Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. November 2004
Aktenzeichen: 23 W (pat) 18/02

(BPatG: Beschluss v. 25.11.2004, Az.: 23 W (pat) 18/02)

Tenor

Der Antrag des Patentanmelders auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren sowie auf Beiordnung eines Patentanwalts wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Patentanmeldung wurde mit der Bezeichnung "Konzept eines Solarfensters" am 2. März 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht und es wurde gleichzeitig Verfahrenskostenhilfe beantragt. Diese wurde für das patentamtliche Prüfungsverfahren bewilligt.

Die ursprünglichen Patentansprüche 1 und 2 haben folgenden Wortlaut:

"1. Das transparente Solarfenster für Erzeugung des in Häusern benötigten Stromes, dadurch gekennzeichnet, daß die Fensterscheibe aus zwei Schichten, eine nach Außen zugewandte Solarschicht, die durch Sonnenwärme Strom erzeugt, und eine nach innen zugewandte wärmedämmende transparente Schicht, die den Wärmeaustausch zwischen der Luft im Haus und der Luft draußen verhindert, zusammengesetzt ist.

2. Solarfenster nach Patentanspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß es zum einen durch Sonnenwärme Strom erzeugt, und zum anderen den Temperaturaustausch zwischen der Luft im Haus und der Luft draußen, der immer zur Wärmeverlust im Haus führt und dadurch auch mehr Strom verbraucht wird, verhindert, ohne die Sicht und die Helligkeit im Haus zu beeinträchtigen."

Im Prüfungsverfahren wurden folgende Entgegenhaltungen ermittelt:

1) deutsche Offenlegungsschrift 39 43 516, 2) deutsche Offenlegungsschrift 42 08 710, 3) deutsche Offenlegungsschrift 40 06 756 und 4) europäische Offenlegungsschrift 0 199 233.

Der Entscheidung der Prüfungsstelle lagen die mit Schriftsatz des Anmelders vom 19. November 2001 eingereichten Patentansprüche 1 bis 7 mit nachfolgendem Wortlaut zugrunde (nach Korrektur eines grammatikalischen Fehlers im Anspruch 1):

"1. Solarfenster zur Stromerzeugung aus Sonnenenergie mit einer wärmedämmenden Schicht zur Verhinderung des Temperaturaustauschs zwischen der Außen- und Innentemperatur, dadurch gekennzeichnet, daß es aus einer Solar- und einer wärmedämmenden Schicht besteht.

2. Solarfenster nach Patentanspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Solarschicht aus transparenten Halbleitern besteht.

3. Solarfenster nach Patentanspruch 1, 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Solarschicht nach außen zugewandt ist.

4. Solarfenster nach Patentanspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die wärmedämmende Schicht aus einem hochwärmedämmenden Material transparent gebaut ist.

5. Solarfenster nach Patentanspruch 1, 4, dadurch gekennzeichnet, daß die wärmedämmende Schicht nach innen zugewandt ist.

6. Solarfenster nach Patentanspruch 1, 2, 3, dadurch gekennzeichnet, daß die beiden Schichten zusammengeklebt werden und so daß sie zusammen eine einzige Scheibe bilden.

7. Solarfenster nach Patentanspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Solarschichten, oder auch die wärmedämmende Schicht, jeweils mit einer dünnen transparenten Scheibe geschützt werden können, falls dies erforderlich sein solle."

Die Prüfungsstelle für Klasse H 01 L des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung durch Beschluß vom 21. Dezember 2001 zurückgewiesen, weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 vom 19. November 2001, der seinem technischen Inhalt nach dem ursprünglichen Patentanspruch 1 entspreche, durch jede der oben genannten Entgegenhaltungen 1) bis 4) neuheitsschädlich vorweggenommen werde.

Gegen diesen, dem Anmelder am 25. Januar 2002 zugestellten, Beschluß richtet sich die am 14. Februar 2002 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Beschwerde des Anmelders.

