Verwaltungsgericht Düsseldorf:
Urteil vom 16. Februar 2005
Aktenzeichen: 25 K 1742/04

(VG Düsseldorf: Urteil v. 16.02.2005, Az.: 25 K 1742/04)

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2004 verpflichtet, der Klägerin zu bescheinigen, dass diese auch mit ihrem Unterricht €Kurs Elementare Musikerziehung I - Musikgarten (Einstiegsalter 2 Jahre)" auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet. Diese Bescheinigung ist ohne Werbeverbot zu erteilen.

Die Bescheinigung der Beklagten vom 2. Oktober 2003 wird insoweit aufgehoben, als darin die Auflagen enthalten sind, die Bescheinigung nicht für Werbezwecke zu verwenden und Ànderungen der Voraussetzungen unverzüglich anzuzeigen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist Inhaberin einer Musikschule. Mit Schreiben vom 26. Mai 2003 beantragte sie bei der Beklagten, ihr eine Bescheinigung für die Befreiung von der Umsatzsteuer auszustellen. Ausweislich dieses Antrages beziehen sich die Bildungsmaßnahmen auf folgende Angebote:

- Kurs Elementare Musikerziehung I - Musikgarten (Einstiegsalter 2 Jahre) - Kurs Elementare Musikerziehung II - Musikalische Früherziehung (Einstiegsalter 4 Jahre) - Kurs Frühinstrumentale Musikerziehung: Tasten/Flöte/Saiten (Einstiegsalter 6 Jahre) - Instrumentalunterricht (Einstiegsalter 8 oder älter): 4 Jahre Grundstufe - 4 Jahre Mittelstufe - Oberstufe: Klavier, Keyboard (Elekt. Orgel), Blockflöte, Gitarre, Violine (Bratsche, Cello), Klarinette und Saxophon. Zusätzlicher Unterricht in Musiktheorie, Musikwissenschaft ab Mittelstufe - Oberstufe.

Ausweislich der weiteren Angaben der Klägerin orientiert sich der Schulaufbau an den Richtlinien des Verbandes Deutscher Musikschulen (VdM), der für den Bildungsauftrag der Kommunalen Musikschulen bindend sei. Dem Antrag vom 26. Mai 2003 beigefügt sind Befähigungsnachweise der Lehrer, die in der Musikschule der Klägerin als Mitarbeiter angestellt sind. Des Weiteren legte die Klägerin über 400 Erklärungen von Eltern der Schüler bei, um zu verdeutlichen, dass die Schule in keinem Bereich sogenannte Hobbykurse durchführe, sondern in bezug auf Anforderungen von Studium und Beruf wohl durchdacht und durchorganisiert sei.

Durch Bescheid vom 2. Oktober 2003 - Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt - bescheinigte die Beklagte der Klägerin gemäß § 4 Nr. 21 a) bb) UStG widerruflich, dass die Klägerin mit den Bildungsmaßnahmen

- Kurs Elementare Musikerziehung II - Musikalische Früherziehung (Einstiegsalter 4 Jahre) - Kurs Frühinstrumentale Musikerziehung: Tasten/Flöte/Saiten (Einstiegsalter 6 Jahre) - Instrumentalunterricht (Einstiegsalter 8 Jahre und älter)

ordnungsgemäß auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereitet. Hinzugefügt sind dem Bescheid vom 2. Oktober 2003 als Auflagen, dass der Antragsteller verpflichtet ist, Änderungen der Voraussetzungen unverzüglich anzuzeigen und dass diese Bescheinigung nicht für Werbezwecke verwendet werden darf. In dem beigefügten Schreiben vom 2. Oktober 2003 führt die Beklagte aus, der Kurs „Elementare Musikerziehung I - Musikgarten (Einstiegsalter 2 Jahre)" habe nicht in die Bescheinigung aufgenommen werden können, da bei diesem Kurs der spielerische Aspekt im Vordergrund stehe und der Kurs somit nicht schlüssig und zielgerichtet auf den Beruf vorbereite.

Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 20. Oktober 2003 teilweise Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten vom 2. Oktober 2003 wegen der Ausklammerung des Kurses „Elementare Musikerziehung I - Musikgarten (Einstiegsalter 2 Jahre)", ferner wegen der Auflage, Änderungen der Voraussetzungen unverzüglich anzuzeigen und wegen des Werbeverbotes. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, der in Rede stehende Kurs erleichtere die Berufs- bzw. Prüfungsvorbereitung im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung, weil es wissenschaftlichen Erkenntnissen entspreche, dass die körperlichen/geistigen Voraussetzungen des Kindes für die optimale Gehörbildung bereits im Säuglingsalter vorlägen. Wenn eine private Einrichtung mit entsprechend qualifiziertem Personal in Kenntnis dessen einen Kurs anbiete, der sich an Kinder ab etwa 2 Jahren richte, sei es nicht gerechtfertigt, diesem die Befreiungsbescheinigung zu versagen, weil der spielerische Aspekt im Vordergrund stehe. Es dürfte unter Fachleuten im Bereich der Pädagogik und der Didaktik unbestritten sein, dass spielerische Aspekte bei der Bewältigung des Lernstoffs der Motivation dienten und die Bereitschaft des Kindes erhielten/förderten, den Lernstoff mit Freude zu bewältigen. Die Auflage, Änderungen für die Voraussetzungen der Erteilung der Bescheinigung mitzuteilen, sei rechtswidrig, weil sie unbestimmt sei. Die Klägerin sei nicht in der Lage, aus dem Verwaltungsakt oder aus dem Gesetz die Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheinigung zu erkennen. Ferner sei das Wettbewerbsverbot rechtswidrig. Die Ausgiebigkeit und Intensität, mit der die Beklagte die Geeignetheit der Einrichtung prüfe, berufs- oder prüfungsvorbereitend zu sein, sei für die Leistungsempfänger und deren Eltern von besonderem Interesse. Da die künstlerische Berufsentscheidung eines Schülers normalerweise nicht im frühen Kindesalter falle, sei es für die Entscheidung der Erziehungsberechtigten von Schülern, welcher Einrichtung ihr Kind anvertraut werde, nicht ohne Bedeutung, ob die Einrichtung aus staatlicher Sicht für die Berufs- bzw. Prüfungsvorbereitung geeignet sei oder nicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2004 wies die Beklagte den von der Klägerin erhobenen Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, das Werbeverbot solle verhindern, dass andere Schulen, die möglicherweise die Voraussetzungen für die Umsatzsteuerbefreiung auch erfüllten, aber keine Bescheinigung beantragt hätten, durch die Werbung mit der Befreiung benachteiligt würden. Die öffentliche Hand könne nicht nur öffentlich finanzierte Ressourcen in Anspruch nehmen, sondern auch hoheitliche Autorität. Würden die Bereiche privater Erwerbswirtschaft und hoheitlicher Über- und Unterordnung nicht sauber getrennt, könne es zu Wettbewerbsvorteilen kommen, die das Wettbewerbsrecht verhindern wolle. Wegen dieser Besonderheiten sei die öffentliche Hand nicht nur den gleichen Handlungsbeschränkungen wie private Unternehmen unterworfen, an sie würden auch besondere Anforderungen gestellt, deren Nichtbefolgung wettbewerbsrechtliche Konsequenzen nach sich zögen. Der öffentlichen Hand obliege eine allgemeine Zurückhaltungspflicht in wettbewerblicher Hinsicht. Die Inanspruchnahme hoheitlicher Autorität für die Bewertung privatwirtschaftlicher Leistungen, sei es durch die öffentliche Hand selbst oder durch dritte Unternehmer, sei in der Regel wettbewerbswidrig. Ferner sei die Auflage, Änderungen der Voraussetzungen unverzüglich anzuzeigen, rechtmäßig. Diese Auflage sei inhaltlich hinreichend bestimmt. Dem Antragsteller sei bewusst, welche Unterlagen er zur Erteilung einer Bescheinigung gemäß § 4 Nr. 21 a) bb) UStG einreichen müsse, z.B. Angaben zu den Lehrkräften, Unterrichtsräumen, ein Vertragsmuster etc.. Schließlich sei die Nichtaufnahme des Kurses „Elementare Musikerziehung I - Musikgarten" rechtmäßig. Von einer Bezogenheit des Kurses auf den späteren Instrumentalunterricht sei nicht mehr auszugehen, wenn das spielerische Element in den Mittelpunkt rücke. Solche Kurse könnten im Sinne einer Gesamtpersönlichkeitsförderung des Kindes positiv sein; sie seien jedoch nicht erforderlich im Hinblick auf eine spätere Berufsausübung im musikalischen Bereich. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass Kinder erst ab einem bestimmten Alter in der Lage seien, Musik systematisch zu begreifen und das Erlernte auch selbst umzusetzen. So ergebe sich aus einer grafischen Zusammenstellung verschiedener Studien zur altersbedingten musikalischen Entwicklung von Kindern, dass diese erst etwa ab dem 5. Lebensjahr in der Lage seien, einfache Rhythmen zu produzieren, schriftliche Symbole zu lesen und selber einfache Melodien mit ihrer Hilfe darzustellen sowie ein Verständnis für Tonartwechsel, den Zeitbegriff in der Musik, die Gegensätze von hochtief bzw. aufwärtsabwärts und für die Metrik zu entwickeln. Als erforderlich für einen späteren Instrumentalunterricht und damit für eine spätere Berufsausübung in diesem Bereich seien demnach nur die Kurse anzusehen, die obige Fähigkeiten vermittelten und nicht früher als ab dem 4. Jahr unterrichtet würden.

