Landgericht Bonn:
Urteil vom 4. September 2003
Aktenzeichen: 14 O 110/03

(LG Bonn: Urteil v. 04.09.2003, Az.: 14 O 110/03)

Tenor

Die einstweilige Verfügung durch Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 26.06.2003 - 10 O ..... - wird wie folgt abgeändert und neugefasst:

Der Antragsgegnerin wird verboten, die Beförderung und Zustellung der bei der Antragstellerin abgeholten, bei einer Annahmestelle der Antragsgegnerin zur Beförderung und Zustellung eingelieferten sowie von der Antragstellerin nach den Bedingungen der Antragsgegnerin freigemachten Sendungen zu verweigern,

soweit es Sendungen betrifft, deren Bestimmungsort in C bzw. dem näheren Umland liegt und die mit einer Ausgangsfrankierung der Antragstellerin versehen und anschließend mit einer Frankierung der Antragsgegnerin überklebt worden sind,

sofern nicht hierauf bezogen der Verdacht auf eine ausgeschlossene Sendung gemäß Ziffer 2 Abs. 3 Satz 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin für den Briefdienst Inland (AGB Briefkommunikation national) besteht und die Antragstellerin auf Verlangen der Antragsgegnerin Angaben hierzu verweigert,

insbesondere wenn dies geschieht wie im Schreiben der Antragsgegnerin vom 20.06.2003:

Vertriebsdirektion

Àffentlicher Sektor

Telefax

An / To Q AG

z. Hd. Frau S

Ihr Zeichen Your reference

fax ....... Datum / Date 20.06 2003

Von / From Geschäftsbereich Vertrieb

Unser Zeichen

Telefon

Telefax

Betrifft Ablehnung der Beförderung von lizenzwidrigen

Sendungen

Subject

Sehr geehrte Frau S,

aufgrund des HIN+ WEG-Vertrages vom 08.01.2003 übernehmen wir auf Ihrem Betriebsgelände X täglich erhebliche Sendungsmengen und speisen diese im Briefzentrum in unsere Beförderungskette ein. Unter den betreffenden Sendungen befindet sich regelmäßig eine Vielzahl von Standard- und Kompaktbriefen, deren Bestimmungsort in C bzw. dem näheren Umland liegt. Die Sendungen sind mit einer Ursprungsfrankierung Ihres Unternehmens versehen und anschließend mit einer Frankierung der E AG überklebt.

Wir haben konkrete Anhaltspunkte dafür, dass diese Sendungen nicht im Rahmen der Ihnen auferlegten Lizenzbedingungen befördert werden. Die von Ihnen zu erbringenden Dienstleistungen, die von Universaldienstleistungen trennbar sein müssen, besondere Leistungsmerkmale aufzuweisen haben und quatitativhöherwertig sein müssen, können bei Beförderung und Zustellung durch die E AG nicht eingehalten werden, da im Rahmen des Universaldienstes u.a. das von Ihnen zu garantierende Zustellzeitziel nicht zu erbringen ist. Wir sind daher gezwungen, die betreffenden Sendungen ab sofort nicht mehr zu befördern. Wir werden heute die aus unserer Sicht lizenzwidrigen Sendungen von den übrigen uns zur Beförderung überlassenen Sendungen separieren und ihnen zur Abholung auf dem Betriebsgelände der Niederlassung C Südost - Großannahmestelle, bereithalten. Für die Zukunft haben wir Sie aufzufordern, uns derartige Sendungen nicht weiter zur Beförderung zu überlassen. Sollten wir in Zukunft im Rahmen von Stichprobenprüfungen weiterhin lizenzwidrige Sendungen ausmnachen, werden wir diese ebenfalls von den übrigen Sendungen separieren und Ihnen per Fax mitteilen, wo diese zur Abholung bereitgestellt. sind.

Wir bitten um Ihr Verständnis für diese Maßnahme.

Mit freundlichen Grüßen

Vertriebsdirektor

es sei denn, die Antragsgegnerin ist aus anderen Gründen zur Leistungsverweigerung berechtigt.

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

Im Óbrigen wird die einstweilige Verfügung durch Beschluss vom 26.06.2003 - 10 O .....- aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Antragsgegnerin 2/3, die Antragstellerin 1/3.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Antragstellerin darf die Zwangsvollstreckung auch zu einem Teilbetrag abwenden, wenn sie Sicherheit i. H. v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beiden Parteien dürfen eine Sicherheitsleistung auch durch die schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts bewirken.

