Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 17. Februar 1998
Aktenzeichen: 4 O 3/97

(LG Düsseldorf: Urteil v. 17.02.1998, Az.: 4 O 3/97)

Tenor

I.

Die Beklagten werden verurteilt,

1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,- DM - ersatzweise Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

Ansteuerungen zum Betrieb eines Zeitzeichenempfän-gers, der im Sekundentakt Ausgangssignale mit einer Impulslänge von nominell 0,1 oder 0,2 Sekunden ausgibt, zur Erzeugung einer exakten Zeitinformation über eine serielle Schnittstelle

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen,

bei denen die Ausgangssignale des Zeitzeichenempfängers über einen Pegelwandler an die Spannungspegel der seriellen Schnittstelle angepaßt werden und die Abtastrate der seriellen Schnittstelle so eingestellt wird, daß das Impulsende des kürzeren Ausgangssignals noch innerhalb der Übertragungszeit eines üblichen, von der Schnittstelle erwarteten Datenwortes von beispielsweise 8 Bit liegt, und bei denen die Stromversorgung für den Zeitzeichenempfänger einen Längsregeler zur Stromunterdrückung aufweist;

2.

der Klägerin darüber Rechnung zu legen,

in welchem Umfang sie

a)

die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 14. Januar 1996 begangen haben,

b)

in der Zeit vom 1. Januar 1993 bis 13. Januar 1993

Ansteuerschaltungen zum Betrieb eines DCF77 Zeitzeichenempfängers an einer RS232 oder V24 Computerschnittstelle,

bei denen zur Stromversorgung des Empfängers und der Ansteuerschaltung die Handshakeausgangsleitungen der Computerschnittstelle benutzt werden und durch einen Längsregler mit hoher Störspannungsunterdrückung aus der ungeregelten Versorgungsspannungen eine stabilisierte Versorgungsspannung für den eigentlichen DCF77 Empfänger erzeugt wird und durch einen Pegel-wandler ein bezüglich der Spannungspegel normgerechtes RS232- oder V24-Signal erzeugt wird und bei denen die Impulslänge des Empfängerausgangssignals durch Auswertung der Receiver-Daten der seriellen RS232- oder V24-Schnittstelle erfolgt und hierfür die Receiver-Datenrate nach folgendem Zusammenhang eingestellt wird:

1/I < B < 8/I

mit B als Datenrate in Bit/s,

I als Impulslänge in Sekunden,

hergestellt, angeboten, in Verkehr gebracht oder gebraucht oder zu den genannten Zwecken besessen haben,

und zwar jeweils unter Angabe

aa) der Herstellungsmengen und Herstellungszeiten,

bb) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

cc) der einzelnen Angebote, aufgeschlüselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten, Angebotspreisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebots-empfänger,

dd) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

ee) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufge-schlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Ver-schwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirt-schaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

II.

Es wird festgestellt,

daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dem Inhaber des deutschen Patentes 42 13 883 und des deutschen Gebrauchsmusters 92 05 684, Herrn Dr. Michael Gude, durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 14. Januar 1996 begangenen Handlungen und durch die zu I. 2. b) bezeichneten, in der Zeit vom 1. Januar 1993 bis zum 13. Januar 1996 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.

IV.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000,-- DM vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer in Deutschland ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin ist Inhaberin einer einfachen Lizenz an dem am 28. April 1992 angemeldeten deutschen Patent ( … ) (vgl. Anlage A 1; nachfolgend: Klagepatent), dessen eingetragener Inhaber Herr ( … ) ist. Die Anmeldung des Klagepatentes wurde am 4. November 1993 bekanntgemacht. Die Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung erfolgte am 14. Dezember 1995.

Die Klägerin ist ferner Inhaberin einer einfachen Lizenz an dem am 28. April 1992 angemeldeten deutschen Gebrauchsmuster ( … ) (vgl. Anlage 2; nachfolgend: Klagegebrauchsmuster), dessen eingetragener Inhaber ebenfalls Herr ( … ) ist. Die Bekanntmachung der Eintragung des Klagegebrauchsmusters erfolgte am 17. September 1992 im Patentblatt.

Die Klageschutzrechte, die beide in Kraft stehen, betreffen jeweils eine Ansteuerung zum Betrieb eines DCF-77-Zeitzeichenempfängers. Wegen Verletzung der Klageschutzrechte nimmt die Klägerin die Beklagten als gewillkürte Prozeßstandschafterin auf Unterlassung sowie aus abgetretenem Recht auf Rechnungslegung, Auskunftserteilung und Schadensersatz in Anspruch.

Die im vorliegenden Rechtsstreit von der Klägerin in erster Linie in Kombination geltend gemachten Ansprüche 1 und 5 des Klagepatentes haben folgenden Wortlaut:

1. Ansteuerung zum Betrieb eines Zeitzeichenempfängers (3), der im Sekundentakt Ausgangssignale mit einer Impulslänge von nominell 0,1 oder 0,2 Sekunden ausgibt, zur Erzeugung einer exakten Zeitinformation über eine serielle Schnittstelle (1),

dadurch gekennzeichnet,

daß die Ausgangssignale des Zeitzeichenempfängers (3) über einen Pegelwandler (4) an die Spannungspegel der seriellen Schnittstelle (1) angepaßt werden, und

daß die Abtastrate der seriellen Schnittstelle (1) so eingestellt wird, daß das Impulsende des kürzeren Ausgangssignals noch innerhalb der Übertragungszeit eines üblichen, von der Schnittstelle erwarteten Datenwortes von beispielsweise 8 Bit liegt.

