Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 30. März 2000
Aktenzeichen: 4 U 2/00

(OLG Hamm: Urteil v. 30.03.2000, Az.: 4 U 2/00)

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 3. September 1999 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen wird mit folgender berichtigender Maßgabe zurückgewiesen.

Der Beklagte wird unter Aufrechterhaltung der Ordnungsmittelandrohung verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Branchen-/Telefon-buch zum Telefon der D T AG €Gelbe Seiten€ für E die Bezeichnungen

€Prophylaxe€

€Zahntechnik€

€Zahntechnik direkt vom Zahnarzt€

zu verwenden, und zwar in zukünftigen Auflagen, wenn dies wie folgt geschieht:

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Tatbestand

Die Klägerin ist die berufliche Vertretung der Zahnärzte im Kammerbereich N gem. § 1 des Berufsgesetzes des Landes N-W vom 27.04.1994.

Der Beklagte ist praktizierender Zahnarzt in E und Mitglied der Klägerin. Er bedient sich im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung seiner zahnärztlichen Berufstätigkeit der zusätzlichen Angaben €Prophylaxe€, €Zahntechnik€ und €Zahntechnik direkt vom Zahnarzt€, und zwar mit entsprechenden Einträgen in dem Branchentelefonbuch €Gelbe Seiten 1998/99€ für E.

Wegen des Inhaltes der Eintragungen im einzelnen, die der Senat auch zum Inhalt seines Verbotsausspruches gemacht hat, wird auf die Fotokopien Bl. 6 f. der Akten verwiesen.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin vom Beklagten die Unterlassung der Verwendung der genannten Zusätze unter Berufung auf § 1 UWG in Verbindung mit den §§ 20 Abs. 1, 17 Abs. 4, 20 Abs. 2 der Berufsordnung für Zahnärzte. Die Klägerin ist der Ansicht, es liege eine unzulässige Werbung und Anpreisung vor sowie eine Verwendung der zahnärztlichen Berufstätigkeit für gewerbliche Zwecke. Außerdem handele es sich teilweise um unerlaubte Zusatzbezeichnungen unter Berücksichtigung der Weiterbildungsordnung.

Das Landgericht hat den Beklagten durch Urteil vom 3. September 1999 antragsgemäß unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt,

es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zur Wettbewerbszwecken im Branchen-/Telefonbuch zum Telefonbuch der D T AG €Gelbe Seiten€ für E die Zusatzbezeichnungen

€Prophylaxe€

€Zahntechnik€

€Zahntechnik direkt vom Zahnarzt€

zu führen, und zwar in zukünftigen Auflagen.

Wegen des Inhaltes des Urteils im einzelnen wird auf Bl. 75 f. d. A. verwiesen.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der er sein Klageabweisungsbegehren aus erster Instanz weiter verfolgt.

Unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages ist der Beklagte der Ansicht, daß eine berufswidrige Werbung hier nicht vorliege; die Gesundheit der Bevölkerung werde durch seine Zusatzangaben nicht tangiert. Es müsse ihm wie anderen Ärzten auch erlaubt sein, Informationen über seine Tätigkeit zu geben. Die Bekanntgabe einer separaten Telefonnummer für den Prophylaxebereich sei organisatorisch sinnvoll. So erfahre der Patient, unter welcher Nummer er sich zu melden habe, wenn es in seinem Fall um bloße Prophylaxe im Gegensatz zu sonstigen zahnärztlichen Verrichtungen gehe. Ein Informationsinteresse bestehe weiter insoweit, als es für den Patienten von Interesse sei, daß er über ein eigenes Labor verfüge, d. h. auch die Zahntechnik anbiete, und zwar €Zahntechnik direkt vom Zahnarzt€, oder anders gesagt, zahnärztliche Behandlung und Dentalleistung aus einer Hand.

Der Beklagte beantragt,

abändernd die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages,

die gegnerische Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Inhaltes der Parteivorträge im einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Zur Verdeutlichung des Verbotsinhaltes hat der Senat lediglich die konkreten Eintragungen in den €Gelben Seiten€ in den Verbotstenor selbst aufgenommen und zur Bezeichnung der Tathandlung statt des Begriffes €führen€ den allgemeinen Begriff €verwenden€ gewählt.

Die Klägerin ist als allgemeine Interessenvertretung der Zahnärzte klagebefugt nach § 13 Abs. 2 Ziffer 2 UWG (BGH NJW 1999, 1784 - Implantatbehandlungen).

