Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 4. November 2009
Aktenzeichen: AnwZ (B) 16/09

(BGH: Beschluss v. 04.11.2009, Az.: AnwZ (B) 16/09)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 2. Senats des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs vom 5. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 12.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist seit dem 1. April 1998 bei einem Unternehmen der Versicherungsgruppe H. (fortan Versicherung) im Bereich "Allgemeine Haftpflicht" beschäftigt und bearbeitet dort in der zentralen Rechtsabteilung Großschäden und Prozesse. Nach seinen Angaben umfasst seine Tätigkeit in erster Linie die Beratung und Prozessvertretung von Versicherten des Unternehmens, soweit sie von Dritten in Anspruch genommen werden. Neben dieser Tätigkeit ist der Antragsteller seit dem 3. November 2004 als Rechtsanwalt zugelassen und mit eigener Kanzlei tätig.

Mit seinem am 24. Mai 2007 bei der Antragsgegnerin eingegangenen Antrag beantragte er die Gestattung der Fachanwaltsbezeichnung "Fachanwalt für Versicherungsrecht". Dazu legte er Zertifikate der Deutschen Anwaltsakademie über die Absolvierung eines Fachlehrgangs Versicherungsrecht und die erfolgreiche Anfertigung von drei schriftlichen Aufsichtsarbeiten von je fünf Stunden Dauer vor, ferner eine Liste mit 16 gerichtlichen Verfahren und 68 außergerichtlichen Fällen. Von diesen insgesamt 86 Fallbearbeitungen entfallen 12 auf eine anwaltliche Tätigkeit und 74 auf die Syndikustätigkeit des Antragstellers. Nach einer Bescheinigung der Versicherung hat er die in der Fallliste aufgeführten Fälle, sofern sie die Versicherung oder deren Tochterunternehmen, bei dem der Antragsteller beschäftigt ist, betreffen, allein, persönlich und weisungsfrei bearbeitet. In einer weiteren Bescheinigung erklärte Rechtsanwältin S. aus G. , der Antragsteller vertrete sie seit über 20 Jahren bei Urlaub und Krankheit und habe die in der Liste unter den Nummern 5, 7, 9, 16, 23, 24, 26, 35, 43 und 44 aufgeführten Fälle allein und selbständig bearbeitet.

Mit Bescheid vom 29. Februar 2008 hat die Antragsgegnerin den Antrag auf Gestattung der Bezeichnung "Fachanwalt für Versicherungsrecht" im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, der Antragsteller habe nur ein Gerichtsverfahren und 11 außergerichtliche Fälle als Rechtsanwalt bearbeitet. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof unter Berufung auf den Beschluss des erkennenden Senats vom 25. Oktober 2006 (AnwZ (B) 80/05, NJW 2007, 599) zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die von dem Anwaltsgerichtshof zugelassene sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit welcher er seinen Antrag weiterverfolgt. Die Antragsgegnerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen. Die Beteiligten haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

II.

Der Senat entscheidet nach § 106 Abs. 2 Satz 1 BRAO in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht vom 30. Juli 2009 (BGBl. I 2449, 2456) in der Besetzung mit dem Vorsitzenden und nur je zwei statt bisher drei berufsrichterlichen und anwaltlichen Beisitzern. Diese Regelung zur Verkleinerung des Senats auf insgesamt fünf Mitglieder gilt auch für Gerichtsverfahren, die bei Inkrafttreten der Regelung am 1. September 2009 anhängig waren.

1. Änderungen von Vorschriften über die Verfassung und das Verfahren der Gerichte sind nämlich mit ihrem Inkrafttreten sofort und ohne Unterschied auf alle Verfahren und damit auch auf bereits anhängige Sachen anzuwenden, es sei denn, dass der Gesetzgeber ausdrücklich etwas anderes regelt (BVerfGE 11, 139 juris Tz. 29; BGHZ 7, 161, 167). Eine solche abweichende Regelung hat der Gesetzgeber hier mit § 215 Abs. 3 BRAO getroffen. Danach werden die vor dem 1. September 2009 anhängig gerichtlichen Verfahren in verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen nach den bis dahin geltenden Bestimmungen fortgeführt. Mit "Bestimmungen" ist aber nur das Verfahrensrecht gemeint, nicht die geänderte Besetzung des Senats für Anwaltssachen bei dem Bundesgerichtshof.

