Landgericht Bielefeld:
Beschluss vom 4. Juli 2002
Aktenzeichen: Qs 146/02 II

(LG Bielefeld: Beschluss v. 04.07.2002, Az.: Qs 146/02 II)

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde vom 29. Januar 2002 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Minden vom l8. Januar 2002

unter Verwertung des Rechtsmittels im übrigen teilweise abgeändert. Die dem Beschwerdeführer aufgrund des vollstreckbaren Beschlusses der Kammer vom 9. Juli 2001 aus der Landeskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen werden auf

292,25 nebst 4% Zinsen seitdem 17. Juni 2001

festgesetzt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer. Jedoch wird die Beschwerdegebühr um 50 % ermäßigt: auch hat die Landeskasse 50 % der dem Beschwerdeführer durch das vorliegende Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen ZU erstatten.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 266,89

Die Rechtsbeschwerde des Vertreters der Landeskasse wird zugelassen.

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde ist teilweise begründet.

1)

Der Verteidiger kann für die Vertretung des Beschwerdeführers in dem Verfahren

gern. §§ 2 DNA-ldentitätsfeststeliungsgesetz, 81 g StPO vor dem Amtsgericht

Bielefeld und dem Landgericht Bielefeld jeweils eine Gebühr nach § 91 Nr. 1

BRAGO beanspruchen:

Nach §§ 92 Abs. 2 Satz 1,13 Abs. 2 Satz 2 BRAGO erhält der Rechtsanwalt für die in § 91 BRAGO bezeichneten Tätigkeiten in jedem Rechtszug eine gesonderte Gebühr. Die Kammer verkennt nicht den allgemein anerkannten Grundsatz, dass das Beschwerdeverfahren in Strafsachen mit dem Verfahren, in dem die angefochtene Entscheidung ergangen ist, gebührenrechtlich einen einzigen Rechtszug bildet. Denn die Beschwerde eröffnet in Strafsachen in der Regel keinen zweiten Rechtszuq in der Hauptsache, sondern stellt lediglich ein Rechtsmittel gegen Neben- und Zwischenentscheidungen dar; diese Tätigkeit wird durch die Rahmengebühren nach §§ 83 bis 86 BRAGO mit abgegolten. Bei dem Verfahren nach §§ 2 DNA-ldentitätsfeststellungsgesetz, 81 g StPO handelt es sich aber nicht um eine derartige Nebenangelegenheit im Rahmen eines Strafverfahrens. Vielmehr ist der Antrag auf Anordnung der Entnahme von Körperzellen und deren molekulargenetischer Untersuchung eine eigenständige Hauptsache, die rechtlich nicht in Abhängigkeit zu einem bestimmten Strafverfahren steht, sondern eine Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Verurteilten und seiner in der Vergangenheit begangenen rechtskräftig festgestellten Straftaten erfordert. Durch die Einlegung einer Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts über einen Antrag nach §§ 2 DNA- ldentitätsfeststellungsgesetz, 81 g StPO wird diese besondere Hauptsache in einen zweiten Rechtszug geführt (so für den vergleichbaren Fall von Strafvollstreckungsverfahren OLG Frankfurt StV 2001, 22; Gerold-Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 84 Rn. 6 a.E. und § 92 Pn. 3; Lappe Anm. zu KostRspr. BRAGO § 91 Nr. 24; a.A. allerdings die h.M,: OLG Hamm, Beschluss vom 21. Dezember 1993 - 3 Ws 51 8/93 - OLG Koblenz JurBüro 1980, 87; OLG Düsseldorf JurBüro 1986, 869; OLG Stuttgart Rpfleger 1998, 370: GöttNch/Mümmler, BRAGO, 20. Aufl., Stichwort: Strafsachen, Anm. 8.2: Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl., § 13 BRAGO, Rn. 54; Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 92, Rn. 19; Gebauer/ Schneider, Anwaltkommentar zur BHAGO, § 91, Pn. 31).

2)

Die von dem Verteidiger geltend gemachte Gebühr von 350,- DM ist nicht berechtigt. Die Höchstgebühr beträgt gern. § 91 Nr. 1 BRAGO 340,- DM. Auch diese ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin bei Anlegung der Bemessungskriterien des § 12 BRAGO nicht gerechtfertigt. Außerordentlich gute Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beschwerdeführerin sind weder dargelegt noch ersichtlich. Die Bedeutung der Angelegenheit - die Speicherung des DNA-ldentifizierungsmusters zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren - ist für den Beschwerdeführer vor dem Hintergrund des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung erheblich, aber nicht überragend. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit liegt - nach der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. März 2001 - im durchschnittlichen Bereich. Auch der mit Schriftsatz vom 18. Februar 2002 vorgetragene Umfang der anwaltlichen Tätigkeit bewegt sich im normalen Rahmen. Im Verfahren vor dem Amtsgericht ist der Verteidiger dem Antrag der Staatsanwaltschaft erfolgreich in einer siebenseitigen Begründung entgegen getreten. In der Beschwerdeinstanz hat sich der Verteidiger mit dem von der Staatsanwaltschaft weiter verfolgten Antrag gem. § 81 g i.V.m. 81 a und 81 f StPO und § 2 DNA-Indentitätsfeststellungsgesetz nicht mehr auseinandergesetzt. Vielmehr erstrebte er im Namen der Beschwerdeführerin mit einer ebenfalls eingelegten Beschwerde in einem knapp zweieinhalbseitigen Schriftsatz eine Kostenentscheidung zu Gunsten dieser und seine gerichtliche Bestellung zu deren Verteidiger.

Insgesamt betrachtet rechtfertigen diese Umstände eine Erhöhung der Mittelgebühr (185,00 DM) auf 250,00 DM für das Verfahren vor dem Amtsgericht. In der Beschwerdeinstanz erscheint dagegen eine Erhöhung der Mittelgebühr von 1 85,00 DM nicht angemessen, so dass nur diese zuzubilligen war.

Zuzüglich der Postpauschale gem. § 26 BRAGO von 30,00 DM in der 1. Instanz und 27,75 DM in der II. Instanz sowie der Mehrwertsteuer von 16% ergibt sich ein erstattungsfähiger Betrag von insgesamt 571,59 DM. Das entspricht 292,20

3)

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 467 Abs. 1 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

4)

Die Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht angesichts der

abweichenden Rechtsprechung des OLG Hamm auf §§ 464 b Satz 3 StPO, 574

Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 ZPO.






LG Bielefeld:
Beschluss v. 04.07.2002
Az: Qs 146/02 II


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