Tatbestand

Die Antragstellerin ist Inhaberin einer Lizenz "zur gewerbsmäßigen Beförderung von Briefsendungen", wegen deren Inhalt und Abänderungen die Anlagen zur Antragsschrift (Ast 2 ff.) und die Anlagen 3 ff. zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 16.07.2003 in Bezug genommen werden. Von der Erlaubnis umfasst ist u. a.

die Erbringung von Dienstleistungen, die von Universaldienstleistungen trennbar sind, besondere Leistungsmerkmale aufweisen und qualitativ höherwertig sind (§ 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG),..." (Lizenz vom 02.08.1999, S. 2).

Unter Ziffer 3 werden acht "Merkmale" dieser Dienstleistung aufgeführt. Danach heisst es:

"Die o. a. Dienstleistung erfüllt - solange und soweit sie zumindest die Merkmale (1) bis (5) umfasst und als Tätigkeit in einem wesentlichen Teil des Bundesgebiet ausgeübt wird - die Tatbestandsmerkmale des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG. Sie berührt damit nicht die befristete gesetzliche Exklusivlizenz der E AG nach § 51 PostG."

Mit Schreiben der Regulierungsbehörde vom 28.11.2001 wurden die "Merkmale" unter Ziffern (1) und (2) neu gefasst und ausgeführt:

"Die Dienstleistung erfüllt auch mit dem vorstehenden Element die Tatbestandsmerkmale des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG. Sie berührt auch auf diese Weise nicht die befristete gesetzliche Exklusivlizenz der E AG nach § 51 PostG."

Wegen der weiteren Lizenzerweiterung vom 27.08.2002 wird auf die Anlage Ast 4 (Bl. 21 d. A.) verwiesen.

Die Antragstellerin befördert ca. 140.000 Briefe pro Tag im Rahmen dieser Lizenz, von denen sie 1.000 bis 5.000 - nach dem Vortrag der Antragsgegnerin: 15.000 bis 20.000 Sendungen pro Woche, ausgezählt: 73.433 in vier Wochen - durch die Antragsgegnerin befördern ließ und lässt. Dies geschieht auf der Grundlage einer am 08.01.2003 geschlossenen "Vereinbarung über den Bring- und Abhol-Service für Postsendungen (HIN + WEG)"; diesem Vertrag liegen zugrunde die "AGB für den Bring-Service und Abhol-Service für Postsendungen" und diejenigen für den Briefdienst Inland. In Ziffer 2 Abs. 2 der letztgenannten AGB erklärt die Antragsgegnerin, keine Verträge über die Beförderung von

Sendungen, deren Inhalt..., Beförderung oder Lagerung gegen ein gesetzliches oder behördliches Verbot verstößt...

schließen zu wollen. In Ziffer 2 Abs. 3 heisst es sodann:

Entspricht eine Sendung hinsichtlicher ihrer Beschaffenheit...oder in sonstiger Weise nicht den in Abschnitt 1 Abs. 2 genannten Bedingungen oder diesen AGB, so steht es der E frei,

die Annahme der Sendung zu verweigern oder eine bereits übergebene/übernommene Sendung zurückzugeben oder zur Abholung bereit zu halten oder...

Entsprechendes gilt, wenn bei Verdacht auf ausgeschlossene Sendungen oder auf sonstige Vertragsverstöße der Absender auf Verlangen der E Angaben dazu verweigert.

Die Antragstellerin musste bei Einlieferung bei der Antragsgegnerin die Sendungen frankieren, wodurch sie ein höheres Entgelt zahlen musste als sie von ihren Auftraggebern verlangt hatte. Die Antragsgegnerin konnte 70 - 90 % der ihr übergebenen Briefsendungen erfolgreich zustellen.

Die Antragsgegnerin hat in der Zeit vom 24.03 - 11.04.2003 bei der Antragstellerin insgesamt 104 Testbriefe eingeliefert. Wegen ihrer Behauptungen, die zu ihrem Schluss führen, die Antragstellerin erfülle die Lizenzbedingungen nur zu einem untergeordneten Teil, wird auf Seiten 6 ff. des Schriftsatzes vom 16.07.2003 (Bl. 59 ff. d. A.) verwiesen. Von diesen Testsendungen hat die Antragstellerin lediglich vier bei der Antragsgegnerin eingeliefert. Mit Schreiben vom 20.06.2003 (Anlage Ast 11 = Bl. 34 d. A.) teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie die Standard- und Kompaktbriefe, deren Bestimmungsort in C bzw. dem näheren Umland liege und die mit einer Ursprungsfrankierung der Antragstellerin und sodann mit ihrer, der Antragsgegnerin, Frankierung überklebt seien, "ab sofort nicht mehr" befördern werde, denn: "Wir haben konkrete Anhaltspunkte dafür, dass diese Sendungen nicht im Rahmen der Ihnen auferlegten Lizenzbedingungen befördert werden"; sie gewährte der Antragstellerin weder eine Frist zur Stellungnahme noch eine Übergangsfrist.