5. Ansteuerung nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Stromversorgung für den Zeitzeichenempfänger einesn Längsregler (2) zur Störungsunterdrückung aufweist.

Wegen des Wortlauts der in diesem Rechtsstreit als besondere Ausgestaltung nach den Patentansprüchen 1 und 5 geltend gemachten Unteransprüche 2, 3, 7, 8 und 11 des Klagepatents wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.

Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters lautet wie folgt:

Ansteuerschaltung zum Betrieb eines DCF77 Zeitzeichenempfängers an einer RS232 oder V24 Computerschnittstelle,

dadurch gekennzeichnet

daß zur Stromversorgung des Empfängers und der Ansteuerschaltung die Handshakeausgangsleitungen (1) der Computerschnittschtelle benutzt werden und daß durch einen Längsregler mit hoher Störspannungsunterdrückung (5) aus der ungeregelten Versorgungsspannungen eine stabilisierte Versorgungsspannung für den eigentlichen DCF77 Empfänger (3) erzeugt wird und daß durch einen Pegelwandler (4) ein bezüglich der Spannungspegel normgerechtes RS232- oder V24-Signal erzeugt wird und daß die Impulslänge des Empfängerausgangssignals durch Auswertung der Receiver-Daten der seriellen RS232- oder V24-Schnittstelle erfolgt und hierfür die Receiver-Datenrate nach folgendem Zusammenhang eingestellt wird:

1/I < B < 8/I

mit B als Datenrate in Bit/s,

I als Impulslänge in Sekunden.

Die nachfolgend wiedergegebene Figur stammt aus der Klagepatentschrift und zeigt ein Schaltbild der erfindungsgemäßen Ansteuerung.

Eine erfindungsgemäße Ansteuerung zum Betrieb eines DCF-77-Zeitzeichenempfängers bestehend aus einem Uhrenmodul aus DCF-77-Empfänger und entsprechender Software für die Verwendung an einem PC wurde von der Klägerin bereits vor dem Prioritätstag der Klageschutzrechte (28. April 1992) beworben (vgl. Anlage B 1). Die in der Werbung der Klägerin gemäß Anlage B 1 ausgelobten Uhrenmodule mit DCF-77-Empfänger und Software für die Verwendung an einem PC bezog die Beklagte zu 1., die in erster Linie im Softwarebereich tätig ist, in der Vergangenheit von der Klägerin. So bestellte sie am 14. November 1991 bei der Klägerin eine erste erfindungsgemäße Ansteuerung, nämlich ein "Expert mouseClock Uhrenmodul zum Empfang der amtlichen Zeit mit DCF 77 (serielle Schnittstelle)" zum Preis von 173,68 DM (vgl. Anlage B 2). Das ihr daraufhin von der Klägerin gemäß Rechnung vom 18. November 1991 gelieferte "Expert mouseClock" beinhaltete insbesondere einen DCF-77-Empfänger mit Kabel und einem Stecker für die serielle Schnittstelle des Rechners (mouse) sowie die dazugehörige Software auf Diskette. Am 25. November 1991 bestellte die Beklagte zu 1. bei der Klägerin zum Preis von 100,00 DM ferner das Quellprogramm, das die Ansteuerung des Empfängers zum PC definiert (vgl. Anlage B 3). Dieses Quellprogramm wurde der Beklagten von der Klägerin mit der Erlaubnis geliefert, das Quellprogramm zu modifizieren und für beliebige eigene Zwecke zu verwenden. Zwischen den Parteien ist ferner unstreitig, daß die Klägerin der Beklagten zu 1. alle technischen Details über die Funktionsweise des Quellcodes offenlegte.

In der Folgezeit entwickelte die Beklagte zu 1. eine Netzwerksoftware, durch die das Uhrenmodul der Klägerin auch an den Server eines PC-Netzwerkes angeschlossen angeschlossen werden konnte. Diese netzwerkfähige Version wurde von der Beklagten zu 1. fortan unter der Bezeichnung "Time:LAN!" vertrieben, und zwar mit dem ihr von der Klägerin gelieferten Uhrenmodul. In der Zeit vom 28. November 1991 bis zum 30. April 1992 bezog die Beklagte zu 1. mehrere hundert (vgl. Anl. B 4) erfindungsgemäße Ansteuerungen von der Klägerin, wobei diese Lieferungen jeweils den Umfang der ersten Bestellung vom 14. November 1991 (Anlage B 2) hatten. Die in den Lieferungen enthaltene Software der Klägerin zum Betrieb an einem PC ersetzte die Beklagte zu 1. durch die von ihr entwickelte Software zur Verwendung in einem Netzwerk. Das so modifizierte und als "Time:LAN!" bezeichnete Produkt vertrieb sie sodann, und zwar bereits vor dem Prioritätstag der Klageschutzrechte (vgl. Anlagen B 5 und B 6). Parallel zu den Verkäufen fand eine Bewerbung und eine Berichterstattung in Fachzeitschriften über das von der Beklagten zu 1. angebotene Produkt "Time:LAN!" statt (vgl. Anlage B 7).

