Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. August 2011
Aktenzeichen: 7 W (pat) 130/11

(BPatG: Beschluss v. 17.08.2011, Az.: 7 W (pat) 130/11)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat mit Beschluss vom 17. August 2011 in dem Verfahren mit dem Aktenzeichen 7 W (pat) 130/11 entschieden, dass das Einspruchs- und Beschwerdeverfahren in der Hauptsache erledigt sind. Der Beschluss der Patentabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Mai 2010 ist somit wirkungslos.

Die Einsprechende hatte Einspruch gegen das Patent 10 2006 052 548 erhoben und als Begründung angeführt, dass das Patent wegen widerrechtlicher Entnahme widerrufen werden solle. Die Patentabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hat daraufhin das Patent widerrufen. Gegen diesen Beschluss hat die Patentinhaberin Beschwerde eingelegt. Nachdem sich die Parteien außergerichtlich geeinigt hatten, hat die Einsprechende ihren Einspruch zurückgenommen. Der Senat des Bundespatentgerichts hat darauf hingewiesen, dass das Verfahren somit erledigt ist und der Beschluss der Patentabteilung wirkungslos geworden ist.

Da die Einsprechende ihren Einspruch zurückgenommen hat, ist das Einspruchsverfahren in der Hauptsache erledigt, obwohl nach dem Gesetz das Verfahren mit der Patentinhaberin fortgeführt werden müsste. Der Senat ist der Ansicht, dass das Verfahren trotzdem erledigt ist, da das Rechtsschutzziel der Einsprechenden durch ihre Rücknahme des Einspruchs rechtlich gegenstandslos geworden ist. Es ist umstritten, ob das Gesetz auch auf diesen Fall anwendbar ist, da der Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme vom Verletzten geltend gemacht werden kann und kein Allgemeininteresse besteht. Unabhängig davon scheidet eine weitere Sachprüfung der widerrechtlichen Entnahme nach Rücknahme des Einspruchs aus.

Der Beschluss der Patentabteilung kann nicht auf seine sachliche Richtigkeit überprüft werden, da der einzige geltend gemachte Widerrufsgrund entfallen ist. Daher wird der Beschluss für wirkungslos erklärt. Es wurden keine Gründe vorgetragen oder ersichtlich, die eine Kostenauferlegung rechtfertigen würden.

Höppler Hartung Schwarz Maile Hu




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 17.08.2011, Az: 7 W (pat) 130/11


Tenor

1.

Einspruchsund Beschwerdeverfahren sind in der Hauptsache erledigt.

2.

Der Beschluss der Patentabteilung 22 des Deutschen Patentund Markenamts vom 12. Mai 2010 ist wirkungslos.

Gründe:

I.

Die Einsprechende hat gegen das Patent 10 2006 052 548 mit der Bezeichnung Unterseebootdessen Erteilung am 17. Juli 2008 veröffentlicht worden ist, Einspruch nach den §§ 59, 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG mit der (einzigen) Begründung erhoben, das Patent sei wegen widerrechtlicher Entnahme zu widerrufen.

Die Patentabteilung 22 hat nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 12. Mai 2010 das Patent widerrufen, weil ihrer Ansicht nach der geltend gemachte Widerrufsgrund gegeben sei.

Gegen diesen ihren Verfahrensbevollmächtigten am 11. Oktober 2010 zugestellten Beschluss hat die Patentinhaberin mit Anwaltsschriftsatz vom 29. Oktober 2010 Beschwerde eingelegt.

Nachdem sich die Beteiligten auf eine gemeinsame Inhaberschaft außergerichtlich geeinigt hatten, hat die Einsprechende mit Schreiben vom 21. Januar 2011, das per Fax am selben Tag beim Deutschen Patentund Markenamt eingegangen ist, diesem gegenüber ihren Einspruch zurückgenommen.

Auf den Hinweis des Senats, dass mit Senatsbeschluss nunmehr von Amts wegen festzustellen sei, dass das Einspruchsund das Beschwerdeverfahren aus den nachfolgenden Gründen erledigt sind und der Beschluss der Patentabteilung hierdurch wirkungslos geworden ist, haben die am Verfahren noch beteiligte Patentinhaberin sowie die frühere Einsprechende mitgeteilt, dass sie die Rechtsauffassung des Senats teilten und mit der Vorgehensweise des Senats einverstanden seien.

