Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Juli 2008
Aktenzeichen: 32 W (pat) 122/06

(BPatG: Beschluss v. 16.07.2008, Az.: 32 W (pat) 122/06)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die Schutzerstreckung auf Deutschland der nach dem Madrider Markenabkommen (MMA) für die Waren und Dienstleistungen

"16 Produits de I'imprimerie, en particulier manuels, matèriel d'instruction ou d'enseignement (à l'exception des appareils), ainsi que litterature pour des cours.

35 Publicite; gestion des affaires commerciales; conseils en organisation et direction des affaires, administration commerciale; conseil, placement, recrutement et recherche de personnel ainsi que travaux de bureau dans les domaines du conseil et du placement de personnel ainsi que de I'organisation et la conduite de seminaires; selection de personnel à l'aide de tests d'aptitude (psychologiques) de toutes sortes.

41 Formation; formation continue, organisation et conduite de seminaires"

international registrierten Marke 804 244

(Ursprungsland Schweiz mit Priorität vom 4. Februar 2003)

ist aus zwei älteren deutschen Wortmarken derselben Inhaberin, welche jeweils FOCUS lauten, Widerspruch erhoben worden. Hierbei handelt es sich um 1. die Wortmarke 2 057 734

(Anmeldetag: 4. August 1993, Abschluss des letzten Widerspruchsverfahrens am 21. Januar 1995)

eingetragen für die Waren und Dienstleistungen

"Druckereierzeugnisse und Verlagserzeugnisse, insbesondere Magazine; Zeitschriften, Zeitungen und Broschüren, Bücher; Lichtbilderzeugnisse, Fotografien (soweit in Klasse 16 enthalten); Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen, insbesondere von Magazinen, Zeitungen, Zeitschriften, Broschüren und Büchern, sowie von Lehr- und Informationsmaterial einschließlich gespeicherter Ton- und Bildinformation, Produktion von Ton- und Bildaufzeichnungen auf Ton- und Bildträger", 2. die Wortmarke 395 46 204

(Anmeldetag: 14. November 1995, Abschluss der Widerspruchsverfahren am 30. März 2004)

welche jetzt noch für folgende Waren und Dienstleistungen Schutz genießt:

"Video-Kassetten, sämtliche vorgenannten Waren ausgenommen auf dem Gebiet der Photogrammetrie; Druckereierzeugnisse; Informationsmaterial in Form von Druckereierzeugnissen, nämlich Druckschriften, Zeitungen und Zeitschriften, Bücher, Poster, Aufkleber, Kalender, Photographien; Vermittlung und Vermietung von Sendezeiten gegen Entgelt für Andere, gewerbsmäßige Beratungsdienste (ausgenommen Unternehmensberatung) über die Ausgestaltung von Sendezeiten; Dienstleistungen einer Werbeagentur einschließlich Vermittlung und Durchführung sowie Produktion von Telekommunikations-, Hörfunk- und Fernsehwerbesendungen auch im Online-Service; Marktforschung und -analyse; Webemittlung; Verteilung von Waren zu Werbezwecken; Öffentlichkeitsarbeit und zugehörige Dienstleistungen; Vermittlung und Durchführung von Werbeveranstaltungen; Produktion von Ton- und Bildaufzeichnungen auf Ton- und Bildträger".

Die Widersprüche richten sich gegen sämtliche Waren und Dienstleistungen der jüngeren Marke.

Die Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in einem ersten Beschluss vom 24. Februar 2006 die Widersprüche mangels Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Die - seitens der Widersprechenden geltend gemachte - hohe Kennzeichnungskraft von "FOCUS" sei lediglich für ein Wochenmagazin sowie dessen Veröffentlichung liquide. Unabhängig davon mangele es jedoch an einer hinreichenden Ähnlichkeit der Vergleichsmarken wegen des in der angegriffenen Marke enthaltenen Eingangsbestandteils "meta-". Diese werde, selbst wenn ihr keine sinnfällige Bedeutung zukomme, als einheitlicher Begriff verstanden und dürfe nicht ohne weiteres auf "focus" verkürzt werden. Die Serienzeichen der Widersprechenden mit dem Bestandteil "FOCUS" seien mehrgliedrig, wobei der weitere Bestandteil jeweils nachgestellt sei; der Verkehr werde die angegriffene Marke daher nicht als weitere Marke der Widersprechenden auffassen.

Die Erinnerung der Widersprechenden ist durch Beschluss der Markenstelle vom 29. September 2006 zurückgewiesen worden. Der Erinnerungsprüfer vertieft die Argumentation des Erstbeschlusses, insbesondere zu der - verneinten - Frage, ob die Gefahr eines gedanklichen In-Verbindung-Bringens der sich gegenüberstehenden Zeichen gegeben sei. Ein Fall der "Markenusurpation" (gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, GRUR 2005, 1042 - THOMSON LIFE) sei vorliegend nicht gegeben.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.

