Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. August 2004
Aktenzeichen: 5 W (pat) 451/03

(BPatG: Beschluss v. 26.08.2004, Az.: 5 W (pat) 451/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

In dieser Gerichtsentscheidung geht es um die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen einen Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung II des Deutschen Patent- und Markenamts. Die Antragsgegnerin ist Inhaberin eines Gebrauchsmusters zur Durchführung einer Wärmebehandlung von fließfähigen Medien. Die Antragstellerin hat die vollständige Löschung des Gebrauchsmusters beantragt, da sie der Meinung ist, dass das Gebrauchsmuster nicht auf einem erfinderischen Schritt beruht und die Schutzfähigkeit fehlt. Die Gebrauchsmusterabteilung hat daraufhin die Löschung des Gebrauchsmusters angeordnet. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin. Sie verteidigt das Gebrauchsmuster mit neuen Schutzansprüchen. Das Bundespatentgericht kommt jedoch zu dem Schluss, dass die Schutzansprüche des Gebrauchsmusters nicht schutzfähig sind, da sie nicht auf einem erfinderischen Schritt beruhen. Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird daher zurückgewiesen und sie trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 26.08.2004, Az: 5 W (pat) 451/03


Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß der Gebrauchsmusterabteilung II des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. April 2003 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des durch Abzweigung aus der deutschen Patentanmeldung 197 33 280.3 mit dem Anmeldetag 1. August 1997 am 16. November 2000 eingetragenen deutschen Gebrauchsmusters 297 24 324, für das die Anmeldeunterlagen am 18. Juli 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht wurden. Die Schutzdauer des Gebrauchsmusters wurde auf 8 Jahre verlängert.

Der Eintragung liegen die mit den Anmeldeunterlagen am 18. Juli 2000 eingereichten Schutzansprüche 1 bis 17 mit Beschreibung und 2 Figuren zugrunde. Schutzanspruch 1 lautet wie folgt:

Vorrichtung zur Durchführung einer Wärmebehandlung von fließfähigen Medien, wobei die Medien zum Zwecke einer Erwärmung bis zu einem Maximum und anschließender Rückkühlung unter Anwendung eines indirekten Wärmeaustausches bei in Temperaturänderungsphasen im wesentlichen gleichbleibendem Verhältnis der Temperaturänderung pro Zeiteinheit mit im wesentlichen konstanter Fließgeschwindigkeit durch ein Rohr/Wärmetauscher-System gepumpt werden, wobei das Wärmetauscher-System Röhrenwärmetauscher mit auf ein normales der Temperaturänderung pro Zeiteinheit angepaßte Anzahl von durch das zu behandelnde fließfähige Medium durchflossenen Innenrohren mit einem angepaßten Durchmesser in einem vom Wärmetauschermedium durchströmten Außenrohr aufweist, gekennzeichnet durchwenigstens einen Röhrenwärmetauscher mit einer Röhrenanzahl von Innenrohren mit verkleinertem Durchmesser im Vergleich zu den übrigen Röhrenwärmetauschern.

Die Antragstellerin hat mit ihrem am 26. Juni 2001 eingereichten Schriftsatz die vollständige Löschung des Gebrauchsmusters beantragt und diesen Antrag auf den Löschungsgrund der fehlenden Schutzfähigkeit gem § 15 Abs 1 Nr 1 GebrMG gestützt. Sie hat insbesondere die Auffassung vertreten, das Gebrauchsmuster beruhe nicht auf einem erfinderischen Schritt. Weiter hat die Antragstellerin vorgetragen, daß der Gegenstand des Gebrauchsmusters zwischen dem 12. und 15. Januar 1993 bei der B... GmbH in R..., in offenkundiger Weise vorbenutzt worden sei.

Der Löschungsantrag wurde der Antragsgegnerin am 16. Juli 2001 zugestellt. Die Erklärung, mit der sie dem Antrag in vollem Umfang widersprochen hat, ging am 2. August 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt ein.

