Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 17. August 2004
Aktenzeichen: 27 U 189/03

(OLG Hamm: Urteil v. 17.08.2004, Az.: 27 U 189/03)

1.

Gewöhnliche Umsatzgeschäfte zwischen Gesellschaft und Geschafter im Rahmen eines laufenden Geschäftsverkehrs stellen keine Umgehung der Sachgründungsvorschriften dar, die zu einer verdeckten Sacheinlage führen.

2.

Gleiches gilt bei Gründung einer AG für die Óbernahme eines für den Geschäftsbetrieb notwendigen Warenlagers im Rahmen der Erstausstattung des Betriebs.

3.

Ob ein gewöhnliches Umsatzgeschäft vorliegt, beurteilt sich danach, ob bei dem im Rahmen der Verfolgung des Unternehmenszwecks vereinbarten Rechtsgeschäft vergleichbare Konditionen vorliegen, wie sie auch mit einem außenstehenden Dritten vereinbart worden wären.

4.

Insoweit kommt es darauf an, ob die Gesellschaft die Waren von Dritten zu günstigeren Konditionen hätte beziehen können, nicht aber darauf, ob der Veräußerer auch anderweitig denselben Preis hätte erzielen können.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird gegen das am 18. September 2003 verkündete Urteil der IV. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

A. Der Kläger ist der Insolvenzverwalter der vom Beklagten zusammen mit weiteren Geschäftspartnern gegründeten Schuldnerin. Der Beklagte übernahm bei der Gründung Aktien im Wert von 128.000 EUR. Diesen Betrag zahlte er am 1.12.1999 auf das Gesellschaftskonto ein.

Bestandteil des Gründungsplans war es, dass die Schuldnerin das Warenlager der S GmbH übernehmen werde, an der der Beklagte zu 75 % beteiligt ist. Ein entsprechender Kaufvertrag wurde im Dezember 1999 geschlossen und der Kaufpreis in Höhe von 377.260,61 EUR in drei Teilbeträgen im Januar/Februar 2000 von der Schuldnerin an die S GmbH gezahlt.

Der Kläger sieht hierin eine verdeckte Sachgründung und nimmt den Beklagten im Wege der Teilklage in Höhe von 25.000 EUR auf (erneute) Zahlung der übernommenen Einlage in Anspruch. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands bis zum Abschluss der ersten Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgeben. Da von Anfang an geplant gewesen sei, das Gründungskapital zum ganz überwiegenden Teil für den Kauf des Warenlagers der beiden Firmen, an denen einzelne Gründungsgesellschafter mehrheitlich beteiligt waren, einzusetzen, habe es sich zum ganz überwiegenden Teil nur um eine scheinbare Geldzuführung gehandelt. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kaufpreis nicht den Gründungsgesellschaftern, sondern den Gesellschaften zugeflossen sei, an denen sie mehrheitlich beteiligt waren. Es genüge, dass der Einlageschuldner sich die Leistung an einen Dritten deshalb zurechnen lassen müsse, weil er dadurch in gleicher Weise begünstigt werde wie bei einer Leistung an sich selbst. Das sei hier der Fall. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten, der weiterhin Klageabweisung begehrt. Er wiederholt seine Auffassung, dass eine verdeckte Sacheinlage nicht vorliege. Der Kauf des Warenlagers von der S GmbH sei nicht zu seiner eigenen Befriedigung erfolgt und habe nicht seiner persönlichen Bereicherung gedient. Vielmehr seien nach der Kaufpreiszahlung Bankverbindlichkeiten abgebaut worden. Außerdem könne der Vorwurf der verdeckten Sacheinlage allenfalls anteilig in Höhe seines Geschäftsanteils an der S GmbH erhoben werden.

