Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Dezember 2004
Aktenzeichen: 7 W (pat) 359/02

(BPatG: Beschluss v. 08.12.2004, Az.: 7 W (pat) 359/02)

Tenor

Auf den Einspruch wird das Patent widerrufen

Gründe

I.

Gegen das Patent 101 21 787 mit der Bezeichnung Verfahren und Vorrichtung zur Herstellung von Nebenformelementen, dessen Erteilung am 11. Juli 2002 veröffentlicht worden ist, hat die M... GmbH in R...

Einspruch erhoben.

Sie macht geltend, daß das Verfahren nach den Patentansprüchen 1 und 2 und die Vorrichtung nach den Patentansprüchen 3 bis 12 gegenüber dem Stand der Technik nicht das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit seien.

Sie beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten.

Sie macht geltend, daß das Verfahren nach Patentanspruch 1 und die Vorrichtung nach Patentanspruch 3 gegenüber dem genannten Stand der Technik neu und erfinderisch seien.

Der Patentanspruch 1 hat folgende Fassung:

Verfahren zur Herstellung von Nebenformelementen an einem umfänglich geschlossenen Hohlprofil, wobei ein Hohlprofilrohling mittels eines fluidischen Innenhochdruckes in einen von einer Gravur des Innenhochdruck-Umformwerkzeuges abgehenden Abzweig hinein unter Bildung des Nebenformelementes aufgeweitet wird, dadurch gekennzeichnet, daß das sich bildende Nebenformelement mittels einer von einem äußeren Druck beaufschlagten Membran während der Aufweitung entgegen der Aufweitrichtung abgestützt wird, derart, daß die Membran mit Fortschritt der Ausbildung des Nebenformelementes bis zum Erreichen der Endform elastisch zurückweicht.

Der als nebengeordneter Patentanspruch formulierte Patentanspruch 3 hat folgende Fassung:

Vorrichtung zur Herstellung von Nebenformelementen an einem umfänglich geschlossenen Hohlprofil, mit einem Innenhochdruckumformwerkzeug, in dessen Gravur ein Hohlprofilrohling einlegbar ist, wobei von der Gravur ein Abzweig radial abgeht, in den der Hohlprofilrohling mittels eines fluidischen Innenhochdruckes unter Bildung des Nebenformelementes aufweitbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Vorrichtung eine Membran und einen Druckerzeuger beinhaltet, mittels dessen die Membran über ein Druckmedium druckbeaufschlagbar ist, derart, daß die Membran während der Aufweitung an dem sich bildenden Nebenformelement entgegen der Aufweitrichtung abstützend anliegt, wobei die Membran mit Fortschritt der Ausbildung des Nebenformelementes bis zum Erreichen der Endform elastisch zurückweicht, und daß die Membran den Abzweig überspannend außerhalb der Längserstreckung der Gravur am Werkzeug angebracht ist.

Nach der Streitpatentschrift Spalte 1, Zeilen 26 bis 31 liegt die Aufgabe vor, ein gattungsgemäßes Verfahren bzw. eine gattungsgemäße Vorrichtung dahingehend weiterzubilden, daß in einfacher Weise und prozeßsicher vom Formverlauf her nahezu beliebig gestaltete Nebenformelemente am Hohlprofil ausgebildet werden können.

Die Patentansprüche 2 bzw. 4 bis 12 sind auf Merkmale gerichtet, die das Verfahren zur Herstellung von Nebenformelementen nach Patentanspruch 1 bzw. die Vorrichtung zur Herstellung von Nebenformelementen nach Patentanspruch 3 weiter ausgestalten sollen.

In der mündlichen Verhandlung sind u.a. das Buch "Metal forming handbook" der Schuler GmbH in Göppingen, Springer-Verlag Berlin 1998, S 407 und die deutsche Offenlegungsschrift 199 27 064 abgehandelt worden.

II.

1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs 3 Satz 1 Ziff 1 PatG in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 Art 7 durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert und daher zulässig. Er hat zum Widerruf des Patents geführt.