Im patentamtlichen Löschungsverfahren hat die Antragstellerin zum Stand der Technik auf folgende Druckschriften hingewiesen:

(D1) WO 97/00 025 A1

(D2) GB 2 120 528 A

(D3) EP 36 124 A2

(D4) DE 195 00 421 A1 Die Gebrauchsmusterabteilung II hat weiter

(DX) EP 214 618 A2 in das Verfahren eingeführt. Mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2002, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 4. Oktober 2002, hat die Antragsgegnerin neue Schutzansprüche eingereicht, nämlich als "Hauptantrag" bezeichnete Schutzansprüche 1 bis 16 und weitere als "Hilfsantrag" bezeichnete Schutzansprüche. In der mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung II am 9. April 2003 hat die Antragsgegnerin das Gebrauchsmuster im Hauptantrag mit den Schutzansprüchen 1 bis 16 in der Fassung des Hauptantrages aus ihrem Schriftsatz vom 4. Oktober 2002 verteidigt und einen Hilfsantrag gestellt.

Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag aus der mündlichen Verhandlung vom 9. April 2003 hatte folgenden Wortlaut:

Vorrichtung zur Durchführung einer Wärmebehandlung von fließfähigen Medien, wobei die Medien zum Zwecke einer Erwärmung bis zu einem Maximum und anschließender Rückkühlung unter Anwendung eines indirekten Wärmeaustausches bei in Temperaturänderungsphasen im wesentlichen gleichbleibendem Verhältnis der Temperaturänderung pro Zeiteinheit mit im wesentlichen konstanter Fließgeschwindigkeit durch ein Rohr/Wärmetauscher-System gepumpt werden, wobei das Wärmetauscher-System Röhrenwärmetauscher mit auf ein normales der Temperaturänderung pro Zeiteinheit angepaßter Anzahl von durch das zu behandelnde fließfähige Medium durchflossenen Innenrohren mit einem angepaßten Durchmesser in einem vom Wärmetauschermedium durchströmten Außenrohr aufweist, wobei die Vorrichtung wenigstens einen Röhrenwärmetauscher mit einer Röhrenanzahl von Innenrohren mit verkleinertem Durchmesser im Vergleich zu den übrigen Röhrenwärmetauschern aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß der Wärmetauscher mit den einen verglichen mit den übrigen Röhrenwärmetauschern verkleinerten Innendurchmesser aufweisenden Innenrohren eine bezogen auf eine gegebene Wärmetauscherlänge vergrößerte Wärmeübertragungsfläche aufweist.

Die Gebrauchsmusterabteilung II hat mit Beschluß vom 9. April 2003 die Löschung des Gebrauchsmusters angeordnet. Sie hat das Gebrauchsmuster nach Haupt- und Hilfsantrag nicht für schutzfähig gehalten und ihre Entscheidung an erster Stelle mit der Entgegenhaltung (DX) begründet.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin. Sie hat am 9. Dezember 2003 einen Schriftsatz eingereicht mit neuen Schutzansprüchen in den Fassungen eines "Hauptantrages" und dreier "Hilfsanträge". Schutzanspruch 1 in der Fassung des "Hilfsantrages 1" vom 9. Dezember 2003 lautet:

Vorrichtung zur Durchführung einer Wärmebehandlung von fließfähigen Medien, wobei die Medien zum Zwecke einer Erwärmung bis zu einem Maximum und anschließender Rückkühlung unter Anwendung eines indirekten Wärmeaustausches bei in Temperaturänderungsphasen im wesentlichen gleichbleibendem Verhältnis der Temperaturänderung pro Zeiteinheit mit im wesentlichen konstanter Fließgeschwindigkeit durch ein Rohr/Wärmetauscher-System gepumpt werden, wobei das Wärmetauscher-System Röhrenwärmetauscher mit auf ein normales der Temperaturänderung pro Zeiteinheit angepaßte Anzahl von durch das zu behandelnde fließfähige Medium durchflossenen Innenrohren mit einem angepaßten Durchmesser in einem vom Wärmetauschermedium durchströmten Außenrohr aufweist, gekennzeichnet durchwenigstens einen Röhrenwärmetauscher mit einer im Vergleich zu den übrigen Röhrenwärmetauschern größeren Röhrenanzahl von Innenrohren mit im Vergleich zu den übrigen Röhrenwärmetauschern verkleinertem Durchmesser, wobei der wenigstens eine Röhrenwärmetauscher mit größerer Innenrohranzahl eine bezogen auf eine gegebene Wärmetauscherlänge vergrößerte Wärmeübertragungsfläche aufweist.

Schutzanspruch 1 in der Fassung des "Hilfsantrages 2" vom 9. Dezember 2003 lautet:

Vorrichtung zur Durchführung einer Wärmebehandlung von fließfähigen Medien, wobei die Medien zum Zwecke einer Erwärmung bis zu einem Maximum und anschließender Rückkühlung unter Anwendung eines indirekten Wärmeaustausches bei in Temperaturänderungsphasen im wesentlichen gleichbleibendem Verhältnis der Temperaturänderung pro Zeiteinheit mit im wesentlichen konstanter Fließgeschwindigkeit durch ein Rohr/Wärmetauscher-System gepumpt werden, wobei das Wärmetauscher-System Röhrenwärmetauscher mit auf ein normales der Temperaturänderung pro Zeiteinheit angepaßte Anzahl von durch das zu behandelnde fließfähige Medium durchflossenen Innenrohren mit einem angepaßten Durchmesser in einem vom Wärmetauschermedium durchströmten Außenrohr aufweist, gekennzeichnet durchwenigstens zwei vom gesamten Mediumstrom nacheinander durchströmbar angeordnete Röhrenwärmetauscher mit je einer im Vergleich zu den übrigen Röhrenwärmetauschern größeren Röhrenanzahl von Innenrohren mit im Vergleich zu den übrigen Röhrenwärmetauschern verkleinertem Durchmesser, wobei die Röhrenwärmetauscher mit größerer Innenrohranzahl jeweils eine bezogen auf eine gegebene Wärmetauscherlänge vergrößerte Wärmeübertragungsfläche aufweisen.

In der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren am 26. August 2004 hat die Antragsgegnerin neue Schutzansprüche 1 bis 16 in der Fassung von Hilfsantrag 5 vom selben Tage eingereicht. Schutzanspruch 1 in dieser Fassung lautet:

Vorrichtung zur Durchführung einer Wärmebehandlung von fließfähigen Medien, wobei die Medien zum Zwecke einer Erwärmung bis zu einem Maximum und anschließender Rückkühlung unter Anwendung eines indirekten Wärmeaustausches bei in Temperaturänderungsphasen im wesentlichen gleichbleibendem Verhältnis der Temperaturänderung pro Zeiteinheit mit im wesentlichen konstanter Fließgeschwindigkeit durch ein Rohr/Wärmetauscher-System gepumpt werden, wobei das Wärmetauscher-System Röhrenwärmetauscher mit auf ein normales der Temperaturänderung pro Zeiteinheit angepaßte Anzahl von durch das zu behandelnde fließfähige Medium durchflossenen Innenrohren mit einem angepaßten Durchmesser in einem vom Wärmetauschermedium durchströmten Außenrohr aufweist, gekennzeichnet durchwenigstens einen Röhrenwärmetauscher mit wenigstens 19, vorzugsweise 37, Innenrohren mit im Vergleich zu den übrigen Röhrenwärmetauschern verkleinertem Durchmesser, wobei der wenigstens eine Röhrenwärmetauscher eine bezogen auf eine gegebene Wärmetauscherlänge vergrößerte Wärmeübertragungsfläche aufweist.