Die Klägerin hat am 10. März 2004 Klage erhoben, zu deren Begründung sie ihre Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren ergänzt und vertieft. Darüber hinaus führt sie aus, die Beklagte stützte sich u.a. auf ein Kompendium für Musikpädagogik aus dem Jahr 1995. Nach aktuelleren Erkenntnissen entsprächen die dort festgehaltenen Ergebnisse nicht mehr den aktuellen Ergebnissen der Pädagogik unter Einschluss der Gehirnforschung. Danach sei es nicht gerechtfertigt, Unterricht, der sich an Kinder unter 4 Jahren richtet, lediglich als die Gesamtpersönlichkeit des Kindes positiv fördernde Spielerei zu behandeln. Vielmehr könne das Erlernte als möglicher Beginn einer systematischen Musikausbildung verstanden werden, der später dem motivierten und begabten Schüler u.a. nutzen könne, z.B. eine Aufnahmeprüfung an einer Fachhochschule für Musik zu bestehen. Es ließe sich sogar ausführen, dass das Erlernte positiven Einfluss auf eine erfolgreiche Laufbahn an allgemeinbildenden Schulen bis hin zum Abitur habe.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter teilweiser entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 2. Oktober 2003 und des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2004 zu verpflichten, ihr für die Einrichtung „Freie Musikschule S" ohne Werbeverbot zu bescheinigen, dass auch der Kurs „Elementare Musikerziehung I - Musikgarten (Einstiegsalter 2 Jahre)" ordnungsgemäß auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereitet, ferner, die Auflage hinsichtlich Mitteilung der Änderungen der Voraussetzungen aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

wobei sie sich im Wesentlichen auf die Gründe der Verwaltungsentscheidungen stützt.

In dem Verfahren 25 K 4194/04 hat das Gericht Beweis erhoben durch Vernehmung des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. T. Auf die Ausführungen des Sachverständigen in dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16. Februar 2005 wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Klage der Klägerin ist zulässig, insbesondere ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben,

vgl. dazu ausführlich Urteil der Kammer vom 10. März 2003 - 25 K 3541/02 -.

Die Klage ist auch begründet. Wie in der Tenorierung aufgezeigt, hat die Klägerin einen Anspruch gegen die Beklagte auf die Erteilung der beantragten Bescheinigung gemäß § 4 Nr. 21 a) bb) UStG, die den Unterricht „Kurs Elementare Musikerziehung I - Musikgarten (Einstiegsalter 2 Jahre)" einbezieht, und des Weiteren ohne die Auflagen erteilt wird, dass die Verpflichtung besteht, Änderungen der Voraussetzungen unverzüglich anzuzeigen bzw. dass die Bescheinigung nicht für Werbezwecke verwendet werden darf. Die Ablehnung der Erteilung einer Bescheinigung dieses Umfangs durch die Bescheide der Beklagten vom 2. Oktober 2003 sowie 16. Februar 2004 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO), denn die von der Beklagten genannten Gründe vermögen die Versagung nicht zu tragen.