Die Antragstellerin hat durch die eidesstattliche Versicherung ihres Vorstands Dr. G (Anlage 7 = Bl. 27 d. A.) folgende Behauptungen glaubhaft gemacht:

Der Grund für die Unzustellbarkeit von 1.500 - 5.000 Briefsendungen täglich liege in der Sphäre der jeweiligen Empfänger, insbesondere aufgrund unkorrekter Zustelladressen, verzogener Empfänger und verschlossener Treppenhäuser. Durchgängig würden in solchen Fällen weitere Zustellversuche unternommen - entweder durch eigene Mitarbeiter oder durch Übergabe der Sendungen an die Antragsgegnerin.

Bereits der Weggang weniger Großkunden aufgrund der Weigerung der Antragsgegnerin, Briefsendungen zu befördern, würde sie in ihrer Existenz bedrohen.

Die Antragstellerin hat zunächst in der Sache beantragt,

der Antragsgegnerin zu verbieten, die Beförderung und Zustellung der von ihr, der Antragsgegnerin, bei ihr, der Antragstellerin abgeholten, bei ihrer Annahmestelle zur Beförderung und Zustellung eingelieferten sowie von ihr nach ihren, der Antragsgegnerin - Bedingungen freigemachten Sendungen zu verweigern.

Die 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn hat die einstweilige Verfügung durch Beschluss vom 26.06.2003 mit dem Zusatz erlassen,

...aus dem Grunde zu verweigern, dass Anhaltspunkte für einen möglichen Verstoß der Antragstellerin gegen die ihr von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post auferlegten Lizenzbedingen bestehen.

Die Antragstellerin beantragt nunmehr,

- wie erkannt -.

Die Antragsgegnerin stellt den Antrag,

den Beschluss des Landgerichts Bonn vom 26.06.2003 - 10 O ..... - aufzuheben und den Erlass auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin vertritt die Ansicht, die Lizenz verbiete der Antragstellerin die Weitergabe von, nach einem Zustellversuch nicht zustellbaren, Sendungen an einen anderen Dienstleister; mit der Einlieferung bei ihr, der Antragsgegnerin, realisiere sich der Lizenzverstoß der Antragstellerin, weil diese keine qualitativ höherwertigen Leistungen erbringe, sondern - über sie, die Antragsgegnerin, - nur eine Universaldienstleistung. Die Antragstellerin habe Zugriff auf 99 % der Umzugsdatenbank; drei ihrer Mitarbeiter seien damit beschäftigt, Schlüssel für die Häuser mit Briefkästen im Treppenhaus zu besorgen. Die Einlieferungen der Antragstellerin bei ihr, der Antragsgegnerin, dienten dazu, das Zustellungsnetz zu entlasten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden verwiesen.

Gründe

Aufgrund des zulässigen (§§ 936, 924 Abs. 1 ZPO) Widerspruchs der Antragsgegnerin war über die Rechtmäßigkeit der einstweiligen Verfügung zu verhandeln und gemäß § 925 ZPO durch Endurteil zu entscheiden. Dieses führt zu einer Abänderung des Beschlusses vom 26.06.2003 im tenorierten Umfang; insoweit ist der Antrag der Antragstellerin zum Schluss der mündlichen Verhandlung zulässig und begründet, weil sie einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht, soweit das Vorliegen eines Verfügungsgrundes nicht gemäß § 25 UWG vermutet wird.

Bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit war die Kammer nicht an die Beurteilung der 10. Zivilkammer am 26.06.2003 gebunden, insbesondere nicht an die sich aus dem Beschluss ergebende Beurteilung, dass lediglich Anhaltspunkte für einen möglichen Verstoß der Antragstellerin gegen die ihr von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post auferlegten Lizenzbedingungen bestehen. Der Streitgegenstand ergibt sich vielmehr aus dem - in der mündlichen Verhandlung vom 04.09.2003 abgeänderten - Antrag der Antragstellerin und dem vorgetragenen Lebenssachverhalt. Hiernach streiten sich die Parteien über die Rechtmäßigkeit der Leistungsverweigerung der Antragsgegnerin gemäß Ziffer 2 Abs. 3 der AGB für den Briefdienst Inland der Antragsgegnerin. Dieses Leistungsverweigerungsrecht setzt die Antragsgegnerin seit dem Zugang des Schreibens vom 20.06.2003 - ausgesetzt seit Zustellung der einstweiligen Verfügung vom 26.06.2003 - dem Anspruch der Klägerin aus dem hierbei geschlossenen Beförderungsverträgen (Ziffer 2 Abs. 1 AGB Briefdienst Inland) gemäß Ziffer 4 der AGB für den Briefdienst Inland, Ziffer 2 der AGB für den Bring-Service und Abhol-Service für Postsendungen auf Beförderung der eingelieferten Sendungen entgegen.