II.

Nachdem die Einsprechende ihren allein auf den Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme (§ 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG) gestützten Einspruch zurückgenommen hat, ist das Einspruchsverfahren trotz der an sich die Verfahrensfortsetzung anordnende Regelung des § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG in der Hauptsache erledigt.

Nach allgemeiner Meinung ist ein Gerichtsverfahren erledigt, wenn ein nach Verfahrenseinleitung eingetretenes -insbesondere außerprozessuales -Ereignis vorliegt, welches das ursprünglich zulässige und begründete Rechtsschutzziel nachträglich rechtlich oder tatsächlich gegenstandslos macht, weil dieses entweder bereits außerhalb des Prozesses erreicht wurde oder nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg weiterverfolgt werden kann (vgl. BGHZ 155, 392 [398]; BGH NJW 2007, 3721 [3722]; BVerwG NVwZ 1989, 48; NVwZ 1993, 979; BVerwGE 46, 81 [83]; 73, 312 [314]; s. a. Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 91a Rn. 3 m. w. N.; Sodann/Ziekow/Neumann, VwGO, 3. Aufl., § 161 Rn. 130 ff.). Diese Grundsätze sind auch für das patentamtliche bzw. patentgerichtliche Einspruchsverfahren wie auch das patentgerichtliche Beschwerdeverfahren anwendbar (vgl. BPatG [7. Senat], GRUR 2011, 657 -Vorrichtung zum Heißluftnieten).

Der Annahme einer Erledigung der Hauptsache steht dabei nicht entgegen, dass nach § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG die Rücknahme des Einspruchs nur zur Beendigung der Beteiligung der Einsprechenden am Einspruchsverfahren führt, das nach dieser Vorschrift somit von Amts wegen mit der Patentinhaberin als einziger verbliebener Beteiligten fortzuführen ist.

Dabei kann dahinstehen, ob § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG, der an sich zwischen den einzelnen Widerrufsgründen des § 21 Abs. 1 PatG nicht unterscheidet, im Fall, dass der Einspruch allein auf den Widerrufsgrund des § 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG gestützt worden ist, überhaupt anwendbar ist; da § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG nämlich vorrangig dem Allgemeininteresse dient (vgl. BGH GRUR 1999, 571, 572 -Künstliche Atmosphäre), das beim Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme nach § 59 Abs. 1 Satz 1 PatG aber von vornherein nicht besteht, weil er nach dem gesetzlichen Wortlaut nur vom Verletzten geltend gemacht werden darf, so dass mit ihm allein dessen Individualinteresse verfolgt wird, spricht Einiges für die Annahme, dass für eine Anwendung des dem Allgemeininteresse dienenen § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG nach der Rücknahme des allein auf den Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme gestützten Einspruchs kein Raum mehr verbleibt. Dies gilt umso mehr, als dass die zur Aufklärung des Sachverhalts der widerrechtlichen Entnahme notwendige Partei am Verfahren nicht mehr beteiligt ist.