Gemäß § 4 Nr. 21 a) bb) UStG sind von den Umsätzen steuerfrei die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten. Diese Regelung setzt Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe i) der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/88 EWG (Richtlinie 77/388/EWG) um. Danach befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer: ... den Schul- und Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung.

In diesem Sinne ist die von der Klägerin betriebene Musikschule eine Einrichtung, die auf eine Prüfung im Sinne des § 4 Nr. 21 a) bb) UStG ordnungsgemäß vorbereitet. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 3. Dezember 1976 - Bundessteuerblatt 1977, Teil II, Seite 334 folgende - ausgeführt, für die ordnungsgemäße Prüfungsvorbereitung genüge eine Tätigkeit, die einen Bildungsgang fördert, der im Allgemeinen mit einer staatlichen Prüfung abschließt. Vorbereitung auf eine Prüfung ist auch eine Tätigkeit, die der schulischen nahe kommt und sie ergänzt. In diesem Sinne genügt auch ein Hinwirken auf die nächste Versetzung, da regelmäßig die Versetzung Vorbedingung für einen Schulabschluss ist und die bei der Versetzung erteilten Noten Einfluss auf die Abschlussprüfung haben. Ordnungsgemäß ist die steuerlich privilegierte Leistung dann, wenn sie objektiv geeignet ist, der Prüfungsvorbereitung zu dienen, von einem seriösen Institut erbracht wird und die eingesetzten Lehrkräfte die erforderliche Eignung besitzen. Dass die von der Klägerin betriebene Musikschule, die privaten Musikunterricht vermittelt, grundsätzlich zu den von § 4 Nr. 21 a bb) UStG erfassten Einrichtungen zu zählen ist, ist zwischen den Beteiligten im Wesentlichen unstreitig, wie die von der Beklagten ausgestellte Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt vom 2. Oktober 2003 zeigt.

Die der Klägerin auszustellende Bescheinigung gemäß § 4 Nr. 21 a) bb) UStG ist darauf zu erstrecken, dass die von der Musikschule angebotene Bildungsmaßnahme „Kurs Elementare Musikerziehung I - Musikgarten (Einstiegsalter 2 Jahre)" ordnungsgemäß auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereitet. Auch diese Leistungen dienen ihrer Art nach den Zielen der Berufsaus- und Berufsfortbildung. Nach dem Zweck der Steuerbefreiung, die gleichmäßige umsatzsteuermäßige Belastung von privaten und öffentlichen Ausbildungsträgern zu gewährleisten, ist ausreichend, dass die Leistung allein oder zusammen mit den Leistungen anderer Unternehmer die Ausbildung ermöglicht, fördert, ergänzt oder erleichtert,

vgl. BFH, Urteil vom 10. Juni 1999, BFH NW 1999 Seite 1435, 1436.

Die in dem Verfahren 25 K 4194/04 in der mündlichen Verhandlung vom 16. Februar 2005 durchgeführte Beweisaufnahme der Kammer durch Befragung des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. T zu dem Thema der Elementaren Musikerziehung hat ergeben, dass vorbezeichnete Anforderungen erfüllt sind, nämlich dass auch der „Kurs Elementare Musikerziehung I - Musikgarten (Einstiegsalter 2 Jahre)" die Ausbildung ermöglicht, fördert, ergänzt oder erleichtert.