2. Ein Überleitungsproblem hat der Gesetzgeber nur bei der Umstellung des Verwaltungsverfahrens vor der Rechtsanwaltskammer und dem gerichtlichen Verfahren vor den Anwaltsgerichten in verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen gesehen (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 16/11385 S. 48 f.). Nach den sich hierbei stellenden wesentlichen Fragen - Fortführung anhängiger Verwaltungsverfahren (§ 215 Abs. 1 BRAO), Anfechtbarkeit erlassener, aber noch nicht gerichtshängiger Entscheidungen (§ 215 Abs. 2 BRAO) und Fortführung anhängiger Gerichtsverfahren (§ 215 Abs. 3 BRAO) - hat er die Überleitungsvorschrift aufgebaut. Weil sich diese Fragen in gleicher Weise auch bei der Umstellung des Verfahrensrechts in den verwaltungsrechtlichen Notarsachen stellen, hat er in demselben Gesetz mit § 118 BNotO für die Bundesnotarordnung eine nahezu wortgleiche Regelung vorgesehen, die mangels Änderung der gerichtsverfassungsrechtlichen Regelungen nur das Verfahrensrechts, nicht aber die Gerichtsverfassung anspricht.

3. Ein Überleitungsproblem löste inhaltlich auch nur die Änderung im Verfahrensrecht aus. Es war zwar möglich, ein unter Geltung des in diesem Bereich sehr sparsam ausgestalteten früheren Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitetes Verfahren nach den Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes fortzusetzen (§§ 32, 215 Abs. 1 Satz 1 BRAO). Einer Fortsetzung der unter Geltung des früheren, auf diesem Gesetz aufbauenden Verfahrensrechts begonnenen gerichtlichen Verfahren nach den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung stand aber der grundlegende Systemwandel entgegen, den das Gesetz vom 30. Juli 2009 für die gerichtlichen Verfahren über die Zulassung von Rechtsanwälten durch Ersetzung des alten Vierten Abschnitts des Zweiten Teils der Bundesrechtsanwaltsordnung (Art. 1 Nr. 14) durch den neu eingeführten Vierten Abschnitt des Fünften Teils (Art. 1 Nr. 42) vorgenommen hat. Insbesondere die tief greifenden Änderungen, die sich daraus ergeben, dass künftig ergänzend die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung (§ 112c Abs. 1 BRAO n.F.) anstelle derjenigen des früheren Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 40 Abs. 4 BRAO a.F.) entsprechend anzuwenden sind, sowie die Reform des Rechtsmittelrechts ließen auch im Hinblick auf das Vertrauen der Betroffenen in den Bestand ihrer Rechtsschutzmöglichkeiten die Anwendung des neuen Verfahrensrechts auf Altfälle nicht zu.

4. Bei der geänderten Besetzung des Senats für Anwaltssachen des Bundesgerichtshofs stellte sich dagegen kein Überleitungsproblem. Der Gesetzgeber sieht die verkleinerte Besetzung des Senats als qualitativ gleichwertig an und hat sie gerade deshalb eingeführt (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 16/11385 S. 40). Ist die geänderte Besetzung aber gleichwertig, besteht sachlich kein Anlass, den Senat Altfälle in der bisherigen Besetzung entscheiden zu lassen. Der dafür notwendige Aufwand bei der Geschäftsverteilung und die damit verbundene fortdauernde Bindung der richterlichen Arbeitskraft für Altfälle liefen zudem dem angestrebten Ziel einer Verschlankung im Gegenteil eher zuwider. Vor allem könnte der unzutreffende Eindruck entstehen, als bedeute die Verkleinerung der Besetzung doch eine Qualitätseinbuße. Diesen Eindruck wollte der Gesetzgeber auf jeden Fall vermeiden. Deshalb hat er auch auf die zunächst vorgesehene Veränderung im Vorsitz des Senats verzichtet und es insoweit bei der bestehenden Regelung belassen (Beschlussempfehlung in BT-Drucks. 16/12717 S. 55). Aus ähnlichen Gründen sind vergleichbare Änderungen in der Besetzung von Spruchkörpern anders als geänderte Verfahrensvorschriften auch für laufende Verfahren in Kraft gesetzt worden. Beispiel ist § 2 der Verordnung über Gerichtsverfassung und Strafrechtspflege vom 4. Januar 1924 (RGBl. I S. 15), durch den die Besetzung der Senate des Reichsgerichts von sieben auf fünf Mitglieder verkleinert wurde. Ähnlich ist der Gesetzgeber bei der Änderung der Besetzung der Strafkammern der Landgerichte durch das Gesetz zur Entlastung zur Rechtspflege vom 11. Januar 1993 (BGBl. I S. 50) vorgegangen, die nur in Altverfahren nicht angewendet werden sollte, in denen die Hauptverhandlung mit der bisherigen Besetzung schon begonnen hatte (Art. 14 Abs. 5 und 6 des Gesetzes).