Etwa im Mai 1992 äußerte die Beklagte zu 1. gegenüber der Klägerin die Absicht, daß sie auch andere Lieferanten für das bisher von der Klägerin bezogene Uhrenmodul berücksichtigen wolle. Mit Schreiben vom 11. Mai 1992 (vgl. Anlage B 9) teilte die Klägerin der Beklagten zu 1. daraufhin mit, daß sie "wesentliche Teile" ihres Uhren-Moduls zwischenzeitlich als Patent- und Gebrauchsmuster angemeldet habe und die Beklagte zu 1. darauf achten solle, daß ein eventueller Alternativlieferant ihre Schutzrechte nicht verletze. In der Folgezeit brach die Beklagte zu 1. die zwischen ihr und der Klägerin bestehende Geschäftsbeziehung ab.

Spätestens im Jahre 1993 ging die Beklagte zu 1. dazu über, auch die bisher von der Klägerin gelieferte Hardware selbst herzustellen bzw. herstellen zu lassen, die sie von da an anstelle derjenigen der Klägerin für ihr Produkt "Time:LAN!" verwandte.

Die Beklagte zu 1., deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2. ist, bietet an und vertreibt weiterhin Ansteuerungen zum Betrieb eines DCF-77-Zeitzeichenempfängers unter der Bezeichnung "Time:LAN!", deren generelle Ausgestaltung sich aus dem von der Klägerin als Anlage 7 überreichtem Firmenprospekt der Beklagten zu 1., der als Anlage 8 von der Klägerin überreichten Fotografien der beanstandeten Ausführungsform sowie dem ebenfalls von der Klägerin als Anlage 6 zur Akte gereichten Foto einer Platine ergibt. Daneben bietet die Beklagte zu 1. eine weitere Ansteuerung an, bei der sie inzwischen die Anschlußbelegung des RS 232-Steckers der Ansteuerung geändert und für den Computer ein anderes Programm erstellt hat. Die generelle Ausgestaltung dieser neuerdings von der Beklagten vertriebenen Ansteuerung ergibt sich ebenfalls aus dem Foto gemäß Anlage 6 sowie dem von der Klägerin als Anlage 10 überreichten Diagramm, dem als Anlage 11 von der Klägerin überreichtem Firmenprospekt sowie dem von der Klägerin als Anlage 11 zur Akte gereichtem Lichtbild, das die zweite Ausführungsform ("RealTime") zeigt.

Die Klägerin sieht in Herstellung und Vertrieb dieser beiden Ausführungsformen eine Verletzung der Klageschutzrechte.

Mit ihrer am 3. Januar 1997 erhobenen Klage hat sie die Beklagten deshalb auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung und Schadensersatz in Anspruch genommen, wobei sie, was das Klagepatent anbelangt, in erster Linie den Patentanspruch 1 des Klagepatents und die Unteransprüche 2, 3, 5, 7, 8 und 11 des Klagepatentes nur "inbesondere" geltend gemacht hat (vgl. Bl. 2 bis 6 d. A.). Nunmehr macht sie hinsichtlich des Klagepatents die Patentansprüche 1 und 5 des Klagepatents in Kombination geltend.

Die Klägerin beantragt,

zu erkennen wie geschehen, insbesondere wenn zugleich die Merkmale der Unteransprüche 2, 3, 7, 8 und 11 des Klagepatentes verwirklicht sind.

Die Beklagten betragen,

die Klage abzuweisen.

hilfsweise, ihnen für den Fall der Verurteilung zur Rechnungslegung nach ihrer Wahl vorzubehalten, die Namen und Anschriften ihrer Abnehmer und Empfänger von Angeboten statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie, die Beklagten, diesen ermächtigen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, ob eine bestimmt bezeichnete Lieferung oder ein bestimmt bezeichneter Abnehmer oder ein bestimmt bezeichneter Empfänger eines Angebots in der erteilten Rechnung enthalten ist.

Sie sind der Auffassung, daß ihnen ein Vorbenutzungsrecht an den angegriffenen Ausführungsformen zusteht. Diesbezüglich machen sie unter Hinweis auf den vorstehend geschilderten Sachverhalt geltend, daß die Beklagte zu 1. bereits vor dem Prioritätstag der Klageschutzrechte erfindungsgemäße Ansteuerungen zum Betrieb eines Zeitzeichenempfängers hergestellt und vertrieben habe. Die von der Beklagten zu 1. bereits vor dem Prioritätstag der Klageschutzrechte angebotenen erfindungsgemäßen Ansteuerungen habe diese nicht nur weitervertrieben, sondern selbst herstellt und sodann vertrieben. Von der Klägerin habe die Beklagte zu 1. lediglich - was zwischen den Parteien unstreitig ist - das "schwarze Kästchen mit der darin enthaltenen Hardware" bezogen. Hiermit allein hätten ihre Abnehmer jedoch nichts anfangen können. Vielmehr habe erst die Beklagte zu 1. die Software für den Betrieb des Uhrenmoduls in einem Netzwerk entwickelt und geschaffen. Die Software sei insoweit auch Teil der Hardware, weil die Software auf Diskette verkörpert sei. Als Betriebseinheit hätten sie das Produkt "Time:LAN!" überhaupt erst ins Leben gerufen, nämlich geschaffen und als solches unter ihrem Namen auf den Markt gebracht. Durch die Entwicklung und die Aufnahme der Software sei erst das neue Produkt "Time:LAN!" für eine Ansteuerung eines Zeitzeichenempfängers in einem Netzwerk entstanden.

