Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 23. Mai 2006
Aktenzeichen: 4 U 56/06

(OLG Hamm: Beschluss v. 23.05.2006, Az.: 4 U 56/06)

Tenor

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Gründe

Nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, muss die Antragsgegnerin auch unter Berücksichtigung billigen Ermessens die Kosten tragen, weil sie nach dem bisherigen Sach- und Streitstand ohne das erledigende Ereignis voraussichtlich unterlegen wäre (§ 91 a Abs. 1 ZPO). Die Berufung versprach nämlich im Wesentlichen keine Aussicht auf Erfolg.

1) Der Antrag war bestimmt genug im Sinne des § 253 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Er hatte eindeutig das Verbot zum Gegenstand, in der einbezogenen konkreten Verletzungsform zu werben. Zur Klarstellung hätte der Antragsteller lediglich den Zusatz "ohne den Endzeitpunkt des Sonderverkaufs anzugeben" fallen lassen können.

2) Der Verfügungsgrund hätte hier kein Problem dargestellt, weil bei Vorliegen des behaupteten Verstoßes gegen §§ 3, 4, 5 UWG die Dringlichkeit nach § 12 Abs. 2 UWG vermutet wird. Bei dem zügigen Vorgehen des Antragstellers spricht auch nichts dafür, dass diese Vermutung wiederlegt sein könnte. Die Werbung erschien am 23. November 2005. Schon am 14. Dezember 2005 ging der Verfügungsantrag bei Gericht ein.

3) Der Verfügungsanspruch hätte zwar nicht aus § 4 Nr. 4 UWG hergeleitet werden können. Im Gegensatz zum Landgericht vertritt der Senat die Auffassung, dass diese Vorschrift jedenfalls auf eine besondere Verkaufsveranstaltung der Art, wie sie hier vorlag, nicht anwendbar ist. Nach § 4 Nr. 4 UWG handelt unlauter, wer bei Verkaufsförderungsmaßnahmen wie Preisnachlässen, Zugaben oder Geschenken die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme nicht klar und eindeutig angibt. Jedenfalls ein solcher Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe, den die Antragsgegnerin als Totalausverkauf bezeichnet hat, ist keine solche Verkaufsfördermaßnahme.

a) Bei einem Räumungsverkauf geht es zunächst nicht um einen Preisnachlass, der wie der Rabatt im Sinne des § 1 des früheren Rabattgesetzes voraussetzt, dass Waren für einen befristeten Zeitraum zu einem günstigeren Preis verkauft werden und dabei klar ist, dass der anbietende Händler nach Ablauf der Frist wieder zum alten Preis zurückkehren wird. Zwar werden auch bei einem Sonderverkauf Preise -zum Teil sogar ganz erheblich- herabgesetzt. Solche Räumungsverkaufspreise sind aber aus einem besonderen Anlass herabgesetzte Preise, die allgemein angekündigt und gefordert werden und somit unechte Sonderpreise, aber gerade keine Preisnachlässe im obigen Sinn (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Auflage 2001, RabattG § 1 Rdn. 34). Ist der Anlass wie hier die dauernde Geschäftsaufgabe, ist sogar klar, dass die Preise im Rahmen eines Ausverkaufs bestimmter Restwaren dauerhaft herabgesetzt bleiben und der Händler zu den früher geforderten Preisen nicht mehr zurückkehren wird.