In dieser Beschwerde hat der Anmelder zudem Antrag auf Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht gestellt und Beiordnung des Patentanwalts H... beantragt. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse hätten sich im Vergleich zum Jahr 2000 nicht geändert.

Eine Beschwerdegebühr hat der Anmelder nicht entrichtet.

Mit Schriftsatz vom 18. September 2002 hat der Anmelder seinen Verfahrenskostenhilfeantrag dahingehend ergänzt, daß die Verfahrenskostenhilfe auch für die Zahlung der Patent-Jahresgebühren gelten solle.

Weiter beantragt er, die Patent-Jahresgebühren in die Verfahrenskostenhilfe mit einzubeziehen.

Mit der Zwischenverfügung vom 3. November 2003 hat der Senat die Entgegenhaltungen 5) H.-J. Hacke "Montage integrierter Schaltungen" Springer Verlag (1987) Seite 21 Tabelle 2.2;

6) Siemens "Technische Tabellen" (1984) Seite 72 Tabelle "Eigenschaften einiger fester Stoffe";

7) F.N. Sinnadurai "Handbook of Microelectronics Packaging and Interconnection Technologies" Electrochemical Publications Ltd Ayr Scotland (1985) Seite 235 Tabelle 9.3.

in das Verfahren eingeführt. Dabei hat der Senat die vorläufige Auffassung vertreten, daß sämtliche Patentansprüche vom 19. November 2001 nicht patentfähig seien und auch die ursprüngliche Beschreibung keine weiteren Merkmale offenbare, auf die eine patentfähige Erfindung gestützt werden könnte, so daß keine hinreichende Aussicht auf eine Erteilung eines Patents gemäß § 130 Abs. 1 PatG bestehe.

Der Anmelder hat mit dem Schriftsatz vom 4. Dezember 2003 einen neuen und einzigen Hauptanspruch mit folgendem Wortlaut eingereicht:

"1. Aus zwei Scheiben bestehendes Solarfenster, wobei die eine Scheibe eine Solarschicht zur Stromerzeugung und die andere Scheibe eine wärmedämmende Schicht ist, mit den folgenden Merkmalen:

Die nach außen gewandte Solarschicht besteht aus einem transparenten wärmeleitenden Baustoff und ist so konstruiert, daß in der Schicht durch Licht Ladungsträger erzeugt werden;

die nach innen gewandte wärmedämmende Schicht Schicht besteht aus einem gut wärmedämmenden, transparenten Material;

die beiden Schichten sind zusammengeklebt, so daß sie eine einzige Scheibe bilden."

Der Anmelder vertritt die Auffassung, daß der Gegenstand dieses Anspruchs neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Bezüglich weiterer Einzelheiten, insbesondere dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen, wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe sowie die Beiordnung eines Patentanwalts wird zurückgewiesen, weil die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg in dem Sinne bietet, daß eine hinreichende Aussicht auf Erteilung eines Patents besteht, § 129, 130 Abs. 1 Satz 1 PatG iVm § 114 ZPO. Die ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbaren keinen patentfähigen Gegenstand.

a) Der geltende Patentanspruch 1 ist zulässig. Ein aus zwei Scheiben bestehendes Solarfenster mit einer Scheibe als Solarschicht zur Stromerzeugung und einer Scheibe als wärmedämmender Schicht ist im ursprünglichen Patentanspruch 1 in Verbindung mit der Beschreibung Seite 1, Absatz 2 offenbart.

Die weiteren Eigenschaften der Solarschicht sind ebenfalls durch die angegebenen Textstellen der ursprünglichen Beschreibung offenbart, während die weiteren Eigenschaften der wärmedämmenden Schicht in der ursprünglichen Beschreibung Seite 1, letzter Teilsatz bis Seite 2, Zeile 6 offenbart sind.

Das Zusammenkleben der nach außen gewandten Solarschicht und der nach innen gewandten wärmedämmenden Schicht ist in der ursprünglichen Beschreibung Seite 2, Zeilen 6 bis 8 offenbart.