Hinsichtlich des Verkaufs des Warenlagers durch die S GmbH an die Schuldnerin ist in zweiter Instanz unstreitig, dass dieser zu Einkaufspreisen (Anschaffungskosten) erfolgt ist. Der Beklagte verweist darauf, dass diesen Preisen eine Rabattvereinbarung zwischen der Fa. F und der S GmbH zwischen 54 %und 56 % zugrunde gelegen habe, die - so seine Behauptung - im Wesentlichen auf einer positiv verlaufenen Geschäftsverbindung und dem persönlichen Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Geschäftsführern beruht habe. Da die S GmbH als Grossist tätig gewesen sei und mit ihrem umfangreichen Warenlager nicht nur neue Objekte betreut habe, habe auch ein Abrufbedarf an Artikeln älterer Bauart bestanden, so dass es sich insgesamt um vertretbare Gegenstände des laufenden Bedarfs gehandelt habe. Eben diese Großhändlerposition habe die Schuldnerin einnehmen sollen. Die vereinbarten Kaufpreise hätten in jeder einzelnen Position üblichen und darunter liegenden Preisen entsprochen.

Hilfsweise erklärt der Beklagte die Aufrechnung mit einem Rückerstattungsanspruch gemäß §§ 812, 818 Abs. 2 BGB, da die unstreitig geleistete Zahlung im Falle der Annahme einer verdeckten Sacheinlage den Leistungszweck als Bareinlage nicht erreicht habe. Zwar könne das durch die Vermögensverschiebung "Erlangte" nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr herausgegeben werden, aber die Pflicht zur Herausgabe des "Erlangten" erstrecke sich auf die vom Bereicherten gezogenen Nutzungen. Vorsorglich beruft sich der Beklagte auf eine vorprozessual erklärte Aufrechnung.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und meint, die Tilgung von Gesellschaftsverbindlichkeiten stelle keine Bareinlage dar. Auch habe die Einlage des Beklagten der Schuldnerin nicht zur freien Verfügung gestanden, weil schon vor der Gründung verabredet gewesen sei, dass mit der Einlage der Kaufpreis für das Warenlager aufgebracht werden sollte und das Gründungskonzept auch nur so habe funktionieren können. Ob diese Bindung rechtlich wirksam gewesen sei, sei genauso unerheblich wie der Umstand, dass der Beklagte an der S GmbH nur zu 75 % beteiligt gewesen sei. Die Voraussetzungen einer verdeckten Sacheinlage seien auch dann erfüllt, wenn die eingezahlten Mittel zugunsten einer dem Einzahler nahe stehenden Person verwandt würden. Eine Gesellschaft, an der der Einlageschuldner zu mehr als 1/4 beteiligt sei, sei eine solche nahe stehende Person. Der geltend gemachte Anspruch sei aber, da nur eine Teilklage vorliege, auch begründet, wenn der Beklagte nur zu 75 % haften würde.

Schließlich sei auch unerheblich, ob es sich bei dem Erwerb des Warenlagers um ein gewöhnliches Umsatzgeschäft gehandelt habe. Das sei aber auch nicht der Fall. Denn ein gewöhnliches Umsatzgeschäft liege allenfalls im Rahmen eines laufenden Geschäftsverkehrs, aber nicht bei der Erst- und Grundausstattung der Gesellschaft mit einem Warenbestand vor.

Des Weiteren behauptet der Kläger unter näherer Darlegung, dass die Schuldnerin einen Ankauf des Warenlagers zu denselben Konditionen mit einem außen stehenden Dritten nicht vereinbart und auch nicht im selben Umfang vorgenommen hätte. Übliche Marktpreise für die übernommenen Waren habe es nicht gegeben.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens in zweiter Instanz wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

B. Die zulässige Berufung ist begründet. Ein Anspruch auf Leistung der Einlage gemäß § 54 Abs. 1 und 2 AktG besteht nicht, weil der Beklagte seine Einlagepflicht durch die Zahlung vom 1.12.1999 erfüllt hat. Entscheidend ist insoweit, dass er die von ihm zu erbringende Bareinlage so geleistet hat, dass sie zur freien Verfügung des Vorstands stand, § 36 Abs. 2 AktG.