Dies bedarf allerdings keiner endgültigen Entscheidung, weil auch bei Anwendung des § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG eine weitere Sachprüfung der widerrechtlichen Entnahme nach Rücknahme des allein hierauf gestützten Einspruchs ausscheidet (vgl. BPatGE 36, 213; als obiter dictum erwogen in BGH GRUR 1996, 42, 44 -Lichtfleck). Soweit hiergegen eingewandt worden ist, die weitere Sachprüfung der widerrechtlichen Entnahme sei nur bei Übergang des Streitpatents auf den Einsprechenden ausgeschlossen und auch in diesem Fall sei die Prüfung sonstiger, im Allgemeininteresse liegender Widerrufsgründe weiterhin möglich (so BPatGE 47, 141, 143 f. -Aktivkohlefilter), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar hat der Bundesgerichtshof für den Fall eines zulässigen Einspruchs entschieden, dass das Patentamt im Einspruchsverfahren nicht gehindert ist, in seine Sachentscheidung über den Einspruch auch solche Widerrufsgründe einzubeziehen, auf welche sich der Einsprechende nicht gestützt hat (vgl. BGH GRUR 1995, 333, 335 -Aluminium-Trihydroxid). Diese Entscheidung betrifft aber allein den Einspruch als Popularrechtsbehelf, der eine umfassende Prüfung der Patentfähigkeit im Interesse der Allgemeinheit eröffnen soll. Hieran fehlt es aber bei einem gerade nicht jedermann, sondern allein dem Verletzten zustehenden Einspruch wegen einer widerrechtlichen Entnahme. Bei dieser spielt nämlich die Schutzfähigkeit des erteilten Patents nicht nur keine Rolle, vielmehr stünde die Annahme der Schutzunfähigkeit sogar in Widerspruch zum Antrag des Verletzten, der hiermit ja sein Erfinderrecht geltend machen will, an dem es bei fehlender Schutzfähigkeit der Erfindung aber gerade fehlen würde; eine fehlende Patentfähigkeit kann der Verletzte damit allenfalls hilfsweise, nicht aber gleichrangig neben der widerrechtlichen Entnahme als Widerrufsgrund geltend machen. Es wäre daher mit dem (Individual-) Antrag des Verletzten nicht nur unvereinbar, sondern ginge auch über dessen Rechtsschutzbegehren unzulässig hinaus, wenn nach einem wirksamen, allein auf die widerrechtliche Entnahme gestützten Einspruch das Patent ohne Prüfung des einzigen geltend gemachten Widerrufsgrund aus einem andern Widerrufsgrund, etwa wegen mangelnder Patentfähigkeit, den der Verletzte weder geltend gemacht hat noch mit seinem Einspruch überhaupt, ohne sich in Widerspruch zu seinem Antrag zu setzen, gleichzeitig verfolgen kann, widerrufen würde. Ungeachtet dessen scheidet eine Prüfung der Patentfähigkeit des Streitpatents aus anderen Widerrufsgründen als des § 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG nach der vorgenannten Entscheidung vorliegend schon deshalb aus, weil der Bundesgerichtshof eine Prüfung anderer Widerrufsgründe im Einspruchsbeschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht für nicht zulässig erachtet (vgl. BGH a. a. O., so zutr. auch BPatGE 36, 213 f.).

Damit ist aber nach der Rücknahme des allein auf den Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme gestützten Einspruchs dem, soweit eine Anwendung des § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG auch für diesen Fall bejaht wird, weiteren Amtsverfahren jegliche Grundlage für eine weitere Sachprüfung entzogen. Der Senat hält es allerdings in diesem Fall für nicht sachgerecht, unter Aufhebung des patentamtlichen Beschlusses, mit dem das Streitpatent wegen widerrechtlichen Entnahme widerrufen worden ist, dieses nunmehr aufrecht zu erhalten. Eine solche Entscheidung setzt nämlich eine Sachprüfung voraus, die dem Senat durch die Rücknahme des Einspruchs aber gerade verwehrt ist. Vielmehr führt der oben näher dargelegte Ausschluss der weiteren Sachprüfung infolge des allein auf eine widerrechtliche Entnahme gestützten Einspruchs dazu, dass sowohl das Einspruchsals auch das Beschwerdeverfahren gegenstandslos geworden sind, was nach der eingangs genannten Rechtsprechung zu einer Erledigung der Hauptsache führt. Mit dem (rückwirkenden) Wegfall des einzigen geltend gemachten Widerrufsgrundes ist nicht nur dem Senat die (Sach-) Entscheidung über die Begründetoder Unbegründetheit der Beschwerde entzogen worden, sondern auch der Grund für die angefochtene Sachentscheidung des Patentamts entfallen. Da der Senat diese allerdings nicht (mehr) auf ihre sachliche Richtigkeit überprüfen darf, kann dieser Beschluss auch nicht aufgehoben werden, da eine solche (Sach-) Entscheidung nur für den Fall in Betracht kommt, dass er verfahrenswidrig erlassen oder sachlich unrichtig ist. Um trotzdem zum Ausdruck zu bringen, dass er -ungeachtet der mit der Beschwerde aufgeworfenen Frage seiner Richtigkeit -keine Rechtwirkungen mehr entfalten kann, ist er unter Heranziehung des allgemeinen Rechtsgedankens des § 269 Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz ZPO für wirkungslos zu erklären.

Gründe: für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 80 Abs. 1 Satz 1 PatG sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.

Höppler Hartung Schwarz Maile Hu






BPatG:
Beschluss v. 17.08.2011
Az: 7 W (pat) 130/11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/af0ad695416e/BPatG_Beschluss_vom_17-August-2011_Az_7-W-pat-130-11




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