Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 3. Dezember 1993
Aktenzeichen: 6 U 247/93

(OLG Köln: Urteil v. 03.12.1993, Az.: 6 U 247/93)

1. Auf Wettbewerbshandlungen findet grundsätzlich die Rechtsordnung des Tatortes Anwendung. Tat- bzw. Begehungsort ist der Ort der wettbewerblichen Interessenkollision. Liegt dieser in Georgien, ist grundsätzlich das Recht der Republik Georgien maßgeblich.

2. Ist das maßgebliche ausländische (Wettbewerbs-) Recht von den Parteien weder vorgetragen, - noch im Rahmen des Eilverfahrens - ohne weiteres ermittelbar, kann auf die Sachnormen des deutschen Rechts zurückgegriffen werden.

3. Kommt es bei der Prüfung eines behaupteten Wettbewerbsverstoßes durch Verleiten zum Vertragsbruch oder durch Ausnutzen eines solchen auf die Wirksamkeit des nach ausländischem Recht geschlossenen Vertrages an (Inzidentprüfung), können insoweit allerdings deutsche Rechtsnormen nicht herangezogen werden.

4. Wird ein (privatrechtlicher) Vertrag durch Hoheitsakt eines ausländischen Staates (hier: Dekret des Kabinetts der Minister der Republik Georgien) für nichtig und unwirksam erklärt, unterliegt ein solcher Entscheid als Staatsakt keiner Óberprüfung durch die deutsche Gerichtsbarkeit; er ist als solcher mit den in ihm ausgesprochenen Wirkungen zunächst hinzunehmen.

5. Zur Glaubhaftmachung der Rechtslage nach den ausländischen Verfahrens- und Sachnormen im Verfahren der einstweiligen Verfügung.

Tenor

Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 8. September 1993 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 1 O 264/93 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, sie hat aber in der Sa- che keinen

Erfolg. Das Landgericht hat das Verfü- gungsbegehren der

Antragstellerin zu Recht und mit weitgehend zutreffender Begründung

zurückgewiesen. Die im Rechtsmittelverfahren ergänzend vorgetrage-

nen Umstände sowie die überreichten Unterlagen und

Glaubhaftmachungsmittel geben keine Veranlassung zu einer im

Ergebnis abweichenden Entscheidung.

Das Unterlassungsbegehren der Antragstellerin ist unbegründet,

weil jedenfalls im Rahmen des Verfü- gungsverfahrens nicht

festgestellt werden kann, daß zwischen der Regierung der Republik

G. und der G.I. eine wirksame vertragliche Vereinbarung über die

Einräumung einer ausschließlichen Lizenz auf dem Gebiet der

internationalen Telekommunikation besteht bzw. bestanden hat.

I. Für die Beurteilung der von der Antragstellerin geltend

gemachten Unterlassungsansprüche, die zum einen auf

wettbewerbsrechtliche, zum anderen auf deliktische Anspruchsnormen

gestützt sind, ist grundsätzlich von g.ischem Recht auszugehen. Die

Besonderheiten des Streitfalls lassen indes für das summarische

Verfahren die Anwendung deutschen Rechts zu, weil die nach g.ischem

Recht in Be- tracht kommenden Anspruchsnormen im Eilverfahren nicht

festgestellt und der rechtlichen Prüfung zu- grundegelegt werden

können.

1. Dem Landgericht ist in seiner Auffassung zuzustim- men, daß

bei der Prüfung der geltend gemachten An- sprüche zunächst an sich

g.isches Recht anzuwenden ist.

Soweit auf Wettbewerbsrecht abzustellen ist, gilt, daß unlautere

Wettbewerbshandlungen zu den uner- laubten Handlungen rechnen. Auf

sie findet die Rechtsordnung des Tatortes Anwendung, also des

Ortes, an dem die unerlaubte Handlung begangen wurde (vgl. BGHZ 35,

333 - "Kindersaugflasche"; 40, 391, 394 - "Stahlexport";

Baumbach-Hefermehl, 17. Aufl., Einl. UWG, Rdn. 176 m.w.N.).