Die Beklagte zu 1. habe sich vor dem Prioritätstag der Klageschutzrechte auch im Erfindungsbesitz befunden. Dies gelte insbesondere auch hinsichtlich der von der Klägerin bezogenen Hardware der Ansteuerung. Für diese habe die Beklagte zu 1. eine komplizierte Software geschaffen. Zuvor habe sich die Beklagte zu 1. eingehend mit dem Quellcode der Ansteuerung des Zeitzeichenempfängers für einen PC befaßt. Es liege auf der Hand, daß bei einer solchen ausgiebigen Beschäftigung mit der Einrichtung einer Ansteuerung für einen Zeitzeichenempfänger zur Verwendung in einem Netzwerk auch die Hardware nach allen Seiten durchleutet werde und es daher zwingend sei, daß die Funktion von der Beklagten zu 1. habe erkannt werden müssen und auch erkannt worden sei.

Insbesondere müsse auch die Stromversorgung für den von ihr vertriebenen Zeitzeichenempfänger einen Längsregler zur Störungsunterdrückung aufgewiesen haben. Das Versehen der Stromversorgung mit einer hohen Störungsunterdrückung sei zudem eine Selbstverständlichkeit und Handwerk eines jeden Elektronikers. Denn es leuchte ein, daß bei einer Schnittstellenspannung von +/- 10 bis +/- 12 Volt und einer Betriebsspannung des Zeitzeichenempfängers von 1,5 Volt sichergestellt werden müsse, daß bei der Senkung durch einen Regler auf die benötigte Spannung für den Zeitzeichenempfänger nur ein solcher Regler verwandt werden dürfe, der Störung weitestgehend unterdrücke; hierzu biete sich eben ein Längsregler an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen überreichten Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

A.

Die Klägerin ist hinsichtlich sämtlicher geltend gemachter Ansprüche prozeßführungsbefugt. Den von ihr wegen Verletzung des Klagepatentes erhobenen Unterlassungsanspruch kann sie als gewillkürte Prozeßstandschafterin des Patentinhabers geltend machen, der sie hierzu unstreitig ermächtigt hat. Das erforderliche rechtliche Interesse der Klägerin an der Geltendmachung des Unterlassungsanspruches ergibt sich aus ihrer Stellung als einfache Lizenznehmerin. Hinsichtlich der ferner wegen Verletzung der Klageschutzrechte geltend gemachten Ansprüche auf Rechnungslegung und Schadensersatz ergibt sich die Klagebefugnis der Klägerin aus ihrer unstreitigen Stellung als einfache Lizenznehmerin an den Klageschutzrechten.

B.

Die Klage hat auch in der Sache Erfolg.

Denn der Klägerin stehen die gegenüber den Beklagten geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassungen, Rechnungslegung, Auskunftserteilung und Schadensersatz zu, weil die Beklagten die Klageschutzrechte mit den angegriffenen Ausführungsformen schuldhaft benutzt haben, §§ 9, 139 Abs. 1 und Abs. 2, 140 a Abs. 1 und Abs. 2 Patentgesetz (PatG), §§ 11, 24 Abs. 1 und Abs. 2, 24 b Abs. 1 und Abs. 2 Gebrauchsmustergesetz (GebrMG), §§ 242, 259, 398 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Zur Rechtfertigung ihres Verhaltens können sich die Beklagten nicht mit Erfolg auf ein privates Vorbenutzungsrecht nach § 12 PatG bzw. § 13 Abs. 3 GebrMG in Verbindung mit der vorgenannten Bestimmung des Patentgesetzes berufen.

I.

Das Klagepatent betrifft eine Ansteuerung zum Betrieb eines Zeitzeichenempfängers, der im Sekundentakt Ausgangssignale mit einer Impulslänge von nominell 0,1 oder 0,2 Sekunden ausgibt, zur Erzeugung einer exakten Zeitinformation über eine serielle Schnittstelle.

Die Klagepatentschrift führt in ihrer Einleitung aus, daß bekannte Empfänger für den Zeitzeichensender DCF-77 neben einem Empfängerbaustein aus einem Netzspannungs- oder Batteriespannungsbaustein und einem Schnittstellen-Senderbaustein bestehen. Der Schnittstellen-Senderbaustein bereitet die empfangenen Funksignale in der Weise auf, daß diese im Rechner intern verarbeitet werden können. Bei bekannten Zeitzeichenempfängern werden die Signale in digitaler Form als Datenwort an einen Rechner geleitet. Als Schnittstellen-Senderbaustein werden in den bekannten Zeitzeichenempfängern beispielsweise UART-Prozessoren verwandt. Herkömmliche Zeitzeichenempfänger besitzen somit eine bestimmte, auf den Schnittstellen-Senderbaustein und das Spannungsbauteil zurückführende Mindestgröße. Die Patentschrift gibt an, daß aus der US-Patentschrift 4 578 533 des weiteren ein Modem zum Verbinden einer EDV-Anlage mit einem Telefonnetz bekannt ist, das seine Betriebsspannung aus dem Telefonnetz bezieht und somit ein Spannungsbauteil vermeidet.

Von diesem Stand der Technik ausgehend liegt der Erfindung nach dem Klagepatent das technische Problem zugrunde, einem Zeitzeichenempfänger für das DCF-77-Signal mit minimalem Aufwand, also ohne einen sonst üblichen funkempfängerseitigen Schnittstellen-Senderbaustein zu schaffen.

