Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 27. Mai 2004
Aktenzeichen: 27 U 44/03

(OLG Hamm: Urteil v. 27.05.2004, Az.: 27 U 44/03)

1. Zur Tragweite einer Bankbestätigung gemäß § 37 Abs. 1 S. 3 AktG

2. Zum Umfang der Pflicht des Konkursverwalters, die ordnungsgemäße Durchführung einer Kapitalerhöhung zu prüfen.

3. Hängt der wirksame Erwerb einer Beteiligung des Gemeinschuldners von der Existenz einer entsprechenden schriftlichen Urkunde ab, geht der Konkursverwalter aber auch ohne positive Kenntnis von dieser Urkunde zunächst von einer wirksamen Beteiligung aus, so führt alleine der Umstand, dass er es unterlassen hat, nach dieser Urkunde zu forschen, bei einem späteren Streit über die Wirksamkeit der Beteiligung nicht zu einer Beweislastumkehr.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 12. Dezember 2002 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Essen teilweise abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 60.172,86 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.05.2002 zu zahlen.

Im Óbrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 26 % und der Beklagte 74 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung desKlägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vom Kläger vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Kläger darf die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vom Beklagten zu vollstreckenden Betrages ab-wenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

A.

Der Kläger nimmt den Beklagten wegen vermeintlicher Versäumnisse bei der Realisierung von Forderungen zugunsten der Masse der U AG (im Folgenden auch: Gemeinschuldnerin), deren Konkursverwalter der Beklagte von 1985 bis 1997 war, in Anspruch. Dabei geht es in der Berufungsinstanz nur noch um zwei Komplexe, nämlich eine Kapitalerhöhung der Gemeinschuldnerin und die angebliche Beteiligung der Gemeinschuldnerin an der X KG (im folgenden auch: KG).

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Es sei keine Pflichtverletzung gewesen, gegen die O-Bank Ansprüche im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung nicht geltend zu machen. Ob die Bescheinigung der O-Bank falsch gewesen sei, könne offen bleiben. Jedenfalls habe in unverjährter Zeit der BGH diese Frage noch nicht erörtert. Es sei nicht pflichtwidrig, jedenfalls nicht schuldhaft gewesen, wenn der Beklagte sich an Entscheidungen orientiert habe, die - auf den vorliegenden Fall übertragen - keine Haftung der O-Bank ergeben hätten.

Es sei auch nicht pflichtwidrig gewesen, eine Beteiligung an der KG für die Masse einzuziehen. Denn es sei nicht erwiesen, dass an die Gemeinschuldnerin eine solche Beteiligung wirksam abgetreten worden sei.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der seinen Klageantrag mit Ausnahme eine geringen Betrages, der eine Erstattung für Zinsabschlagsteuern betrifft, weiterverfolgt.

Der Beklagte habe pflichtwidrig versäumt, die ordnungsgemäße Kapitalaufbringung im Rahmen der Kapitalerhöhung der Gemeinschuldnerin rechtzeitig zu prüfen. Es sei unentschuldbar, dass er erst mit Schreiben vom 5.9.1990 die O-Bank zur Auskunft über den Gang der Kapitalerhöhung aufgefordert habe. Es habe viel früher festgestellt werden können, dass die Kapitalerhöhung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Auch die Bescheinigung der O-Bank habe sich als erkennbar falsch dargestellt. Das sei unabhängig von der jüngeren Rechtsprechung des BGH, die auch eine Haftung der Bank im Fall verdeckter Sacheinlagen bejahe. Darum gehe es hier gar nicht, da es schon an jeder Einzahlung des Kapitals durch die Aktionäre fehle.

Zur KG-Beteiligung seien die Feststellungen des Landgerichts falsch. Eine wirksame Abtretung ergebe sich aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Jedenfalls sei eine Beweislastumkehr anzunehmen, weil der Beklagte die Beteiligung selbst im von ihm erstellten Inventar und in der Konkurseröffnungsbilanz aufgeführt habe. Wenn er dies pflichtwidrig ohne Prüfung der dazugehörigen Urkunden gemacht habe, folge daraus die Beweislastumkehr. Anderenfalls habe er die Urkunde vorzulegen, was gem. §§ 424, 422, 421 ZPO i.V.m. §§ 259, 66, 810 BGB, 273 II AktG ihm aufzugeben beantragt werde. Im Übrigen sei aufgrund des Gesellschaftsvertrages der KG für die Erhöhung der Kommanditanteile der Gemeinschuldnerin keine schriftliche Abtretung notwendig. Mindestens sei die Abtretung als eine solche des zukünftigen Auseinandersetzungsguthabens zu verstehen und formlos wirksam.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung den Beklagten zu verurteilen, an ihn 81.090,89 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 31.05.2002 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, eine Inanspruchnahme der O-Bank wäre nicht erfolgversprechend gewesen, weil ihre Bestätigung richtig gewesen sei. Jedenfalls habe die Bank nicht schuldhaft gehandelt, was aber Voraussetzung für ihre Haftung sei. Denn sie habe nicht gewusst, dass es sich um eine verdeckte Sacheinlage gehandelt habe.

Jedenfalls habe er selbst nicht schuldhaft gehandelt, weil er bis zum Eintritt der Verjährung 1987 davon habe ausgehen dürfen, dass eine Klage gegen die O-Bank nicht aussichtsreich gewesen wäre. Denn aus der bis zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Rechtsprechung und Literatur habe sich der Schluss ziehen lassen, dass die Bank nur eine fehlende Verfügungsbeschränkung bestätigen sollte. Der Beklagte habe deshalb keinen Anlass gehabt anzuzweifeln und zu überprüfen, ob und wie der Betrag von 735.000 DM auf das Konto der O-Bank eingezahlt worden sei. Außerdem habe er annehmen dürfen, dass sich die O-Bank erfolgreich auf ein treuwidriges Verhalten der Gesellschaftsorgane und ein überwiegendes Mitverschulden der Gemeinschuldnerin habe berufen können.