Der Sachverständige hat ausgeführt, das Gehirn des Kleinkindes lerne schon im Mutterleib, das Kind lerne dort Musik, die es höre. Nachgewiesen sei, dass es sich daran später erinnern könne und dass Kinder im Alter von etwa einem halben bis zu einem Jahr unterschiedlich auf verschiedene Melodien reagierten. Schon in dem Alter von wenigen Monaten erkennen Kinder verschiedene Melodien und verschiedene Rhythmen. Ein Musiktraining in ganz jungen Jahren sei hiernach sehr gut für die spätere Ausbildung. Herausragende Beispiele hierfür seien Mozart und Bach, Mozarts Genie sei auch dadurch unterstützt worden, dass er ganz früh intensivst gefördert worden sei. Der Sachverständige hat ausdrücklich betont, wenn die Förderung der Fähigkeiten eines Kindes sehr früh einsetzt, wird insgesamt am Ende ein höherer Stand der Qualifikation erreicht, als wenn die Förderung erst später beginnt. Der Sachverständige hat sodann weitere näher erläuternde Ausführungen dazu gemacht, auf welche Art und Weise sich Lernen in einem menschlichen Gehirn vollzieht. Für die Kammer ergibt sich aus den Ausführungen des Sachverständigen ohne Zweifel, dass mit möglichst früher Förderung die Ausbildung im Sinne der Rechtsprechung des BFH ermöglicht, gefördert, ergänzt und erleichtert wird. Der Sachverständige hat seine zutreffenden Ausführungen nachvollziehbar verdeutlicht; der Kammer ist ergänzend bekannt, dass allgemein zugängliche Artikel in Tageszeitungen und Fachpresse bereits seit geraumer Zeit ähnliche Erkenntnisse veröffentlichen. Der Sachverständige Prof. Dr. Dr. T hat im Folgenden ausgeführt, grundsätzlich könne die Ausbildung und diese Förderung nicht früh genug einsetzen. Kinder hätten beispielsweise zunächst ein absolutes Gehör; sie merkten, wenn ein Lied in einer anderen Tonart gesungen werde. Im Laufe der ersten Jahre verlernten die Kinder dieses absolute Gehör, indem sie sich mehr auf Rhythmen, Liedfolgen und Tonhöhenfolgen konzentrierten. Man könne wohl das absolute Gehör stützen und es weiter lernen; mit 6 Jahren sei es aber verloren, wenn es verloren sei, könne man es auch nicht wieder neu erlernen. Über die Musik gebe es die besten Erkenntnisse zum Gehirn. Je nachdem, in welchem Alter ein Schüler mit dem Geigenspielen beginne, entwickele er in seiner Großhirnrinde mehr oder weniger Platz für die Zellen, die für die Finger der linken Hand benötigt würden, dies mache einen erheblichen Unterschied aus.

Der Sachverständige hat im Weiteren die Erwägungen der Beklagten verneint, dass in jungem Alter der Kinder spielerische Aspekte im Vordergrund stehen, indem er ausgeführt hat, Lernen finde eigentlich immer statt. Hirnstrukturen würden immer angelegt und es sei in der Forschung festgestellt worden, dass diese Hirnstrukturen sich auch verfestigten, je eher sie angelegt würden. Dies entspreche im Übrigen auch den internationalen Erkenntnissen. International werde insbesondere in dem Bereich der Musik immer früher gefördert; anders als es noch vor etlichen Jahren gewesen sei. Die in dem Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 16. Februar 2004 angeführten Abhandlungen von 1992 und 1995 stellen sich damit als durch neuere Erkenntnisse ersetzt dar. Mithin wirken sich Frühförderungen nachhaltig auf die Entwicklung des kindlichen Gehirns aus; musikalische Elemente in der Früherziehung sind dazu geeignet, Prägungen herbeizuführen, die sich im späteren Leben über den Erwerb spezifisch musikalischer Kompetenzen hinaus im Bereich des Sozialverhaltens, der intelligenten Fähigkeiten wie räumlichem Denken sowie des Spracherwerbs nachhaltig auswirken. Die Beklagte ist mithin verpflichtet, der Klägerin zu bescheinigen, dass auch mit dem Unterricht „Kurs Elementare Musikerziehung I - Musikgarten (Einstiegsalter 2 Jahre)" ordnungsgemäß auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereitet wird.

Die Klage ist ferner begründet, soweit sie sich gegen die Auflage richtet, dass eine Verpflichtung besteht, Änderungen der Voraussetzungen unverzüglich anzuzeigen; diese der Bescheinigung des Beklagten vom 2. Oktober 2003 beigefügte Auflage ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Gemäß § 37 Abs. 1 VwVfG NRW muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Hinreichende Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes bedeutet, dass der Inhalt der getroffenen Regelung, der Entscheidungssatz im Zusammenhang mit den Gründen und den sonstigen bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen insbesondere für den Adressaten des Verwaltungsaktes so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss, dass er sein Verhalten danach richten kann,

vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 8. Auflage 2003, § 37 VwVfG Randnote 5.