Zum Wortlaut der Schutzansprüche 2 bis 16 nach Hilfsantrag 1 vom 9. Dezember 2003, sowie zum Wortlaut der Schutzansprüche 2 bis 14 nach Hilfsantrag 2 vom selben Tage und zum Wortlaut der Schutzansprüche 2 bis 16 nach Hilfsantrag 5 vom 26. August 2004 wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin räumt ein, daß die Merkmale des Oberbegriffs des Schutzanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 vom 9. Dezember 2003 aus der dem Gebrauchsmuster am nächsten kommenden (DX) bekannt sind, hält aber für entscheidungserheblich, daß die Merkmale des kennzeichnenden Teils nicht aus (DX) hervorgingen. Um die Aufgabe des Streitgebrauchsmusters zu lösen, nämlich die thermischen Belastungen des zu behandelnden Mediums bei einem indirekten Erhitzungsverfahren zu verringern und damit die sensorischen Qualitäten des Produktes zu verbessern, habe es im Stand der Technik vielfältige Lösungsansätze gegeben. Der Fachmann, ein Verfahrenstechniker, der sich mit der Behandlung flüssiger Nahrungsmittel beschäftigte und um die Vermeidung von thermischen Belastungen des Produktes wisse, habe nur Rohrbündelwärmetauscher mit einer gleich großen Anzahl an Innenrohren in Betracht gezogen, weil bei einer größeren Anzahl an Innenrohren die Gefahr der Krustenbildung an den Wänden durch Ausfallstoffe des Produktes, z.B. Milch, zunehme. Mit der Lösung gemäß Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 vom 9. Dezember 2003 sei dieses technische Vorurteil überwunden worden und eine Vorrichtung mit wenigstens einem Röhrenwärmetauscher mit einer im Vergleich zu den übrigen Röhrenwärmetauschern größeren Röhrenanzahl von Innenrohren mit im Vergleich zu den übrigen Röhrenwärmetauschern verkleinertem Durchmesser bereitgestellt worden, wobei der wenigstens eine Röhrenwärmetauscher mit größerer Innenrohranzahl eine bezogen auf eine gegebene Wärmetauscherlänge vergrößerte Wärmeübertragungsfläche aufweise. Damit könne die Prozeßzeit deutlich verringert werden, und es sei eine Erhitzung in der Hochtemperaturphase in kürzester Zeit möglich, wobei durch die deutlich erhöhte Fließgeschwindigkeit eine Krustenbildung an den Wänden des Röhrenwärmetauschers verhindert werde. Die Aufteilung gemäß (DX) bei gleichbleibender Anzahl an Innenrohren pro Wärmetauscher im Hochtemperaturbereich in Teilströme bringe nur einen begrenzten Nutzen, da die Wärmeübertragungsfläche gleich bleibe und die Verringerung des Innendurchmessers der Innenrohre der Wärmetauscher im Hochtemperaturbereich lediglich dazu diene, unveränderte Fließgeschwindigkeiten in allen Bereichen des Strömungsweges sicherzustellen. Um eine Verkürzung der Prozeßzeit auf ca. 20 Sekunden wie beim Streitgebrauchsmuster zu erreichen, wären bei einer Vorrichtung gemäß (DX) 8,4 Teilströme erforderlich, was technisch nicht praktikabel wäre. Dazu hat die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vom 26. August 2004 Berechnungen zu Wärmeübertragungsflächen und Fließgeschwindigkeiten der Vorrichtungen gemäß (DX) und Streitgebrauchsmuster vorgelegt. Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 vom 9. Dezember 2003 beruhe damit auf einem erfinderischen Schritt.

Das gleiche gelte für die Gegenstände der jeweiligen Schutzansprüche 1 in der Fassung des Hilfsantrages 2 vom 9. Dezember 2003 und in der Fassung des Hilfsantrages 5 vom 26. August 2004. Mit dem Merkmal, daß wenigstens zwei Röhrenwärmetauscher mit größerer Röhrenanzahl mit verringertem Innendurchmesser vom gesamten Medienstrom nacheinander durchströmbar angeordnet seien, werde der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 in der Fassung des Hilfsantrages 2 vom 9. Dezember 2003 zusätzlich gegenüber (DX) abgegrenzt, und Wärmetauscher mit wenigstens 19 Innenrohren gemäß Schutzanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrages 5 vom 26. August 2004 seien aus (DX) nicht bekannt.

Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß, den Beschluß der Gebrauchsmusterabteilung II des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 9. April 2003 aufzuheben und den Löschungsantrag der Antragstellerin im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 16 nach Hilfsantrag 1 vom 9. Dezember 2003 zurückzuweisen (im folgenden: Hauptantrag);

hilfsweise: den Löschungsantrag im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 14 in der Fassung des Hilfsantrages 2 vom 9. Dezember 2003 zurückzuweisen (im folgenden: Hilfsantrag I);

hilfsweise: den Löschungsantrag im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 16 in der Fassung des Hilfsantrages 5 vom 26. August 2004 zurückzuweisen (im folgenden: Hilfsantrag II).

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält das Gebrauchsmuster auch in den jetzt verteidigten Fassungen nach Hauptantrag und den Hilfsanträgen I und II für nicht schutzfähig und hat noch auf

(D9) DE 94 03 913 U1 hingewiesen.

Zum weiteren Vorbringen der beiden Verfahrensbeteiligten wird Bezug genommen auf die Akten.

II Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Denn der Löschungsantrag ist begründet, weil der geltend gemachte Löschungsgrund der fehlenden Schutzfähigkeit (§ 15 Abs 1 Nr 1 GebrMG) besteht.

1. Die mit dem Hauptantrag und den beiden Hilfsanträgen verteidigten Schutzansprüche sind zulässig, denn ihre Gegenstände gehen nicht über die der eingetragenen Schutzansprüche hinaus und beruhen im übrigen auf dem in den Anmeldeunterlagen als erfindungswesentlich Offenbarten. Gleichzeitig gehen sie nicht über die Gegenstände der Schutzansprüche hinaus, die die Antragsgegnerin mit ihrem Hauptantrag in der mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung II verteidigt hat. Die Gegenstände der Schutzansprüche 1 bis 16 nach Hauptantrag lassen sich aus den eingetragenen Schutzansprüchen 1 bis 17 und aus S 3 Abs 5 und S 5 Abs 4 der der Eintragung zugrundeliegenden Unterlagen ableiten. Die mit Hilfsantrag I verteidigten Schutzansprüche 1 bis 14 gehen ebenfalls auf die eingetragenen Schutzansprüche 1 bis 17 und S 3 Abs 5 und S 5 Abs 4 der der Eintragung zugrundeliegenden Unterlagen zurück. Die mit Hilfsantrag II verteidigten Schutzansprüche 1 bis 16 gehen auf die eingetragenen Schutzansprüche 1 bis 17 und S 5 Abs 4 sowie S 7 Abs 3 und 4 der der Eintragung zugrundeliegenden Unterlagen zurück.

2. Dem Streitgebrauchsmuster liegt die Aufgabe zugrunde, eine Vorrichtung zur Durchführung einer Wärmebehandlung anzugeben, die ermöglicht, daß die thermischen Belastungen des zu behandelnden Mediums trotz Anwendung eines indirekten Erhitzungsverfahrens verringert und damit die sensorischen Qualitäten des Produktes verbessert werden (DE 297 24 324 U1, S 3 Abs 3).