Zum Komplex der KG-Beteiligung bestreitet der Beklagte, dass es jemals eine Urkunde über eine Abtretung eines Anteils von Dr. L an die Gemeinschuldnerin gegeben habe. Er habe sie nicht vorgefunden. Die Erwähnung der Abtretung in der Bilanz - wenn sie denn erfolgt wäre, was nicht zuträfe - beruhe auf mündlichen Angaben von Dr. L, G oder einem anderen Mitarbeiter der Gemeinschuldnerin, woran sich RA O nicht mehr genauer erinnern könne. Außerdem handele es sich bei der in der von ihm aufgestellten Konkurseröffnungsbilanz aufgeführten Beteiligung um die zum Zwecke des Vertriebs von der Gemeinschuldnerin übernommene Beteiligung, nicht um eine durch Abtretung von Dr. L erlangte.

Wegen des weiteren Parteivorbringen zweiter Instanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Der Senat hat die Parteien persönlich angehört. Insoweit wird auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin am 27.5.2004 verwiesen. Die Akten 6 O 3/92 LG Essen und 16 C 75/94 AG Essen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

B.

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg. Der Kläger kann vom Beklagten Ersatz seines Quotenschadens wegen unterlassener Inanspruchnahme der O-Bank verlangen (I.). Dagegen bleiben Klage und Berufung hinsichtlich des Komplexes der KG-Beteiligung ohne Erfolg (II.).

I.

1.

In der unterlassenen Inanspruchnahme der O-Bank wegen Unrichtigkeit der von ihr erteilten Bankbescheinigung liegt eine Pflichtverletzung im Sinne von § 82 KO. Ein Konkursverwalter ist im Verhältnis zur Masse verpflichtet (sog. interne Verantwortlichkeit), aussichtsreiche Ansprüche der Masse gegen Dritte zu verfolgen und notfalls gerichtlich durchzusetzen. Um einen solchen Anspruch handelte es sich. Dieser Pflicht vorgelagert ist die Pflicht, nahe liegende Ermittlungen durchzuführen, die zur Aufdeckung von zunächst nicht offen zu Tage liegenden Ansprüchen führen können. Dem ist der Beklagte schuldhaft nicht ausreichend nachgekommen.

a)

Es ist - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - gerichtsbekannt, dass im Rahmen eines Insolvenzverfahrens nicht selten noch Ansprüche auf Einzahlung des Stammkapitals, sei es anlässlich der Gründung oder einer Kapitalerhöhung, realisiert werden können, weil diese noch nicht (ordnungsgemäß) erfüllt worden sind. Deshalb muss ein Konkursverwalter, um alle aussichtsreichen Ansprüche der Masse geltend zu machen, dies überprüfen. Das hat der Beklagte selbst nicht in Abrede gestellt, sondern nur geltend gemacht, 1985 sei dies nicht in gleicher Weise wie heute üblich und naheliegend gewesen. Das trifft nicht zu: Es gab bereits jedenfalls 1980 ausreichende tatsächliche Erfahrungen, die in der Literatur zu eindeutigen Aufforderungen geführt haben, als Konkursverwalter sorgfältig die Kapitalaufbringung zu überprüfen (vgl. nur Uhlenbruck ZIP 1980, 515).

Dabei kann hier dahinstehen, ob das routinemäßig immer und für alle - auch weit zurück liegenden - Vorgänge zu geschehen hat. Jedenfalls hier gab es Anhaltspunkte, dass die noch nicht sehr lange zurück liegende Kapitalerhöhung möglicherweise nicht vollständig und korrekt durchgeführt war: Zum einen erfolgte zusammen mit dem Kapitalerhöhungsbeschluss ein gleichzeitiger Gewinnausschüttungsbeschluss, der Zahlungen an genau die Aktionäre versprach, die anschließend die Kapitalerhöhung zeichneten und leisten sollten. Zum zweiten befand sich in den Geschäftsunterlagen ein Bericht des Vorstandsmitgliedes G vom 25.5.1982, in dem von einem permanenten Liquiditätsengpass die Rede ist (GA 173, 199 ff.). Und schließlich ergab sich aus den Zahlungsaufforderungen (GA 213 ff.) der Gemeinschuldnerin, dass Verrechnungen vorgesehen waren. Unter diesen Umständen musste der Beklagte der Frage der Ordnungsgemäßheit der Kapitalerhöhung jedenfalls nachgehen. In diesem Zusammenhang musste er alle in Betracht kommenden Haftungsschuldner ermitteln, also nicht nur die Aktionäre, sondern auch die Bank, sofern sie nach § 37 Abs. 1 S. 4 AktG haften könnte.

b)

Der Beklagte handelte auch schuldhaft, nämlich mindestens leicht fahrlässig (vgl. zum Haftungsmaßstab Kilger/K. Schmidt, 17. A., § 82 Anm. 3). Das ergibt sich unmittelbar aus der Pflichtwidrigkeit. Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich. Auf die von Wirtschaftsprüfern geprüften Bilanzen durfte der Beklagte nicht vertrauen, weil sich hieraus nichts für die ordnungsgemäße Durchführung einer Kapitalerhöhung ergibt. Ebenso wenig durfte er ohne Weiteres auf die Bestätigung der O-Bank vertrauen. Zum einen ist sein Vortrag hierzu in mehrfacher Hinsicht widersprüchlich: Während er schriftsätzlich noch hat vortragen lassen, sie sei ihm bekannt gewesen (S. 9 des Schriftsatzes vom 3.5.2004 (GA 978), hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, sich nicht daran erinnern zu können, sie vor diesem Rechtsstreit gesehen zu haben. Nicht nachvollziehbar ist auch, wie er einerseits der Erklärung der Bank nur eine Bedeutung dafür beimessen will, dass die Beträge vorhanden seien, andererseits aber hierdurch von einer weiteren Prüfung dazu, ob sie ordnungsgemäß von den Inferenten eingezahlt worden waren, abgehalten worden sein will (S. 9 des Schriftsatzes vom 3.5.2004). Zudem anderen muss die Prüfung über das hinausgehen, was ohnehin auch vom Registergericht bereits geprüft worden ist. Sonst macht die Überprüfung durch den Konkursverwalter kaum einen Sinn.