I.

Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin einen Unterlassungsanspruch aus dem jeweils geschlossenen Beförderungsvertrag, dass die Antragsgegnerin aus den im Tenor aufgeführten Gründen die Beförderung nicht verweigert. Der Antragsgegnerin steht nämlich ein Leistungsverweigerungsrecht, insbesondere ein solches gemäß Ziffer 2 Abs. 3 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen, aus den von ihr benannten Gründen nicht zu; weitere Gründe hat sie nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht.

Dabei verkennt die Kammer nicht, dass nach ganz überwiegender Auffassung diejenigen Unterlassungspflichten, die nur Kehrseite der positiven Leistungspflicht sind, nicht einklagbar sein sollen, weil es im Ermessen des Schuldners stehe, wie er die Leistung bewirken will, und es häufig viele Varianten korrekten Leistungsverhaltens gebe. Eine Ausnahme wird jedoch dann anerkannt, wenn in der Abwicklung eines Leistungsprogramms aufgrund eines eindeutigen Fehlverhaltens des Schuldners eine ernsthafte Gefährdung des Leistungserfolgs droht und insoweit das Leistungsermessen des Schuldners auf 0 reduziert ist, andererseits dem Gläubiger mit einem Schadensersatzanspruch nicht gedient ist (vgl. Münchener Kommentar - Roth, 3. Auflage, Randnote 141 zu § 242; Münchener Kommentar - Kramer, Randnote 10 zu § 241; Staudinger-Jürgen Schmidt, 13. Bearbeitung 1995, Randnoten 334 ff.; Köhler AcP 190 (1990), 504 ff.). Gerade die beiden Letztgenannten halten jedenfalls dann einen Unterlassungsanspruch für gegeben, wenn hierfür ein schutzwürdiges Interesse vorhanden und eine Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr gegeben ist; Ersteres ist im Umfang des Schreibens der Antragsgegnerin vom 20.06.2003 unstreitig anzunehmen. Das schutzwürdige Interesse der Antragstellerin folgt daraus, dass ein bestimmt gefasster Leistungsantrag im Hinblick auf das Zurückbehaltungsrecht der Antragsgegnerin - wenn überhaupt - schwierig zu formulieren sein dürfte und nicht in das Leistungsermessen der Antragsgegnerin eingegriffen wird.

Der Antragsgegnerin steht ein Leistungsverweigerungsrecht bezüglich der im Tenor näher beschriebenen von der Antragstellerin eingelieferten Briefsendungen nicht zu, weil sie nicht glaubhaft gemacht hat, dass sie, die Antragstellerin, mit der Beförderung dieser Sendungen gegen ein gesetzliches oder behördliches Verbot verstößt (Ziffer 2 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Ziffer 2 Abs. 2 Nr. 1 AGB Briefdienst Inland). Mit der Aufgabe zur Beförderung dieser Briefsendungen verstößt die Antragstellerin nicht gegen die ihr erteilte Lizenz gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG.

Die Auslegung der in der vorgenannten Vorschrift enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe ist Gegenstand zahlreicher und verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen. Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post als Ausstellerin der postrechtlichen Lizenzen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 PostG) hat zur Ausfüllung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe einen Katalog erstellt, der als Hinweis der Lizenz der Antragstellerin vom 02.08.1999 beigefügt worden und mit der Erweiterung vom 28.11.2001 verändert worden ist. Dieser Katalog ist für die Antragstellerin und die Beurteilung der Kammer maßgebend. Die Antragsgegnerin hat weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin durch die streitgegenständlichen Briefsendungen gegen die "Merkmale" des Kataloges verstößt.

Die Testbriefsendungen der Antragsgegnerin i. V. m. den dazu vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen des für diese Aktion zuständigen Sachbearbeiters sowie von drei Kunden sind hierzu nicht geeignet. Unabhängig davon, ob der Zeitraum der Testbriefaktion ausreicht, um einen generellen Verstoß gegen die Lizenzbedingungen durch die Antragstellerin glaubhaft zu machen (vgl. dazu OLG Düsseldorf GRUR 2001, 539, 541), ist der Vortrag unerheblich: wie im Termin vom 04.09.2003 im Einzelnen erörtert, ist in diesem Verfahren nicht darüber zu entscheiden, ob die Antragstellerin generell und systematisch gegen ihre Lizenz verstößt, sondern ob die Übergabe von Briefsendungen in der im Tenor und im Schreiben vom 20.06.2003 näher beschriebenen Qualität einen Lizenzverstoß darstellt, und daraus das Leistungsverweigerungsrecht der Antragsgegnerin folgt.

