Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. April 2003
Aktenzeichen: 21 W (pat) 6/03

(BPatG: Beschluss v. 29.04.2003, Az.: 21 W (pat) 6/03)

Tenor

1. Der Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird verworfen.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Mit Beschluß vom 15. Oktober 2002 hat das Deutsche Patent- und Markenamt den Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das Patenterteilungsverfahren zurückgewiesen, da es bekannt sei, in einem medizinischen Kompressionsstrumpf oder textilem Gewebe in Längsrichtung einen Reißverschluß vorzusehen, um das An- und Ausziehen des Strumpfes zu erleichtern.

Hiergegen hat der Anmelder - ohne Zahlung einer Gebühr - Beschwerde eingelegt. Er stellt sinngemäß den Antrag, 1. den angefochtenen Beschluß aufzuheben und Verfahrenskostenhilfe für das Patenterteilungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt zu bewilligen und 2. Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen.

Zur Begründung trägt er vor, Kompressionsstrümpfe seien nicht mit Stützstrümpfen zu vergleichen. Mit Kompressionsstrümpfen könne erreicht werden, daß der überhöhte Druck in den venösen Gefäßen durch die richtige Paßform und damit die richtige Kompression an der richtigen Stelle ausgeglichen werde, während Stützstrümpfe mehr kosmetischen Zwecken dienten.

II.

1. Die Beschwerde des Anmelders gegen die Verweigerung der Verfahrenskostenhilfe für das Patenterteilungsverfahren ist zulässig.

Die Entrichtung einer Beschwerdegebühr ist nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels. Durch die zum 31. Dezember 2001 erfolgte Aufhebung des PatG § 73 Abs 3, wonach eine Beschwerdegebühr nur bei Zurückweisungen von Anmeldungen oder bei Entscheidungen über die Aufrechterhaltung, den Widerruf oder die Beschränkung des Patents zu entrichten war, hat sich für die Beschwerde gegen die Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe unter Geltung des am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen PatKostG nichts geändert. Eine Beschwerdegebühr, deren rechtzeitige Entrichtung innerhalb eines Monats nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses grundsätzlich Voraussetzung für die Zulässigkeit ist, fällt bei Beschwerden gegen die Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe nicht an. Dies folgt aus dem allgemeinen Grundsatz der ZPO §§ 115 ff, die nach PatG § 99 Abs 1 entsprechend anwendbar sind, wonach Prozeßkostenhilfeverfahren nicht gebührenpflichtig sind (vgl ausführlich hierzu BPatG in GRUR 2003, 87 ff). Im übrigen ist in einem Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Geschmacksmusterrechts unter Nr 401 300 vorgesehen, daß die Beschwerde in Verfahrenskostenhilfesachen gebührenfrei ist.

Die zulässige Beschwerde ist jedoch nicht begründet, denn es fehlt an der Voraussetzung der hinreichenden Aussicht auf Erteilung des Patents nach PatG § 130 Abs 1 S 1. Die Prüfung dieses Erfordernisses hat aufgrund eines vorläufigen Vergleichs des Anmeldungsgegenstandes mit dem ermittelten Stand der Technik zu erfolgen und darf das eigentliche Prüfungsverfahren nicht vorwegnehmen (BPatG in Mitt 94, 275ff).

Danach ist der Senat nach Vergleich des im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patentamt ermittelten Standes der Technik mit dem Anmeldungsgegenstand zu der vorläufigen Ansicht gelangt, daß keine Aussicht auf Erteilung des Patents besteht, weil der beanspruchte Gegenstand dem Fachmann durch die DE 196 23 012 A1 nahegelegt erscheint.