Soweit der Beklagte sein Verschulden im Übrigen in Abrede stellt, bezieht er dies auf von ihm nicht angestellte potenzielle Überlegungen, aus denen sich eine mangelnde Haftung der O-Bank ergeben soll. Da diese Erwägungen gar nicht dazu geführt haben, die O-Bank nicht in Anspruch zu nehmen, vermögen sie auch sein Verschulden an diesem Unterlassen nicht auszuräumen. Vielmehr betreffen diese Fragen die Kausalität des Verhaltens des Beklagten (dazu sogleich unten). Der Schwerpunkt des vorwerfbaren Verhaltens liegt im Übrigen nicht darin, gegen die O-Bank nicht vorgegangen zu sein. Denn es ist gar nicht dazu gekommen, dass dem Beklagten konkrete mögliche Ansprüche gegen die Bank bewusst waren oder hätten bewusst sein müssen. Für sich allein betrachtet gereicht es dem Beklagten deshalb ohnehin nicht zum Verschulden, die Bank nicht in Anspruch genommen zu haben. Vielmehr liegt der Schwerpunkt des Vorwurfs zunächst darin, die Umstände der Kapitalerhöhung nicht geprüft zu haben. Erst eine pflichtgemäße Prüfung hätte dann das Ergebnis gehabt, dass gegen die O-Bank vorzugehen ist (dazu sogleich unten).

2.

Diese Versäumnisse der Beklagten hinsichtlich der Überprüfung der Kapitalerhöhung der Gemeinschuldnerin haben auch zu einem Schaden der Masse geführt.

a)

Überprüfungen des Beklagten hätten ergeben, dass die erste Hälfte der Kapitalerhöhung nicht ordnungsgemäß eingezahlt war.

aa)

Es gab nämlich tatsächlich nur eine Umbuchung von verschiedenen Konten der Gemeinschuldnerin bei der O-Bank sowie Verrechnungen der Gemeinschuldnerin mit Ansprüchen der Aktionäre, dagegen weder Barzahlungen noch Überweisungen der Inferenten.

Angesichts der Erklärung der O-Bank vom 24.10.1990 (GA 217 f.: "Daraus können Sie entnehmen, dass die DM 735.000,-- vom laufenden Konto Nr. ............# [am 24.9.1982] gekommen und dahin wieder [am 4.10.1982] zurückgeflossen sind.") hat auch der Beklagte seine ursprünglich in den Raum gestellte, aber nicht näher substanziierte Behauptung, dem hätten Zahlungen der Inferenten zugrunde gelegen, nicht weiter aufrecht erhalten. Zudem steht jedenfalls zur Überzeugung des Senats angesichts dieser Erklärung der O-Bank verbunden mit den Einzahlungsaufforderungen der Gemeinschuldnerin (GA 231 ff.) an die Inferenten, die keine tatsächliche Zahlung, sondern nur eine Verrechnung mit Ansprüchen der Aktionäre vorsahen, fest, dass keine Einzahlungen der Inferenten erfolgt waren.

Die Umbuchung vom Geschäftskonto der Gemeinschuldnerin bedeutete keine Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen der Inferenten, weil sie hieran gar nicht beteiligt waren und auch kein Dritter auf ihre Schulden geleistet hat. Die Gemeinschuldnerin selbst konnte in keinem Fall die bei ihr bestehende Schuld begleichen. Das ist in keinem Schuldverhältnis möglich. Ein Gläubiger kann allenfalls einem Schuldner seine Schuld erlassen. Das ist bei der Einzahlungspflicht der Aktionäre bezüglich ihrer Einlagen jedoch nicht zulässig (§§188 Abs. 2, 36 Abs. 2, 54 Abs. 4, 66 Abs. 1 AktG).

Dieses strikte Gebot realer Kapitalaufbringung durch Barzahlung hindert auch eine Erfüllung der Einlageverpflichtung der Inferenten durch die von der Gemeinschuldnerin erklärte Verrechnung mit deren Ansprüchen ("Belastung auf dem bei uns geführten Konto", GA 213 ff.), da keine Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen (§ 183 AktG) beschlossen war.

bb)

Dies wäre für den Beklagten unschwer ermittelbar gewesen. Der Ablauf ergab sich ohne Weiteres aus den schon erwähnten in den Geschäftsunterlagen befindlichen Unterlagen in Verbindung mit den in dem kurzen fraglichen Zeitraum zwischen Kapitalerhöhungsbeschluss und Eintragung der Erhöhung im Handelsregister erfolgten Geschäftsvorfällen und Buchungen auf den Konten der Gemeinschuldnerin. Letztere wären entweder durch einfache Anfrage bei der O-Bank - wie später ja auch erfolgreich geschehen - oder durch Durchsicht der Kontoauszüge oder - sofern diese nicht mehr bei der Gemeinschuldnerin vorhanden gewesen sein sollten - durch Anforderung erneuter Auszüge bei der O-Bank ermittelbar gewesen.

b)

Bei den gebotenen Überprüfungen wäre dem Beklagten dann auch aufgefallen oder hätte ihm zumindest auffallen müssen, dass die Bescheinigung der O-Bank falsch war und diese hierfür haftete. Die mangelnde Einzahlung der geschuldeten Einlagen musste für ihn Veranlassung sein zu überprüfen, wie es zur Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister gekommen war. Hier hätte er sich Kenntnis von der Bescheinigung der O-Bank verschaffen können und müssen.

aa)

Entgegen der Auffassung des Beklagten hat die O-Bank nicht lediglich bestätigt, dass die Gemeinschuldnerin auf dem bei ihr eingerichteten Sonderkonto "Kapitalerhöhung" ein Guthaben von 735.000 DM hatte und dass dieses frei von Gegenrechten der Bank war. So ist ihre Erklärung nicht auszulegen. Vielmehr folgt der Senat der Auffassung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 113, 335, 350), nach der die Bankbestätigung nach § 37 AktG im Grundsatz inhaltlich dieselbe Tragweite hat wie die entsprechenden Erklärungen der Anmelder gegenüber dem Registergericht nach § 37 AktG. Danach ist sie vorliegend wegen der oben dargelegten Nichteinzahlung des Erhöhungskapitals durch die Inferenten ohne Weiteres falsch.