Nach ihrer Ansicht unterliegen die sich gegenüberstehenden Marken der Gefahr einer Verwechslung im Verkehr. Dies folge zum einen aus der gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken, die nicht nur für Zeitschriften gegeben sei, sondern für den gesamten Medienbereich, zum anderen aus dem Umstand, dass innerhalb der jüngeren Marke nur der Bestandteil "focus" prägend sei bzw. eine selbständig kennzeichnende Stellung aufweise. Die aus dem Altgriechischen stammende Präposition "meta" trete demgegenüber mangels eines eindeutigen Bedeutungsgehalts zurück. Die Vergleichsmarken seien wegen der schriftbildlichen und phonetischen Ähnlichkeit bereits unmittelbar verwechselbar, zumindest unterlägen sie aber einer mittelbaren Verwechslungsgefahr. Die Widerprechende sieht sich in ihrer Auffassung bestätigt durch eine neuere Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts, wonach die Marken "AUTOFOCUS" und "FOCUS" einer Verwechslungsgefahr unterliegen.

Die Widersprechende stellt den Antrag, die Beschlüsse der Markenstelle vom 24. Februar 2006 und vom 29. September 2006 aufzuheben sowie der IR-Marke 804 244 die Schutzerstreckung auf Deutschland zu verweigern.

Die Markeninhaber stellen den erhöhten Schutzumfang der Widerspruchsmarken infrage. Das Wort "FOCUS" sei keine Phantasiebezeichnung, sondern ein vielfach verwendeter Begriff der deutschen und englischen Sprache. Es gäbe auch eine Anzahl deutscher und europäischer Marken mit diesem Bestandteil, welche nicht der Widersprechenden zustünden. Die Vergleichsmarken seien in Anbetracht des Eingangsbestandteils "meta" der jüngeren Marke einander nicht ähnlich. Dieser trete in gleicher Schriftgröße und Schriftart wie das nachfolgende "focus" in Erscheinung. Schriftbildlich unterschieden sich die jeweiligen Marken durch die unterschiedliche Anzahl der Buchstaben und das graphisch besonders ausgestaltete "o" in "metafocus". Der Bestandteil "meta" werde bei der phonetischen Wiedergabe nicht "verschluckt", er habe auch begrifflich eine eigenständige Bedeutung (was näher ausgeführt wird). Anders als "AUTOFOCUS" weise "metafocus" keinen inhaltlichen Bezug zu einer Druckschrift auf, weshalb die Gefahr einer mittelbaren Zeichenverwechslung hier nicht gegeben sei.

Die Markeninhaber beantragen in der mündlichen Verhandlung, die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen der angegriffen IR-Marke in Klasse 16 wie folgt beschränkt wird:

"ausgenommen Nachrichten-, Wochen- und Monatsmagazine".

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig (§ 66 MarkenG), jedoch in der Sache nicht begründet, weil die sich gegenüberstehenden Marken keiner Gefahr einer Verwechslung im Verkehr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 112, § 114 MarkenG unterliegen.

Nach diesen Bestimmungen ist einer international registrierten Marke der beantragte Schutz in Deutschland zu verweigern, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit eingetragenen Marken älteren Zeitrangs sowie der Ähnlichkeit der durch die Vergleichsmarken erfassten Waren und Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Frage, ob Verwechslungsgefahr im Sinne der genannten Vorschriften vorliegt, unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung der maßgeblichen Faktoren auszugehen, insbesondere der Identität oder Ähnlichkeit der jeweiligen Waren und Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen kann durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden und umgekehrt (vgl. z. B. BGH GRUR 2006, 859, Nr. 16 - Malteserkreuz; BGHZ 171, 89, Nr. 33 - Pralinenform).

Waren- und Dienstleistungsidentität bzw. -ähnlichkeit ist in dem im ersten Beschluss der Markenstelle aufgezeigten Umfang zwar nach der Registerlage vorhanden, jedoch haben die Markeninhaber durch die in der mündlichen Verhandlung erklärte Beschränkung des Warenverzeichnisses bezüglich der Druckerzeugnisse in Klasse 16 ("Produits de l'imprimerie"), das nunmehr "Nachrichten-, Wochen- und Monatsmagazine" ausdrücklich nicht mehr umfasst, einen erheblichen Abstand zu den Druckerei- und Verlagserzeugnissen sowie den auf diese sich beziehenden Publikationsdienstleistungen der Widersprechenden geschaffen. Dem kommt insbesondere im Hinblick auf den Schutzumfang der Widerspruchsmarken Bedeutung zu, weil "FOCUS" hohe Bekanntheit (nur) als Zeitschriftentitel, vor allem für das wöchentlich erscheinende Nachrichtenmagazin, genießt, nicht aber für Druckerei- und mediale Erzeugnisse jeglicher Art (wie z. B. für Handbücher, Lehr- und Unterrichtsmaterial, auf welche sich der Schutz der IR-Marke in Klasse 16 insbesondere bezieht) und erst recht nicht für die sonstigen zugunsten der Widerspruchsmarken geschützten Dienstleistungen, etwa im Bereich der Werbung.