b) Die Verkaufsförderungsmaßnahmen, für die nach § 4 Nr. 4 UWG ein solches Transparenzgebot gelten soll, sind zwar nicht abschließend aufgezählt, sondern nur beispielhaft erwähnt. Die erwähnten Beispiele zeigen jedoch, was der Gesetzgeber bei solchen Fördermaßnahmen im Auge hatte. Neben den vorübergehenden Preisnachlässen sind auch Zugaben und Werbegeschenke ausdrücklich genannt, die Unterformen der Wertreklame darstellen. Die Besonderheiten der Wertreklame bestehen darin, dass dem Kunden zu Werbezwecken eine geldwerte Vergünstigung gewährt wird, indem ihm in Zusammenhang mit dem Abschluss eines Geschäfts eine Ware oder Leistung unentgeltlich oder jedenfalls verbilligt überlassen wird (BGH WRP 2002, 1133 -Testbestellung). Solche Werbegeschenke üben ebenso wie vorübergehende Preisnachlässe eine hohe Attraktivität auf die Verbraucher aus, mit der in besonderer Weise die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung und Irreführung verbunden sein kann, wenn unzureichend darüber informiert wird, unter welchen genauen Bedingungen solche Vorteile erlangt werden können (vgl. Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 24. Auflage, § 4 UWG, Rdn. 4.2). Dies gilt insbesondere dann, wenn wie insbesondere bei Kundenbindungssystemen, die der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung im Auge hatte, hohe Hürden für die Inanspruchnahme der entsprechenden Vorteile aufgebaut werden (Vgl. Harte/Henning/ Bruhn, UWG § 4 Rdn. 24). Diesem besonderen Irreführungs- und Preisverschleierungspotential im Rahmen des laufenden Geschäftsverkehrs soll durch eine besondere Transparenz des Angebotes entgegengewirkt werden. Die Ankündigung von bestimmten Preisherabsetzungen im Rahmen eines Räumungsverkaufes ist damit nicht vergleichbar.

c) Eine analoge Anwendung des § 4 Nr. 4 UWG auf andere Werbemaßnahmen, die mit den beispielhaft genannten nicht vergleichbar sind, verbietet sich schon deshalb, weil eine planwidrige Regelungslücke insoweit nicht erkennbar ist. Die Vorschrift ist nicht isoliert zu betrachten, sondern kodifiziert für bestimmte Werbeformen eine bestimmte Art des Transparenzgebotes, das im Grundsatz für jede Art von Werbung gilt, bei der ohne bestimmte Angaben die Gefahr der Irreführung der Verbraucher besteht.

4) Dem Antragsteller hätte als Verfügungsanspruch aber ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3, 5 UWG zugestanden. Die Angabe der Antragsgegnerin im Rahmen der beanstandeten Werbung mit Preisherabsetzungen in Zusammenhang mit dem angekündigten Totalausverkauf, dass der Ausverkauf auf wenige Tage befristet sei, ist als irreführende Werbung im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG anzusehen.

a) Die Antragsgegnerin hat in der konkreten Werbung unter Angabe des Anlasses einen Totalausverkauf beworben, die erheblichen Preisherabsetzungen um bis zu 63 % angegeben und den Ausverkauf als die große Gelegenheit an dem im Anzeigenblatt erwähnten verkaufsoffenen Sonntag aus Anlass des 29. F Weihnachtsmarktes bezeichnet. Schließlich war noch angegeben, dass der Ausverkauf auf wenige Tage befristet sei.

b) Dafür, dass hier der im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 2 UWG wichtige Anlass des Verkaufs unrichtig angegeben worden ist, ist nichts vorgetragen oder ersichtlich. Irreführend ist der Totalausverkauf aber auch dann beworben worden, wenn die Verbraucher einen unrichtigen Eindruck über die Dauer der Verkaufsaktion erhalten konnten. Eine solche Eignung zur Irreführung ergibt sich zwar nicht schon aus der Tatsache, dass der Totalausverkauf ohne hinreichende weitere Aufklärung als "Die große Gelegenheit an diesem verkaufsoffenen Sonntag von 13.00 - 18.00 Uhr" beworben wurde, wie das Landgericht wohl gemeint hat. Entscheidend ist insoweit vielmehr, dass eine Befristung des Totalausverkaufs auf wenige Tage angekündigt wurde, ohne eine genauere Befristung vorzunehmen, insbesondere den vorgesehenen oder voraussichtlichen Endzeitpunkt des Verkaufs zu benennen.

