Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Dezember 2003
Aktenzeichen: 26 W (pat) 192/02

(BPatG: Beschluss v. 17.12.2003, Az.: 26 W (pat) 192/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die für die Waren und Dienstleistungen

"Weine, Schaumweine, weinhaltige Getränke; Datenträger, nämlich Musiktonträger; Druckerei- und Verlagserzeugnisse, nämlich Gesangbücher und Partituren; Unterhaltung, nämlich Veranstaltung von Liederabenden; kulturelle Aktivitäten, nämlich Veranstaltung von Konzerten; Durchführen von Weinproben; Verpflegung von Gästen"

unter der Nummer 397 54 365 eingetragene Marke Goethe und der Weinist Widerspruch erhoben worden aus der Marke 1 183 158 Goethe, die für die Waren

"Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere), nämlich Wein und Sekt"

eingetragen ist.

Die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diesen Widerspruch zunächst wegen mangelnder Glaubhaftmachung der zulässigerweise bestrittenen Benutzung zurückgewiesen. Auf die hiergegen von der Widersprechenden eingelegte Erinnerung hat der Erinnerungsprüfer ausgeführt, zwischen den Vergleichszeichen bestehe keine Verwechslungsgefahr. Dies gelte selbst dann, wenn man von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke ausgehe und in Anbetracht der zum Teil bestehenden Warenidentität insoweit einen überdurchschnittlich strengen Maßstab anlege. In der Gesamtheit hebe sich die angegriffene Marke ohnehin in klanglicher, schriftbildlicher und begrifflicher Hinsicht deutlich von der Widerspruchsmarke ab. Eine Verwechslungsgefahr könne auch nicht wegen des Bestandteils "Goethe" in der angegriffenen Marke angenommen werden, da dieser das Zeichen nicht in einer Weise präge, dass die weiteren Wortelemente "und der Wein" in den Augen des Verkehrs so in den Hintergrund träten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden könnten. Die Wortfolge "Goethe und der Wein" stelle sich nämlich zwanglos als begriffliche Einheit dar, nämlich als naheliegende Kurz-Bezeichnung für das Thema "Die Beziehung von Johann Wolfgang von Goethe zum Wein". Bei derartigen begrifflichen Einheiten habe der Verkehr aber keinen Anlaß, sich nur an einem Bestandteil zu orientieren. Auch die Gefahr, dass die Vergleichsmarken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht würden, bestehe nicht. Dem betreffenden Bestandteil komme nämlich in der angegriffenen Marke nicht die Bedeutung eines eigenständigen betrieblichen Herkunftshinweises zu. Auch habe die Widersprechende nicht dargelegt, den Verkehr bereits an eine Serie aus ähnlich gebildeten Marken mit dem Stammbestandteil "Goethe" gewöhnt zu haben. Schließlich könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Name "Goethe" für Weinerzeugnisse der Widersprechenden bereits einen derartigen Bekanntheitsgrad erlangt habe, dass er in jeglichem Zusammenhang als Kennzeichen ihres Unternehmens anzusehen sei.

Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Angesichts der besonderen Bedeutung Goethes im Bereich der Weine und deren markenrechtlicher Relevanz sei es für das maßgebliche Publikum unmöglich, durch Marken mit dem Wortbestandteil "Goethe" nicht an den anerkannt größten deutschen Dichter erinnert zu werden und solche Marken mit dem Namen und der Person selbst nicht gedanklich miteinander in Verbindung zu bringen. Die Widersprechende beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt demgegenüber, die Beschwerde zurückzuweisen. Da der Schutzumfang der Widerspruchsmarke eng auszulegen sei, bestehe keine Verwechslungsgefahr.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Mit der Markenstelle erachtet der Senat eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG als nicht gegeben.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabèl/Puma). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren kann durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND). Im vorliegenden Fall kann die Frage des Warenabstandes und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke jedoch im einzelnen dahingestellt bleiben. Selbst wenn ein hoher Grad der Warenähnlichkeit bis hin zur Identität und - ohne nähere Prüfung - eine hohe Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke unterstellt wird, weisen die Vergleichsmarken einen so großen Abstand auf, daß auch bei Anlegung strengster Maßstäbe in jeder Richtung ein ausreichender Abstand gewahrt ist. Aus diesem Grund kam es auch auf die Frage der Glaubhaftmachung der bestrittenen Benutzung der Widerspruchsmarke ebenso wenig an wie auf die Bedenken des Senats hinsichtlich der Schutzfähigkeit der angegriffenen Marke, die sich - abhängig von den zugrundeliegenden Waren und Dienstleistungen - in der Nähe einer Sachangabe über die Beziehung Johann Wolfgang von Goethes zum Wein bewegen kann.