Bei somit zugrundezulegender durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken - die seitens der Markeninhaber geltend gemachte weitere Schwächung wegen der Wortbedeutung und wegen zahlreicher Drittzeichen sieht der Senat nicht als gegeben an, zumal über den Bestand und die Benutzung der Drittzeichen keine Erkenntnisse vorliegen - besteht trotz teilweise gegebener Waren- und Dienstleistungsidentität bzw. -ähnlichkeit keine Verwechslungsgefahr in irgendeiner Hinsicht, weil der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen nur sehr gering ist. Bei der gebotenen Gesamtabwägung aller Faktoren scheidet sowohl eine unmittelbare Verwechslungsgefahr, bei der die Unterschiede beider Marken unbemerkt blieben, als auch die Gefahr einer Verwechslung infolge gedanklichen In-Verbindung-Bringens der als unterschiedlich erkannten Kennzeichnungen aus.

Beim schriftbildlichen Vergleich kommt zwar der unterschiedlichen Schriftform - einerseits kleine Buchstaben, andererseits Versalien - keine Bedeutung zu, wohl aber der abweichenden Wortlänge und der besonderen bildlichen Ausgestaltung des Buchstabens "o" in "metafocus". Vor allem unterscheiden sich die Zeichen durch die nur in der IR-Marke enthaltenen Eingangssilben "meta", die - unabhängig davon, ob ihnen isoliert oder in Verbindung mit "-focus" ein Bedeutungsgehalt entnommen wird - weder übersehen und überlesen noch bei der schriftlichen Wiedergabe weggelassen werden. Auch klanglich tritt der Eingangsbestandteil "meta" der jüngeren Marke stets deutlich in Erscheinung, weil der Verkehr keinen Anlass hat, diesen bei mündlicher Benennung zu vernachlässigen. Der Umstand, dass "meta" breiten Verbraucherkreisen möglicherweise nichts sagt, legt keine andere Beurteilung nahe; ganz überwiegend wird das Publikum "metafocus" eben als einheitlichen Phantasiebegriff auffassen, den es nicht weiter zergliedern oder verkürzen wird. Unabhängig davon, ob "metafocus" ein Sinngehalt zugeordnet wird - und ggf. welcher -, wird dieses Markenwort jedenfalls nicht mit "FOCUS" gleichgesetzt werden, so dass auch eine unmittelbare begriffliche Verwechslungsgefahr ausscheidet.

Die Gefahr, dass die als unterschiedlich erkannten Marken wegen des Bestandteils "-focus" der IR-Marke mit den Widerspruchsmarken gedanklich in Verbindung gebracht und die IR-Marke deshalb irrtümlich der Widersprechenden zugeordnet wird (oder auf sonstige wirtschaftliche bzw. organisatorische Verbindungen zwischen den Beteiligten, vor allem im Sinne einer gemeinsamen Produktverantwortung, geschlossen wird), ist vorliegend ebenfalls nicht gegeben. Dem steht bereits entgegen, dass die jüngere Marke - wie ausgeführt - von der äußeren Erscheinung her, d. h. der Zusammenschreibung in einem Wort, und wegen der begrifflichen Unbestimmtheit wie ein einheitliches Phantasiewort wirkt, innerhalb dessen "focus" keine selbständig kennzeichnende Stellung aufweist. Mit einem Begriff wie "AUTOFOCUS", der einen konkreten Produktbezug aufweist, ist "metafocus" nicht vergleichbar. Die sonstigen Serienzeichen der Widersprechenden sind in anderer Weise gebildet; die IR-Marke fügt sich von ihrer Gestaltung her nicht in diese Serie ein und wird daher nicht der Widersprechenden zugeordnet.

Da bei der Beurteilung der Gefahr des gedanklichen In-Verbindung-Bringens von Marken nach § 9 Abs. 1 Nr. 2, Alt. 2 MarkenG - in noch stärkerem Maß als bei der unmittelbaren Verwechslungsgefahr - auf informierte, aufmerksame Verbraucherkreise abzustellen ist, welche die jeweiligen Marken in ihrer der Registrierung entsprechenden Form, nicht aber aufgrund flüchtiger akustischer Aufnahme wahrnehmen (vgl. BPatG GRUR 2006, 868 = MarkenR 2006, 452 - go seven), wirkt sich vorliegend auch die besondere bildliche Gestaltung der IR-Marke - d. h. das "o" im Wortteil "focus" -, welche in den "FOCUS"-Marken der Widersprechenden keine Entsprechung findet, gegen die Annahme einer solchen Verwechslungsgefahr aus.

Für die Auferlegung von Verfahrenskosten (gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG) besteht kein Anlass.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 2 MarkenG ist nicht geboten, weil der Fall keine ungeklärten Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufweist und eine Befassung des Bundesgerichtshofs auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist.

Prof. Dr. Hacker Dr. Kober-Dehm Viereck Hu/Cl






BPatG:
Beschluss v. 16.07.2008
Az: 32 W (pat) 122/06


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