Gelöst wird diese Aufgabe durch den Gegenstand des jetzt noch verteidigten Schutzanspruchs 1 nach Hauptantrag mit folgenden Merkmalen:

1. Vorrichtung zur Durchführung einer Wärmebehandlung von fließfähigen Medien, 2. wobei die Medien zum Zwecke einer Erwärmung durch ein Rohr/Wärmetauscher-System gepumpt werden, 3. bis zu einem Maximum und anschließender Rückkühlung 4. unter Anwendung eines indirekten Wärmetausches 5. bei in Temperaturänderungsphasen im wesentlichen gleichbleibendem Verhältnis der Temperaturänderung pro Zeiteinheit 6. mit im wesentlichen konstanter Fließgeschwindigkeit, wobei 7. das Wärmetauscher-System Röhrenwärmetauscher einer auf ein normales der Temperaturänderung pro Zeiteinheit angepaßten Anzahl von durch das zu behandelnde fließfähige Medium durchflossenen Innenrohren mit einem angepaßten Durchmesser in einem vom Wärmetauscher durchströmten Außenrohr aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß

8. wenigstens ein Röhrenwärmetauscher Innenrohre mit im Vergleich zu den übrigen Röhrenwärmetauschern verkleinertem Durchmesser aufweist, wobei 8.a der wenigstens eine Röhrenwärmetauscher eine im Vergleich zu den übrigen Röhrenwärmetauschern größere Röhrenanzahl von Innenrohren hat, und 9. der wenigstens eine Röhrenwärmetauscher eine bezogen auf eine gegebene Wärmetauscherlänge vergrößerte Wärmeübertragungsfläche aufweist.

3. Der für die Bewertung maßgebende Fachmann ist ein Ingenieur der Verfahrenstechnik, der sich mit der Behandlung flüssiger Nahrungsmittel beschäftigt und um die Vermeidung von thermischen Belastungen der Produkte Bescheid weiß.

4. Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nach Hauptantrag ist nicht schutzfähig, weil er nicht auf einem erfinderischen Schritt beruht (§ 1 GebrMG).

Die Entgegenhaltung (DX) kommt dem Gebrauchsmuster am nächsten. Dieser Entgegenhaltung (DX) liegt dieselbe Aufgabe zugrunde. Aus dieser Druckschrift ist eine Vorrichtung zur Durchführung einer Wärmebehandlung von fließfähigen Medien mit allen Merkmalen des Oberbegriffs des Schutzanspruchs 1 nach Hauptantrag, also den Merkmalen 1 bis 7 gemäß Merkmalsanalyse, bekannt, wie die Antragsgegnerin selbst einräumt. Weiter wird gemäß (DX) entsprechend Merkmal 8 des Schutzanspruchs nach Hauptantrag wenigstens ein Röhrenwärmetauscher mit Innenrohren mit im Vergleich zu den übrigen Röhrenwärmetauschern verkleinertem Durchmesser eingesetzt (Sp 4 Z 46 bis 55 iVm Sp 2 Z 51 bis Sp 3 Z 4).

