Landgericht Hanau:
Urteil vom 17. September 2008
Aktenzeichen: 1 O 569/08

(LG Hanau: Urteil v. 17.09.2008, Az.: 1 O 569/08)

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über folgende Punkte zu erteilen:

1. über den Zeitraum der Verwendung der folgenden Webseite:

mit dem der Abmahnung vom 05.12.2007 zugrunde liegenden Inhalt sowie über die Anzahl der kostenpflichtigen Anmeldungen auf dieser Webseite für diesen Zeitraum;

2. über den erzielten Umsatz für den unter Ziffer 1. aufgeführten Zeitraum, und zwar aufgeschlüsselt nach Kalendermonaten;

3. über die Gestehungskosten

€ ggf. Einkaufspreise,

€ Umsatzsteuer,

€ sonstige variablen Betriebskosten (Material-, Werbe-, Lohnkosten usw.), soweit sie nicht auch ohne die Zuwiderhandlung angefallen wären € Gemeinkosten betreffend die beworbene Leistung in dem sich aus Ziffer 1. ergebenden Zeitraum;

4. über Leistungen, die aufgrund der Zuwiderhandlung an Dritte oder den Staat geleistet wurden.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 Euro vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger, der seit dem 20.04.2001 in der vom Bundesverwaltungsamt in Köln geführten Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UklaG eingetragen ... in ... ist, macht gegen die Beklagte im Wege der Stufenklage einen Gewinnabschöpfungsanspruch gem. § 10 UWG geltend.

Die Beklagte bietet Online-Serviceleistungen an und ist u. a. verantwortlich für eine Webseite, auf der sie die Teilnahme an einem Online-... anbot. Der interessierte Nutzer wurde dabei zur Angabe seiner persönlichen Daten aufgefordert, wobei in der Überschrift zu dem Anmeldefeld sich an dem Wort "Anmeldung" ein Sternchen befindet, welches auf einen in der Fußnote befindlichen Sternchentext verweist, der nach weiteren technischen Informationen ganz am Ende des letzten Satzes den fettgedruckten Hinweis auf eine Teilnahmegebühr in Höhe von 59,€ Euro enthält.

Der Kläger monierte daraufhin mit Schreiben vom 05.12.2007 gegenüber der Beklagten die Gestaltung der Webseite als wettbewerbswidrig und begehrte den Erlass einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Als diese nicht abgegeben wurde, beantragte der Kläger beim erkennenden Gericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung, die antragsgemäß mit Beschluss vom 13.12.2007 erging. In dieser einstweiligen Verfügung (9 O 1450/07) wurde der Beklagten untersagt, im geschäftlichen Verkehr im Internet für die Teilnahme an einem Online-... zur werben bzw. werben zu lassen, ohne den Preis deutlich erkennbar zu machen. Die Entscheidung ist bestandskräftig geworden.

Schon vor diesem Verfahren gab es zwischen den Parteien eine gerichtliche Auseinandersetzung über ähnliche Serviceleistungen der Beklagten. So hatte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 26.04.2007 aufgefordert, es zu unterlassen, im Internet für die Teilnahme an einem ...-Test ... und/oder einem ... zu werben, ohne den Preis für die Datenbankaufnahme deutlich erkennbar zu machen. Auch in diesem Fällen waren die Webseiten so gestaltet, dass zunächst die Leistung beschrieben wird und sich dann unter der Rubrik ein Feld befindet, in welchem der Verbraucher seinen Namen, seine Anschrift und andere persönliche Daten eingeben kann. In der Überschrift zu diesem Feld hieß es: Füllen Sie alle Felder vollständig aus! Hinter dem Ausrufezeichen befindet sich ein kleines Sternchen, zu dem sich am untersten Seitenrand ein Text befindet, der zunächst einen Hinweis auf die Speicherung der IP-Adresse und ähnliches beinhaltet. Im letzten Satz dieses Absatzes wird sodann auch der Preis für die Teilnahme benannt, wobei die Preisangabe fettgedruckt ist. Da die Beklagte keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hatte, wurde er auf Unterlassung verklagt. Das Landgericht Hanau hat dieser Klage mit Urteil vom 07.12.2007 stattgegeben, und zwar mit der Begründung, dass die Gestaltung der Preisangabe auf den Webseiten gegen das Wettbewerbsrecht und die Preisangabenverordnung verstoße. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten wurde zurückgenommen, nachdem ihr das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 17.04.2008 keine Erfolgsaussicht eingeräumt hatte. Zur Begründung führte das Oberlandesgericht aus, dass der dort im Streit stehende Sternchenhinweis schon deshalb nicht klar und unmissverständlich sei, weil die Werbeadressaten überhaupt nicht in Erwägung zögen, etwas für die Teilnahme an dem ... zahlen zu müssen. Der Werbeadressat rechne auf Grund des Kontextes nicht damit, in dem Hinweistext über die Entgeltpflichtigkeit informiert zu werden. Hinzukomme, dass der Hinweistext jeweils recht lang sei und zunächst über die Zugangsmodalitäten informiere.