Das Verbotsbegehren ist auch nach § 1 UWG begründet. Die beanstandeten Eintragungen in den €Gelben Seiten€ verstoßen gegen das Werbeverbot der Berufsordnung der Klägerin vom 19. April 1997 (Bl. 8 f. d. A.) und sind damit ohne weiteres wettbewerbswidrig, weil es sich bei diesen Wettbewerbsverboten um wertbezogene Wettbewerbsregeln handelt (Köhler/Piper, UWG, § 1 Rz. 355 m.w.N.). Es liegt auch kein Ausnahmefall vor, der diesen Verstoß unter verständiger Berücksichtigung gegenläufiger Interessen des Beklagten als geringfügig und damit als wettbewerbsrechtlich hinnehmbar erscheinen läßt (BGH WRP 2000, 170 - Giftnotrufbox). Vielmehr liegt gerade unter dem Gesichtspunkt der Nachahmungsgefahr eine Wettbewerbshandlung vor, die geeignet ist, den Wettbewerb unter den Zahnärzten im Sinne des § 13 Abs. 2 Ziffer 2 UWG wesentlich zu beeinträchtigen (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kapitel 13 Rz. 12 f. m.w.N.).

Das in § 17 Abs. 4, 20. Abs. 1 Berufsordnung ausgesprochene Werbeverbot, gegen das die beanstandeten Eintragungen in den €Gelben Seiten€ verstoßen, verstößt nicht gegen Art. 12 Grundgesetz, soweit man dieses Werbeverbot verfassungskonform dahingehend interpretiert, daß damit nicht sinnvolle Informationen für den Patienten unterbunden werden sollen, auch wenn ihnen eine gewisse Werbewirkung zukommt (Bundesverfassungsgericht NJW 1993, 2988; Piper in Festschrift Brandner S. 454 f.; Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., § 1 UWG Rz. 679). Maßstab ist, ob die beanstandete Werbung zu einer Verfälschung des Berufsbildes des Arztes durch kommerzielle Werbemethoden führt. Denn die ärztliche Berufsausübung soll sich nicht an ökonomischen Erfolgskriterien, sondern an medizinischen Notwendigkeiten orientieren (BGH NJW 1999, 1784 - Implantatbehandlungen; OLG München GRUR 1990, 382 - Anzeigenbuch). Im einzelnen ergibt sich daraus für die beanstandeten Eintragungen folgendes:

€Prophylaxe€:

Nach § 17 Abs. 4 Berufsordnung sind für amtliche Verzeichnisse nur ganz bestimmte Hinweise zulässig, unter die die hier in Rede stehende Bezeichnung €Prophylaxe€ nicht fällt. Im Einzelfall können zwar auch zusätzliche Hinweise zulässig sein, wenn sie ohne Verfälschung des Berufsbildes eines Zahnarztes eine für den Patienten sinnvolle Information darstellen (Bundesverwaltungsgericht NJW 1998, 2759). Insbesondere Hinweise auf allgemeine Behandlungsmethoden und apparative Ausstattungen sind aber nicht zulässig, insbesondere, wenn sie eine besondere Qualifikation für einen bestimmten Bereich vorspiegeln (OLG Düsseldorf NJW 1997, 1644 - Privatpraxis; OLG Düsseldorf GRUR 1989, 120 - Praxisschild; Piper a.a.O. S. 459; Laufs, Handbuch des Arztrechtes 2. Aufl., § 15 Rz. 14, 19).

Daraus folgt für den vorliegenden Fall, daß der Beklagte sicher angeben darf, zwei Telefonanschlüsse zu haben. Den einen davon mit der €Prophylaxe€ zu verbinden mag ihm organisatorisch ebenfalls gestattet sein. Es besteht aber kein Bedürfnis, dies nach außen auch kund zu tun. Es reicht aus, den Patienten, der anruft und lediglich einen Termin für eine Vorsorgeuntersuchung will, entsprechend zu verbinden. Besonders herausgehoben wie hier erweckt die Telefonbucheintragung den Eindruck, als hätte sich der Beklagte gerade auf die Prophylaxe spezialisiert. Das ist aber nicht der Fall. Denn die anderen Zahnärzte betreiben Prophylaxe in gleicher Weise. Der Patient, der nur vorbeugen will, ist bei anderen Zahnärzten nicht schlechter aufgehoben als beim Beklagten. Mit besonderen therapeutischen Fähigkeiten und Zielvorstellungen soll nicht werbend an die Öffentlichkeit getreten werden, es sei denn, sie beruhen auf besonderen fachärztlichen Fähigkeiten oder auf einer besonderen apparativen Ausstattung. Das ist hier nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um eine bloße Selbsteinschätzung des Beklagten, die für den Patienten objektiv gesehen keinen besonderen Informationswert hat. Ob und welche Zahnbehandlung erforderlich ist, ergibt sich gerade als Ergebnis der Vorsorgeuntersuchung. Insoweit stellt die €Prophylaxe€ eben keinen eigenständigen Behandlungsbereich dar, dessen ausdrückliche Ankündigung für den Patienten eine sinnvolle Information darstellt.

