Landgericht Duisburg:
Urteil vom 10. Januar 2002
Aktenzeichen: 21 O 201/01

(LG Duisburg: Urteil v. 10.01.2002, Az.: 21 O 201/01)

Tenor

Der Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung wird zu-rückge-wiesen. Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auf-erlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller ist berech-tigt, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheits-leistung in Höhe von 1.400,00 EUR abzuwenden, wenn nicht der Antragsgegner vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Verbreitung einer Homepage unter der Internetadresse "W".

Der Antragsteller betreibt unter der Internetadresse "A" ein für Einträge kostenpflichtiges bundesweites Anwaltsverzeichnis im Internet. Benutzer, die einen Rechtsanwalt in der Stadt Mülheim a. d. Ruhr suchen, gelangen auf eine Seite mit der Adresse "B".

Der Antragsgegner, Rechtsanwalt in Mülheim a. d. Ruhr, unterhält eine Homepage, auf der die Rechtsanwaltskanzlei, die er mit einem Kollegen betreibt, dargestellt wird, und die seit dem 5. Juni 2001 unter der Internetadresse "W" aufgerufen werden kann.

Der Antragsteller vertritt die Ansicht, aufgrund der Verwendung der genannten Domain durch den Antragsgegner bestehe die Gefahr der Irreführung umworbener, durchschnittlich informierter und verständiger Verkehrskreise der Internetnutzer, da diese unter der angegriffenen Domain ein Verzeichnis von Rechtsanwälten in Mülheim a. d. Ruhr erwarteten.

Die vom Antragsgegner für die Anwaltskanzlei unter der erweckt Adresse betriebene Werbung im Internet verstoße auch gegen § 43 b BRAGO

i. V. m. § 1 UWG, weil dadurch der Anschein einer gegenüber allen anderen regionalen Mitbewerbern absolut herausgehobenen Stellung der beworbenen Anwaltskanzlei erwägt werde. Der Antragsgegner stelle sich damit überdies entgegen § 43 b BRAGO reklamehaft heraus, ein Verhalten, das als unlauter im Sinne von § 1 UWG zu werten sei.

Der Antragsteller beantragt,

dem Antragsgegner bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monate, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr im Internet unter der alleinigen Domain "http://W" ohne unterscheidungskräftigen Zusatz für anwaltliche Dienstleistungen nur der Rechtsanwaltskanzlei zu werben.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsgegner vertritt die Ansicht, der Antragsteller verfüge nicht über die erforderliche Sachbefugnis, da es an einem Wettbewerbsverhältnis der Parteien fehle.

Eine Irreführungsgefahr bestehe nicht. Der Bundesgerichtshof habe in der Grundsatzentscheidung betreffend die Domain Mitwohnzentrale entschieden, dass die Verwendung von Gattungsbegriffen rechtmäßig sei. Die beanstandete Domain sei lediglich für den Antragsgegner registriert und werde nicht zu Werbezwecken genutzt, zumal die Homepage bewußt nicht bei Suchmaschinen angemeldet worden sei.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Im übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auch die überreichten Unterlagen, verwiesen.

Gründe

Der Antragsteller hat zunächst das Landgericht Hannover angerufen. Das Landgericht Hannover - Kammer für Handelssachen - hat sich durch Beschluß vom 12. Dezember 2001 für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Landgericht Duisburg - Kammer für Handelssachen - verwiesen.

Der Antrag, gegen dessen Zulässigkeit keine Bedenken bestehen, hat keinen Erfolg. Der Antragsteller kann vom Antragsgegner unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verlangen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr im Internet unter der alleinigen Domaine "http://W" ohne unterscheidungskräftigen Zusatz für anwaltliche Dienstleistungen nur der Rechtsanwaltskanzlei

GbR zu werben.

Der Antragsteller ist gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG antragsbefugt. Indem er und der Antragsgegner im Internet (und damit geografisch unbegrenzt) Rechtsanwaltskanzleien darstellen, vertreiben sie im Sinne des UWG gewerbliche Leistungen gleicher Art auf dem selben Markt. Dass der Antragsteller fremde Anwaltskanzleien, der Antragsgegner jedoch seine eigene Kanzlei darstellt, ist insofern unerheblich, als für die Bejahung der Antragsbefugnis ein abstraktes Wettbewerbsverhältnis genügt, in dessen Rahmen die Möglichkeit der Beeinträchtigung besteht (vgl. Baumbach/Hefer-

mehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 13 UWG, Rn. 14).

Der Verfügungsgrund ist gemäß § 25 UWG zu vermuten.

Der geltend gemachte Verfügungsanspruch besteht nicht.

1.