Zur Lösung dieses Problems schlägt Anspruch 1 des Klagepatentes eine Ansteuerung zum Betrieb eines Zeitzeichenempfängers mit folgenden Merkmalen vor:

1.

Ansteuerung zum Betrieb eines Zeitzeichenempfängers (3), der im Sekundentakt Ausgangssignale mit einer Impulslänge von nominell 0,1 oder 0,2 Sekunden ausgibt, zur Erzeugung einer exakten Zeitinformation

2.

über eine serielle Schnittstelle (1), bei der

3.

die Ausgangssignale des Zeitzeichenempfängers (3) über einen Pegelwandler (4) an die Spannungssignale der seriellen Schnittstelle (1) angepaßt werden und

4.

die Abtastrate der seriellen Schnittstelle (1) so eingestellt wird, daß das Impulsende des kürzereren Ausgangssignals noch innerhalb der Übertragungszeit eines üblichen, von der Schnittstelle erwarteten Datenwortes von beispielsweise 8 Bit liegt.

Gemäß dem von der Klägerin hier in Kombination mit dem Patentanspruch 1 geltend gemachten Anspruch 5 des Klagepatents weist die erfindungsgemäße Ansteuerung ferner folgendes Merkmal auf:

5.

Die Stromversorgung für den Zeitzeichenempfänger weist einen Längsregler (2) zur Störungsunterdrückung auf.

Die so ausgebildete Erfindung ermöglicht ein Zurückgreifen auf einen computerinternen Schnittstellen-Baustein, der die Funktion des sonst üblichen externen Schnittstellen-Senderbausteins übernimmt. Gleichzeitig bezieht der Zeitzeichenempfänger die Betriebsspannung aus seiner seriellen Schnittstelle. Für die Versorgung des Empfängers werden die Schnittstellen-Ausgangsleitungen DTR (data set ready) und RTS (ready to send) benutzt. Infolge der geringen Stromaufnahme des Empfängers (ca. 0,5 mA) ist der Betrieb problemlos aus diesen Leitungen möglich. Da der Empfänger jedoch eine Betriebsspannung von 1,5 Volt benötigt, muß die Schnittstellen-Spannung von etwa +/- 12 Volt durch einen Regler auf die benötigte Spannung gesenkt werden. Um Störungen aus dem Rechner nicht auf den Empfänger zu übertragen, muß die Stromversorgung eine möglichst hohe Störungsunterdrückung besitzen. Dies läßt sich am einfachsten durch einen Längsregler mit hoher Störungsunterdrückung und entsprechende RC-Glieder erreichen.

Durch einen Pegelwandler wird das nur 1,5 Volt große Inpulsausgangssignal des DCF-77-Empfängers auf die benötigten +/- 10 Volt verstärkt. Der Zeitzeichenempfänger leitet den empfangenen Signalimpuls von 0,1 oder 0,2 Sekunden Inpulslänge direkt an den Rechner weiter. Der rechnerseitige Receiver (Schnittstellen-Baustein) empfängt die Impulse unterschiedlicher Länge. Der Rechner ist dabei so eingestellt, daß sein Abtasterythmus mit der Impulslänge des Zeitzeichenempfänges synchronisiert wird und die über die Rechner-Schnittstelle eingehenden Impulse als digitale Datenworte interpretiert werden. Zur Vermeidung der sonst erforderlichen Übersetzung des Zeitzeichensignals in die Form eines digitalen Signals - durch einen Schnittstellen-Senderbaustein - interpretiert der Rechner die von dem Empfänger aufgenommenen Signale auf Grund der erfindungsgemäßen Einstellung der rechnerseitigen Abfrageraten als digitale Signale. Die Abtastrate an der seriellen Schnittstelle des Computers kann dabei entweder so eingestellt werden, daß das Inpulsende beider Zeitzeichenempfängersignale innerhalb des Datenwortes oder nur das Impulsende des kürzeren Zeitzeichenimpulses und innerhalb und das Impulsende des längeren Zeitzeichenimpulses außerhalb des Datenwortes liegt. Im erstgenannten Fall können die Zeitzeichenimpulse als Datenworte mit einer unterschiedlichen Zahl von Nullen und Binsen differenziert werden. Im letzteren Fall erzeugt der kürzere Impuls ein aus Nullen und Einsen bestehendes Datenwort, während das Ende des längeren Impulses außerhalb des Datenwortes liegt und somit nur Nullen erzeugt werden.

II.

Mit den angegriffenen Ausführungsformen machen die Beklagten von der technischen Lehre des Klagepatentes Gebrauch.

Daß die Merkmale 1 - 4 der vorstehenden Merkmalsgliederung von den angegriffenen Ausführungsformen verwirklicht werden, ist zwischen den Parteien - zu Recht - unstreitig. Nichts anderes gilt für das Merkmal 5. Soweit die Beklagten dessen Verwirklichung mit ihrer Bemerkung, daß der Vortrag der Klägerin zu dem mit Patentanspruch 1 in Kombination geltend gemachten Anspruch 5 des Klagepatentes unsubstantiiert sei, bestreiten wollten, steht dem entgegen, daß sich die Verwendung eines Längsreglers zur Störungsunterdrückung im Sinne des Merkmals 5 nach den Angaben der Klägerin aus dem auf der Platine gemäß Anlage 6 erkennbaren Kondensator und der Beschreibung des von der Beklagten verwendeten Empfängers IC 2 der Firma SGS Thomson gemäß Anlage 9 ergibt. Diesem Sachvortrag der Klägerin sind die Beklagten nicht entgegengetreten.