In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob dieses Verständnis des Bundesgerichtshofs vom Inhalt einer Bankbestätigung nach § 37 AktG verbunden mit der von ihm im Grundsatz angenommenen Garantiehaftung (BGHZ 113, 335, 355) zu einer bedenklich weiten Haftung der Bank führt, weil ihre Bestätigung die Erfüllung der Bareinlagepflicht mit allen Erweiterungen und unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung nicht zugelassenen Umgehungen dokumentieren und die Bank letztlich hierfür garantieren soll. Damit ist sie möglicherweise mit Pflichten belastet, die über ihre Erkenntnisquellen hinausgehen (so Ulmer, GmbHR 1993, 195, 197). Um einen solchen Fall geht es hier aber gerade nicht: Es war für die O-Bank ohne Weiteres erkennbar, dass die Umbuchung nicht zu einem tatsächlichen Vermögenszuwachs der Gemeinschuldnerin führte und dass die Inferenten die nach dem AktG notwendige Zahlung nicht bei ihr als Zahlstelle der Gemeinschuldnerin geleistet hatten. Es gab noch nicht einmal bloße Scheinzahlungen der Inferenten (d.h. Hin- und Herzahlungen ohne weitere Rechtsgründe hierfür), wofür auch nach Ulmer aaO. die Bank selbstverständlich die Verantwortung übernimmt. Allenfalls kann man von einer Scheinzahlung der O-Bank selbst sprechen; eine Haftung aus diesem Vorgang überspannt aber nicht die Anforderungen an die Bank, sondern drängt sich umgekehrt geradezu auf.

Es geht auch nicht darum, dass die O-Bank etwa hätte erkennen müssen, dass es sich bei bestimmten Einzahlungen der Inferenten tatsächlich um eine verdeckte Sacheinlage handelte. Eine solche etwa im Wege des Schüttaus-Holrück-Verfahrens lag gar nicht vor. Es fehlte vielmehr an jeder Bareinzahlung oder Überweisung an die Gemeinschuldnerin. Von einer verdeckten Sacheinlage in diesem Sinne, für die es problematisch sein kann, die Bank in eine Haftung zu nehmen, kann man erst reden, wenn eine Zahlung vorliegt, die aber aufgrund von bestimmten Verknüpfungen und Bedingungen einer Sacheinlage gleichkommt. Um all das geht es hier nicht (vgl. zu den verschiedenen Konstellationen und der Entwicklung ihrer Unterbindung Roth, NJW 1991, 1913 ff.).

Daher vermag der Senat sich auch nicht der Auffassung des Beklagten, aus dem vom Gesetzgeber gewählten Begriff "eingezahlt" folge nicht das Erfordernis eines Wechsels der Verfügungsbefugnis (und deshalb habe die O-Bank nichts Falsches bestätigt), anzuschließen. Es spielt keine Rolle, ob man nach allgemeinem Sprachgebrauch auch bei einer Umbuchung von einem Konto auf das andere desselben Inhabers bei derselben Bank von einer Gutschrift und damit einer Einzahlung sprechen kann. Denn selbstverständlich ist der jeweilige Sinn der Erklärung bei der Auslegung der bei ihr benutzten Begriffe mit zu berücksichtigen. Und der Sinn der Bestätigung des § 37 Abs. 1 S. 3 AktG liegt ohne Zweifel darin, eine Einzahlung zu dokumentieren, die nach § 54 Abs. 3 S. 1 AktG, der dort ausdrücklich erwähnt ist, eine Bareinzahlung ersetzen kann. Eine Gutschrift auf einem Konto der AG (= abstraktes Schuldanerkenntnis der Bank gegenüber der AG) vermehrt aber das Vermögen der AG offensichtlich nur dann vergleichbar dem Erhalt eines Barbetrages, wenn es nicht nur um buchungstechnische Verschiebungen geht, sondern wenn das abstrakte Schuldanerkenntnis zu einem neuen, zuvor von der AG gegen diese Bank nicht bestehenden Auszahlungsanspruch führt. Das ist bei einer Umbuchung gerade nicht der Fall, weil sich der Anspruch der AG gegen die Bank in keiner Weise verändert. Die bloße Bezeichnung als "Kapitalerhöhungskonto" hat insoweit keine rechtlichen Auswirkungen und ändert deshalb an diesem Ergebnis nichts.

Der von dem Beklagten für unerheblich gehaltene Umstand, dass die O-Bank auf ihrer Erklärung (vgl. GA 219) abschließend ausdrücklich vermerkt hat, dass die Bestätigung "gemäß § 188 Abs. 2 in Verbindung mit §§ 37 Abs. 1, 36 Abs. 2 und 36 a Abs. 1 AktG" erfolge, unterstützt das vorstehende, schon aus dem Zweck der Erklärung (Vorlage an das Registergericht) folgende Auslegungsergebnis noch zusätzlich.