Aus der DE 196 23 012 A1 ist ein medizinischer Kompressionsstrumpf (Sp 1, Z 8 bis 12) aus elastischem Gewebe (Sp 1, Z 14/15) bekannt, bei dem mindestens entlang eines Teils einer Längserstreckung des hülsenförmigen Bereichs mindestens ein Reißverschluß angeordnet ist (Patentanspruch 1). Damit ist auch dieser bekannte Strumpf als auf der Rückseite der Länge nach von der Ferse zum Oberschenkel aufgeschnitten und mit einem Reißverschluß versehen anzusehen, denn gemäß der Lehre der genannten DE 196 23 012 A1 ist für den Reißverschluß jede mögliche Seite des Strumpfes vorgesehen, also auch die Rückseite. Darüber hinaus erleichtert der Einsatz des Reißverschlusses das An- und Ausziehen des Strumpfes, ohne die therapeutischen Eigenschaften zu verlieren, denn es soll auch dort der Nachteil bekannter Strümpfe vermieden werden, wonach das An- und Ablegen of sehr mühsam ist (Sp 1, Z 17/18 iVm Sp 1, Z 26 bis 28). Die Fixierung des Reißverschlusses am Strumpf nach der DE 196 23 012 A1 geschieht durch Annähen (Sp 2, Z 45 bis 48), wie auch beim Gegenstand der Schutzansprüche gemäß der Ergänzung nach Schriftsatz vom 20. September 2002.

Dieser Stand der Technik umfaßt wohl auch Damen- und Herrenstrümpfe zum täglichen Gebrauch, denn der Oberbegriff des Patentanspruchs 1 der DE 196 23 012 A1 ist auf eine Vorrichtung zur Umschließung mindestens eines Teils eines menschlichen Beines, die aus einem elastischen Material ausgebildet ist und mindestens bereichsweise eine hülsenförmige Gestalt aufweist, gerichtet. Nach Auffassung des Senats könnten von der Entgegenhaltung nicht nur Stützstrümpfe sondern auch Kompressionsstrümpfe umfaßt sein, denn in Sp 1, Z 8 bis 12 heißt es, daß der Stützstrumpf eine Gefäßkompression bewirken solle. Abgesehen davon wäre möglicherweise der Fachmann in der Lage, Maßnahmen, die bei Stützstrümpfen bekannt sind, auch auf Kompressionsstrümpfe zu übertragen.

Auch den übrigen Anmeldungsunterlagen konnte der Senat nichts entnehmen, was nach seiner Auffassung die Erteilung eines Patents hätte begründen können. Die Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.

2. Der Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das gegen die Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe gerichtete Beschwerdeverfahren ist mangels gesetzlicher Grundlage unstatthaft und daher unzulässig.

Der Gesetzgeber sieht gem PatG § 129 Verfahrenskostenhilfe nur für die in PatG §§ 130 bis 138 abschließend aufgeführten Verfahren vor. Das ist ua das Erteilungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt und das Beschwerdeverfahren im Erteilungsverfahren vor dem Bundespatentgericht (PatG § 131), nicht aber das davon zu unterscheidende Verfahren auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für dieses Erteilungsverfahren (BPatGE 43, 187, 191 "Luftfilter"). Dies entspricht auch der herrschenden Rechtsprechung zu den Vorschriften der ZPO über die Gewährung von Prozeßkostenhilfe, da diese nach ZPO § 114 nur für die Prozeßführung gewährt werden kann, worunter das eigentliche Streitverfahren zu verstehen ist, nicht aber das Prozeßkostenhilfeverfahren. Von dieser Rechtsprechung für das Verfahrenskostenhilfebeschwerdeverfahren betreffend patentrechtliche Erteilungsverfahren abzuweichen, sieht der Senat keinen Anlaß. Vielmehr ist gerade deshalb hieran festzuhalten, weil - wie dargelegt - Beschwerden gegen die Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe wie gem PatG § 73 Abs 3 aF auch unter Geltung des PatKostG weiterhin gebührenfrei bleiben.

Dr. Winterfeldt Klosterhuber Dr. Franz Dr. Strößner Pr






BPatG:
Beschluss v. 29.04.2003
Az: 21 W (pat) 6/03


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