III.

Zur Benutzung der erfindungsgemäßen Lehre sind die Beklagten nicht berechtigt. Zwar tritt nach § 12 Abs. 1 PatG die Wirkung des Patents gegen den nicht ein, der zur Zeit der Anmeldung bereits im Inland die Erfindung in Benutzung genommen oder die dazu erforderlichen Veranstaltungen getroffen hatte. Entsprechendes gilt gemäß § 13 Abs. 3 GebrMG bei einem Gebrauchsmuster. Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht erfüllt.

1.

Da das Gesetz verlangt, daß eine Erfindung Gegenstand der Benutzung ist, muß der Vorbenutzungsrechtigte am Prioritätstage im Erfindungsbesitz gewesen sein (vgl. BGH, GRUR 1960, 546, 548 - Bierhahn; GRUR 1964, 491, 493 - Chloramphenicol; GRUR 1964, 496, 497 - Formsand II; GRUR 1964, 673, 674 - Kasten für Fußabtrittsroste; 1969, 35, 36 - Europareise; Benkard/Bruchhausen, Patentgesetz/Gebrauchsmustergesetz, 9. Aufl., § 12 PatG Rdnr. 5). Das Vorbenutzungsrecht soll nur den durch Erfindungsbesitz untermauerten Besitzstand erhalten (vgl. BGH, GRUR 1964, 496, 497 - Formsand II). Wer bei Vornahme der Benutzungshandlung oder der Veranstaltung zur Benutzung den Erfindungsgedanken nicht erkannt hat, erwirbt kein Vorbenutzungsrecht (RG, GRUR 1940, 434, 436; BGH, GRUR 1964, 496, 497 - Formsand II). Erfindungsbesitz ist gegeben, wenn der Erfindungsgedanke, d. h. die Lösung des Problems, subjektiv erkannt und die Erfindung damit objektiv fertig ist (vgl. BGH, GRUR 1960, 546, 548 - Bierhahn; Benkard/Bruchhausen, a.a.O, § 12 PatG Rdnr. 5). Dabei ist es nicht erforderlich, daß der Begünstigte das, was er benutzt, für eine patentfähige Erfindung gehalten hat. Ausreichend - aber auch erforderlich - ist, daß er die Summe der Kenntnisse besessen hat, die die tatsächliche Ausführung der Erfindung ermöglicht, d. h. wenn er wußte, was er tun mußte, um den die Erfindung kennzeichnenden Erfolg zu erreichen. Der Vorbenutzer muß den Erfindungsgedanken also derart erkannt haben, daß ihm die tatsächliche Ausführung der Erfindung möglich gewesen ist (vgl. BGH, GRUR 1964, 673, 674 - Kasten für Fußabtrittsroste). Die Erfassung der wissenschaftlichen Grundlagen der technischen Lehre ist hierbei zwar nicht erforderlich (Benkard/Bruchhausen, a.a.O, § 12 PatG Rdnr. 5). Der Vorbenutzer muß aber Ursache und Wirkung der technischen Mittel erkannt haben (Benkard/Bruchhausen, a.a.O., § 12 PatG Rdnr. 5).

Daß sich die Beklagte zu 1. bereits vor dem maßgeblichen Prioritätstag der Klageschutzrechte in diesem Sinne im Erfindungsbesitz befunden hat, haben die Beklagten schon nicht schlüssig dargetan. Denn sie haben weder konkret dargelegt noch belegt, daß die Beklagte zu 1. tatsächlich erkannt hatte, daß die Stromversorgung für den von der Klägerin bezogenen Zeitzeichenempfänger einen Längsregler (2) zur Störungsunterdrückung gemäß dem Merkmal 5 aufwies. Ihrem diesbezüglichen Vorbringen kann nicht entnommen werden, daß die Beklagte zu 1. dessen Vorhandensein und Bedeutung kannte. Sie haben insoweit lediglich ausgeführt, daß auch die Stromversorgung für den Zeitzeichenempfänger einen Längsregler zur Störungsunterdrückung aufgewiesen haben müsse und das Versehen der Stromversorgung mit einer hohen Störungsunterdrückung zudem eine Selbstverständlichkeit und Handwerk eines jeden Elektronikers sei, weil es einleuchte, daß bei einer Schnittstellenspannung von +/- 10 bis +/- 12 Volt und einer Betriebsspannung des Zeitzeichenempfängers von 1,5 Volt sichergestellt werden müsse, daß bei der Senkung durch einen Regler auf die benötigte Spannung für den Zeitzeichenempfänger nur ein solcher Regler verwandt werden dürfe, der Störung weitestgehend unterdrücke, und sich hierzu eben ein Längsregler anbiete. Hieraus folgt indes nicht, daß die Beklagte zu 1. auch tatsächlich gewußt hat, daß die von der Klägerin bezogenen Zeitzeichenempfänger (Uhrenmodule) einen Längsregler im Sinne des Merkmals 5 aufwiesen. Dies ergibt sich insbesondere auch nicht aus dem pauschalen Vorbringen der Beklagten, daß bei einer ausgiebigen Beschäftigung mit der Einrichtung einer Ansteuerung für einen Zeitzeichenempfänger zur Verwendung in einem Netzwerk auch die Hardware nach allen Seiten durchleuchtet werde und es daher zwingend sei, daß die Funktion (welche €) von der Beklagten zu 1. habe erkannt werden müssen und auch erkannt worden sei.