Die sogenannte "D-Lizenz" nach § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG (siehe lit. d.) der Lizenz vom 02.08.1999) hat zur Voraussetzung die Trennbarkeit der lizenzierten Postdienstleistungen von der von der Antragsgegnerin erbrachten Universaldienstleistung sowie besondere Leistungsmerkmale und qualitative Höherwertigkeit der lizenzierten Postdienstleistung. Unter Ziffer 3. der vorgenannten Lizenz i. V. m. der Erweiterung vom 28.11.2001 erfüllt eine Dienstleistung mit dem Element

werktägliche Abholung von Briefsendungen bei den Auftraggebern, Zustellung dieser Sendungen

am Tag der Abholung und/oder

bei Abholung bei dem Auftraggeber nach 17:00 Uhr bis spätestens 12:00 Uhr des folgenden Werktages und/oder

zu einem vom Auftraggeber im Einzelfall festgelegten Termin, nicht jedoch an dem auf die Abholung folgenden Werktag

u. a. "die Tatbestandsmerkmale des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG. Zusammenfassend unterscheiden Geschwindigkeit, Zuverlässigkeit und Haftung aus dem Frachtvertrag die Leistungen des Lizenznehmers von denjenigen des Universaldienstleisters, der Antragsgegnerin (vgl. OLG Naumburg GRUR 2001, 534; OLG Jena NJW 1999, 3053). Maßstab für die Bewertung als höherwertige Dienstleistung ist immer der Vergleich mit der im Inland erbrachten Universaldienstleistung, mit anderen Worten: die Dienstleistungen des Lizenznehmers dürfen von dem Universaldienstleister, der Antragsgegnerin, nicht angeboten werden (OLG Naumburg und OLG Jena a. a. O.; EuGH NVwZ 1993, 847 - Corbeau -). Maßgeblich dafür ist der Inhalt der Lizenz; solange die Lizenz nicht aufgehoben worden ist, ist die Frage der Rechtmäßigkeit für das Zivilgericht belanglos und nicht zu prüfen; solange sich die Antragstellerin im Rahmen der ihr erteilten Lizenz hält, hat die Antragsgegnerin die Briefbeförderung schon deshalb zu dulden, weil sie genehmigt ist (vgl. OLG Düsseldorf GRUR 2001, 539, 540; LG Neuruppin NJW 2000, 746). Dabei ist nicht nur die Verpflichtung der Antragstellerin als Lizenznehmerin zu berücksichtigen, wie sie sie gegenüber ihren Kunden bei Abschluss des Frachtvertrages eingeht, sondern auch die tatsächliche Durchführung der Dienstleistung, nämlich wie diese tatsächlich erbracht wird (vgl. zu § 1 UWG: OLG Naumburg a. a. O., 537). Abzustellen ist dabei auf die höherwertige Dienstleistung, nicht jedoch auf den tatsächlichen Erfolg in Form der tatsächlichen Ablieferung des Gutes: unbeschadet der Haftung des Frachtführers für die Überschreitung der Lieferfrist gemäß § 425 Abs. 1 HGB und des Haftungsausschlusses gemäß § 426 HGB, der bei Ablieferungshindernissen i. S. v. § 419 HGB zum Tragen kommen kann, kann von der Antragstellerin keine unmögliche Leistung verlangt werden, wenn sie eine rechtzeitige Zustellung auch bei der Einhaltung größter Sorgfalt nicht vermeiden konnte, etwa in den von ihr behaupteten Fällen, dass der Empfänger verzogen, unauffindbar oder ihr Ablieferungsvorrichtungen innerhalb der mit dem Absender vereinbarten Frist, nicht zugänglich gemacht worden sind (vgl. insoweit Ziffer 4 der AGB der Antragsgegnerin zu deren vertraglichen Vereinbarungen in solchen Fällen). Daraus folgt:

Hat die Antragstellerin bei den Sendungen, die sie bei der Antragsgegnerin eingeliefert hat, vor der Einlieferung einen Zustelluversuch, der im Einklang mit der Lizenz steht, unternommen, und scheiterte die Zustellung aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen - ob es der Einhaltung der größten Sorgfalt i. S. v. § 426 HGB bedurfte, ist hier nicht zu entscheiden -, hat sie nicht lizenzwidrig gehandelt. Die Antragstellerin hat durch die eidesstattliche Versicherung des Dr. G vom 25.06.2003 glaubhaft gemacht, dass die Unzustellbarkeit auf der Sphäre der jeweilige Empfänger beruht hat. Die für das Bestehen ihres Leistungsverweigerungsrechtes beweispflichtige Antragsgegnerin hat demgegenüber nicht zur Überzeugung der Kammer glaubhaft gemacht, dass Zustellungsversuche nicht stattgefunden haben.