Insgesamt bieten die Marken mit den in ihnen enthaltenen, voneinander abweichenden Worten dem Verkehr hinreichende Anhaltspunkte für ein sicheres Auseinanderhalten. Eine Verwechslungsgefahr wäre gleichwohl dann zu bejahen, wenn das in der angegriffenen Marke enthaltene Wort "Goethe" eine eigenständig kennzeichnende Funktion innehätte und deshalb den Gesamteindruck so sehr prägte, daß darin der markenmäßige Schwerpunkt des Gesamtzeichens gesehen wird (Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 9 Rdnr 371 ff). Dies kann jedoch nicht angenommen werden, weil die übrigen Markenteile für die angesprochenen Verkehrskreise nicht in einer Weise zurücktreten, daß sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können und eine nur untergeordnete Bedeutung haben (BGH MarkenR 2000, 20, 21 f - RAUSCH/ELFI RAUCH). Bereits von ihrer optischen Erscheinung her sind die Zeichenteile gleichwertig und werden so auch bei einer klanglichen Wiedergabe gleichermaßen berücksichtigt. Die angegriffene Marke ist zudem auch zwanglos aussprechbar und wird vor allem ohne weiteres als begriffliche Einheit in dem von der Markenstelle angenommenen Sinngehalt verstanden werden. Die Wortfolge "Goethe und der Wein" erscheint somit naheliegend als eine thematische, ohne weiteres verständliche, mehr oder weniger sachbezogene (Gesamt-)Aussage, bei der sich der Gedanke an eine (möglicherweise existierende) Marke "Goethe" überhaupt nicht aufdrängt. Der Verkehr wird sich damit in der jüngeren Marke nicht ausschließlich an dem an erster Stelle befindlichen Zeichenteil "Goethe" orientieren, sondern die nachfolgenden Zeichenteile regelmäßig einbeziehen, was bei Zugrundelegung der o.a. Grundsätze zur Ähnlichkeit von kombinierten Marken (BGH - aaO RAUSCH/ELFI RAUCH) zur Verneinung der Markenähnlichkeit und damit auch zur Verneinung der klanglichen und schriftbildlichen Verwechslungsgefahr führen mußte. Die Gefahr begrifflicher Verwechslungen scheidet wegen der offensichtlichen unterschiedlichen Begriffsgehalte ebenfalls aus. Im übrigen neigt der angesprochene Verkehr ohnehin nicht zu einer analysierenden Betrachtungsweise, sondern nimmt die Zeichen regelmäßig so an, wie sie ihm entgegentreten.

Für eine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der gedanklichen Verbindung der Marken liegen keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vor. Die Widersprechende hat insbesondere nicht vorgetragen, daß sie weitere Marken mit dem Wort "Goethe" im Verkehr verwendet, die den Schluß nahelegen könnten, die angegriffene Marke gehöre zu einer von ihr benutzten Zeichenserie. Auch sonst sind keine Umstände ersichtlich, die einen hinreichend sicheren Schluß auf eine gemeinsame unternehmerische Verantwortung der Widersprechenden für beide Marken zuließen.

Bei dieser Sach- und Rechtslage konnte die Beschwerde der Widersprechenden keinen Erfolg haben.

Besondere Gründe, einer der Beteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs 1 MarkenG aus Billigkeitsgründen aufzuerlegen, sind nicht gegeben.

Albert Reker Eder Bb






BPatG:
Beschluss v. 17.12.2003
Az: 26 W (pat) 192/02


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