Ein Vorbenutzungsrecht scheidet damit schon wegen des fehlenden Erfindungsbesitzes der Beklagten aus. Daß die Beklagte zu 1. nach ihren Angaben den Erfindungsgedanken gemäß dem Hauptanspruch des Klagepatents erkannt hatte, steht dem nicht entgegen. Denn das Vorbenutzungsrecht geht nicht über das, was wirklich vorbenutzt - und insoweit auch erkannt - worden ist, hinaus und erstreckt sich nicht auf zweckmäßigere und vollkommenere Ausgestaltungen, die in einem Schutzrecht gezeigt sind (vgl. Benkard/Bruchhausen, a.a.O., 9. Auflage, § 12 PatG, Rdnr. 22 mit weiteren Nachweisen). Der Vorbenutzer hat insoweit nicht das Recht, diejenigen Ausführungsformen zu benutzen, die gerade der Schutzrechtsinhaber gezeigt hat, gleichviel, ob diese besonderen Ausführungsformen gegenüber dem vorbenutzten Erfindungsgedanken erfinderisch sind oder nicht (vgl. RGZ 133, 377, 380; 153, 321, 326; RG, GRUR 1935, 157, 161).

2.

Darüber hinaus können die Beklagten sich aber auch deshalb nicht auf ein Vorbenutzungsrecht an den hier beanstandeten Ausführungsformen, die insgesamt von der Beklagten zu 1. selbst hergestellt worden sind, berufen, weil in der Herstellung und damit auch im Vertrieb der so hergestellten Ausführungsformen in jedem Falle eine unstatthafte Ausdehnung des Benutzungsrechts der Beklagten über den vorhandenen Besitzstand hinaus läge.

Unterstellt man, daß die Beklagte zu 1. sich vor dem Prioritätstag der Klageschutzrechte auch im Erfindungsbesitz hinsichtlich des Merkmals 5 befunden hat, hätte sie die Erfindung zwar bereits vor dem Prioritätsdatum im Inland in Benutzung genommen gehabt. Denn die Beklagte hat eine erfindungsgemäße Ansteuerung, die unstreitig auch das Merkmal 5 verwirklicht hat, bereits vor dem Prioritätstag der Klageschutzrechte angeboten und vertrieben. Auch läge in dem Austausch der ihr zusammen mit der Hardware von der Klägerin gelieferten Software durch die von ihr entwickelte Software, die es ermöglichte, das Uhren-Modul der Klägerin auch an ein Netzwerk und nicht nur an einen einzelnen PC anzuschließen, wohl ein Herstellen des Gegenstandes der Erfindung im Sinne des § 9 Nr. 1 PatG. Denn der Begriff des Herstellens im Sinne des § 9 PatG umfaßt die gesamte Tätigkeit, durch die das Erzeugnis geschaffen wird. Dazu rechnet grundsätzlich auch der Zusammenbau einer Vorrichtung aus von Zulieferern bezogenen und auf die geschützte Erfindung zugeschnittenen Teilen (Benkard/Bruchhausen, a.a.O., § 9 PatG Rdn. 31). Hieraus folgt indes nicht, daß den Beklagten damit nunmehr auch die Herstellung der erfindungsgemäßen Vorrichtung insgesamt, also auch des zuvor von der Klägerin bezogenen Uhren-Moduls gestattet ist. Denn der sachliche Umfang des Vorbenutzungsrechts bestimmt sich grundsätzlich nach dem bisher konkret vorgenommenen Benutzungshandlungen. So darf ein Händler anerkanntermaßen nicht zum Herstellen übergehen (Benkard/Bruchhausen, § 12 PatG Rn. 23). Hierin läge nämlich eine unstatthafte Ausdehnung es Benutzungsrechts über den vorhandenen Besitzstand hinaus. Eine unstatthafte Ausdehnung des Benutzungsrechts über den vorhandenen Besitzstand liegt aber auch dann vor, wenn der Vorbenutzer den ihm vor dem Prioritätstag vom späteren Patentinhaber selbst gelieferten Gegenstand der Erfindung lediglich ergänzt oder - wie hier - modifiziert, und die so "hergestellte" Erfindung dann weitervertreibt. Geht ein solcher Vorbenutzer in der Folgezeit dazu über, den Gegenstand der Erfindung insgesamt selbst herzustellen oder herstellen zu lassen, nimmt er eine Benutzungshandlung vor, die er so vor dem maßgeblichen Prioritätstag nicht vorgenommen hat. Ein solches "Herstellen" geht über das hinaus, was der Vorbenutzer bereits vor dem Prioritätstag getan hat. Auch hierin liegt eine unstatthafte Ausdehnung des Benutzungsrechts über den vorhandenen Besitzstand hinaus. Dies muß jedenfalls dann gelten, wenn der Vorbenutzer den Gegenstand der Erfindung - wie hier - zuvor vom Erfinder selbst bezogen hatte.