Tatort bzw. Begehungsort ist der Ort der wett- bewerblichen

Interessenkollision. Dies ist im Streitfall das Gebiet der Republik

G., auf dem die Parteien miteinander im Anbieten von Telekommuni-

kationsleistungen unmittelbar konkurrieren. Soweit die

Antragstellerin in diesem Zusammenhang meint, es gehe vorliegend

nicht um den "Kampf um den End- verbraucher", vielmehr lägen

"Individualinteressen im Konflikt", rechtfertigt dies keine

abweichende Beurteilung. Im Konflikt liegen jedenfalls wettbe-

werbliche Interessen, diese stoßen aber auf dem Gebiet des Staates

G. aufeinander.

Im Zusammenhang mit Ansprüchen aus unerlaubter Handlung ist

gleichfalls grundsätzlich von der Anwendung g.ischen Rechts

auszugehen. Insoweit gilt nichts anderes als im Bereich des Wettbe-

werbsrechts: Handlungs- und Erfolgsort sind G. , denn dort hat die

Antragsgegnerin nach Darstellung der Antragstellerin versucht,

Einfluß auf die vertraglichen Beziehungen zwischen der Republik G.

und der Antragstellerin bzw. der G.I. zu nehmen. Soweit die

Antragstellerin in diesem Zusammenhang auf die "Beschlußlage" in

den zuständigen Gremien der Antragsgegnerin verweist, betrifft dies

ledig- lich das Fassen eines entsprechenden Entschlusses im Vorfeld

des objektiven Tatbestandes der uner- laubten Handlung bzw.

Maßnahmen, die dem Bereich der Vorbereitungshandlung zuzurechnen

sind. Beides ist kollisionsrechtlich nicht ausschlaggebend.

Auch das Betreiben einer Bodenstation für Satel-

litenverbindungen in H. rechtfertigt nicht die Annahme, der Tatort

einen etwaigen unerlaubter Handlung liege in Deutschland. Das

Telekommunika- tionssystem, um das es im Streitfall geht, wird in

G. errichtet bzw. soll dort errichtet werden, und zwar unabhängig

davon, wo gegebenenfalls Bodensta- tionen für Óbermittlung, Empfang

und Koordination im Ausland stationiert sind. Im übrigen trägt die

Antragsgegnerin überzeugend und ohne daß dies von der

Antragstellerin substantiiert bestritten wird, vor, die

Bodenstation in H. stelle einen Ausgangs- punkt für vielfältige

weltweite Satellitenverbin- dungen dar, und zwar in keiner Weise

speziell auf die Verbindung mit G. zugeschnitten. Technisch sei sie

vielmehr der Mittelpunkt einer Vielzahl von V- Sat-Netzen der

Antragsgegnerin.

2. Die Anwendung deutschen Rechts ist im vorliegenden

Verfügungsverfahren gleichwohl zulässig und gebo- ten. Grund

hierfür ist, daß g.isches Recht weder von den Parteien vorgetragen

ist noch im Rahmen des Eilverfahrens ohne weiteres ermittelt werden

kann. Daß letzteres nicht möglich ist, ergibt sich anschaulich aus

dem Schreiben des Instituts für Ostrecht der Universität zu K. vom

8. August 1993 (Anlage K 3). Danach liegt zum Recht G. s auch bei

den auf Ostrecht spezialisierten Insti- tuten fast keine Literatur

vor. In der im ersten Rechtszug von der Antragsgegnerin

angesprochenen Möglichkeit, durch die deutsche Botschaft in G.

Gesetzestexte zu ermitteln, hat das Landgericht zu Recht keine

Gelegenheit gesehen, zu hinreichend gesicherten Erkenntnissen über

die Rechtslage nach g.ische m Recht zu gelangen.