I. Die befreiende Wirkung der Zahlung ist nur dann zu verneinen, wenn der Einlagebetrag entweder unmittelbar oder mittelbar an den Einleger zurückfließt; denn in diesem Falle wird der Gesellschaft der gezahlte Betrag nur vorübergehend bis zu dem Zeitpunkt zur Verfügung gestellt, in dem er dem Einleger zurückgezahlt wird (vgl. BGH NJW 1991, 226; 1991, 1754; Henze, Aktienrecht - Höchstrichterliche Rechtsprechung, 5. Aufl. Rn 124). Von verdeckten Sacheinlagen wird in diesem Zusammenhang gesprochen, wenn der wirtschaftlich einheitliche Vorgang der Sacheinlage in rechtlich getrennte Geschäfte aufgespalten wird, von denen eines eine Bareinlage zu sein scheint, während das andere dem Abfluss der Geldmittel bei der Gesellschaft und zugleich der Annahme anderer Vermögensgegenstände als Leistung auf die Einlagenschuld dient (vgl. Hüffer, § 27 AktG Rn 10 m.w.N.).

Es muss sich mithin um eine Fallgestaltung handeln, in der die Forderung selbst als Sacheinlage hätte eingebracht werden können, mit der Folge dass sie - bei Übertragung auf die Gesellschaft durch Konfusion, im Übrigen durch Erlass des Gesellschafters - erloschen und dadurch die Gesellschaft von einer Verbindlichkeit befreit worden wäre (vgl. BGH NJW 1994, 1477, 1479 m.w.N.). Typisch sind insbesondere Geschäfte, bei denen die vermeintliche Einlageleistung zur Tilgung bereits bestehender Verbindlichkeiten der Gesellschaft, insbesondere von Darlehen, verwendet wird. Die entsprechende Rechtsprechung betrifft demzufolge oftmals die Einlageleistung bei Kapitalerhöhungen [vgl. insbesondere BGHZ 125, 141 = NJW 1994, 1477; dort hat der BGH die Geltung des § 19 Abs. 5 GmbHG ausdrücklich nur für sog. Altforderungen angenommen und die Frage, ob sich die Regelung des § 19 Abs. 5 GmbHG auch auf nach der Einlageforderung entstehende Darlehensforderungen (sog. Neuforderungen) erstreckt, ausdrücklich offen gelassen, a.a.O., S. 1480].

II. Die Voraussetzungen einer nicht von der Einlagepflicht befreienden verdeckten Sacheinlage im vorstehenden Sinne liegen indessen im hier zu entscheidenden Fall nicht vor:

1. Dem steht schon die große Diskrepanz zwischen dem Einlagebetrag von 128.000 EUR und dem Kaufpreis von mehr als 377.000 EUR entgegen, die verdeutlicht, dass das Warenlager wertmäßig nicht die vom Beklagten geschuldete Einlage darstellen sollte. Die Situation ist damit wirtschaftlich betrachtet nicht so, dass der Beklagte statt der versprochenen Barmittel das Warenlager als Einlage geleistet hat. Abgesehen davon, dass er selbst dieses im Eigentum der GmbH, an der er lediglich zu 75 % beteiligt ist, stehende Warenlager nicht als Sacheinlage hätte leisten können, gibt es keine Anzeichen dafür, dass auch bei rein wirtschaftlicher Betrachtung ein bestimmter Teil des einheitlichen Warenlagers die Einlage des Beklagten darstellen sollte, während andere Teile des gesamten, nach dem Gründungskonzept einheitlich von der Schuldnerin zu übernehmenden Warenlagers anderen Einlageleistungen zugeordnet werden sollten. Ebenso wenig hätte der Beklagte die Befreiung von einer schon bestehenden Verbindlichkeit als Sacheinlage einbringen können. Und schon gar nicht ist eine unmittelbare Tilgung einer Gesellschaftsverbindlichkeit erfolgt, mit der eine Bareinlage in keinem Fall erbracht werden kann (vgl. BGHZ 119, 177 = NJW 1992, 3300).