Die von den Beklagten für ihre gegenteilige Auffassung in Anspruch genommene Entscheidung des Bundesgerichtshofes "Chloramphenicol" (GRUR 1964, 491) steht dem im übrigen nicht entgegen. Denn in dieser Entscheidung wird weder gesagt, daß ein Händler, der den Gegenstand der Erfindung bisher angeboten und vertrieben hat, auch zu dessen Herstellung übergehen darf, noch wird in dieser gesagt, daß derjenige, der den Gegenstand der Erfindung zuvor vom Erfinder insgesamt bezogen und modifiziert oder abgewandelt hat, nach Patenterteilung auch befugt ist, die Vorrichtung insgesamt selbst herzustellen.

III.

1. Da die Beklagten den Gegenstand des Klagepatents rechtswidrig benutzt haben, sind sie der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet, § 139 Abs. 1 PatG. Eine Zuerkennung der geltend gemachten Unteransprüche des Klagepatentes ist entsprechend der ständigen Rechtsprechung der Kammer entbehrlich, weil diese nicht in Kombination zum Hauptanspruch, sondern lediglich "insbesondere" geltend gemacht werden.

2. Die Beklagten haben der Klägerin außerdem aus abgetretenem Recht Schadensersatz zu leisten, §§ 139 Abs. 2 PatG, § 24 Abs. 2 GebrMG in Verbindung mit § 398 BGB. Denn als Fachunternehmen hätte die Beklagte zu 1) die Patent- und Gebrauchsmusterverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB, und das gleiche gilt für den Beklagten zu 2., der als ihr gesetzlicher Vertreter für die Beachtung absoluter Rechte Dritter Sorge zu tragen hatte und nach § 840 Abs. 1 gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 1. haftet.

Unter Berücksichtigung des den Beklagten entsprechend der ständigen Rechtsprechung der Kammer (vgl. z. B. GRUR 1993, 812, 817 Signalübertragungsvorrichtung) zuzubilligenden Prüfungszeitraumes von einem Monat seit der Veröffentlichung der Patenterteilung, vor dessen Ablauf eine schuldhafte Gebrauchsmusterverletzung nicht in Betracht kommt, besteht die Schadensersatzpflicht der Beklagten aus § 139 Abs. 2 PatG ab dem 14. Januar 1996.

Für den Zeitraum vom 1. Januar 1993 bis 13. Januar 1996 ergibt sich der Schadensersatzanspruch aus § 24 Abs. 2 GebrMG. Denn die Beklagten haben mit den angegriffenen Ausführungsformen, wie sich aus dem Vortrag der Klägerin zu den geltend gemachten Patentansprüchen ergibt und zwischen den Parteien im übrigen unstreitig ist, auch von der Lehre des Klagegebrauchsmusters Gebrauch gemacht. Das Klagegebrauchsmuster erfüllt unstreitig die in § 1 Abs. 1 GebrMG niedergelegten Voraussetzungen für die Zuerkennung des Gebrauchsmusterschutzes; neben seiner gewerblichen Anwendbarkeit ist es gegenüber dem Stand der Technik neu und beruht auch auf einem erfinderischen Schritt.

Da es hinreichend wahrscheinlich ist, daß dem Inhaber der Klageschutzrechte durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin jedoch noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.

3. Außerdem sind die Beklagten zur Rechnungslegung verpflichtet, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch beziffern zu können, § 242 BGB. Denn die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

Dem Begehren der Beklagten, ihr über den eingeräumten Wirtschaftsprüfervorbehalt auch nachzulassen, die Namen und Anschriften ihrer gewerblichen Abnehmer einem vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, kann die Kammer nicht entsprechen. Der Anspruch auf Angabe der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer ergibt sich auch aus § 140b PatG, § 24b GebrMG, und der Zweck des in diesen Vorschriften normierten erweiterten Auskunftsanspruchs, dem Verletzten weitere als Beteiligte an der Schutzrechtsverletzung in Betracht kommende Personen namhaft zu machen, zu denen auch die gewerblichen Abnehmer gehören, verlangt es, daß der Verletzte ihrer Namen und Anschriften unmittelbar und ohne Zwischenschaltung eines Wirtschaftsprüfers mitgeteilt bekommt. Andernfalls müßte er sich die Namen und Anschriften von dritter Seite besorgen und könnte beim Wirtschaftsprüfer lediglich nachfragen, ob die von ihm anderweitig recherchierten Angaben in der Rechnungslegung enthalten sind. Gerade an dieser Stelle soll der erweiterte Auskunftsanspruch die Lage des verletzten Schutzrechtsinhabers verbessern. Die Beklagten hätten deshalb Gründe dafür darlegen müssen, weshalb die Mitteilung der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer im Streitfall unverhältnismäßig sein soll. Allein der Umstand, daß es sich bei den Parteien um Wettbewerber handelt, ist dafür nicht hinreichend.

4. Gemäß § 140b PatG, § 24b GebrMG haben die Beklagten schließlich über den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen. Die nach Absatz 2 dieser Vorschrift geschuldeten Angaben sind in der Urteilsformel zu I. 2 mit den Angaben zusammengefaßt, die zum Zwecke der Rechnungslegung zu machen sind.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 Satz 1, 108 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert beträgt 300.000,-- DM.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 17.02.1998
Az: 4 O 3/97


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/a9b36a563a19/LG-Duesseldorf_Urteil_vom_17-Februar-1998_Az_4-O-3-97




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