Lassen sich über den Inhalt des durch eine deut- sche

Kollisionsnorm berufenen ausländischen Rechts keine sicheren

Feststellungen treffen, so sind nach der jüngeren Rechtsprechung

des Bundesge- richtshofes grundsätzlich die Sachnormen des

deutschen Rechts anzuwenden. In der durch das Landgericht zitierten

Entscheidung (BGHZ 69, 387) hat der BGH zwar der Erklärung, die

Anwendung der Sachnormen des eigenen Rechts sei als die prakti-

kabelste aller im Schrifttum erwogenen Lösungen vorzuziehen, wenn

die Bemühungen um die Feststel- lung des ausländischen Rechts zu

keinem Ergebnis geführt hätten, eine gewisse Einschränkung hinzu-

gefügt. Er hat nämlich (a.a.O. S. 394, 395) weiter ausgeführt,

jedenfalls in dem damals zu entschei- denden Fall halte er es

"angesichts der gegebenen Inlandsbeziehungen" für angebracht, die

deutschen Sachnormen anzuwenden. In einer späteren Entschei- dung

(NJW 1982, 1215, 1216) hat er jedoch unter Hinweis auf BGHZ 69, 387

für Fälle, in denen sich über den Inhalt des berufenen

ausländischen Rechts keine sicheren Feststellungen treffen lassen,

erklärt, es sei "grundsätzlich" deutsches Recht anzuwenden. Eine

Einschränkung hat er insoweit lediglich für den Fall gemacht, daß

die Anwendung deutschen Rechts "äußerst unbefriedigend" wäre. Für

das hier zur Entscheidung stehende Verfügungs- verfahren kann

danach von der Anwendbarkeit von Anspruchsnormen des deutschen

sachlichen Rechts ausgegangen werden.

II. Auch auf dieser Rechtsgrundlage ist das Begehren der

Antragstellerin jedoch nicht gerechtfertigt. Die Antragstellerin

hat weder die tatsächlichen Voraussetzungen einer

wettbewerbsrechtlichen An- spruchsnorm noch der einer Bestimmung

aus dem Recht der unerlaubten Handlung mit dem für das

Verfügungsverfahren erforderlichen Grad von Wahr- scheinlichkeit

glaubhaft zu machen vermocht. Es kann nämlich nicht mit

hinreichender Gewißheit festgestellt werden, daß die Vereinbarung

einer ausschließlichen Lizenz, zu deren Bruch die An- tragsgegnerin

die g.ische Regierung nach Darstel- lung der Antragstellerin

verleitet bzw. zu verlei- ten versucht hat, wirksam

zustandegekommen ist.

1. Der Tatbestand des Verleitens zum Vertragsbruch im Sinne des

§ 1 UWG ist nicht glaubhaft gemacht.

a) § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des Verleitens zum

Vertragsbruch erfüllt, wer einen anderen zu Zwek- ken des

Wettbewerbs dazu verleitet, den mit einem Dritten geschlossenen

Vertrag zu brechen. Dabei ist unter Verleiten jedes bewußte

Hinwirken darauf zu verstehen, daß der andere einen Vertragsbruch

begeht, ohne daß ein entsprechender Erfolg (der Vertragsbruch)

tatsächlich erreicht werden muß.

b) Ein Verleiten zum Vertragsbruch setzt zunächst objektiv eine

rechtswirksame vertragliche Bindung desjenigen voraus, der

verleitet wird bzw. verlei- tet werden soll. Eine solche kann im

Streitfall nicht festgestellt werden.

aa) Eine vertragliche Verpflichtung der Republik G. bzw. des

Ministeriums für Kommunikation der Re- publik G., die darauf

gerichtet ist, mit keinem anderen als der G.I. Absprachen und

Vereinbarun- gen über die Errichtung eines internationalen

Telefonsystems zu treffen, läßt sich nicht aus dem "Internationalen

Lizenz- und Lizenzausübungs- vertrag im Bereich Telekommunikation"

vom 22. März 1991 herleiten. Dort ist zwar in Artikel II für die

G.I. ein Ausschließlichkeitsrecht im Zusam- menhang mit der

Errichtung und dem Betrieb eines internationalen

Telekommunikationssystems für die Republik G. eingeräumt, durch das

Dritte ausdrück- lich von der Gewährung entsprechender Rechte aus-

geschlossen werden. Daß diese Vereinbarung wirksam ist, kann aber

aufgrund der vorgelegten Glaubhaft- machungsmittel nicht mit

hinreichender Gewißheit festgestellt werden.