Die Verwendung der Internetadresse "W" stellt keine irreführende Angabe im Sinne von § 3 UWG dar, die geeignet wäre, die Entscheidung der umworbenen Verkehrskreise in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen. Hierfür wäre erforderlich, dass von der verwendeten Internetadresse die unzulässige Behauptung der Alleinstellung am Standort Mülheim a. d. Ruhr ausginge. Das ist nicht der Fall. Wie der Entscheidung "Mitwohnzentrale.de" des Bundesgerichtshofs (MDR 2001, 666 ff. m.A. Hoeren) entnommen werden kann, muß bei der Beurteilung einer etwaigen Alleinstellungsbehauptung die Gesamtbetrachtung von Internet-

adresse und Eingangsseite der Homepage zugrundegelegt werden. Das vom Antragsteller angeführte Urteil des Oberlandesgerichts Celle (NJW 2001, 2100) hat jedoch einzig die Internetadresse zur Beurteilung herangezogen.

Eine Irreführung wäre demnach anzunehmen, wenn Internetnutzer, die auf die Homepage des Antragsgegner stoßen, zur Annahme verleitet würden, es handele sich um das "Portal" der in Mülheim a. d. Ruhr ansässigen Rechtsanwälte oder gar die dargestellte Kanzlei sei die einzige Anwaltskanzlei in Mülheim a. d. Ruhr.

Diese Gefahr besteht im vorliegenden Fall jedoch nicht, da bereits die Eingangseite der Homepage ausdrücklich klarstellt, dass einzig die vom Antragsgegner mit einem Kollegen gemeinschaftlich betriebene Anwaltskanzlei dargestellt wird. Schon die Adresse "G" legt nahe, dass es sich nur um eine Anwaltskanzlei handelt.

2.

Es liegt auch kein Verstoß gegen § 1 UWG, gegebenenfalls in Verbindung mit § 43 b BRAGO vor. Die Verwendung der beanstandeten Internetadresse, die sich in geografisch eingeschränkter Weise einer Gattungsbezeichnung bedient, entspricht keiner der von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Fallgruppen der unsachlichen Beeinflussung, des unlauteren Abfangens oder des Vorsprungs durch Rechtsbruch.

Eine unlautere Nutzung durch unsachliche Beeinflussung des internetspezifischen Kundenverhaltens kann nicht festgestellt werden. Dabei besteht die Möglichkeit, dass Internetnutzer, denen kein bestimmter Anbieter bekannt ist, ohne Umweg über eine Suchmaschine durch Direkteingabe der Internetadresse auf die Homepage des Antragsgegners gelangen. Der Gebrauch der eingeschränkten Gattungsbezeichnung "anwaltmuelheim" stellt keine unlautere Nutzung unter dem Gesichtspunkt der unsachlichen Beeinflussung dar. Der Bundesgerichtshof hat hierzu in der oben erwähnten Entscheidung festgestellt:

"Erscheint dem durchschnittlich informierten und verständigen Internetnutzer die Verwendung einer Suchmaschine lästig und gibt er stattdessen direkt einen Gattungsbegriff als Internetadresse ein ist er sich im allgemeinen über die Nachteile dieser Suchmethode im klaren. Er ist sich bewußt, dass es auf Zufälle ankommen kann (...), ob er auf diese Weise das gesuchte Angebot findet. Lädt der fragliche Gattungsbegriff ferner nicht zur Annahme einer Alleinstellung des auf diese Weise gefundenen Anbieters ein, erkennt der Internetnutzer auch, dass er mit dieser Suchmethode kein vollständiges Bild des Internetangebotes erhält."

Auch ein unlauteres Abfangen von Kunden des Antragstellers scheidet aus. Das läge nur dann vor, wenn sich der Antragsgegner gewissermaßen zwischen dem Antragsteller und dessen Kunden stellte. Die Verwendung der beanstandeten Internetadresse ist jedoch ausschließlich auf den eigenen Vorteil des Antragsgegners gerichtet, ohne dass auf bereits dem Antragsteller zuzurechnende Kunden in unlauterer Weise eingewirkt würde

Die Verwendung der Internetdomaine "G" verstößt auch nicht gegen § 43 BRAGO. Rechtsanwälten ist es erlaubt, Werbung zu betreiben, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Inhalt und Form sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist. Das gilt auch für die Internetpräsenz von Rechtsanwälten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt die Grenze im "reklamehaften Sichherausstellen" (vgl. NJW 1992, 1613).

Diese Grenze wird vom Antragsgegner jedoch nicht überschritten. Nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshof muß die Adresse im Zusammenhang mit dem bereitgestellten Inhalt der Eingangsseite betrachtet werden. Die Darstellung der Anwaltskanzlei des Antragsgegners bewegt sich dabei im zulässigen Rahmen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Abs. 1 Nr. 6, 711 ZPO.

Gegenstandswert: 15,000 EUR.






LG Duisburg:
Urteil v. 10.01.2002
Az: 21 O 201/01


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