3. Das Verfahren nach Patentanspruch 1 bzw. der Gegenstand nach Patentanspruch 3 sind neu und gewerblich anwendbar. Sie sind jedoch nicht das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit. In dem Buch "Metal forming handbook" ist auf der Seite 407 in Figur 5.2.2 die Herstellung eines T-Stücks dargestellt und die einzelnen Herstellungsschritte sind erläutert. Daraus ist ein Verfahren zur Herstellung von Nebenformelementen an einem umfänglich geschlossenen Hohlprofil bekannt, bei dem das sich bildende Nebenformelement mittels eines Gegendruckkolbens während der Aufweitung entgegen der Aufweitrichtung abgestützt ist, wobei der Kolben mit Fortschritt der Ausbildung des Nebenformelements bis zum Erreichen der Endform zurückweicht.

Möchte der zuständige Fachmann, hier ein Entwicklungsingenieur des Maschinenbaus, der auf dem Gebiet der Umformtechnik von Blechteilen tätig ist, beliebig gestaltete Nebenformelemente, die z.B. auch Hinterschneidungen aufweisen können, herstellen, so wird er im Stand der Technik nach Möglichkeiten suchen, wie die Stützkraft gebildet werden muß, um eine derartige Konfiguration erzeugen zu können. Dabei stößt er auf die deutsche Offenlegungsschrift 199 27 064, in der ein Verfahren zur Verformung von Blechen beschrieben ist, durch das Bauteile mit Hinterschneidungen herstellbar sind (vgl Sp 2, Z 18 bis 26). Bei diesem Verfahren wird die Stützkraft entgegen der Verformung durch eine Mediumfüllung gebildet. Die Verformungskraft wird durch ein Druckmedium über eine Membran auf das zu verformende Blech aufgebracht (vgl Sp 4, Z 15 bis 32).

Auch wenn es sich dort um ein an den Seiten eingespannte flaches Blechteil handelt, erkennt der Fachmann, daß die Bildung der Abstützkraft durch eine Mediumfüllung eine große Gestaltungsfreiheit für die Verformung auch anders geformte Blechteile erlaubt. Diese Art die Stützkraft zu bilden, ist daher ohne weiteres auf eine Herstellung von Nebenformelementen an einem umfänglich geschlossenen Hohlprofil, wie sie aus dem Buch "Metal forming handbook" bekannt ist, anwendbar. Der Fachmann gelangt dadurch ohne weiteres zu einem Verfahren, wie es im Patentanspruch 1 angegeben ist mit der Ausnahme, daß zwischen Blech und Stützmedium eine Membran angeordnet ist. Auch diese Maßnahme kann jedoch eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen, da es dem Fachmann aufgrund seiner Fachkenntnis naheliegend ist, Leckageverluste, die aufgrund der Teilung der Formmatritze auftreten können, durch das Vorsehen einer Membran zu verhindern.

Der Patentanspruch 1 ist daher nicht rechtsbeständig.

Entsprechendes gilt für den sich auf eine Vorrichtung zur Herstellung von Nebenformelementen beziehenden, als selbständigen Patentanspruch formulierten Patentanspruch 3. Auch bei diesem Gegenstand wird die Stützkraft durch ein Druckmedium aufgebracht, das eine Membran beaufschlagt.

Der Patentanspruch 3 ist daher ebenfalls nicht rechtsbeständig.

Die Patentansprüche 2, 4 bis 12 beinhalten Maßnahmen zur Ausgestaltung des Verfahrens nach Patentanspruch 1 bzw. der Vorrichtung nach Patentanspruch 3, die weder für sich noch in Verbindung mit dem Patentanspruch 1 bzw. 3 eine erfinderische Tätigkeit begründen können. Dies wurde auch von der Patentinhaberin nicht geltend gemacht.

Die Patentansprüche 2, 4 bis 12 sind daher als echte Unteransprüche ebenfalls nicht rechtsbeständig.

Köhn Eberhard Dr. Pösentrup Frühauf Hu






BPatG:
Beschluss v. 08.12.2004
Az: 7 W (pat) 359/02


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