5. Die Überleitungsregelung, die § 215 Abs. 3 BRAO für das Verfahrensrecht trifft, lässt sich schließlich auch inhaltlich nicht sinnvoll auf die Änderung der Besetzung anwenden. Die Regelung befasst sich nur mit den verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen, weil nur hier eine Änderung des Verfahrensrechts eingetreten ist. Der Senat für Anwaltssachen hat dagegen auch die anwaltsgerichtlichen Verfahren zu entscheiden, die § 215 Abs. 3 BRAO aber nicht betrifft, weil das Verfahrensrecht für diese Sachen im Wesentlichen unverändert geblieben ist. Die Folge wäre, dass der Senat für Anwaltssachen des Bundesgerichtshofs in anwaltsgerichtlichen Altfällen in der verkleinerten Besetzung, in den verwaltungsrechtlichen Altverfahren dagegen in der früheren Besetzung zu entscheiden hätte. Diese Unterscheidung wäre sachlich nicht begründbar und ist ersichtlich nicht gewollt. Dies zeigt, dass sich der Gesetzgeber in der Übergangsregelung des § 215 Abs. 3 BRAO nicht mit der geänderten Besetzung des Senats befasst hat, die deshalb sofort mit Wirkung auch für alle Altfälle gilt.

III.

Das form- und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel ist zulässig (§ 215 Abs. 3 BRAO i.V.m. § 223 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4, § 42 Abs. 4 BRAO a.F.), hat in der Sache aber keinen Erfolg.

1. Die Antragsgegnerin ist nach §§ 43c Abs. 1 Satz 1, 59b Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a BRAO i.V.m. § 1 Satz 2 FAO verpflichtet, einem Rechtsanwalt die Befugnis zu verleihen, die Bezeichnung als Fachanwalt für das Versicherungsrecht zu führen, wenn er besondere theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrungen auf diesem Gebiet erworben und nach Maßgabe von §§ 2, 4, 5 und 6 FAO nachgewiesen hat. Dass der Antragsteller besondere theoretische Kenntnisse auf dem Gebiet des Versicherungsrechts erworben und ordnungsgemäß nachgewiesen hat, stellt die Antragsgegnerin nicht in Abrede. Hiervon geht auch der Anwaltsgerichtshof aus. Unbestritten ist ferner, dass der Antragsteller die für den Nachweis des Erwerbs besonderer praktischer Erfahrungen auf dem Gebiet des Versicherungsrechts notwendige Anzahl von Fallbearbeitungen in der erforderlichen Verteilung auf die einzelnen Teilbereiche dieses Fachanwaltsgebiets nachgewiesen hat. Ob dem Antragsteller die Führung der Fachanwaltsbezeichnung "Fachanwalt für Versicherungsrecht" zu gestatten ist, hängt deshalb allein davon ab, ob die Bearbeitung der von ihm nachgewiesenen Fälle im Sinne von § 5 Satz 1 Halbsatz 1 FAO persönlich und weisungsfrei als Rechtsanwalt erfolgt ist. Das hat der Anwaltsgerichtshof zutreffend verneint.

2. Es fehlt schon an einer persönlichen Bearbeitung der für die Fachanwaltsbezeichnung "Fachanwalt für Versicherungsrecht" erforderlichen mindestens 80 Fälle. Sie hat der Antragsteller nur für 12 der 86 Fälle aus der von ihm vorgelegten Fallliste nachgewiesen.

a) Eine im Sinne von § 5 Satz 1 Halbsatz 1 FAO persönliche Bearbeitung von Fällen liegt nur vor, wenn sich der Rechtsanwalt - etwa durch Anfertigung von Vermerken und Schriftsätzen oder die Teilnahme an Gerichts- und anderen Verhandlungen - selbst mit der Sache inhaltlich befasst hat. Beschränkt sich seine Befassung auf ein Wirken im Hintergrund, liegt eine persönliche Bearbeitung im Sinne von § 5 Satz 1 Halbsatz 1 FAO dagegen nicht vor (Senat, Beschl. v. 25. Oktober 2006, AnwZ (B) 80/05, NJW 2007, 599 Rdn. 8). Ein solches Wirken im Hintergrund kann nämlich einem Rechtsanwalt die in § 5 Satz 1 Halbsatz 1 FAO geforderte praktische Erfahrung in der unmittelbaren Wahrnehmung der Interessen seiner Mandanten gegenüber ihren Kontrahenten und Behörden oder Gerichten nicht vermitteln. Eine in diesem Sinne persönliche Bearbeitung hat der Rechtsanwalt in der Form des § 6 FAO nachzuweisen, soweit er nicht durch Verwendung eines eigenen Briefkopfs oder in ähnlicher Weise nach außen als Bearbeiter in Erscheinung tritt.