2. Entscheidendes Kriterium ist im Übrigen, ob die freie Verfügbarkeit für den Vorstand i.S.v. § 36 Abs. 2 AktG deshalb zu verneinen ist, weil von Anfang an eine Verwendungsbindung für den eingezahlten Betrag bestanden hat, d.h. ob eine Abrede zwischen den Gesellschaftern oder zwischen Gesellschafter und Gesellschaft getroffen worden ist, die den wirtschaftlichen Erfolg einer Sacheinlage umfasst (vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbH-Gesetz, 17. Aufl., § 19 Rn 30 a m.w.N.).

a) So ist das Gebot, die Einlagemittel zur freien Verfügung der Gesellschaft zu leisten, dann verletzt, wenn die Gesellschaft hinsichtlich der Verwendung der eingezahlten Mittel gegenüber dem Einleger in einer Weise gebunden ist, dass in Wirklichkeit eine Sacheinlage vorliegt (BGH NJW 1986, 837, 840). Es schließen sämtliche Abreden die freie Verfügbarkeit aus, die dem Interesse des Einlegers an der auch mittelbaren Rückführung der Einlagen dienen, während andererseits nicht jegliche Vereinbarung zwischen Vorstand und einzahlendem Gründer über die Verwendung der Einlagen zum freien Ausschluss der Verfügbarkeit führen muss (vgl. BGH NJW 1991, 226 f.; Hüffer § 36 AktG Rn 9 m.w.N.). Insbesondere sind schuldrechtliche Verwendungsabsprachen, durch die die Geschäftsführung der Gesellschaft verpflichtet wird, mit den eingezahlten Mitteln in bestimmter Weise zu verfahren, aus der Sicht der Kapitalaufbringung unschädlich, wenn sie weder mittelbar noch unmittelbar dazu bestimmt sind, die eingezahlten Mittel wieder an den Einleger zurückfließen zu lassen, sondern allein der Umsetzung von Investitionsentscheidungen der Gesellschafter oder sonstiger, der Weisung der Gesellschafter unterliegender geschäftspolitischer Zwecke dienen. Dies gilt sogar dann, wenn die Bindung der Gesellschaft nicht gegenüber einem Dritten, sondern dem Einleger selber besteht (BGH a.a.O. S. 227 m.w.N.).

Deshalb kann alleine der Umstand, dass der Erwerb des Warenlagers nach dem Gründungskonzept hier notwendig war, die freie Verfügbarkeit des Vorstands noch nicht ausschließen. So hat der BGH in der Entscheidung NJW 1986, 837 die Zuführung von Barmitteln zur freien Verfügbarkeit auch nur deshalb verneint, weil der Vorstand an einer entgegen den im Zusammenhang mit der Gründung übernommenen schuldrechtlichen Verpflichtungen vertragswidrigen Verwendung der Mittel hätte gehindert werden können (a.a.O., S. 839 f.). Nach diesem Maßstab ist die freie Verfügbarkeit der eingezahlten Mittel für den Vorstand hier nicht zu verneinen; es ist nicht ersichtlich, dass er an einer vertragswidrigen Verfügung gehindert gewesen wäre.

b) Die auf den wirtschaftlichen Erfolg einer Sacheinlage zielende Abrede kann dann indiziert sein, wenn ein objektiv enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen dem Vorgang der Einlagezahlung durch den Gesellschafter und der Zahlung der Gesellschaft auf die Forderung aus dem Erwerb eines sacheinlagefähigen Gegenstands besteht.