Die Angabe €Zahntechnik€:

Für diesen Zusatz gelten die obigen Ausführungen ebenfalls. Eine Notwendigkeit, dem Kunden die Telefonnummer des Zahnlabors im Zusammenhang mit dem Praxiseintrag mitzuteilen, besteht nicht. Denn eine unmittelbare Kontaktaufnahme des Patienten mit dem Zahnlabor kommt regelmäßig nicht in Betracht. Von daher verkürzt sich der Informationswert der Eintragung für den Patienten auf die Mitteilung, daß der Beklagte über ein eigenes Zahnlabor verfügt. Das mag für den Patienten nicht ohne Interesse sein, weil er glaubt, daß der Zahnersatz so für ihn (kosten€)günstiger herzustellen sei. Gerade dadurch wird das Berufsbild des Zahnarztes aber verzerrt. Die Zahntechnik hat mit der Zahnbehandlung unmittelbar nichts zu tun. Sie wird vom Zahnlabor in eigener Verantwortung auf Anweisung des Zahnarztes erbracht und unterliegt wie beim Beklagten so auch bei den anderen Zahnärzten deren Kontrolle. Unstreitig ist der Beklagte selbst kein Zahntechniker. Vielmehr wird auch sein Dentallabor fachlich von dritter Seite geleitet. Lediglich betriebswirtschaftlich ist es ihm zugeordnet.

Damit befindet sich der Beklagte, was die zahnmedizinische Seite betrifft, gegenüber seinem Dentallabor in keiner anderen Rolle als andere Zahnärzte gegenüber dem von ihnen beauftragten Zahnlabor auch. Für den Patienten ist aber der Einsatz des Zahnersatzes durch den Zahnarzt das Entscheidende. Insoweit ist der Behandlungsablauf beim Beklagten nicht anders als bei anderen Zahnärzten auch. In zahnmedizinischer Hinsicht hat der Patient beim Beklagten keinen Vorteil dadurch, daß dem Beklagten selbst ein eigenes Dentallabor gehört.

In der plakativen Form, in der der Hinweis auf das eigene Dentallabor in den €Gelben Seiten€ gebracht wird, erweckt der Beklagte bei den Patienten aber den Eindruck von Behandlungsvorteilen, die in Wahrheit nicht bestehen. Es mag dem Beklagten unbenommen bleiben, in anderen Zusammenhängen auf sein eigenes Zahnlabor hinzuweisen. Darum geht es hier nicht. Hier geht es nur um die Eintragung in den €Gelben Seiten€, in der der Beklagte gerade auf seine Zahnarztpraxis hinweist. Diese Eintragung stellt sich im Hinblick auf die zusätzliche Ankündigung €Zahntechnik€ als verbotene Werbung dar, weil der Beklagte damit beim Patienten Vorteile seiner Praxis herausstreicht, die die therapeutische Leistung der anderen Zahnärzte zu Unrecht in einem weniger vorteilhafteren Licht erscheinen läßt.

Die Eintragung €Zahntechnik direkt vom Zahnarzt€:

Diese Eintragung stellt einen gewöhnlichen Werbespruch dar, mit dem sich der Beklagte an die sonst übliche Herstellerwerbung anlehnt, durch die eine besondere Preisgünstigkeit wegen Überspringens der Großhandelsstufe suggeriert wird. Solche Preiswerbung verfälscht das ärztliche Berufsbild.

Dem Beklagten bleibt es unbenommen, mit seinem Zahnlabor in der betreffenden Branche eingetragen zu sein. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob sich der Beklagte als Inhaber dieses Dentallabors als Dr. med. dent. bezeichnen darf. Denn um ein solches Bezeichnungsverbot geht es vorliegend hier nicht. Es geht allein darum, daß der Beklagte einerseits bei seiner Eintragung seiner Zahnarztpraxis nicht auf sein Zahnlabor hinweist und bei der Eintragung seines Zahnlabors nicht mit dem beanstandeten Werbespruch wirbt. Dabei wird die Verbindung zwischen der Eintragung für das Dentallabor und für die Zahnarztpraxis hier zusätzlich auch noch dadurch hergestellt, daß in beiden Fällen die €freecall-Nummer€ dieselbe ist. Damit wird für den Patienten der Bezug seines Zahnersatzes €direkt vom Hersteller€ zusätzlich noch einmal unterstrichen.

Solche €Produktwerbung€ ist mit der gebotenen sachlichen Information des Patienten nicht vereinbar und stellt sich damit als berufswidrige Werbung dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Konkretisierung des Verbotsgegenstandes im Senatsurteil stellt kein teilweises Unterliegen der Klägerin dar, weil sich deren Verbotsbegehren von Anfang an gerade auf die konkreten Eintragungen in den Gelben Seiten gerichtet hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziffer 10 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 30.03.2000
Az: 4 U 2/00


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/33e6faca09eb/OLG-Hamm_Urteil_vom_30-Maerz-2000_Az_4-U-2-00




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