Dabei ist zunächst grundsätzlich davon auszugehen, daß die Frage

der Wirksamkeit des Vertrages vom 22. März 1991 und der sich

hieraus ergebenden Bindung allein nach dem Recht der Republik G. zu

beurteilen ist. Dies gilt unabhängig davon, ob auf die

Rechtsbeziehungen der Parteien des vorliegen- den Streitverfahrens

deutsches oder g.isches Recht anzuwenden ist. Ungeachtet dessen ist

nämlich auch bei der Anwendung von Anspruchsnormen des deutschen

sachlichen Rechts - hier des § 1 UWG im Zusammenhang mit dem

Tatbestand des Verleitens zum Vertragsbruch - inzidenter zu prüfen,

ob der zwischen dem Ministerium für Kommunikation der Republik G.

und der G.I. geschlossene Vertrag wirksam ist. Für die Anwendung

deutschen sach- lichen Rechts bei der Prüfung dieses Vertrages, der

zwischen Parteien geschlossen worden ist, die weder deutscher

Nationalität noch in Deutschland ansässig oder tätig sind und auch

sonst, soweit ersichtlich, in keiner in dem hier in Rede stehen-

den Zusammenhang bedeutsamen Beziehung zu Deutsch- land stehen, ist

kein Raum. Vielmehr kann die Wirksamkeit dieser Vereinbarung, die

zwischen Kör- perschaften bzw. Institutionen g.ischen Rechts ge-

schlossen worden ist und die in G. erfüllt werden sollte, allein

nach g.ischen Sachnormen beurteilt werden. Die g.ische Regierung

unterlag mithin nur dann einer Bindung, wenn der von ihr

geschlossene Vertrag nach dem für diesen maßgeblichen g.ischen

Recht wirksam und bindend war, nicht aber, wenn und weil dies nach

deutschem Recht der Fall ist bzw. wäre. Welche rechtlichen

Bindungen für die Republik G. durch den Vertrag entstanden sind,

kann sich deswegen allein nach g.ischem Recht richten.

bb) Die Wirksamkeit der Vereinbarung vom 22. März 1991 begegnet

durchgreifenden Bedenken. Grund hierfür ist zunächst, daß das

Kabinett der Minister der Republik von G. durch Dekret Nr. 494 vom

25. Juni 1993 (Anlage AG 1) beschlossen hat,

"die exklusive Lizenz für internationale Tele- kommunikation...

wird für null und nichtig und ohne gegenwärtige Wirkung

erklärt..."

Nach dem Wortlaut des Dekrets ist mithin zunächst von

vollständiger Nichtigkeit und Wirkungslosig- keit der

Lizenzvereinbarung vom 22. März 1991 auf die die Antragstellerin

sich beruft, auszugehen. Damit ist der Vertrag vom 22. März 1991

per Ho- heitsakt für nichtig und wirkungslos erklärt wor- den. Ob

dieses Dekret nach g.ischem Recht zu Recht ergangen ist oder nicht,

entzieht sich der Beur- teilung durch deutsche Gerichte. Als

ausländischer Staatsakt unterliegt das Dekret keiner Óberprüfung

durch die deutsche Gerichtsbarkeit, sondern ist als solcher mit den

in ihm ausgesprochenen Wirkun- gen zunächst hinzunehmen. Die

deutschen Gerichte dürfen zwar im Rahmen des internationalen

Privat- rechts auf Rechtsbeziehungen zwischen Ausländern

ausländisches Recht anwenden, sie dürfen aber nicht ausländische

Regierungsakte, die Auswirkun- gen auf die Rechtsbeziehungen zweier

Parteien ha- ben, von sich aus selbständig überprüfen oder gar

korrigieren.

