Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Juli 2003
Aktenzeichen: 14 W (pat) 304/02

(BPatG: Beschluss v. 18.07.2003, Az.: 14 W (pat) 304/02)

Tenor

Auf den Einspruch wird das Patent beschränkt aufrechterhalten mit folgenden Unterlagen:

Patentansprüche 1 bis 22, Beschreibung 3 Seiten, Spalten 1 bis 6, Zeichnungen 3 Seiten, Figuren 1 bis 3, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung am 18. Juli 2003.

Gründe

I Die Erteilung des Patents 199 35 181 mit der Bezeichnung

"Verfahren zum Schutz eines vakuumtechnisch bearbeiteten Substrates und Verwendung des Verfahrens"

ist am 3. Januar 2002 veröffentlicht worden.

Gegen dieses Patent ist am 19. März 2002 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist und im wesentlichen auf die Behauptung gestützt, im internationalen Recherchebericht der korrespondierenden PCT-Anmeldung PCT/EP 00/05967 seien sechs Druckschriften als neuheitsschädlich genannt. So nehme die Entgegenhaltung

(E1) GB 1 079 891 den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 neuheitsschädlich vorweg. Aufzudampfende Monomere, die keiner Härtung über UV-Licht bedürften, seien beispielsweise aus

(E2) US 6 101 316 A bekannt. Auch gegenüber den Druckschriften

(E3) US 5 904 958 A

(E4) US 5 223 307 A

(E5) US 4 581 245 sei das beanspruchte Verfahren nicht patentfähig. Die Einsprechende beanstandet ferner ua, daß die im erteilten Anspruch 16 genannten Verbindungen "Cyanursäure" und "Melaminsalze" keine Monomeren im Sinne der Definition von Römpp Chemie Lexikon seien, also keine Verbindungen, aus denen über Polyreaktionen Polymere aufgebaut werden könnten.

Zur anberaumten mündlichen Verhandlung ist die ordnungsgemäß geladene Einsprechende, wie von ihr angekündigt, nicht erschienen.

Schriftsätzlich hat sie beantragt, das Patent 199 35 181 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent mit den aus dem Tenor ersichtlichen Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten.

Die geltenden nebengeordneten Patentansprüche 1 und 5 lauten:

"1. Verfahren zum Schutz eines vakuumtechnisch bearbeiteten, insbesondere bandförmigen, Substrates vor physikalischen und/oder chemischen Einflüssen, dadurch gekennzeichnet, daß eine Oberfläche des Substrates vakuumtechnisch behandelt wird und anschließend die behandelte Oberfläche mit einem organischen Monomer mit einem Molekulargewicht unter 1200 Dalton ausgewählt aus Triazinen, ohne Nachvernetzung beschichtet wird, wobei die vakuumtechnische Behandlung und die Beschichtung mit dem organischen Monomer in derselben Vakuumanlage erfolgt.

5. Verfahren zum Schutz eines Substrates vor physikalischen und/oder chemischen Einflüssen, dadurch gekennzeichnet, daß das Substrat mit einem organischen Monomer mit einem Molekulargewicht unter 1200 Dalton ausgewählt aus Triazinen, ohne Nachvernetzung beschichtet wird und die organische Beschichtung vor einer weiteren vakuumtechnischen Bearbeitung des Substrates ganz oder teilweise entfernt wird."

Zum Wortlaut der Patentansprüche 2 bis 4 und 6 bis 22 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Patentinhaberin hält das Streitpatent in seiner beschränkten Fassung nicht nur gegenüber den von der Einsprechenden genannten Entgegenhaltungen, sondern auch gegenüber den weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften, insbesondere

(P4) US 4 405 678

(P5) Patent Abstract der JP 11-140 626 A und

(E6) DE 27 06 392 A1 für patentfähig.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II 1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs 3 Satz 1 Ziff 1 PatG idF des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 Art 7 Nr 37 durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

2. Der Einspruch ist frist- und formgerecht erhoben und mit Gründen versehen. Er ist somit zulässig und führt zu dem im Tenor angegebenen Ergebnis.

3. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 22 sind zulässig.

Anspruch 1 geht inhaltlich auf die erteilten Ansprüche 1 und 14 in Verbindung mit Spalte 3 Zeilen 8 bis 10 der Streitpatentschrift bzw die ursprünglichen Ansprüche 1, 3 17 und 18 in Verbindung mit Seite 4 Zeilen 33 bis 36 der ursprünglichen Beschreibung zurück. Anspruch 5 ist aus den erteilten Ansprüche 5 und 14 in Verbindung mit Spalte 3 Zeilen 8 bis 10 der Streitpatentschrift bzw den ursprünglichen Ansprüchen 6, 17 und 18 in Verbindung mit Seite 4 Zeilen 33 bis 36 der ursprünglichen Beschreibung abzuleiten. Die geltenden Ansprüche 2 bis 4 und 6 bis 22 entsprechen den erteilten Ansprüche 2 bis 4, 6 bis 13 und 15 bis 23 bzw den ursprünglichen Ansprüchen 2, 7, 5, 8 bis 14, 16 und 19 bis 27.