Unerheblich ist auch, dass 1982 - zur Zeit der Abgabe der Erklärung der O-Bank -im Falle der Einzahlung der Einlagen auf ein Postscheckkonto nach der Auffassung verschiedener Autoren, die der Beklagte zutreffend zitiert (GA 731 f.), zur Vorlage beim Registergericht die Benachrichtigung oder der vom Postscheckamt übersandte Abschnitt genügen sollte. Zum einen bezog sich diese Meinung darauf, dass es wegen § 4 PostscheckG keiner weiteren Bestätigung der freien Verfügbarkeit über den Betrag mehr bedürfe. Damit war nichts darüber ausgesagt, ob sich aus den beim Registergericht einzureichenden Unterlagen des Postscheckamtes nicht auch die Tatsache der effektiven Einzahlung des Betrages ergeben musste. Vor allem aber - und das ist nach Auffassung des Senats ausschlaggebend - geht die tatsächlich abgegebene Erklärung der O-Bank jedenfalls darüber hinaus. Sie ist wie dargelegt dahin zu verstehen, dass der Betrag effektiv eingezahlt worden ist. Wenn aber jemand eine unrichtige Erklärung abgibt, so haftet er unter den weiteren Voraussetzungen für seine Haftung im Umfang der falschen Erklärung. Es kommt nicht darauf an, ob es unter Umständen ausgereicht hätte, wenn er weniger erklärt hätte (vgl. zu entsprechenden Überlegungen bei der Höhe des bestätigten Einlagekapitals BGHZ 113, 335, 356 f., wo die Haftung selbst hinsichtlich solcher Beträge angenommen wird, auf die sich die Prüfungspflicht des Registergerichts nicht erstreckt). Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Erklärung erkennbar geeignet ist, beim Registergericht eine entsprechende falsche Vorstellung zu erzeugen, weil sich seine Prüfungspflicht gerade auch auf die Tatsache der Einzahlung bezieht. Die Situation ist insoweit nicht anders als bei einer Haftung etwa nach den Grundsätzen der c.i.c. (§ 311 Abs. 2 BGB), wo Falschangaben bei Vertragsverhandlungen auch dann zu einer Haftung führen können, wenn keine entsprechende Erklärungspflicht bestand.

bb)

Dies hätte auch eine Haftung der O-Bank ausgelöst. Zum einen besteht eine solche nach der jetzigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Form der Garantiehaftung immer dann, wenn die Einlageschuld der Inferenten nicht wirksam erfüllt worden ist. Zum anderen handelte die O-Bank auch mindestens fahrlässig, weil sie - wie dargelegt - ohne weiteres hätte erkennen können und müssen, dass die vom AktG geforderte Einlage in Form von Bar- oder Buchgeld durch die Inferenten nicht geleistet war. Entgegen der Auffassung des Beklagten war dies nicht erst durch die Entscheidung BGHZ 110, 47 ff. geklärt, sondern entsprach bereits zuvor der Rechtssprechung und der überwiegenden Lehre (vgl. die Nachweise in BGHZ 110, 47, 61). In der Entscheidung BGHZ 110, 47 ging es um die Frage, ob eine erfolgte Einzahlung deshalb als (verdeckte) Sacheinlage zu werten und zu behandeln ist, weil mit ihr anschließend eine Darlehensforderung des Inferenten getilgt wurde. Das hat der Beklagte an anderer Stelle schriftsätzlich selbst auch nicht anders gesehen (S. 10, 1. Abs. des Schriftsatzes vom 3.5.2004, GA 979).

Auf ein Mitverschulden oder einen sonstigen Einwand nach § 242 BGB hätte sich die O-Bank nach der zutreffenden Ansicht des BGH (vgl. BGHZ 335, 355; auch z.B. öOGH AG 1994, 569) nicht berufen können, weil (mindestens auch) die Gläubiger und spätere Aktionäre der AG geschützt werden sollen, so dass ein einverständliches Handeln weder mit dem Vorstand noch den aktuellen Aktionären den Anspruch ausschließen konnte.

cc)

Das hätte der Beklagte auch erkannt oder wenigstens erkennen können und müssen und den Anspruch gegen die O-Bank dementsprechend wegen ausreichender Erfolgsaussicht geltend gemacht oder jedenfalls machen müssen. Hierzu und insgesamt zur Haftung nach § 37 Abs. 1 S. 4 AktG gab es zwar zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich erst wenig Rechtsprechung. Die Bedeutung der Erklärung ist - wie Hüffer, AktG, 5. A. 2002, § 37 Rn. 3a feststellt - bis zu der Entscheidung des BGH vom 18.2.1991 (BGHZ 113, 335) kaum erörtert und nicht abschließend geklärt gewesen. Diese Aussage bezieht sich aber insbesondere auf die Grenzen der Reichweite, wie sie oben bereits als vielleicht problematisch geschildert worden sind. Wenn es keine, insbesondere höchstrichterliche Rechtsprechung gab, heißt das nicht, dass keine Haftung der Bank in Betracht kam.

Es war vielmehr so, dass der Beklagte den gegebenen und erkennbaren Anspruch gegen die O-Bank nur dann nicht hätte verfolgen müssen, wenn er aufgrund der ihm bekannten Rechtsprechung oder Literatur an der Erfolgsaussicht hätte zweifeln dürfen. Das vermag der Senat aber nicht zu erkennen. Alle Ausführungen des Beklagten zur "verdeckten Sacheinlage" oder zum "Schüttaus-Hol-Zurück-Verfahren" treffen den vorliegenden Fall nicht, in dem es um eine eindeutig fehlende Einzahlung der Inferenten durch Buch- oder Bargeld - den vom Gesetz einzig zugelassenen Formen - geht, die die O-Bank fälschlich bestätigt hat, obwohl sie erkennen konnte, dass ihre Erklärung nicht zutrifft.

Die - im übrigen vereinzelt gebliebene - Entscheidung OLG Düsseldorf WM 1991, 998 = NJW-RR 1991, 1442, die einen Ausschluss des Anspruchs gem. § 242 BGB wegen der Kenntnis des Vorstandes annahm, lag damals noch gar nicht vor. Auf eine Entscheidung eines einzelnen Landgerichts - LG Hamburg NJW 1976, 1980 - konnte der Beklagte keine Aussichtslosigkeit einer Rechtsverfolgung stützen. Das LG Hamburg hat im Übrigen nur für Kontoverfügungen des Vorstands zwischen Bestätigung und Eintragung die Haftung der Bank über § 242 BGB eingeschränkt (darauf weist auch ausdrücklich Hüffer, AktG 5.A. § 37 Rn. 5, hin). Dieser Fall ist nicht vergleichbar, weil es dort gerade um Vorgänge geht, die in der Bestätigung noch gar nicht berücksichtigt werden konnten.

c)

Der Masse ist hierdurch ein Schaden entstanden, den der Senat in folgender Höhe schätzt (§ 287 ZPO):

Die O-Bank hätte die Einlagen zu zahlen gehabt, als wären sie so wie bestätigt erfolgt (Hüffer, AktG 5. A. § 37 Rn. 5a). Das sind 735.000 DM. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Entscheidung BGH NJW 1991, 1754 nicht zu entnehmen, dass die O-Bank entsprechend § 63 Abs. 2 AktG eine 5%ige Verzinsung seit Fälligkeit der Einlagen schuldete.