(1) Nach der Lektüre der Anzeige hat der Leser insbesondere vor dem Hintergrund der auch redaktionellen Berichterstattung über den verkaufsoffenen Sonntag aus Anlass des in F alljährlich stattfindenden Weihnachtsmarktes zunächst nicht den Eindruck gewonnen, der Totalausverkauf finde nur an dem verkaufsoffenen Sonntag statt. Das wäre auch völlig untypisch und lebensfremd, weil man in fünf Stunden keinen solchen Totalausverkauf durchführen kann. Die "große Gelegenheit an diesem verkaufsoffenen Sonntag" war vielmehr ersichtlich darauf bezogen, dass die Besucher des Weihnachtsmarktes in diesem Jahr auch am Sonntag, dem 27. November 2005 die Gelegenheit nutzen konnten, vom Ausverkauf der Teppiche zu profitieren. Dafür, dass es diese Kaufgelegenheit nur an diesem Sonntag geben sollte, lässt sich aus der Anzeige nichts herleiten. Der Hinweis auf die Befristung auf wenige Tage macht ebenso wie die Angabe der Öffnungszeiten von Montag bis Samstag am unteren rechten Rand dem Durchschnittsverbraucher ausreichend deutlich, dass es zwar auch und gerade an diesem Sonntag, aber auch in den Tagen danach noch Gelegenheit zum Erwerb eines im Preis erheblich herabgesetzten Orientteppichs gab.

(2) Der von der Antragsgegnerin erteilte Hinweis auf die Befristung des Ausverkaufs auf wenige Tage hat aber bei einem nicht unwesentlichen Teil der Verbraucher die Vorstellung erweckt, er müsse sich sputen, wenn er von diesen einmaligen Kaufgelegenheiten profitieren wolle. Dabei handelte es sich allerdings um eine Fehlvorstellung. Wie der spätere Ablauf zeigte, hatten die Verbraucher jedenfalls Mitte Februar 2006 noch Gelegenheit, zum Ausverkauf bestimmte Teppiche zu erwerben. Nach den Ausführungen zu § 4 Nr. 4 UWG kann zwar dahin stehen, ob die Antragsgegnerin in jedem Falle zum Zwecke einer ausreichend transparenten Information der angesprochenen Verbraucher verpflichtet gewesen ist, die Dauer der Verkaufsaktion und ihren Endzeitpunkt anzugeben. Wenn die Antragsgegnerin allerdings wie hier selbst Angaben zur Dauer der Aktion machte, so mussten sie zutreffend und klar sein. Das war hier gerade nicht der Fall. Durch die ungenaue und objektiv falsche Angabe zur Dauer des Ausverkaufes erweckte die Antragsgegnerin den unzutreffenden Eindruck, dass die Kaufgelegenheit nur noch kurze Zeit bestehen sollte und schnelles Handeln geboten war. Die Sache war jedoch nicht eilig und erlaubte umfangreiche Preisvergleiche. Insbesondere konnten auch nach Weihnachten und im neuen Jahr noch Teppiche günstig erworben werden. Die Kaufbedingungen wurden mit zunehmender Zeit sogar noch günstiger, indem schließlich Preisherabsetzungen bis zu 72 % vorgenommen wurden.

c) Die wettbewerbsrechtliche Relevanz der Fehlvorstellung wird zu Recht von keiner Partei in Zweifel gezogen. Die unzureichende Information konnte ohne weiteres das Verhalten der Verbraucher bestimmen, und sie insbesondere beeinflussen, das Geschäft der Antragsgegnerin möglichst bald aufzusuchen und somit auch ihre Kaufentscheidung zu Lasten anderer Wettbewerber zu treffen.

d) Die Wiederholungsgefahr besteht nach wie vor als Folge der Verletzungshandlung. Sie ist nicht dadurch ausgeräumt worden, dass die Antragsgegnerin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat. Diese Unterlassungserklärung ist nämlich bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens befristet gewesen. Eine solche Befristung in Zusammenhang mit der Festlegung eines Zeitpunkts für das Ende ihrer Wirksamkeit steht der Ernsthaftigkeit einer solchen Unterlassungserklärung und damit ihrer Eignung, die Wiederholungsgefahr endgültig zu beseitigen, entgegen (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Auflage, 8. Kap. Rdn. 13). Der Wiederholungsgefahr steht auch nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin ihren Geschäftsbetrieb zwischenzeitlich eingestellt hat. Allein dadurch wird die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt, weil diese jederzeit anderen Sinnes werden kann und wieder ein Geschäft betreiben kann, bei dem es dann erneut zu einem Ausverkauf kommen kann.






OLG Hamm:
Beschluss v. 23.05.2006
Az: 4 U 56/06


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