Der Kläger ist der Meinung, dass das Verhalten der Beklagten die Voraussetzungen des § 10 UWG erfülle. Sie habe vorsätzlich gegen § 3 UWG gehandelt und hierdurch zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern einen Gewinn erzielt, der herauszugeben sei.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. dem Kläger Auskunft über folgende Punkte zu erteilen:

1.1 Umfang der unlauteren Werbung/Handlung

a. über den Zeitraum der Verwendung der folgenden Webseite:

mit dem der Abmahnung vom 05.12.2007 zugrunde liegenden Inhalt;

b. über die Anzahl der kostenpflichtigen Anmeldungen auf dieser Webseite für diesen Zeitraum.

1.2 Angaben über den erzielten Umsatz für den unter Ziffer 1. aufgeführten Zeitraum, aufgeschlüsselt nach Kalendermonaten;

1.3 Angaben über die Gestehungskosten

€ ggf. Einkaufspreise,

€ Umsatzsteuer,

€ sonstige variablen Betriebskosten (Material-, Werbe-, Lohnkosten usw.), soweit sie nicht auch ohne die Zuwiderhandlung angefallen wären € Gemeinkosten betreffend die beworbene Leistung in dem sich aus Ziffer 1. ergebenden Zeitraum;

1.4 Angaben über Leistungen, die aufgrund der Zuwiderhandlung an Dritte oder den Staat geleistet wurden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet den Zugang des Abmahnschreibens vom 05.12.2007. Außerdem hält sie ihren Internetauftritt für nicht wettbewerbswidrig, bezweifelt die Kausalität zwischen dem behaupteten Wettbewerbsverstoß und einem auf Kosten des Verbrauches gerade durch den Wettbewerbsverstoß erzielten Gewinn. Außerdem behauptet sie, nicht vorsätzlich gehandelt zu haben. Bereits nach Erhalt der Abmahnung vom 26.04.2007 habe sie ihren Internetauftritt von Rechtsanwälten vor dem Hintergrund und Beachtung der Rechtsauffassung des Klägers überprüfen lassen. Beide Anwälte seien übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass die Rechtsauffassung des Klägers überspannte Anforderungen stelle und die vorgenommene Preisauszeichnung ausreichend sei, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen. Nachdem das Urteil des Landgerichts am 07.12.2007 verkündet worden sei, habe sie dies erneut zum Anlass genommen, ihre Seitengestaltung überprüfen zu lassen. Darauf sei ihr der Rat erteilt worden, Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Hanau einzulegen. Eine Überprüfung des Internetportals "..." sei nicht mehr erfolgt, weil ihr von Seiten des Klägers keine Abmahnung zugegangen sei. Sie habe allerdings eine Abmahnung des ... erhalten, die seitens ihres Prozessbevollmächtigen durch Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung erledigt worden sei. Diese Unterlassungserklärung sei allerdings nicht aus Rechtsgründen erfolgt, sondern deshalb, weil es sich bei dem Portal um eine auf die Weihnachtsfeiertage 2007 beschränkte Serviceleistung gehandelt habe.

Gründe

Die Stufenklage ist zulässig. Wie das Oberlandesgericht Stuttgart in seiner Entscheidung vom 02.11.2006 (2 U 58/06) zutreffend ausgeführt hat, geht mit dem Schadensersatzanspruch aus § 10 Abs. 1 UWG ein Recht auf Auskunft, Rechnungslegung und erforderlichenfalls eidesstattliche Versicherung einher. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 242 BGB.

Die Klage ist auf der ersten Stufe auch begründet. Da der Kläger zu dem Kreis der Klageberechtigten nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 bis 4, 10 UWG gehört, ist er aktivlegitimiert. Ihm steht der Auskunftsanspruch deshalb zu, weil die Tatbestandsvoraussetzungen des verfassungsrechtlich unbedenklichen § 10 UWG (vgl. hierzu die vorzitierte Entscheidung des OLG Stuttgart) erfüllt sind, indem der Kläger mit seinem Internetportal "..." gegen § 3 UWG verstoßen hat, und zwar vorsätzlich und er hierdurch zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern einen Gewinn erzielt hat.