Die Masse konnte jedoch unstreitig Vermögen mit einem Zinssatz von 5 % anlegen. Allerdings ist dem Beklagten Prüfungszeit und Überlegungszeit zuzubilligen, bis er die O-Bank in Verzug setzen musste und ab diesem Zeitpunkt die Verzinsung notfalls von ihr als Schaden ersetzt verlangen konnte. Wesentlich vor dem 28.10.1987 (Zeitpunkt der Verjährung) musste der Beklagte daher nicht tätig werden. Diese Verzinsung hätte sich nach Erhalt des Betrages von der O-Bank bis zur Verteilung der Masse fortgesetzt, die der Senat mangels anderer Anhaltspunkte nicht wesentlich vor Beendigung des Konkursverfahrens am 4.9.1997 ansetzt. Insgesamt schätzt der Senat deshalb die entgangenen Zinsen auf 10 Jahre zu je 5 %, also 367.500 DM.

In der Masse wären also 1.102.500 DM mehr zur Verteilung vorhanden gewesen.

3.

Der Kläger kann seinen in erster Linie verfolgten hieraus resultierenden sogenannten Quotenschaden nach Abschluss des Konkursverfahrens selbst geltend machen (BGH, 9. Zivilsenat, Urteil vom 5. Oktober 1989, IX ZR 233/87, NJW-RR 1990, 45-48; zuletzt Urteil vom 22. April 2004, Umdruck S. 8 oben).

Sämtliche bevorrechtigten noch offenen Forderungen hätten aus dieser Summe als erstes befriedigt werden können. Dafür wären 472.006,69 DM notwendig gewesen, von denen auf den Kläger (von ihm selbst abgerundet) 107.600 DM entfallen.

Es verbleiben somit 630.493.32 DM, mit denen nicht bevorrechtigte Forderungen hätten befriedigt werden können. Hierauf entfallen auf den Kläger 1,6 %, das sind 10.087,89 DM. Darauf sind ihm die aufgrund der Vereinbarung mit dem Beklagten, handelnd für die Masse, zugeflossenen 96.308,64 DM (GA 300, 344) nicht anzurechnen, soweit er nach Abzug dieser Beträge überhaupt noch Konkursforderungen hat, was der Fall ist. Denn das würde die durch die Vereinbarung beabsichtigte und vom BGH (NJW 1994, 323) gebilligte Bevorzugung des Klägers mindestens teilweise wieder aufheben.

Im Ergebnis mindern auch die von Herrn X erhaltenen Zahlungen allenfalls die nicht bevorrechtigten Gesamtforderungen, weil der Kläger die Eingänge darauf verrechnen darf. Es verbleiben auch dann noch Forderungen in ausreichender Höhe. Es kommt deshalb nicht darauf an, dass Zweifel am Vortrag des Klägers bestehen, X habe nur aufgrund einer Pfändung und Überweisung vom 14.6.99 (GA 374) geleistet, die der Kläger aufgrund weiterer von anderen Gläubigern übernommener Konkursforderungen ausgebracht hat, so dass ohnehin nichts auf seine Konkursforderungen anzurechnen sei. Denn aus dem Tatbestand des Urteils des Senats vom 5.4.2001 (27 U 168/00) folgt, dass der Kläger wegen seiner Forderungen die Ansprüche gegen X schon unter dem 14.10.1997 gepfändet hat und X seit Dezember 1997 hierauf zahlt.

Zusammen ergibt sich damit ein Schaden des Klägers in Höhe von 117.687,89 DM, was 60.172,86 EUR entspricht.

Die zuerkannte Zinsforderung folgt aus § 291 ZPO. Der Antrag des Klägers ist insoweit dem Tenor entsprechend auszulegen.

4.

Die vom Beklagten beantragte Schriftsatzfrist ist ihm nicht zu gewähren. Der Vorwurf, nicht gegen die O-Bank vorgegangen zu sein, hängt unmittelbar mit der Frage zusammen, ob die Kapitalerhöhung der Gemeinschuldnerin ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Nur wenn das nicht der Fall war, gab es überhaupt Anlass, die Bescheinigung der O-Bank zu überprüfen und deren Haftung in Betracht zu ziehen. Demgemäß ist dem Beklagten vom Kläger bereits im gesamten Rechtsstreit sogar ausdrücklich auch vorgeworfen worden, die Ordnungsmäßigkeit der Kapitalerhöhung nicht rechtzeitig geprüft zu haben. Das ergibt sich etwa aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils (Umdruck S. 4, 1. Absatz). Dieser Vorwurf ist mit der Berufungsbegründung (GA 673 f.) wiederholt worden. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom Beklagten geäußerten Ansicht war der Vorwurf dieser Pflichtverletzung daher von Anfang an ebenfalls Gegenstand des Rechtsstreits. Der Beklagte konnte deshalb hierzu ausreichend Stellung nehmen; einer weiteren Gelegenheit durch Einräumung einer Schriftsatzfrist dafür bedarf es nicht.

II.

Die Abweisung der Klage bezüglich der vermeintlichen Versäumnisse des Beklagten hinsichtlich einer Beteiligung der Gemeinschuldnerin an der KG durch das Landgericht ist demgegenüber zutreffend. Die Berufung ist insoweit unbegründet.

1.