Gelöst wird die Aufgabe bei der aus (DX) bekannten Vorrichtung dadurch, daß der Produktstrom in mindestens zwei Teilströme, in denen jeweils gleiche Rohrbündelwärmetauscher mit verkleinertem Innendurchmesser angeordnet sind, verzweigt und dann wieder vereinigt wird (Anspruch 5 iVm Sp 4 Z 20-29 und Z 46-50). Diese in den mindestens zwei Teilströmen angeordneten Rohrbündelwärmetauscher mit verkleinertem Innendurchmesser weisen dabei jeweils die gleiche Anzahl an Innenrohren wie die übrigen Wärmetauscher der Vorrichtung auf (Sp 4 Z 46 bis 55 iVm Sp 2 Z 51 bis Sp 3 Z 4). Schon diese Lösung mit einer dann in mindestens zwei parallel angeordneten Röhrenwärmetauschern erhöhten, d. h. mindestens verdoppelten Anzahl an Innenrohren gegenüber den übrigen vor dem Hochtemperaturbereich angeordneten Röhrenwärmetauschern, führt zu einer Verringerung der Prozeßzeit im Hochtemperaturbereich (vgl Sp 5 Z 28 bis 31 und Fig 3 bis 6 der DX), was zu einer wesentlichen Minderung der Wärmebelastung des behandelten Produktes und damit einer wesentlichen Verbesserung seiner Qualität führt. Dies macht die Antragsgegnerin auch für die Vorrichtung gemäß Schutzanspruch 1 des Gebrauchsmusters nach Hauptantrag geltend. Um ausgehend von (DX) eine weitere Lösung der zugrundeliegenden Aufgabe bereitzustellen und zum Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nach Hauptantrag zu gelangen, brauchte der Fachmann lediglich in handwerklicher Weise die Innenrohre mit dem verkleinerten Durchmesser statt in zwei parallelen Röhrenwärmetauscher in einem Röhrbündelwärmetauscher anzuordnen, was zwangsläufig zum Merkmal 8.a gemäß Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag führt. Durch diese Anordnung der Innenrohre mit verkleinertem Innendurchmesser in einem Röhrenwärmetauscher ergibt sich dann zwangsläufig auch das Merkmal 9 gemäß Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag, wonach der wenigstens eine Röhrenwärmetauscher mit einer erhöhten Anzahl von Innenrohren mit verkleinertem Durchmesser eine bezogen auf eine gegebene Wärmetauscherlänge vergrößerte Wärmeübertragungsfläche aufweist. Bei (DX) soll zwar die Wärmeübergangsgesamtfläche im Hochtemperaturbereich mit den parallel in Teilströmen angeordneten Röhrenwärmetauschern mit Innenrohren mit verkleinertem Innendurchmesser der einer entsprechenden Vorrichtung mit einteiliger Stromführung annähernd gleich sein (Sp 5 Z 11 bis 16), auch zeigen die von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung überreichten Berechnungen, daß die Wärmeübertragungsfläche, bezogen auf eine Wärmetauscherlänge, d.h. auf einen Röhrenwärmetauscher im Teilstrom, bei (DX) sogar verkleinert ist; in der Summe der mindestens 2 parallel angeordneten Röhrenwärmetauscher ergibt sich aber auch bei (DX) eine vergrößerte Wärmetauscherfläche entsprechend Merkmal 9 des Schutzanspruchs 1 nach Hauptantrag.

Ausgehend von (DX) war daher keine erfinderische Leistung erforderlich, um zum Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nach Hauptantrag zu gelangen. Vielmehr konnte der Fachmann die technische Lehre dieses Schutzanspruches auf der Grundlage seines durchschnittlichen Fachwissens und einer routinemäßigen Auswertung des Standes der Technik entwickeln. Einem solchen Vorgehen, bei dem in einer gattungsgemäßen Vorrichtung ein Röhrenwärmetauscher mit einer vergrößerten Anzahl an Innenrohren mit verkleinertem Durchmesser vorgesehen wurde, standen auch keine technische Voreingenommenheit oder - wie die Antragsgegnerin formuliert hat - technischen Vorurteile entgegen. Denn aus den in den Jahren 1995 und 1994, also nur 2 bzw. 3 Jahre vor dem Anmeldetag des Streitgebrauchsmusters, offengelegten bzw. bekanntgemachten Druckschriften (D4) und (D9) sind besonders ausgestaltete Röhrenwärmetauscher für die Durchführung einer Wärmebehandlung von fließfähigen Medien im Nahrungsmittelbereich bekannt. Mit den Wärmetauschern gemäß (D4) kann durch Innenrohre mit sehr engem Strömungsquerschnitt, wie sie gemäß Streitgebrauchsmuster eingesetzt werden, das zu behandelnde Medium sehr schnell erhitzt werden (Zusammenfassung iVm Sp 2 Z 66 bis Sp 3 Z 12), was zu der von der Antragsgegnerin besonders herausgestellten, gegenüber (DX) weiter verkürzten Prozeßzeit führt. Die Röhrenwärmetauscher gemäß (D9) weisen bereits beispielsweise 19 Innenrohre auf (Fig 2), sodaß der Fachmann nicht gehindert war, die in (DX) verwendete Anzahl von 7 Innenrohren zu vergrößern.