Ein lizenzwidriges Handeln der Antragstellerin ergibt sich nicht allein daraus, dass sie Sendungen, deren Ablieferung gescheitert ist, zum Zwecke eines weiteren Zustellversuchs bei der Antragsgegnerin einliefert. Die Auffassung der Antragsgegnerin, die Lizenz gestatte ihr, der Antragstellerin, die Weitergabe an einen anderen Dienstleister nicht, findet in der Lizenz keinen Anhalt. Gemäß Ziffer 3.1 (6) der Lizenz vom 02.08.1999 umfasst die Dienstleistung nach § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG u. a. das Merkmal: drei weitere Zustellversuche bei erfolgloser erster Zustellung. Wie sich aus Satz 2 der vorgenannten Ziffer der Lizenz, aber auch - mit großer Eindeutigkeit - aus der Lizenzerweiterung vom 28.11.2001 ergibt, wurde diese Dienstleistung von der Antragstellerin im Rahmen der Erfüllung der Auflagen der Lizenz nicht zwingend gefordert. Die Prozessbevollmächtigten haben in der mündlichen Verhandlung die Ziffern (6) bis (8) der Ziffer 3.1 denn auch übereinstimmend als "optional" bezeichnet. Musste die Antragstellerin aufgrund der Lizenz diese Dienstleistung - drei weitere Zustellversuche bei erfolgloser erster Zustellung - nicht erbringen, musste sie sie erst recht nicht eigenhändig, d. h. durch in ihrem Betrieb angestellte Kräfte, erbringen. Letzeres würde selbst dann gelten, wenn drei weitere Zustellversuche nach einer erfolglosen ersten Zustellung von der Regulierungsbehörde gefordert worden wären: In der Lizenz ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, wie die drei weiteren Zustellversuche ausgeführt werden müssen oder sollen. Grundsätzlich ist die Unterscheidung zwischen Betriebszugehörigen und anderen Gehilfen dem Frachtrecht nicht fremd (vgl. § 428 HGB, Artikel 3 CMR). Bei Betriebszugehörigen kann wieder unterschieden werden zwischen Angestellten und Arbeitern im dienst- oder arbeitsrechtlichen Sinn - und Aushilfskräften, Leiharbeitnehmern, mitarbeitenden Familienangehörigen u. a.. Diese diffizile Unterscheidung wollte der Lizenzgeber augenscheinlich nicht vornehmen; jedenfalls geht dies aus den vorgelegten Urkunden nicht hervor. Daraus folgt, dass es der Antragstellerin für jeden weiteren Zustellversuch nach einem lizenzgerechten ersten Zustellversuch freistand, wessen Hilfe sie sich bei Ausführung der Beförderung bedienen wollte: ihrer "Leute" oder anderer Personen, wozu auch ausführende Frachtführer wie die Antragsgegnerin (vgl. § 437 HGB), für die es gang und gäbe ist, sich selbst ausführender Frachtführer zu bedienen, zu beauftragen.

Zusammengefasst durfte die Antragsgegnerin die Leistung aus den Gründen des Schreibens vom 20.06.2003 nicht verweigern, weil dessen Gründe einen Rückschluss auf die Einlieferung von Sendungen, deren Beförderung gegen ein gesetzliches oder behördliches Verbot verstießen, nicht rechtfertigten; solche Gründe hat die Antragsgegnerin auch in diesem Verfahren weder hinreichend dargelegt noch glaubhaft gemacht. Das Leistungsverweigerungsrecht durfte auch nicht auf den Verdacht auf ausgeschlossene Sendungen gegründet werden: ein Verdacht (Argwohn, Vermutung) muss auf konkrete Tatsachen gegründet sein, um Relevanz im Sinne von Ziffer 2 Abs. 3 der AGB der Antragsgegnerin Briefdienst Inland zu begründen; nicht jede in sich unschlüssige Vermutung kann einen solchen Verdacht begründen. An diesem fehlt es, weil die Antragsgegnerin nicht darlegen kann, dass die Antragstellerin bezüglich der eingelieferten Sendungen keinen lizenzgerechten Zustellversuch unternommen hat. Zudem hat die Antragsgegnerin sich nicht an ihre eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen gehalten, weil sie die Antragstellerin nicht zu Angaben im Hinblick auf ihren Verdacht aufgefordert hat.

II.

Die Antragstellerin hat einen Anspruch aus § 1 UWG, die Leistungsverweigerung zu unterlassen - ebenfalls im tenorierten Umfang. Ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1 UWG setzt voraus, dass das zu beurteilende Verhalten eine Handlung im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs darstellt, dass diese Handlung gegen die guten Sitten verstößt und dass der Anspruchsteller Gläubiger des Unterlassungsanspruchs ist; in diesem Fall wäre aufgrund der bereits ausgesprochenen Leistungsverweigerung eine Wiederholungsgefahr gegeben.