Es bestehen entgegen der Auffassung der Berufung keine konkreten Anhaltspunkte an der Richtigkeit der Feststellung des Landgerichts, dass eine wirksame Abtretung der Anteile des Dr. L an der KG nicht nachgewiesen werden kann. Die Würdigung des Landgerichts, dass die Verbuchung der Abtretung bei der Gemeinschuldnerin und das Bewusstsein, die Anteile seien eingebracht, nicht ausreicht, um eine wirksame schriftliche Abtretung festzustellen, teilt der Senat. Nur das konnte der Zeuge aber bestätigen. Angesichts der offensichtlich bei der Gemeinschuldnerin herrschenden Zustände, wie sie gerade die ebenfalls unkorrekten Vorgänge bei der Kapitalerhöhung zeigen, der Geschäfte zwischen den wenigen Beteiligten, die Aktionäre, Vorstand und Aufsichtsrat und stiller Gesellschafter zugleich waren, sagen derartige Verbuchungen nichts über wirksame zugrunde liegende Rechtsgeschäfte.

Nicht richtig ist zwar die Erwägung des Landgerichts, im Status vom 8.1.1985 seien die Anteile in Höhe von 2 Mio. gerade nicht aufgeführt. Bei dem von der Gemeinschuldnerin bei Konkursantragstellung eingereichten Status sind ganz deutlich drei verschiedene Beteiligungen an der KG ausgewiesen: einmal "N-Klinik" mit einem Buch- und Zeitwert von 546.039,- DM und Aufrechnungen in gleicher Höhe (GA 244), und einmal unter "Beteiligungen gem. Anl. 4" (GA 244) dort (GA 247) in Höhe von 2 Mio. und 100 TDM, aber auch mit Gegenrechten in gleicher Höhe. Das ändert an der Beweiswürdigung aber nichts. Das Landgericht hatte selbst schon entsprechende Verbuchungen unterstellt. Das hat ihm - ebenso wie dem Senat - aber nicht ausgereicht, um sich eine sichere Überzeugung von der Existenz einer Abtretungsurkunde zu verschaffen.

Einer erneuten Vernehmung des Zeugen G bedurfte es deshalb nicht. Er hat bereits in erster Instanz zweifelsfrei bekundet, keine genauere Erinnerung an eine Abtretungsurkunde zu haben. Eine Befragung dazu, ob Dr. L diese Urkunde in einer Besprechung mit Herrn Q und ihm vorgelegt hat, ist deshalb ungeeignet. Wer sich nicht genau an eine solche Urkunde erinnert, kann auch nichts zu einer Vorlage dieser Urkunde sagen. Im übrigen hätte der Kläger, wenn er hiervon abweichend diese Frage für geeignet hält, das Gedächtnis des Zeugen aufzufrischen, sie dem Zeugen bereits in erster Instanz stellen können. Das Gericht war hierzu jedenfalls nicht verpflichtet, weil es den Zeugen ausreichend über die unter Beweis gestellte - einzig relevante - Haupttatsache der Existenz eines schriftlichen Abtretungsvertrages befragt hat.

2.

Es kommt auch kein Indizienbeweis in Betracht. Selbst wenn der Beklagte eine solche Beteiligung zunächst selbst angenommen hat und in seinen Berichten erwähnt hat (wovon der Senat ausgeht, weil nichts dafür spricht, dass die Beteiligung an der KG von 2 Mio. DM die Vertriebsanteile sein könnten), heißt das nichts über die rechtliche Wirksamkeit des Erwerbs. Es stimmt nicht, dass hieraus mit irgendeiner ausreichenden Sicherheit geschlossen werden könne, dem Beklagten hätte eine entsprechende Urkunde vorgelegen. Vielmehr kann der Beklagte diese Beteiligung auch aufgrund der Aufstellung der Gemeinschuldnerin und mündlicher Angaben ihrer Mitarbeiter aufgenommen haben.

3.

Es kommen auch keine Beweiserleichterungen, erst Recht keine Beweislastumkehr in Betracht.

Sollte der Beklagte versäumt haben, nach einer solchen Urkunde zu forschen, führt das nicht zu einer Beweislastumkehr: Es steht weder fest noch besteht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass er bei Erfüllung dieser Pflicht die Urkunde gefunden hätte. Denn es ist offen, ob eine solche existierte. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht schon deshalb nicht, weil die ursprüngliche Annahme des Beklagten, es bestünde die Beteiligung, auf der entsprechenden Aufnahme dieser Beteiligung durch die Gemeinschuldnerin in ihrem Vermögensstatus verbunden mit Aussagen ihrer Mitarbeiter beruhen kann. Die Annahme der Klägers, hierüber sei zwingend ein Aktenvermerk zu fertigen gewesen, trifft nicht zu. Sie findet in der von der Berufung zitierten Rechtsprechung keine Stütze. Selbst wenn der Beklagte diesen Vermerk aufgenommen hätte, würde das dem Kläger nicht weiterhelfen können. Zu der Wirksamkeit der Abtretung der Beteiligung an die Gemeinschuldnerin kann ein solcher Vermerk ebenso wenig Aussagekraft haben wie die Aufnahme in den ersten Bericht des Beklagten.

Ohne eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Auffinden der Urkunde besteht aber keine Rechtfertigung, zu Lasten des Beklagten die Beweisführung zu verlagern. Die allenfalls als vergleichbar heranziehbare Rechtsprechung des BGH zur Beweiserleichterung bei mangelnder Befunderhebung oder Befundsicherung eines Arztes verlangt deshalb eine solche hinreichende Wahrscheinlichkeit.

Unerheblich ist deshalb, ob und wann der Beklagte den Zeugen G zu einer solchen Urkunde befragt hat.