b) Dieser Nachweis war hier nur für die in der Fallliste zulässigerweise (dazu Senat, BGHZ 166, 292, 297 Rdn. 25) enthaltene Eigenvertretung und den weiteren Fall entbehrlich, den der Antragsteller in der eigenen Praxis bearbeitet hat. Im Übrigen ist er erforderlich, aber nur für die zehn in der Bescheinigung der Rechtsanwältin S. aufgeführten Fallbearbeitungen geführt. Diese sind zwar unter dem Briefkopf der Rechtsanwältin erfolgt. Rechtsanwältin S. hat aber unter Bezugnahme auf die Nummern in der Fallliste versichert, der Antragsteller habe die Fälle allein bearbeitet. Das reicht als Nachweis persönlicher Bearbeitung durch den Antragsteller aus, wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend erkannt hat.

c) Für die Fallbearbeitungen im Rahmen seiner Syndikustätigkeit hat der Antragsteller den erforderlichen Nachweis persönlicher Bearbeitung dagegen nicht geführt. Diesen Nachweis kann der Rechtsanwalt führen, indem er seine Beteiligung an der Fallbearbeitung stichwortartig beschreibt. Das ist hier nicht geschehen. Möglich ist auch ein Nachweis durch Vorlage einer Bescheinigung des Arbeit- oder Auftraggebers. Eine solche Bescheinigung hat der Antragsteller vorgelegt. Sie ist indessen inhaltlich unzureichend. Darin wird dem Antragsteller bescheinigt, alle in der Fallliste aufgeführten Fälle, sofern sie die Versicherung oder deren Tochterunternehmen, bei dem der Antragsteller beschäftigt ist, betreffen, allein, persönlich und weisungsfrei bearbeitet zu haben. Eine solche Erklärung genügt als Nachweis nicht. An diesen sind zwar keine übertriebenen Anforderungen zu stellen. Der Arbeit- oder Auftraggeber kann auch auf die Fallliste des Rechtsanwalts Bezug nehmen. Eine solche Bezugnahme muss aber erkennen lassen, dass die - mit Namen und Funktionsbezeichnung kenntlich zu machende - Leitung der Arbeitseinheit, in der die Fälle bearbeitet worden sind, die Liste geprüft hat und dem Rechtsanwalt für alle oder bestimmte in der Liste aufgeführten Fälle eine persönliche Bearbeitung bescheinigen will. Die hier vorgelegte Bescheinigung lässt schon nicht erkennen, welche Funktion ihr Aussteller in dem Unternehmen hat und ob er das Wirken des Antragstellers in dem Tochterunternehmen der Versicherung überhaupt beurteilen kann. Außerdem lässt sie nicht erkennen, welche Fälle ihr Aussteller auf eine persönliche Bearbeitung durch den Antragsteller überprüft hat und für welche Fälle er ihm diese bescheinigen will.

3. Unabhängig davon genügen die Fallbearbeitungen des Antragstellers auch deshalb nicht zum Erwerb der angestrebten Fachanwaltsbezeichnung, weil der Antragsteller sie nicht im Sinne von § 5 FAO weisungsfrei als Rechtsanwalt bearbeitet hat.

a) Eine in diesem Sinne weisungsfreie Fallbearbeitung als Rechtsanwalt liegt bei einem Syndikusanwalt im Ansatz nur vor, wenn er Fälle im Rahmen seiner selbständigen anwaltlichen Tätigkeit bearbeitet. Eine Fallbearbeitung als Syndikus ist dagegen grundsätzlich keine Fallbearbeitung als Rechtsanwalt, weil der Syndikusanwalt, anders als ein angestellter Rechtsanwalt (zu diesem Senat, BGHZ 166, 299, 303 f.), innerhalb seines festen Beschäftigungsverhältnisses nicht anwaltlich tätig wird (BGHZ 141, 69, 76 f.; Senat, Beschl. v. 13. März 2000, AnwZ (B) 25/99, NJW 2000, 1645; Beschl. v. 18. Juni 2001, AnwZ (B) 41/00, NJW 2001, 3130). Dennoch lässt der Senat in ständiger Rechtsprechung die Berücksichtigung von Fallbearbeitungen als Syndikus zu, wenn die Tätigkeit als Syndikus weisungsfrei und unabhängig erfolgt und die nach § 6 Abs. 3 FAO vorzulegende Fallliste eine erhebliche Anzahl nicht unbedeutender Mandate außerhalb des Anstellungsverhältnisses aufweist (Senat, Beschl. v. 18. Juni 2001, AnwZ (B) 41/00, NJW 2001, 3130, 3131; Beschl. v. 13. Januar 2003, AnwZ (B) 25/02, NJW 2003, 883, 884; Beschl. v. 6. März 2006, AnwZ (B) 37/05, NJW 2006, 1516, 1517, insoweit in BGHZ 166, 299 nicht abgedruckt; Beschl. v. 25. Oktober 2006, AnwZ (B) 80/05, NJW 2007, 599, 600).

b) Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung war der Umstand, dass § 5 FAO in seiner bis zum Ablauf des 31. Dezember 2002 geltenden Fassung Regelanforderungen beschrieb und damit eine wertende Betrachtung erforderte (Senat, Beschl. v. 18. Juni 2001, AnwZ (B) 41/00, NJW 2001, 3130, 3131). Einen vergleichbaren Ausnahmevorbehalt enthält § 5 FAO in der seit dem 1. Januar 2003 geltenden Fassung zwar nicht mehr. Die geänderte Fassung der Vorschrift führt auch dazu, dass die in der Vorschrift festgelegten Fallzahlen seitdem zwingend sind (Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 5 FAO Rdn. 1). Auch in ihrer geänderten Fassung erlaubt die Vorschrift aber, bei einem Syndikusanwalt Fallbearbeitungen zu berücksichtigen, die er nicht in seiner selbständigen anwaltlichen Tätigkeit, sondern als Syndikus erbracht hat, wenn sie im Übrigen den Vorgaben der Norm entsprechen, in erheblichem Umfang der selbständigen anwaltlichen Tätigkeit entstammen und insgesamt bei wertender Betrachtung die praktische Erfahrung vermitteln, die die Führung der Fachanwaltsbezeichnung bei dem anwaltliche Beratung und Vertretung suchenden Publikum erwarten lässt (Senat, Beschl. v. 6. März 2006, AnwZ (B) 37/05, NJW 2006, 1516, 1517, insoweit in BGHZ 166, 299 nicht abgedruckt; Beschl. v. 25. Oktober 2006, AnwZ (B) 80/05, NJW 2007, 599, 600). Wann das der Fall ist, entzieht sich zwar einer allgemeinen Festlegung. Der Senat hat indessen unter Geltung der früheren, offeneren Fassung der Norm eine solche Wertung als möglich angesehen, wenn eine erhebliche Anzahl nicht unbedeutender Mandate im Rahmen selbständiger anwaltlicher Tätigkeit erbracht war (Beschl. v. 18. Juni 2001, AnwZ (B) 41/00, NJW 2001, 3130, 3131). Dies hat der Senat bei einem Anteil von 22 v. H. zum Zeitpunkt der Antragstellung und mit 35 v. H. zum Zeitpunkt der Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs für nicht ausgeschlossen gehalten. Diese Schwelle kann auch unter Geltung der heutigen stringenteren Fassung der Norm nicht unterschritten werden.

c) Gemessen daran hat der Antragsteller eine hinreichende Zahl an Fallbearbeitungen als Rechtsanwalt nicht nachgewiesen. Zweifelhaft ist schon, ob von einer anwaltsähnlichen Ausgestaltung der Tätigkeit des Antragstellers bei seinem Arbeitgeber ausgegangen werden kann. Er ist dort nach den Akten in die zentrale Rechtsabteilung integriert und einem Abteilungsleiter unterstellt. Wie bei diesen organisatorischen Vorgaben eine unabhängige anwaltsähnliche Bearbeitung der Fälle sichergestellt ist, hat der Antragsteller nicht näher dargelegt. Typisch ist eine solche Absicherung für die Syndikustätigkeit eines Syndikusanwalts nicht (Senat, Beschl. v. 18. Juni 2001, AnwZ (B) 41/00, NJW 2001, 3130). Das bedarf aber keiner Vertiefung. Die 12 Fälle, die nachgewiesenermaßen in selbständiger anwaltlicher Tätigkeit bearbeitet wurden, machen nur etwa 17,5% der erforderlichen Fallzahl von 80 aus. Das rechtfertigt die Annahme einer bei wertender Betrachtung gleichwertigen praktischen Erfahrung noch nicht.

Ganter Schmidt-Räntsch Lohmann Stüer Quaas Vorinstanz:

AGH Celle, Entscheidung vom 05.01.2009 - AGH 7/08 -






BGH:
Beschluss v. 04.11.2009
Az: AnwZ (B) 16/09


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