Die Antragstellerin ist aktivlegitimiert. Die Parteien stehen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis im Sinne von § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UWG. Sie erbringen Dienstleistungen auf dem Sektor des Postdienstes; sie haben denselben Kundenkreis. Dagegen spricht auch nicht, dass die Antragsgegnerin ihre Dienstleistung aufgrund der ihr zustehenden Exklusivlizenz nach § 51 Abs. 1 Satz 1 PostG und die Antragstellerin ihre Dienstleistung aufgrund einer Ausnahmelizenz erbringt: diese unterschiedlichen Wirkungskreise bewirken nach wohl überwiegender Meinung eine Abgrenzung unterschiedlicher sachlich relevanter Märkte und nicht nur die Abgrenzung von Dienstleistungen innerhalb eines Postdienstleistungsmarktes (vgl. Herdegen in: Beck´scher Kommentar zum PostG, § 4 Randnote 84). Die Antragsgegnerin darf aufgrund ihrer Exklusivlizenz auch Dienstleistungen im dem nach § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG für andere Dienstleister offenen Bereich der höherwertigen Dienstleistungen erbringen.

Die Weigerung der Antragsgegnerin, die eingelieferten Briefsendungen zu befördern, ist eine Handlung im geschäftlichen Verkehr. Eine solche wird bei Gewerbetreibenden vermutet. Die Antragsgegnerin handelt im relevanten Wettbewerbsbereich gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 PostG rein privatrechtlich.

Die Antragsgegnerin handelt zu Zwecken des Wettbewerbs. Von einem solchen Handeln ist auszugehen, wenn in objektiver Hinsicht ein Verhalten vorliegt, das geeignet ist, den Absatz oder den Bezug einer Person zum Nachteil einer anderen zu begünstigen und wenn der Handelnde dabei subjektiv mit Absicht vorgeht, den eigenen oder einen fremden Wettbewerb zum Nachteil eines anderen zu fördern, sofern diese Absicht nicht völlig hinter anderen Beweggründen zurücktritt (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. BGH GRUR 1981, 658, 659 f.). Das zu beurteilende Verhalten der Antragsgegnerin liegt darin, dass sie die Beförderung der Briefsendungen verweigert und dadurch möglicherweise gegen die (Rahmen-)Vereinbarung über den Bring- und Abhol-Service für Postsendungen vom 08.01.2003 i. V. m. den abgeschlossenen Einzel-Frachtverträgen verstößt. Zwar fehlt es bei einem Vertragsverstoß i. d. R. an einer wettbewerblichen Zielsetzung (vgl. Brandner/Bergmann in: Großkommentar zum UWG, § 1 Randnote A 208; Köhler/Piper, § 1 UWG, Randnote 890; Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG, Randnote 695). Anderes gilt jedoch dann, wenn der - möglicherweise gegebene - Vertragsverstoß zum Mittel des Wettbewerbs gemacht wird. Durch das Verhalten der Antragsgegnerin wird es der Antragstellerin erschwert, ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden zu erfüllen. Das kann dazu führen, dass Kunden der Antragstellerin zu der Antragsgegnerin oder anderen Wettbewerbern abwandern. Da die Antragsgegnerin grundsätzlich die gleichen Dienstleistungen anbietet, ist ihr Verhalten objektiv dazu geeignet, ihren eigenen Absatz zu Lasten der Antragstellerin zu begünstigen. Sie verweigert die Beförderung der von der Antragstellerin stammenden Briefsendungen, weil sie die - unzutreffende - Ansicht vertritt, die Antragstellerin verstoße durch die Einlieferung gegen ihre Lizenz nach § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG und verletze daher ihren Exklusivlizenz nach § 51 Abs. 1 Satz 1 PostG. Die in § 51 PostG enthaltene Exklusivlizenz zu Gunsten der Antragsgegnerin regelt unmittelbar die Zulässigkeit des Wettbewerbs auf dem Sektor der Postdienstleistungen, nämlich ob im Hinblick auf die genannten Leistungen überhaupt ein Wettbewerb stattfindet (vgl. OLG Jena a. a. O., 3053, 3054). Die Antragsgegnerin stützt sich damit zur Begründung ihres Verhaltens auf eine wettbewerbsrechtliche Vorschrift. Deshalb ist ihr Verhalten auch von einer wettbewerblichen Absicht getragen.