Die Antragstellerin macht im Berufungsverfahren unter Hinweis

auf die Verordnung Nr. 728 des Mi- nisterkabinetts der Republik G.

vom 30. September 1993 geltend, auf den Inhalt des Dekrets Nr. 494

vom 26. Juni 1993 sei nicht abzustellen, weil es durch Verordnung

Nr. 728 wieder aufgehoben worden sei. Dieser Einwand rechtfertigt

jedoch keine im Ergebnis abweichende Beurteilung.

Es kann bereits nicht mit hinreichender Gewißheit festgestellt

werden, ob die Verordnung Nr. 728 mit dem von der Antragstellerin

behaupteten Inhalt tatsächlich ergangen ist. Die Antragsgegnerein

bestreitet dies. Zur Glaubhaftmachung hat sie ein Schreiben

vorgelegt, das - jedenfalls den vorge- legten deutsch- und

englischsprachigen Óbersetzun- gen zufolge - vom ersten

Vizeminister für Tele- kommunikation der Republik G. unterzeichnet

ist. Danach ist durch Vertreter der G.I. in fiktives Dokument

erstellt worden, das die Ànderung des vom Ministerkabinett gefaßten

Beschlusses Nr. 494 vom 25. Juni 1993 zum Inhalt hat. Dem

vorgenannten Schreiben zufolge handelt es sich dabei um eine grobe

Fälschung. Diesem durch die Vorlage von Be- legen untermauerten

Vorbringen hat die Antragstel- lerin keine eigenen

Glaubhaftmachungsmittel entge- gengesetzt.

Aber auch unabhängig hiervon läßt der auf die nach Darstellung

der Antragstellerin erlassene Verord- nung Nr. 728 gestützte

Einwand keine im Ergebnis abweichende Entscheidung zu. Ob die durch

Verord- nung Nr. 728 ausgesprochene Aufhebung auch die

Nichtigerklärung hinsichtlich der Lizenzerteilung erfaßt, kann

nämlich allein aufgrund des vorgeleg- ten Textes der Verordnung Nr.

728 nicht festge- stellt werden.

Das Dekret Nr. 494 enthält in seinem Tenor zwei Anordnungen.

Durch die erste (Ziff. 1) wird die zugunsten der G.I. erteilte

exclusive Lizenz "für null und nichtig" erklärt. Durch die zweite

Anord- nung wird verfügt, daß "die für die Registrierung des

Gemeinschaftsunternehmens... notwendigen Doku- mentationen..." der

zuständigen Stelle vorzulegen sind. In der die Aufhebung

anordnenden Verordnung Nr. 728 ist demgegenüber von der Lizenz mit

keinem Wort die Rede, sondern es wird allein von der "Staatlichen

Register-Eintragung des gemein- samen Unternehmens, G.I."

gesprochen. Damit wird deutlich die die Registrierung des

Unternehmens betreffende Ziff. 2 des Dekrets Nr. 494 angespro-

chen, ohne daß die exklusive Lizenz in irgendeiner Weise erwähnt

wird. Daß auch der die Nichtiger- klärung der Lizenzvereinbarung

betreffende Teil des Dekrets Nr. 494 durch die in der Verordnung

Nr. 728 ausgesprochene Aufhebung erfaßt sein soll- te, kann

deswegen ohne zusätzliche Klarstellung durch den Verordnungsgeber

und in Ermangelung son- stiger Anhaltspunkte nicht ohne weiteres

angenom- men werden.

cc) Soweit die Antragstellerin geltend macht, die An-

tragsgegnerin habe bereits seit November 1992, al- so lange vor

Erlaß des Dekrets vom 25. Juni 1993, alles daran gesetzt, für G.

ein alternatives Te- lefonsystem zu installieren, und könne sich

schon deswegen nicht darauf berufen, daß die Lizenzver- einbarung

per Dekret für nichtig erklärt worden sei, vermag dies nicht zu

überzeugen.