Der Internetauftritt "..." ist genauso gestaltet wie die dem Verfahren 9 O 870/07 zugrunde liegenden Webseiten. Auch hier gibt es keinen klaren und unmissverständlichen Hinweis auf die Entgeltlichkeit und damit einen Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 der Preisangabeverordnung. Die Kammer sieht nicht die geringste Veranlassung, den konkreten Fall anders zu beurteilen, als die der Entscheidung des OLG vom 17.04.2008 zugrunde liegenden gleichgelagerten Fälle. Im übrigen wird insoweit auf die Begründung der einstweiligen Verfügung vom 13.12.07 in dem Verfahren 9 0 1450/07 verwiesen.

Durch den Wettbewerbsverstoß hat die Beklagte auch zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern einen Gewinn erzielt. Auch ein durchschnittlich informierter, situationsadäquat aufmerksamer und verständiger Verbraucher rechnet bei diesem Internetportal der Beklagten nicht mit einer kostenpflichtigen Leistung. Deshalb ist einfach davon auszugehen, dass eine Vielzahl von Verbrauchern nur deshalb die Leistung der Beklagten in Anspruch genommen hat, weil sie von deren Kostenfreiheit ausgegangen sind. Genau auf diese Verbraucher zielt die konkrete Maßnahme auch ab. Sollte nur derjenige erreicht werden, der von Anfang an bereit ist, für die angebotenen Leistungen auch eine Gegenleistung zu erbringen, hätte man die Kostenpflichtigkeit mit Preisangabe gleich in den Text mit aufgenommen. Eine Vielzahl von Interessenten mit dem Portal anzusprechen, ist gerade Sinn und Zweck des Auftrittes. Die Tatsache, dass den Nutzern das Recht zur Anfechtung zur Seite steht, ändert an der Kausalität zwischen Wettbewerbswidrigkeit und Gewinn nichts. Denn es ist allgemein bekannt, dass nicht alle Verbraucher über die Rechtslage informiert sind und die meisten bereit sind, den doch überschaubaren Betrag ohne Auseinandersetzung zu leisten.

Die Beklagte hat entgegen ihrer Auffassung auch vorsätzlich gehandelt. Vorsatz liegt vor, wenn der Kläger weiß, dass er den Tatbestand des § 3 UWG verwirklicht und dies auch will. Dabei genügt, dass er die Verwirklichung für möglich hält und billigend in Kauf nimmt. Der Vorsatz umfasst zudem das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit, wobei eine sogenannte Parallelwertung in der Laiensphäre genügt, wenn sich so dem Handelnden auf Grund der Kenntnis der Tatsachen die Rechtswidrigkeit seines Tuns geradezu aufdrängt (vgl. Urteil des Landgerichts Berlin vom 25.09.2007 € 16 O 115/06).

Bereits auf Grund der Abmahnung vom 26.04.2007 waren der Beklagten die Tatsachen bekannt, die nach Auffassung des Klägers für die Wettbewerbswidrigkeit im Sinne des § 3 UWG sprechen. Gleichwohl hat sie mit der Webseite "..." erneut ein Portal gestaltet, das ebenfalls gegen die Grundsätze der Preisangabeverordnung verstoßen konnte. Wenn sie sich auch vorher anwaltlich hatte beraten lassen, musste sie davon ausgehen, dass die Rechtsauffassung ihrer Anwälte nicht vom Gericht geteilt werden könnte. Immerhin hatte der Kläger unter Aufrechterhaltung seines Rechtsstandpunktes Klage erhoben, so dass die endgültige rechtliche Einordnung der mit einem Sternchen versehenen Serviceleistungen offen war. Wenn die Beklagte in dieser Situation gleichwohl ein neues Portal geöffnet hat, und zwar mit den selben von dem Kläger beanstandeten Preisangaben, dann hat sie die Wettbewerbswidrigkeit ihres Verhaltens billigend in Kauf genommen. Dabei hatte der Kläger ihr die Wettbewerbswidrigkeit durch sein Abmahnschreiben vom 05.12.2007 nochmals deutlich vor Augen geführt. Die Beklagte hat zwar den Zugang dieses Schreibens bestritten, die Kammer sieht ihn jedoch auf Grund des in der mündlichen Verhandlung vom 20.08.2008 vorgelegten Sendebeleges für erwiesen an. Die Beklagte ist deshalb auf der ersten Stufe antragsgemäß zu verurteilen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist auf § 709 ZPO gestützt.






LG Hanau:
Urteil v. 17.09.2008
Az: 1 O 569/08


Link zum Urteil:
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