Beweiserleichterungen wie bei einer Verletzung der Dokumentationspflicht durch eine Arzt kommen schon im Ansatz nicht in Betracht. Sie rechtfertigen sich nur deshalb, weil der Arzt nicht rekonstruierbare Abläufe im Behandlungs- und Krankheitsgeschehen dokumentieren soll, die deshalb ohne diese Aufzeichnungen vom Patienten praktisch nie bewiesen werden könnten. Hier liegt es ganz anders: Der Kläger befindet sich überhaupt nicht in einer Situation, in der seine Beweisnot in erster Linie auf fehlenden Aufzeichnungen durch den Beklagten beruht. Vielmehr ließe sich die (ehemalige) Existenz einer Abtretungsurkunde im Allgemeinen ohne Weiteres durch die Vernehmung der an dieser Urkunde Beteiligten beweisen. Dass das im vorliegenden Fall gescheitert ist (weil der Zeuge G sich nicht mehr hinreichend erinnern konnte, was im Übrigen auch daran liegen kann, dass es eben eine solche Urkunde nie gegeben hat, und weil ein weiterer Beteiligter bereits gestorben ist), ist ein normales Risiko eines Beweispflichtigen und rechtfertigt keine Beweiserleichterungen.

In Fällen einer Dokumentationspflichtverletzung lässt der BGH allgemein eine Umkehr der Beweislast nur dann zu, wenn dem Geschädigten nach tatrichterlichem Ermessen die auch nur teilweise Beweisführungslast für ein pflichtwidriges Verhalten des Gegners angesichts eines von diesem verschuldeten Aufklärungshindernisses billigerweise nicht mehr zugemutet werden kann (BGH NJW 1986, 59, 61 m.w.N.). Davon kann angesichts der oben geschilderten Ursachen der Beweisschwierigkeiten des Klägers keine Rede sein. Insofern liegt der Fall ganz anders als bei der mangelhaften Inventarisierung von körperlichen Gegenständen, die ein Konkursverwalter in Besitz genommen hat. Diese Inbesitznahme ist häufig von Dritten nicht näher aufklärbar. Bei der Frage, ob die Gemeinschuldnerin wirksam einen KG-Anteil erworben hatte, der damit in die Konkursmasse fiel, spielt es demgegenüber überhaupt keine Rolle, was der Konkursverwalter hierzu zunächst vorgefunden hat. Denn die Beteiligung hängt nicht davon ab, dass die Abtretungsurkunde noch vorhanden war, sondern dass sie errichtet worden war. Das ist - wie bereits ausgeführt - auch anderweitig aufklärbar und beweisbar.

4.

Den Anträgen auf Anordnung der Vorlage bestimmter Urkunden ist nicht nachzukommen.

Soweit es um die Abtretungsurkunde geht, kommt die Anordnung einer Vorlage nicht in Betracht (§ 425 ZPO), weil bestritten ist, dass die Urkunde in den Händen des Beklagten ist. § 426 ZPO kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil dies die Überzeugung des Gerichts voraussetzt, dass es die Urkunde überhaupt gibt (vgl. Zöller/Geimer § 426 Rn. 1).

Soweit es um andere Urkunden geht, ist dies nicht beweiserheblich. Hieraus kann - wie dargestellt - nicht mit der erforderlichen Sicherheit auf die Wirksamkeit der Anteilsübertragung geschlossen werden, weil eine Beweislastumkehr nicht in Betracht kommt.

5.

Für eine Wirksamkeit der Abtretung der KG-Anteile des Dr. L war eine schriftliche Urkunde notwendig. Das folgt aus § 11 Abs. 2 des KG-Vertrages. Das konnte nicht ersetzt werden durch die erfolgte Erhöhung der Kommanditeinlage der Gemeinschuldnerin nach § 3 Abs. 3 des Vertrages. Denn hierbei handelte es sich um die Schaffung neuer Anteile, nicht um die Übernahme existierender Anteile. Zudem konnte die Gemeinschuldnerin ihre erhöhten Anteile, nachdem sie sie teilweise weiterveräußert hatte, nicht erneut "ausschöpfen", ohne dass es zu einer erneuten Erhöhung ihres Anteils durch die persönlich haftende Gesellschafterin gekommen war. Bei einer solchen erneuten Erhöhung hätte es sich aber eben nicht um die Übernahme bestehender Anteile, sondern erneut um neugeschaffene Kommanditanteile gehandelt. Auch das zeigt, dass die Erhöhung nach § 3 Abs. 3 und die Übertragung nach § 11 des Vertrages nichts miteinander zu tun haben und verschiedene Dinge sind.

6.

Eine Umdeutung der Abtretung des KG-Anteils des Dr. L an die Gemeinschuldnerin in eine Abtretung von Gewinn- und sonstigen Ansprüchen ist nicht möglich. Sie scheitert bereits daran, dass nichts Näheres zu der Vereinbarung über die Abtretung bekannt ist, so dass nicht beurteilt werden kann, ob die Parteien der Abtretung dies mutmaßlich gewollt haben. Insbesondere ist auch nicht bekannt, was die Gemeinschuldnerin mit den von Dr. L erworbenen Anteilen beabsichtigte. Mangels irgendwelcher näheren Anhaltspunkte für den Beklagten in dieser Richtung brauchte dieser jedenfalls der Frage einer Umdeutung einer nicht schriftlichen Abtretung nicht weiter nachzugehen.

7.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 9.6.2004 gibt keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

C.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen zur Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

Die Frage, welche Bedeutung ein Konkursverwalter in den Jahren 1985 bis 1987 einer Bankbescheinigung nach § 37 Abs. 1 AktG beimessen musste und unter welchen Umständen er einen Anspruch gegen die Bank verfolgen musste, hat keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung. Es hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, ob er entsprechend tätig werden musste. Es ist darüber hinaus nicht zu erwarten, dass noch eine Vielzahl von Fällen zu entscheiden ist, die die Haftung eines Konkursverwalters aus jener Zeit betrifft.

Ebenso wenig erfordert die Fortbildung des Rechts zur Frage einer Beweislastumkehrt die Zulassung der Revision. Sie kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht.






OLG Hamm:
Urteil v. 27.05.2004
Az: 27 U 44/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/a457b0e8b1b7/OLG-Hamm_Urteil_vom_27-Mai-2004_Az_27-U-44-03




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