Diesen Anforderungen genügt die Auflage der Verpflichtung, Änderungen der Voraussetzungen unverzüglich anzuzeigen, nicht. Diese Auflage erweist sich als unbestimmt, weil der Adressat - die Klägerin - daraus nicht ersehen kann, welche Änderungen der Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheinigung als so erheblich betrachtet werden, dass sie anzuzeigen sind, bzw. welche dieser Anzeigepflicht nicht unterfallen. Der Beklagten selbst scheint dies nicht eindeutig klar zu sein, wenn in dem Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2004 insoweit ausgeführt wird, „z.B. Angaben zu den Lehrkräften, Unterrichtsräumen, ein Vertragsmuster etc.". Der Unternehmer kann daraus nicht ersehen, welche Umstände sonst für die Beurteilung durch die Beklagte als wesentlich erachtet werden; der Kammer ist aus den Verwaltungsvorgängen der in der mündlichen Verhandlung vom 16. Februar 2005 verhandelten Verfahren bekannt, dass teilweise durch die Beklagte auch die Größe der Unterrichtsräume und die Kündigungsfrist bei der Kontrolle der Vertragsbedingungen beanstandet worden ist. Insbesondere auch wegen der erheblichen finanziellen Auswirkungen eines Widerrufs der Bescheinigung ist die Beklagte verpflichtet, deutlich erkennbar zu machen, welche Unterlagen maßgeblich sind. Hierfür spricht letztendlich auch Ziffer 6 des Runderlasses des Kultusministeriums vom 18. Dezember 1989 zur Steuerbefreiung nach § 4 UStG; danach sind die Voraussetzungen für den Widerruf mitzuteilen.

Ferner ist die Auflage, dass die Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt nicht für Werbezwecke verwendet werden darf, rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO); die Bescheinigungen gemäß § 4 Nr. 21 a) bb) UStG sind ohne Werbeverbot zu erteilen. Soweit die Beklagte sich zur Begründung des Werbeverbotes in dem Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2004 darauf stützt, das Werbeverbot solle verhindern, dass andere Schulen, die möglicherweise die Voraussetzungen für die Umsatzsteuerbefreiung auch erfüllen, aber keine Bescheinigung beantragt haben, durch die Werbung mit der Befreiung benachteiligt werden, ist diese Argumentation rechtsfehlerhaft. Die Kammer hat durch Urteil vom 10. März 2003 in dem Verfahren 25 K 4379/02 mit ausführlichen Begründungen entschieden, dass bei dem Bescheinigungsverfahren gemäß § 4 Nr. 21 a) bb) UStG nicht von einem Antragsverfahren auszugehen ist, sondern dass die umsatzsteuerrechtliche Bescheinigung nach den gesetzlichen Regelungen von Amts wegen zu erteilen ist. Aus den maßgeblichen Vorschriften ist zu entnehmen, dass die zuständigen Behörden jedenfalls dann, wenn ihnen amtlich bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheinigung vorliegen könnten, ein entsprechendes Verwaltungsverfahren zur Beurteilung dieser Frage einzuleiten und gegebenenfalls die Bescheinigung zu erteilen haben. Die Regelungen des § 4 Nr. 20 und 21 UStG binden alle Beteiligten - Steuerschuldner wie Steuergläubiger - gleichmäßig. Jeder Unternehmer, der die Voraussetzungen erfüllt, erhält eine entsprechende Bescheinigung, eine Benachteiligung infolge fehlenden Antrages tritt nicht ein.

Zur Begründung des Werbeverbotes hat die Beklagte in dem Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2004 ferner sinngemäß den der Vorschrift des § 1 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) zugrunde liegenden Rechtsgedanken herangezogen. Gemäß § 1 UWG kann derjenige auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden, der im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen. Auch derlei Erwägungen vermögen das Werbeverbot nicht zu rechtfertigen. Auszugehen ist davon, dass die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand, also die Förderung eigenen oder fremden Wettbewerbs, wettbewerbsrechtlich grundsätzlich zulässig ist und erst bei Hinzutreten besonderer Umstände wettbewerbswidrig wird. Auch für die öffentliche Hand gilt insoweit der allgemeine Grundsatz, dass bei der Beurteilung des Verhaltens die wettbewerbliche Ausgangslage, der Anlass und Zweck des Handelns, die Begleitumstände und die Auswirkungen auf den Leistungswettbewerb zu berücksichtigen sind,

vgl. Köhler/Piper, UWG, Kommentar, 2. Auflage 2001, § 1 UWG Randnote 455.