Abgesehen von dem Umstand, dass auch deutlich verschiedene Beträge die Annahme einer Umgehung ausschließen können (vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich, § 19 GmbHG Rn 30 b m.w.N.), sind hiervon nach einer verbreiteten Auffassung aber auch gewöhnliche Umsatzgeschäfte zwischen Gesellschaft und Gesellschafter im Rahmen eines laufenden Geschäftsverkehrs ausgenommen, weil sie in der Regel keine Umgehung bilden (vgl. Baumbach/ Hueck/Fastrich, a.a.O. m.w.N; Henze, ZHR 154 [1990], 105, 113; Ulmer, ZHR 154 [1990], 128, 142; Traugott/Groß, BB 2003, 481, 483; wohl auch OLG Hamm [8. ZS] BB 1990, 1221, 1222 - ausdrücklich entgegen OLG Hamburg, BB 1988, 504, abweichend allerdings OLG Hamm [8. ZS], Beschluss vom 28.06.2004 für die Unternehmensübernahme - 8 U 11/04 - nicht veröffentl.). Dieser schließt sich der Senat an. Er ist darüber hinaus der Auffassung, dass dies nicht nur im Rahmen der Deckung eines laufenden Bedarfs, sondern in gleicher Weise für die Übernahme eines für den Geschäftsbetrieb notwendigen Warenlagers im Rahmen der Erstausstattung des Betriebs gilt (ebenso OLG Hamm, BB 1990, 1221, 1222). Denn entscheidend ist, ob die Einlage zur Befriedigung einer bei Begründung der Einlagepflicht bereits gegen die Gesellschaft bestehenden Forderung eines Unternehmens, an dem der Einlagepflichtige maßgeblich beteiligt ist, gegen die Gesellschaft zu verwenden ist, oder ob sie nach der Verwendungsabrede zur Finanzierung eines erst noch vorzunehmenden Sacherwerbs von diesem Unternehmen dienen soll (ebenso Scholz-Winter, § 5 GmbHG Rn 80 a m.w.N.). Im ersten Fall ist die Aufspaltung der Geschäfte im Sinne einer Umgehung verdächtig, im zweiten wie im laufenden Geschäftsverkehr unverdächtig, weil die Kaufentscheidung der Gesellschaft noch aussteht und von dem Einleger nicht allein getroffen werden kann.

Dies gilt jedenfalls dann, wenn der vorzunehmende Sacherwerb wie hier Gegenstände des Umlaufvermögens betrifft. Denn anders als z.B. bei der Übernahme von Grundstücken eines Einlegers oder auch sonstiger einzelner Gegenstände des Anlagevermögens, die nur in Form der jeweiligen konkreten, übernommenen Sache zur Verfügung stehen und von außenstehenden Dritten nicht in gleicher Weise erworben werden könnten, handelt es sich bei zur Veräußerung, zur Verarbeitung oder zur sonstigen Verwendung bestimmten Sachen des Umlaufvermögens in der Regel um solche Gegenstände, die am Markt auch anderweitig zu beschaffen wären und für die ein entsprechender Vergleichspreis vergleichsweise unschwer ermittelt werden kann.

Weitere Voraussetzung für die Annahme eines gewöhnlichen Umsatzgeschäfts auch im Rahmen der Grund- oder Erstausstattung ist deshalb lediglich, dass bei dem im Rahmen der Verfolgung des Unternehmenszwecks vereinbarten Rechtsgeschäft vergleichbare Konditionen vorliegen, wie sie auch mit einem außenstehenden Dritten vereinbart worden wären, und nicht dem Gesellschafter (bzw. dem Dritten, an dem der Gesellschafter maßgeblich beteiligt ist) Vorzugskonditionen eingeräumt worden sind.

Letzteres ist hier indessen zu verneinen, nachdem unstreitig geworden ist, dass die Schuldnerin die Waren zu denselben Einkaufspreisen übernommen hat, die die S GmbH gezahlt hatte und die auch die Fa. F bzw. sonstige Hersteller der Schuldnerin berechnet hätten.

Insoweit kommt es nämlich allein darauf an, ob die Schuldnerin denselben Warenbestand zu günstigeren Konditionen von sonstigen Dritten hätte beziehen können, und nicht etwa darauf, ob der Veräußerer auch mit einem anderen Erwerber zu denselben Konditionen hätte abschließen können. Maßgebend ist die Sicht der Schuldnerin, weil es bei der Prüfung verdeckter Sacheinlagen um den Gläubigerschutz und damit darum geht, ob der Gesellschaft der in der Einlageleistung liegende Wert ordnungsgemäß zugeflossen ist. Eine Obliegenheit dahingehend, die gezahlte Einlage für einen besonders vorteilhaften Erwerb zu verwenden, indem die Gesellschaft es sich zunutze macht, dass der Veräußerer ggf. auch noch zu einem niedrigeren Preis veräußern würde, weil er zum selben Preis keinen Abnehmer finden würde, besteht unter diesem Gesichtspunkt nicht.