Der geltende Patentanspruch 1 entspricht der inhaltlichen Zusammenfassung der Patentansprüche 1 bis 6 vom 19. November 2001, die der Entscheidung der Prüfungsstelle vom 21. Dezember 2001 und der Zwischenverfügung vom 3. November 2003 zugrunde lagen.

Wie der detaillierte Offenbarungsnachweis zeigt, enthält die ursprüngliche Beschreibung keinerlei weitere Merkmale, die das Solarfenster gemäß Patentanspruch 1 weiter spezifizieren bzw. weiter einschränken könnten.

b) Ausweislich der ursprünglichen Beschreibung sieht es der Anmelder als nachteilig an, wenn Fensterflächen von Häusern nicht zur Stromerzeugung beitragen, vergleiche ursprüngliche Beschreibung Seite 1, Absatz 1.

Daher liegt der vorliegenden Anmeldung als technisches Problem die sinngemäße Aufgabe zugrunde, ein Solarfenster zu schaffen.

Die Lösung ist im geltenden Patentanspruch 1 angegeben.

Wesentlich bei dieser Lösung ist, daß das insgesamt transparente Solarfenster aus einer nach außen gewandten, aus wärmeleitenden Material gebildeten Scheibe als Solarschicht und aus einer nach innen gewandten, gut wärmedämmenden Scheibe bzw. Schicht besteht, wobei diese Schichten zusammengeklebt sind und so eine einzige Scheibe bilden. Dabei werden diese Scheiben materialmäßig nicht näher spezifiziert.

c) Das Solarfenster gemäß dem geltenden Patentanspruch 1 mag zwar gegenüber dem bisher ermittelten Stand der Technik neu sein, jedoch beruht dieses nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns, eines berufserfahrenen, mit der Entwicklung von Solarfenstern befaßten Diplom-Ingenieurs der Fachrichtung Elektrotechnik mit Fachhochschulabschluß.

Die Entgegenhaltung 3) offenbart ein Solarfenster zur Stromerzeugung mit einer nach außen zugewandten, wärmeleitenden und transparenten Solarschicht (Solarzellenschicht 10 u.a. aus amorphem Silizium: Wärmeleitfähigkeitskoeffizient Si = 152 W / K m), die auf einer innenliegenden, gut wärmedämmenden und ebenfalls transparenten Schicht (Trägerschicht 11 ua aus Klarglas: Glas = 0,8 W / K m oder Kunststoffolie: Kunststoff = 0,2 W / K m) angeordnet ist, weil die Wärmeleitfähigkeitskoeffizienten von Glas oder Kunststoff im Vergleich zu guten Wärmeleitern relativ gering sind, vergleiche Entgegenhaltung 3) Figur 3 in Verbindung mit der zugehörigen Beschreibung zu Figur 1 und 3 sowie zu den Wärmeleitfähigkeitskoeffizienten vergleiche Entgegenhaltung 5), Seite 21, Tabelle 2.2; Entgegenhaltung 6) Seite 72, Tabelle "Eigenschaften einiger fester Stoffe"; Entgegenhaltung 7) Seite 235, Tabelle 9.3.

Bezüglich des Verklebens der beiden Schichten des Solarfensters gemäß dem letzten Merkmal des geltenden Patentanspruchs 1, wird auf die Entgegenhaltung 3) hingewiesen, der zufolge die aus der Solarzellenschicht (10) und dem Träger (11) gebildete Einheit zwischen zwei Scheiben oder an der Außenscheibe verklebt wird, vgl dort die Beschreibung zu Figuren 1 und 2 in Spalte 2, Zeilen 41 bis 45 und Spalte 3, Zeilen 61 bis 66. Daher ist es für den Fachmann auch naheliegend, eine selbsttragende Solarzellenschicht als Scheibe mit einer wärmedämmenden Schicht als Scheibe miteinander zu verkleben, zumal in der Entgegenhaltung 4) bereits untereinander verschaltete, transparente Solarzellen (5, 6) als Verbund mittels eines Schmelzklebers (schmelzbare Folie 7) an der Innenseite der Außen- oder Innenglasscheibe (1, 2) verklebt werden, vergleiche dort die einzige Figur in Verbindung mit der Beschreibung Spalte 3, Absatz 1 und Spalte 4, Absatz 2.