Die nachgeordneten Schutzansprüche 2 bis 16 werden von dem Löschungsausspruch zum Hauptantrag erfaßt. Für diese Ansprüche ist ein eigenständiger schutzfähiger Gehalt nicht geltend gemacht worden und auch sonst nicht erkennbar. Die Gegenstände dieser Schutzansprüche sind, wie bereits im Beschluß der Gebrauchsmusterabteilung II ausgeführt, weitgehend aus (DX) bekannt bzw übersteigen nicht das handwerkliche Können des Fachmanns oder betreffen Verfahrensmerkmale, die schon deshalb nicht schutzfähig sind.

5. Das Gebrauchsmuster ist auch nicht mit den Schutzansprüchen 1 bis 14 in der Fassung nach dem Hilfsantrag I schutzfähig. Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 in der hier in Rede stehenden Fassung beruht nämlich ebenfalls nicht auf einem erfinderischen Schritt.

In der hier in Rede stehenden Fassung enthält Schutzanspruch 1 gegenüber dem Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag das zusätzliche Merkmal, daß wenigstens zwei vom gesamten Mediumstrom nacheinander durchströmbar angeordnete Röhrenwärmetauscher mit vergrößerter Anzahl an Innenrohren mit verkleinertem Innendurchmesser angeordnet sind. Auch bei (DX) werden mehrere Wärmetauscher mit verkleinertem Innendurchmesser hintereinandergeschaltet (Fig 2 iVm Sp 4 Z 20 bis 45). Das Zusammenfassen dieser bei (DX) im Teilstrom parallel angeordneten Wärmetauscher gemäß Streitgebrauchsmuster führt dann zwangsläufig dazu, daß die zusammengefaßten Wärmetauscher auch vom gesamten Mediumstrom nacheinander durchflossen werden, sodaß auch dieses Merkmal vom Offenbarungsgehalt von (DX) umfaßt wird.

Die nachgeordneten Schutzansprüche 2 bis 14 gemäß Hilfsantrag I teilen das Schicksal des Schutzanspruchs 1.

6. Schließlich ist das Gebrauchsmuster auch nicht mit den Schutzansprüchen nach dem Hilfsantrag II schutzfähig. Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 in der hier in Rede stehenden Fassung beruht gleichfalls nicht auf einem erfinderischen Schritt.

Der Schutzanspruch 1 enthält das Merkmal im kennzeichnenden Teil, daß die Vorrichtung wenigstens einen Röhrenwärmetauscher mit wenigstens 19, vorzugsweise 37, Innenrohren mit im Vergleich zu den übrigen Röhrentauschern verkleinertem Durchmesser aufweist. In (DX) werden zwar keine Röhrenwärmetauscher mit einer so großen Anzahl an Innenrohren beschrieben, aus (D9) sind aber, wie vorstehend erläutert, Röhrenwärmetauscher mit beispielsweise 19 Innenrohren bekannt. Der Fachmann konnte also in vorgegebener Weise den wenigstens einen Röhrenwärmetauscher mit der im Schutzanspruch 1 nach dem Hilfsantrag II angegebenen Anzahl an Innenrohren auslegen und in der Vorrichtung gemäß Hilfsantrag II einbauen.

Die nachgeordneten Schutzansprüche 2 bis 16 gemäß Hilfsantrag II teilen das Schicksal des Schutzanspruchs 1.

7. Bei dieser Sachlage kam es auf die Frage einer möglichen offenkundigen Vorbenutzung nicht mehr an.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs 2 Satz 2 GebrMG iVm § 84 Abs 2 Satz 1 und 2 PatG und iVm § 91 Abs 1 ZPO. Die Billigkeit erfordert keine andere Entscheidung.

Werner Dr. Gerster Dr. Schuster Pr






BPatG:
Beschluss v. 26.08.2004
Az: 5 W (pat) 451/03


Link zum Urteil:
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