Soweit sich die öffentliche Hand am Wettbewerb beteiligt und damit in eine Konkurrenzsituation zu privaten Unternehmen tritt, kann sie nicht deshalb eine generelle Vorzugsstellung für sich in Anspruch nehmen, weil sie öffentliche Aufgaben und Zwecke verfolgt. Umgekehrt ist die öffentliche Hand allerdings auch nicht generell besonderen Verhaltensanforderungen unterworfen,

vgl. Köhler/Piper, § 1 UWG Randnote 456.

Die Empfehlung eigener oder fremder Leistung ist nicht ohne weiteres wettbewerbswidrig. Auskünfte sind unparteiisch, objektiv und sachgerecht zu erteilen. Der Bürger bringt Äußerungen der öffentlichen Verwaltung, seien es Auskünfte, Empfehlungen, Kritik oder eigene Werbe- und Verkaufsmaßnahmen, besonderes Vertrauen entgegen. Dieses Vertrauen ist auch schutzwürdig, weil die öffentliche Verwaltung zu neutraler und objektiver Amtsführung verpflichtet ist. Wettbewerbswidrig ist nur ein Missbrauch dieses Vertrauens,

vgl. Köhler/Piper § 1 UWG Randnote 461, 462, 463 und 464.

Eine Wettbewerbsabsicht ist grundsätzlich zu verneinen, wenn sich die öffentliche Hand streng im Rahmen ihrer Aufgabe hält und sachlich und unparteiisch verfährt,

vgl. Köhler/Piper § 1 UWG Randnote 452.

Das Unwerturteil kann sich daraus ergeben, dass die öffentliche Hand von Machtmitteln, die ihr die öffentlich- rechtliche Sonderstellung gibt, zur Förderung eigenen oder fremden Wettbewerbs missbräuchlich Gebrauch macht,

vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Kommentar, 22. Auflage 2001, § 1 UWG Randnote 928.

Alle vorstehend aufgezeigten Gesichtspunkte, die allein dazu führen könnten, Unlauterkeit des Wettbewerbs zu bejahen, sind sämtlich nicht gegeben: Amtliche Autorität und die mit ihr verbundene Vertrauensstellung der öffentlichen Hand wird nicht zur Erreichung von Vorteilen im Wettbewerb missbräuchlich ausgenutzt, sondern es wird seitens der Unternehmer lediglich darauf verwiesen, dass eine entsprechende Bescheinigung nach Prüfung der gesetzlichen Vorgaben ausgestellt worden ist. Dies entspricht den tatsächlichen Umständen. Das Werbeverbot in den Bescheinigungen entbehrt mithin jeglicher Rechtsgrundlage.

Abschließend weist die Kammer darauf hin, dass ihr nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 16. Februar 2005 eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes bekannt geworden ist, deren Leitsatz in einer Tageszeitung als Pressenotiz veröffentlicht war. Danach müssen private Betreiber von Glücksspielen oder Spielautomaten von der Mehrwertsteuer befreit werden, wenn ihre staatliche Konkurrenz keine Mehrwertsteuer zahlen muss. Der Europäische Gerichtshof gab der Klage zweier Betreiber von Spielhallen aus Deutschland statt. Sie hatten unter Verweis auf die Mehrwertsteuerbefreiung öffentlicher Spielbanken dieses Recht auch für sich in Anspruch genommen. Der EuGH erkannte in der Ungleichbehandlung eine Wettbewerbsverzerrung; auch dies bestätigt die Rechtsauffassung der Kammer.

Der Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.






VG Düsseldorf:
Urteil v. 16.02.2005
Az: 25 K 1742/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/aa4fb2190897/VG-Duesseldorf_Urteil_vom_16-Februar-2005_Az_25-K-1742-04




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share