Somit beruht das Solarfenster gemäß dem geltenden Patentanspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns.

Nachdem - wie im Abschnitt II a) ausgeführt - der geltende Patentanspruch 1 bereits sämtliche in der äußerst knappen ursprünglichen Beschreibung offenbarten materiellen Merkmale eines Solarfensters enthält, kann der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 nicht durch weitere ursprünglich offenbarte Merkmale konkreter spezifiziert und somit eingeschränkt werden. Auch deren Verwendung als Scheibe bei Fahrzeugen (ursprüngliche Beschreibung S 2, le Abs) kann die Patentfähigkeit des Anmeldungsgegenstandes im Hinblick auf den aus Entgegenhaltung 3) bekannten Stand der Technik nicht begründen.

Daher geht auch die vom Anmeldervertreter mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2003 vertretene Auffassung, daß die Verfahrenskostenhilfe schon allein deswegen bewilligt werden müsse, weil die vom Anmelder neu vorgetragenen Argumente nur im Rahmen der Beurteilung auf Patentfähigkeit der Erfindung eingehend diskutiert werden könnten, so daß eine abschließende Beurteilung im Rahmen des Verfahrenskostenhilfeantrages nicht möglich sei und insoweit von einer Erfolgsaussicht auszugehen sei, ins Leere, weil vorliegend im Rahmen des Verfahrens auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe bereits sämtliche in den ursprünglichen Unterlagen offenbarten Gegenstände auf Patentfähigkeit geprüft wurden.

Weil die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen im Hinblick auf den nachgewiesenen Stand der Technik keinen patentfähigen Gegenstand offenbaren, besteht keine hinreichende Aussicht auf Erteilung eines Patents.

Bei dieser Sachlage muß der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren sowie die Beiordnung eines Patentanwalts oder Rechtsanwalts abgelehnt werden.

III Eine Entscheidung über die Beschwerde ist im derzeitigen Verfahrensstadium noch nicht veranlaßt, weil der Anmelder bislang noch keine Beschwerdegebühr eingezahlt hat und demzufolge noch offen ist, ob eine wirksame Beschwerde eingelegt ist oder gemäß § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht eingelegt gilt. Da der Anmelder vor Ablauf der Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr nach § 6 Abs. 1 PatKostG (Gebührenverzeichnis Nr 411 200 des Patentkostengesetzes), in Verbindung mit § 73, Abs. 2 Satz 1 PatG Antrag auf Verfahrenskostenhilfe gestellt hat, ist die Zahlungsfrist bis zum Ablauf von einem Monat nach Zustellung des vorliegenden Zurückweisungsbeschlusses gehemmt, § 134 PatG. Im Hinblick auf diese Hemmung und die noch offene Restfrist zur Zahlung von 11 Tagen, läuft die Zahlungsfrist einen Monat und 11 Tage nach Zustellung des vorliegenden Beschlusses ab. Sofern innerhalb dieser Frist die Beschwerdegebühr nicht einbezahlt wird und auch die Beschwerde nicht zurückgenommen wird, wird durch Beschluß festzustellen sein, daß die Beschwerde gemäß § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht eingelegt gilt.

IV Im Hinblick auf die gestellten Verfahrenskostenhilfeanträge, die sich auch auf die Zahlung der Jahresgebühren beziehen, ist die Feststellung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 3. November 2004, wonach die Anmeldung wegen Nichtzahlung der Jahresgebühr als zurückgenommen gilt, derzeit offensichtlich unzutreffend.

V Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Dr. Tauchert Dr. Meinel Knoll Lokys Be






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