Die Antragstellerin läßt zunächst unberücksich- tigt, daß ein

Unterlassungsanspruch, wie er von ihr geltend gemacht wird, in die

Zukunft gerichtet ist. Er setzt deswegen voraus, daß sein

Tatbestand derzeit erfüllt ist und nicht lediglich in der

Vergangenheit einmal vorlag. Von einem Vertrags- bruch, zu dem im

Sinne des § 1 UWG verleitet oder der ausgenutzt werden könnte, kann

nur die Rede sein, wenn und solange die vertragliche Bindung, deren

Verletzung verhindert werden soll, tatsäch- lich und rechtlich

besteht.

Óberdies hat das Dekret Nr. 494 die Lizenzverein- barung vom 22.

März 1991 mit Wirkung von Anfang an für nichtig erklärt. Daß die

angeordnete Unwirk- samkeit nicht lediglich mit dem Tage des Dekre-

terlasses eintreten sollte, sagt die Formulierung "null und

nichtig" unmißverständlich. Mit dieser Bezeichnung wird deutlich

zum Ausdruck gebracht, daß die Lizenzvereinbarung als rechtliches

"nul- lum" behandelt werden soll, also so, als ob sie niemals

getroffen worden wäre. Wäre dagegen eine Wirkung ex nunc

beabsichtigt gewesen, so hätte es nahe gelegen, dies durch

entsprechende Wortwahl - etwa:"mit sofortiger Wirkung" o.ä. - zum

Aus- druck zu bringen. Eine die rückwirkende Nichtig- keit der

Lizenzvereinbarung annehmende Auslegung legt zudem auch die

Begründung des Dekrets nahe. Dort werden vor allem Gründe genannt,

die gege- benenfalls schon zur Zeit des Vertragsschlusses vorlagen,

wie etwa der Gesichtspunkt, daß die Ver- einbarung "knebelnd für

G." und "gegen die besten internationalen Interessen der Republik"

sei, aber auch und vor allem, daß G.I. zur Zeit der Lizen-

zerteilung nicht wirksam registriert gewesen sei und als

juristische Person nach g.ischem Recht gar nicht existiert

habe.

dd) Durchgreifende Bedenken hinsichtlich der Wirksam- keit der

exklusiven Lizenzvereinbarung bestehen aber auch unabhängig von

Umfang und Ausmaß der rechtsgestaltenden Wirkung, die sich aus dem

jeweiligen konkreten Ausspruch der beiden von den Parteien zu den

Akten gereichten Verordnungen ergibt. Selbst wenn - wie die

Antragstellerin geltend macht - die Verordnung Nr. 728 das Dekret

Nr. 494 in seinem verfügenden Ausspruch in bei- den Punkten

aufheben sollte, wäre damit allein die rechtsgestaltende Wirkung

des Dekrets besei- tigt. Die Lizenzvereinbarung betreffende

Nichtig- keitsgründe, die von Anfang an bestanden haben, entfielen

hierdurch hingegen nicht. Die Verordnung Nr. 728 ordnet nämlich

nicht etwa die Wirksamkeit des Lizenzvertrages mit Wirkung ex tunc

an, son- dern sie ist auf einen Ausspruch zu Dekret Nr. 494

beschränkt.

Als Grund für die - anfängliche - Nichtigkeit der

Lizenzabsprache ist in dem Dekret Nr. 494 unter anderem

hervorgehoben, daß G.I. zu der Zeit, als die Lizenz erteilt wurde,

als juristische Person g.ischen Rechts noch gar nicht existierte.

Diese Begründung für die Nichtigkeit der Lizenzverein- barung nach

g.ischem Recht, die im Rahmen des Eilverfahrens keiner

detaillierten Óberprüfung hat unterzogen werden können, ist durch

die von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen weder wi-

derlegt noch erschüttert.

