages gegenüber der Beklagten zu 2) festzustellen, da es der Beklagten bereits an der Rechtsfähigkeit und damit Parteifähigkeit fehlen könnte.

a. Nach Binder (Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl., § 11b RStV Rn. 61 m.w.N.) handelt es sich, obwohl die ARD ihre Grundlagenvereinbarung als "Satzung" bezeichnet, mangels näherer Angaben zur Rechtsform der durch sie begründeten Gemeinschaft weder um das Statut eines Vereins oder einer förmlichen Gesellschaft noch um eine Konzernvereinbarung. Auch die Staatsverträge oder die sonstigen Vereinbarungen enthielten keine rechtsverbindlichen Aussagen zur Rechtsqualität der ARD oder zur Frage der Veranstaltereigenschaft hinsichtlich der Gemeinschaftsprogramme. Der Zusammenschluss habe daher keine eigene Rechtspersönlichkeit. Danach könnte ihr gegenüber keine Feststellungsklage erhoben werden (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 10.11.2005, 6 PB 14/05 unter Ziff. 5, OLG München, NJW-RR 1992, 1444).

b. Andererseits kommt vom Grundsatz her auch eine Teilrechtsfähigkeit als Außen-GbR in Betracht, da sich die Landesrundfunkanstalten bzgl. der Gemeinschaftsprogramme auf die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks geeinigt haben und zur gegenseitigen Förderung dieses Zwecks verpflichtet sind, wie § 705 BGB es für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts voraussetzt.

4. Diese Frage kann jedoch dahin gestellt bleiben, da der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag jedenfalls aus den Gründen zu 2af) auch gegenüber der Beklagten zu 2) unbegründet wäre.

5. Der Antrag zu 1b), den Beklagten zur Annahme des als Anlage K1a und K1b der Klageschrift beigefügten Standard-Vertragsangebots der Klägerin ab dem 1.1.2013 zu verurteilen, ist zulässig, aber unbegründet.

a. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, dass der Beklagte allein die Beschaffung von Kapazitäten für die Kabelübertragung übernimmt. Ein Einspeisevertrag muss nicht zwingend von allen Landesrundfunkanstalten gemeinschaftlich abgeschlossen werden, es hängt vielmehr von den internen Absprachen innerhalb der ARD-Anstalten ab. Ein isoliertes Interesse der Klägerin an einem Abschluss des Vertrages mit dem Beklagten kann demnach bestehen.

b. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Ein Anspruch auf Annahme des Vertragsangebots der Klägerin (Anlage K1a und K1b) setzt zunächst voraus, dass überhaupt ein Kontrahierungszwang für den Beklagten besteht und dass der Vertrag angemessene und marktübliche Bedingungen enthält. Letzteres ist bereits nicht hinreichend dargetan.

aa. Der Verweis auf eine Kurzpräsentation von D AG "Update des Top Down Einspeisekostenmodells" (Anlage K34), die aus sich heraus nicht verständlich ist, ersetzt keinen substantiierten Vortrag.

bb. Zu berücksichtigen hatte die Kammer bei der Beurteilung der Angemessenheit und Marktüblichkeit der Bedingungen, dass eine Vielzahl von Kabelnetzbetreibern unstreitig - jedenfalls von den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten - gar keine Einspeiseentgelte erhält. Weiter war zu berücksichtigen, dass nach den Feststellungen des BKartA in der Abmahnung vom 6.12.2012 - B 7 - 70/12 (Anlage B11) es jedenfalls einen Mitbewerber der Klägerin gibt, der zwar auch Einspeisevergütungen verlangt, jedoch - auf Basis der in der Anmeldung beim BKArtA angegebenen Einspeiseentgelte und Reichweiten berechnet - pro Haushalt 25% weniger Einspeiseentgelt erhält als die Klägerin bzw. ihre Holding AG (Anlage B11 Rn. 203). Bei einer Berechnung, bei der von den Einspeiseentgelten die damit in Zusammenhang stehenden Zahlungen auf anderen Märkten, d.h. Urheberrechtsentgelte sowie CPS-Zahlungen an private Sender, abgezogen werden, ergibt sich nach dem BKartA ein noch deutlicherer Unterschied von mindestens 50% (Anlage B11 Rn. 203). Vor diesem Hintergrund, dass nämlich am Markt zum Teil gar keine Einspeiseentgelte gezahlt und wenn, erheblich geringere Entgelte erzielt werden, hätte es näheren Vortrags bedurft, aus welchen Gründen die Entgelte der Klägerin dennoch marktüblich und angemessen sind. Das Anbieten eines Sachverständigengutachtens ersetzt den erforderlichen Sachvortrag nicht.

c. Auch die Voraussetzungen für das Bestehen eines Kontrahierungszwangs sieht die Kammer als nicht gegeben an. Der Klägerin wird dadurch, dass kein Vertrag besteht, nicht die Teilhabe an den Leistungen des Beklagten verweigert, da diese ihr - wie jedermann - auch ohne Vertrag zur Verfügung stehen. Sie ist also zur Entfaltung ihrer unternehmerischen Freiheit nicht auf einen Vertrag angewiesen. Ein Abschlusszwang ist daher allein wegen der darin vereinbarten Vergütungspflicht für die Klägerin von Interesse. Der Beklagte soll aus § 826 BGB bzw. den Vorschriften des GWB zum Abschluss eines Vertrags gezwungen sein, der ihn verpflichtet, Entgelte für die Übertragung seiner Signale zu zahlen. Da jedoch wie bereits ausgeführt, die Kammer nicht davon ausgeht, dass die Klägerin die Programme der ARD-Anstalten überhaupt für diese überträgt, ist keine Rechtsgrundlage für einen Kontrahierungszwang ersichtlich.