Der Vertragsverstoß der Antragsgegnerin verstößt gegen die guten Sitten i. S. v. § 1 UWG. Zwar stellt ein Vertragsverstoß, auch wenn er ausnahmsweise zu Mitteln des Wettbewerbs gemacht worden ist, nicht per se ein wettbewerbswidriges Verhalten dar (Köhler/Piper, a. a. O., Randnote 889; Baumbach-Hefermehl, a. a. O.). Grundsätzlich löst eine Vertragsverletzung (nur) die im Schuldrecht vorgesehenen Rechtsfolgen aus, ohne dass es einer Ergänzung durch die Anwendung des Rechts des unlauteren Wettbewerbs bedarf. Eine gegen § 1 UWG verstoßende Wettbewerbshandlung ist eine unerlaubte Handlung und damit Deliktsrecht im weiteren Sinn; Voraussetzung ist daher ein Verstoß gegen eine außervertragliche allgemeine Rechtspflicht. Eine solche allgemeine Rechtspflicht kann sich jedoch nicht allein aus einem obligatorischen Vertrag geben, welcher Rechtswirkungen nur zwischen den Vertragspartnern erzeugt. Die Vertragswidrigkeit eines Verhaltens allein kann für sich kein deliktisches Unrecht erzeugen. Die vertragsrechtlichen Vorschriften schließen die Anwendbarkeit des UWG jedoch nicht generell aus. Ein vertragswidriges Verhalten kann die Voraussetzungen des § 1 UWG erfüllen, allerdings nur dann, wenn besondere Unlauterkeitsmomente neben dem eigentlichen Vertragsbruch vorliegen (Brandner/Bergmann, a. a. O., Randnote A 209; Baumbach/Hefermehl, a. a. O.). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Wettbewerber nicht nur planlos in Einzelfällen, sondern mit wettbewerblicher Zielsetzung planmäßig seine Vertragspflichten verletzt und sich dadurch gegenüber der vertragstreuen Konkurrenz einen Vorsprung verschafft (vgl. BGH GRUR 1987, 180; Brandner/Bergmann, a. a. O., Randnote A 210). Letztlich ist im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung der Vertragsbruch der Antragsgegnerin als Mittel des eigenen Wettbewerbs als Verstoß auch gegen die guten Sitten i. S. v. § 1 UWG zu sehen.

Einer möglichen Sittenwidrigkeit eines Vertragsverstoßes steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin gegen die ihr auferlegten Lizenzbestimmungen verstoßen haben und die Antragsgegnerin deshalb selbst einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch haben könnte. Zwar ist die Beförderung von Briefsendungen außerhalb einer erteilten Lizenz per se wettbewerbswidrig i. S. v. § 1 UWG (BGH GRUR 2003, 250; OLG Dresden WRP 1998, 1191; OLG Jena, a. a. O.; z. T. a. A. OLG Düsseldorf, a. a. O., 539, 542). Die Folge ist, dass es bei der Feststellung der Wettbewerbswidrigkeit keiner weiteren Umstände für das Unlauterbarkeitsurteil bedarf. Ein etwaiges wettbewerbswidriges Verhalten der Antragstellerin begründet jedoch kein Abwehrrecht der Antragsgegnerin in Anlehnung an die zivilrechtliche Notwehr gemäß § 227 BGB, denn ein solches Recht ist nicht erforderlich. An der Erforderlichkeit fehlt es, wenn dem Wettbewerbsverstoß durch die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe ausreichend begegnet werden kann (BGH GRUR 1990, 371, 373 - Preiskampf; Köhler/Piper a. a. O., vor § 13 Randnote 839; Baumbach/Hefermehl a. a. O., UWG Einl. Randnote 361). Eine Abwehrmaßnahme ohne vorherige Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe wird nur dann als erforderlich angesehen, wenn entweder die gerichtliche Hilfe nicht rechtzeitig erfolgen kann oder aber wenn zu erwarten ist, dass sich der Wettbewerber nicht an ein gerichtliches Verbot halten würde; diese Voraussetzungen hat die Antragsgegnerin weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.

Wegen des Verstoßes der Antragsgegnerin gegen ihre vertraglichen Verpflichtungen wird auf die Ausführung oben unter I. verwiesen.

Da ein Verstoß der Antragsgegnerin gegen § 1 UWG aus den o. g. Gründen feststeht, kann dahinstehen, ob - ebenfalls - eine nach § 1 UWG sittenwidrige individuelle Behinderung eines Wettbewerbs zu der von der Antragstellerin begehrten Unterlassung führt.

III.

Über Ansprüche aus §§ 19, 20 GWB hatte die Kammer nicht zu entscheiden, weil das Landgericht Bonn hierfür nicht zuständig ist (§ 89 GWB i. V. m. § 1 der Verordnung über die Bildung gemeinsamer Kartellgerichte vom 22.11.1994 (GVOBl. NRW 1994, 1067)).

IV.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 92 Abs. 1, 708 Nr. 6, 711 ZPO.

Streitwert: EUR 100.000,00






LG Bonn:
Urteil v. 04.09.2003
Az: 14 O 110/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/a852631c7b95/LG-Bonn_Urteil_vom_4-September-2003_Az_14-O-110-03




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share