Aufgrund der in Óbersetzung vorgelegten gutachtli- chen Àußerung

des Instituts für Recht und Politik der Akademie der Wissenschaft

der Republik G. können die vorgenannten Wirksamkeitsbedenken nicht

als ausgeräumt angesehen werden. Auch in dem Rechtsgutachten wird

nämlich davon ausgegangen, daß zur Zeit des Lizenzvertrages das

Unternehmen G.I. noch nicht bestand. Es heißt dort insoweit

u.a.:

"In dem Erlaß des Kabinetts der Minister der Republik G. ist

zutreffend erwähnt, daß zur Zeit der Vergabe der Lizenz an das

Joint Ven- ture G.I. am 22. März 1991 das Unternehmen als

Rechtspersönlichkeit nicht existierte..."

Damit wird ein maßgeblicher in dem Dekret Nr. 494 genannter

Umstand, aus dem dort die Nichtigkeit der Lizenzvereinbarung

hergeleitet wird, ausdrück- lich bestätigt. Sodann folgen nicht

etwa Ausfüh- rungen, aus denen sich ergeben könnte, daß die

Lizenzabsprache nach Ansicht der Verfasser gleich- wohl

rechtswirksam sei, sondern es heißt weiter:

"...Trotzdem teilen wir nicht die Auffassung, daß die

Verantwortung dafür bei dem Joint Venture G.I. liegt, denn die

Rechtsverletzung wurde nicht durch diese Organisation begangen,

sondern durch das Kommunikationsministerium der Republik G., das

gemäß Art. 7 der Gründungsdo- kumente sich ausdrücklich

verpflichtet hatte, die grundlegenden Dokumente vorzubereiten und

an das behördliche Register in Óbereinstimmung mit dem Gesetz zu

übergeben..."

Es schließen sich Ausführungen dazu an, daß den (g.ischen)

Gesetzen "Betreffend die Grundlagen un- ternehmerischer Tätigkeit"

und "Betreffend auslän- dische Investitionen" ein Grundsatz zu

entnehmen sei, nach welchem Unternehmen keinerlei Verantwor- tung

für die Verpflichtungen des Staates hätten. Die genannten Gesetze

enthielten das Erfordernis, daß staatliche Organisationen

Unternehmen Schäden zu ersetzen hätten, die aus einem Rechtsverstoß

dieser behördlichen Organisationen herrührten.

Diese Ausführungen sprechen nicht gegen die An- nahme, daß das -

in dem Gutachten eingeräumte - Nichtbestehen der G.I. zur Zeit der

Lizenzverein- barung nach g.ischem Recht deren Nichtigkeit zur

Folge gehabt hat. Sie lassen eher darauf schlie- ßen, daß G.I.

wegen der - nach Ansicht der Gut- achter - auf einem Rechtsverstoß

staatlicher Stel- len beruhenden und außerhalb des Verantwortungs-

bereichs des Unternehmens liegenden Mängel der Vereinbarung

Schadensersatzansprüche gegenüber dem g.ischen Staat zustehen.

dd) Läßt sich nach alledem anhand der im summarischen Verfahren

zur Verfügung stehenden Erkenntnisquel- len nicht feststellen, daß

die Regierung der Republik G. aufgrund des "Internationalen Lizenz-

und Lizenzausübungsvertrages im Bereich Telekommu- nikation" vom

22. März 1991 einer vertraglichen Bindung unterlag, zu deren Bruch

die Antragsgegne- rin im Sinne des § 1 UWG hätte verleiten können,

so läßt auch der Hinweis der Antragstellerin auf die Joint

Venture-Vereinbarung keine Entscheidung im Sinne der

Verfügungsanträge zu. Die Antragstel- lerin hebt insoweit im

Berufungsrechtszug hervor, daß die Joint Venture-Vereinbarung vom

22. März 1991 nicht durch das Dekret des Kabinetts der Minister Nr.

494 für nichtig erklärt worden sei. Hinzuzufügen ist insoweit, daß

auch die oben an- geführten Wirksamkeitsbedenken, die in der

Begrün- dung des Dekrets Nr. 494 angesprochen sind, sich, soweit

dies derzeit ersichtlich ist, nicht auf die Joint

Venture-Vereinbarung beziehen. Dies recht- fertigt jedoch keine im

Ergebnis abweichende Beur- teilung.