6. Der Antrag zu 1b), hilfsweise die weitere Beklagte zu 2) zur Annahme des Standardvertragsangebots zu verurteilen, ist aus den unter 5.ac) genannten Gründen jedenfalls unbegründet.

7. Der höchst hilfsweise gestellte Antrag zu 1c) auf Schadensersatzfeststellung gegenüber den Beklagten ist unbegründet. Zum einen kommt eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten für sämtliche Schäden nicht in Betracht. Nach dem Vertrag haften die Vertragspartner nicht gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz. Zum anderen liegt in der Kündigung und in der Abstimmung des weiteren Verhaltens - wie ausgeführt - bereits keine schadensersatzbegründende Handlung

8. Der Hilfsantrag zu 1d) festzustellen, dass die Beklagten gegenüber der Klägerin verpflichtet sind, für die Verbreitung der streitgegenständlichen Programme ab dem 1.1.2013 Aufwendungsersatz und Bereicherungsausgleich zu zahlen, ist ebenfalls unbegründet, da weder die Besorgung eines Geschäfts (auch) für die Beklagten festgestellt werden kann noch die Beklagten durch die Übertragungsleistung seitens der Klägerin "etwas erlangt" haben. Ersparte Aufwendungen bzw. die Nutzung einer Sache können zwar grundsätzlich einen vermögenswerten Vorteil i.S.d § 812 Abs. 1 S.1 BGB darstellen (vgl. Sprau in Palandt, BGB § 812 Rn. 11). Vorliegend fehlt es - wie schon dargestellt - bereits an der Feststellung, dass die Übertragungsleistung von den Beklagten - und nicht von der Klägerin selbst - genutzt wird.

9. Der Hilfsantrag zu 1e) festzustellen, dass der Beklagte der Klägerin im Hinblick auf die Verbreitung der streitgegenständlichen Programme keine technischen Beschränkungen auferlegen darf, ist bereits unzulässig, weil unbestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es ist nicht näher dargetan, welche technischen Beschränkungen gemeint sind. Im übrigen ist auch nicht dargetan, inwiefern der Beklagte der Klägerin vorliegend überhaupt Beschränkungen auferlegt oder aufzuerlegen droht. Es ist zu vermuten, dass es um die Frage einer etwaigen Verschlüsselung von Programmen geht. Dazu hätte es jedoch weiteren Sachvortrags bedurft, auf den trotz Nachfrage im Termin verzichtet wurde.

10. Der Hilfsantrag zu 1f) festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, die Programme zu 1a) in ihre Netze einzuspeisen und auch keine Kapazität hierfür vorhalten zu müssen, soweit und solange die Beklagten keinen Vertag mit der Klägerin über die Einspeisung haben, ist ebenfalls unzulässig.

a. Keine Rechtsverhältnisse i.S.d. § 256 ZPO sind z.B. abstrakte Rechtsfragen (vgl. Greger in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. § 256 Rn. 5 m.w.N.). Ein Feststellungsinteresse besteht grundsätzlich nur, wenn dem subjektiven Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Beklagte es ernstlich bestreitet oder er sich eines Rechts gegen den Kläger berühmt, und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. Das Interesse muss also gerade gegenüber dem Beklagten bestehen (Greger a.a.O. Rn. 7).

b. Da sich die Beklagten nicht eines subjektiven Anspruchs dahingehend berühmen, dass sie von der Klägerin eine Übertragung verlangen könnten, sondern lediglich darauf hinweisen, dass aus ihrer Sicht die Klägerin gesetzlichen Übertragungsverpflichtungen unterliegt, ist kein feststellungsfähiges konkretes Rechtsverhältnis und damit auch kein berechtigtes Feststellungsinteresse gegeben.

11. Eine Anordnung nach § 142 ZPO, die im Ermessen des Gerichts steht, war nicht erforderlich. Die Erkenntnisse, die sich die Klägerin von der Vorlage der näher bezeichneten Korrespondenz verspricht, betreffen die Absprache und das koordinierte Verhalten der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten. Da bzgl. der Gemeinschaftsprogramme ein gemeinsames Handeln nach Einschätzung der Kammer sachlich gerechtfertigt und erforderlich war, waren weitere Erkenntnisse hierzu für die Entscheidung des Falles nicht erforderlich.

II. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 S. 1, 2 ZPO.

Der Schriftsatz der Klägerin vom 11.3.2013 hat vorgelegen, gab aber keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Wie die Klägerin zutreffend schreibt, hat die Kammer im Termin ausdrücklich auf die Problematik hingewiesen, ebenso finden sich hierzu umfangreiche Ausführungen der Beklagten in der Klageerwiderung. Die Klägerin hat dies nicht zum Anlass genommen, im Termin zu reagieren oder um einen Schriftsatznachlass zu bitten, woraufhin die mündliche Verhandlung geschlossen wurde.

Streitwert: 3.165.400,-- €






LG Köln:
Urteil v. 14.03.2013
Az: 31 O (Kart) 466/12


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/af6c4467be96/LG-Koeln_Urteil_vom_14-Maerz-2013_Az_31-O-Kart-466-12




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