Aus demselben Grunde ist es auch nicht maßgeblich, ob die Übernahme des kompletten Warenlagers für die Schuldnerin notwendig oder auch nur sinnvoll war. Da ihr Unternehmenszweck nach ihrem Gründungskonzept jedenfalls auch darin bestand, im Rahmen des Vertriebs diejenigen Aufgaben zu übernehmen, die bis dahin die S GmbH ausgeübt hatte, hält sich die Übernahme des Warenlagers im Rahmen dieses Unternehmenszwecks. Die Überprüfung, ob der S GmbH ein auf die Umgehung der Vorschriften über die Sachgründung hindeutender Sondervorteil zugewendet worden ist, muss sich darauf beschränken, ob im Rahmen dieses Zwecks abgewickelte Geschäfte zu solchen Preisen erfolgt sind, die die Schuldnerin auch anderweitig hätte aufwenden müssen.

3. Unerheblich ist es nach alledem schließlich auch, dass bei der S GmbH nach der Veräußerung des Warenlagers eine Kapitalherabsetzung erfolgt ist, aufgrund derer der Beklagte eine Rückzahlung von 172.984,46 EUR erhält.

Denn ist es zwar zutreffend, dass allein die mangelnde Personenidentität von Einlageschuldner und Forderungsgläubiger den Charakter der verabredeten Tilgung einer Forderung als verdeckte Sacheinlage noch nicht ausschließt. So ist anerkannt, dass ihre Voraussetzungen nicht nur dann erfüllt sind, wenn die eingesetzten Mittel abredegemäß zur Tilgung einer Forderung des Zeichners verwendet werden, sondern auch dann, wenn in dieser Weise zugunsten einer dem Zeichner nahe stehenden Person verfahren wird (BGHZ 110, 47 = NJW 1990, 982, S.986). Es kommt aber darauf an, ob der Einlageschuldner durch die Leistung an den Dritten in gleicher Weise begünstigt wird wie in dem Falle, dass an ihn selbst geleistet worden wäre. Das kann auch bei der Zahlung an ein Unternehmen, an dem er maßgeblich beteiligt ist, in Frage kommen (BGHZ 125, 141 = NJW 1994, 1477; S. 1478). Eine solche maßgebliche Beteiligung ist hier sicher zu bejahen.

Jedoch heißt das nicht umgekehrt, dass in allen Fällen der Leistung auf eine Forderung aus der Veräußerung sacheinlagefähiger Gegenstände durch sog. "Hin- und Herzahlen" an einen Dritten, an dem der Einlageschuldner maßgeblich beteiligt ist, ein Umgehungsfall vorliegt, d.h. einer jener Fälle, in denen nur formell eine Bareinlage geleistet wird, der Einlagebetrag aber materiell der Vergütung einer Sachleistung dient und wirtschaftlich deshalb der Gesellschaft nicht als Barleistung zufließt (vgl. hierzu BGHZ 132, 133 = NJW 1996, 1286, 1287). Erfolgt der Rückfluss nicht an den einlagepflichtigen Gesellschafter selbst, so muss sich dieser die Leistung an einen Dritten nur dann zurechnen lassen, wenn er dadurch in gleicher Weise begünstigt wird wie in dem Fall, dass an ihn selbst geleistet wird (BGH a.a.O.; NJW 1994, 1477). Das ist hier im Hinblick auf die Kapitalherabsetzung schon deshalb zweifelhaft, weil der Beklagte aufgrund dessen nicht einmal die Hälfte des von der Schuldnerin gezahlten Kaufpreises erhält. Vor allem aber müssten abgesehen von der fehlenden Personenidentität die sonstigen Voraussetzungen der verdeckten Sacheinlage vorliegen, was hier wie oben dargelegt im Hinblick auf die Umstände des Erwerbs des Warenlagers zu verneinen ist.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Senat hat die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zugelassen, weil ihm die Frage, unter welchen Voraussetzungen bei der Verwendung der Einlageleistung für den Erwerb eines Warenlagers zur Erstausstattung von einer Umgehung der Sachgründungsvorschriften auszugehen ist, grundsätzlich klärungsbedürftig erscheint.






OLG Hamm:
Urteil v. 17.08.2004
Az: 27 U 189/03


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