Daß in der Streitpatentschrift wie in den Erstunterlagen der Begriff "Monomere" auch Verbindungen umfaßt, aus denen nicht - wie im Sinne der Definition von Römpp Chemie Lexikon - über Polyreaktionen Polymere aufgebaut werden können, ist nicht zu beanstanden. Nach gefestigter Rechtsprechung sind nämlich von der Fachliteratur abweichende Begriffsbestimmungen zulässig, wenn sie in der Beschreibung hinreichend definiert sind (BGH GRUR 1999, 909 - Spannschraube); 1984, 425 (II.3) - Bierklärmittel). Dies ist vorliegend der Fall, denn in der Beschreibung Abschnitt [0020] und dem geltenden Anspruch 15 sind für den Fachmann geeignete Triazine durch mehrere Beispiele erläutert.

4. Die Verfahren nach dem geltenden Anspruch 1 und dem geltenden Anspruch 5 sind neu.

Nach beiden Verfahren wird mit einem organischen Triazinderivat mit einem Molekulargewicht unter 1200 Dalton beschichtet und eine Nachvernetzung ausgeschlossen.

In den Entgegenhaltungen (E4), (E5), (E6) und (P4) sind zwar Beschichtungsverfahren beschrieben, bei denen keine Nachvernetzung erfolgt. Hierzu werden aber keine organischen Triazinderivate eingesetzt.

(P5) betrifft eine Beschichtung mit organischen Verbindungen vom S-Triazintyp, nach Seite 2 oben dieser Entgegenhaltung ist aber eine (Co)polymerisierung zur Herstellung eines polymerischen Films, also eine Nachvernetzung, obligatorisch.

Die weiteren dem Senat vorliegenden Vorveröffentlichungen liegen ferner, da jeweils eine Nachvernetzung vorgeschrieben, aber kein Triazinderivat erwähnt ist. (E2) ist nachveröffentlicht und bleibt daher bei der Beurteilung der Patentfähigkeit außer Betracht.

5. Die beanspruchten Verfahren beruhen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde, einen wirksamen Schutz für Oberflächen vakuumtechnisch bearbeiteter bzw zu bearbeitender, insbesondere bandförmiger Substrate, vor physikalischen und/oder chemischen Einflüssen zur Verfügung zu stellen, der leicht aufbringbar und/oder entfernbar ist (Abschnitt [0012].

Diese Aufgabe wird durch die Verfahren nach den Patentansprüche 1 und 5 gelöst, bei denen - wie erwähnt - Triazinderivate zur Beschichtung eingesetzt werden und keine Nachvernetzung erfolgt.

Zu dieser Verfahrensweise kann der Stand der Technik nicht anregen.

Bei den bekannten Verfahren, die ohne Nachvernetzung arbeiten, werden von Triazinderivaten strukturell völlig unterschiedliche "Monomere" eingesetzt, nämlich Fettsäuren wie Caprinsäure, Laurinsäure, Myristinsäure, Palmitinsäure, Stearinsäure, Arachidinsäure, Behensäure, Lignocerinsäure oder Cerotinsäure (vgl (E5) Anspruch 2 iVm Sp 5 Z 39 bis Sp 6 Z 4; (E6) Anspruch 6 iVm Beispielen 2 und 6), deren Salze, Amide oder Ester ((E5) aaO), Kolophonium oder Naturharze, weitere organische Säuren, Rhodamin B, Phthalocyanine, Monosaccharide oder Oligosaccharide ((E6) Anspruch 6 iVm S 30 Abs 2 bis S 31 Abs 2), Amide, Anilide, Ester und Anhydride aromatischer Carbonsäuren, Phenoxyverbindungen, aromatische Ketone, Alkohole (vgl (P4) Ansprüche 15 bis 17 iVm Sp 4 Z 20 bis 47 und Beispiel 4) sowie Wachse und Fette (vgl (E4) Sp 4 Z 11 bis 14).

Für eine Eignung von Triazinderivaten zur Beschichtung ergibt sich hieraus kein Anhaltspunkt.

Nach (P5) erfolgt, wie ausgeführt, eine Beschichtung mit Triazinderivaten. Da jedoch gemäß Seite 2 oben eine Polymerisation oder Copolymerisation durch thermische Behandlung, UV-Bestrahlung, elektrolytische Behandlung oder dergleichen ausdrücklich vorgeschrieben ist, besteht für den Fachmann kein Anlaß, ohne Nachvernetzung zu verfahren, nur weil dies für völlig andere Substanzen bekannt war. Zudem ergibt die Anwendung der Triazinderivate ohne Nachvernetzung unbestritten Vorteile, die aus dem Stand der Technik nicht abzuleiten waren, wie die Ausbildung einer mechanisch und chemisch stabilen, polykristallinen und makroskopisch orientierten Schicht mit guter Barrierewirkung gegen Gase wie Sauerstoff oder gegen Chemikalien (vgl [0021] u Sp 6 Z 4 bis 11).

Da die weiteren dem Senat vorliegenden Druckschriften ferner liegen, können sie nicht zu den beanspruchten Verfahren hinführen.

6. Die Verfahren nach den Ansprüchen 1 und 5 weisen somit alle Kriterien der Patentfähigkeit auf; diese Ansprüche sind daher rechtsbeständig.

Mit ihnen haben die auf besondere Ausführungsformen der Verfahren nach den Ansprüchen 1 und 5 gerichteten Ansprüche 2 bis 4 und 6 bis 20 sowie die abhängigen Verwendungsansprüche 21 und 22 Bestand.

Schröder Wagner Harrer Gerster Pü






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