Soweit die Antragstellerin geltend machen will, der Tatbestand

des Verleitens zum Vertragsbruch sei deswegen erfüllt, weil die

Regierung der Republik G. jedenfalls zum Bruch der Joint-Ven-

ture-Vereinbarung verleitet worden sei bzw. habe verleitet werden

sollen, berücksichtigt sie nicht hinreichend, welches Antragsziel

sie verfolgt und welchen Inhalt der Joint-Venture-Vertrag im ein-

zelnen hat.

Mit den Verfügungsanträgen wird im Kern begehrt, der

Antragsgegnerin das Betreiben eines inter- nationalen

Telefonsystems in G. sowie darauf abzielende Akquisitionsbemühungen

gegenüber der g.ischen Regierung und dem zuständigen Ministerium zu

untersagen. Gerechtfertigt sein kann dies aber, da Wettbewerb und

Konkurrenz grundsätzlich nicht wettbewerbs- oder sittenwidrig sind,

nur, wenn und sofern derartige Aktivitäten der Antragsgegnerin auf

einen Vertragsbruch durch die Republik G. bzw. deren Regierung

abzielen. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn die g.ische

Regierung durch vertraglich bindende Einräumung eines exklusiven

Lizenzrechtes daran gehindert ist, mit Dritten in vertragliche

Beziehungen im Hinblick auf Einrich- ten und Betreiben eines

internationalen Telefon- systems einzutreten. Weder Art. II der

Joint Ven- ture-Vereinbarung, in dem der Gegenstand der Ge-

schäftstätigkeit des Gemeinschaftsunternehmens ge- regelt ist, noch

Art. IV, der die Vertragspflich- ten der g.ischen Vertragsparteien

ausspricht, ord- net jedoch die Gewährung eines ausschließlichen

Lizenzrechts zugunsten der Antragstellerin an. Insoweit findet sich

lediglich in der Präambel der Joint Venture-Vereinbarung ein

Hinweis darauf, daß an demselben Tage der G.I. durch Vertrag aus-

schließliche Rechte einzuräumen seien. Die Wirk- samkeit dieses

Vertrages kann aber - wie oben im einzelnen ausgeführt - nicht

festgestellt werden.

2. Da aus den vorstehend dargelegten Gründen nicht von einer

wirksamen vertraglichen Verpflichtung der g.ischen Regierung zur

Einräumung und Gewäh- rung einer exklusiven Lizenz im Bereich der

inter- nationalen Telekommunikation zugunsten der G.I. ausgegangen

werden kann, kann auch nicht angenom- men werden, daß das

beanstandete Verhalten der An- tragsgegnerin den Tatbestand des

Ausnutzens eines Vertragsbruchs im Sinne des § 1 UWG erfüllt. Auch

dies setzt nämlich das Bestehen einer vertragli- chen Bindung

voraus, gegen die verstoßen werden kann.

Zugleich entfallen Ansprüche aus § 826 BGB, da sich das

Verhalten der Antragsgegnerin, auch wenn der Sachvortrag der

Antragstellerin zum Vorgehen der Antragsgegnerin gegenüber der

g.ischen Regie- rung als richtig unterstellt wird, als übliche

Wettbewerbstätigkeit eines Konkurrenten darstellt. Ebensowenig kann

von einem unmittelbar betriebsbe- zogenen Eingriff in den

eingerichteten und ausge- übten Gewerbebetrieb der G.I. oder der

Antragstel- lerin die Rede sein.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräf- tig, § 545 Abs.

2 ZPO.






OLG Köln:
Urteil v. 03.12.1993
Az: 6 U 247/93


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