Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. April 2008
Aktenzeichen: 10 W (pat) 45/06

(BPatG: Beschluss v. 21.04.2008, Az.: 10 W (pat) 45/06)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I Im März 2000 reichte der Anmelder die Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Vibrationspolster" beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) ein. Im Prüfungsbescheid vom 15. März 2005 teilte das DPMA mit, eine Patenterteilung könne nicht in Aussicht gestellt werden, da der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Für die Beantwortung des Prüfungsbescheids erbat der Anmelder in der Folgezeit mehrmals Fristverlängerungen, die ihm zuletzt bis zum 15. Januar 2006 auch gewährt wurden. Mit Beschluss vom 20. Februar 2006 wies das DPMA die Anmeldung aus den Gründen des Bescheids vom 15. März 2005 zurück. Daraufhin stellte der Anmelder mit Schreiben vom 9. März 2006 einen Antrag auf Weiterbehandlung und bat um eine Fristverlängerung bis zum 15. Januar 2007.

Das DPMA hat mit Beschluss vom 6. April 2006 den Antrag auf Weiterbehandlung zurückgewiesen, da die versäumte Handlung nicht nachgeholt worden sei. Sie bestehe in der Stellungnahme zum Prüfungsbescheid und nicht in einem Fristverlängerungsgesuch.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuhebensowie die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

Zur Begründung ist ausgeführt, bekanntlich könne anstelle einer Erwiderung in Antwort auf einen Prüfungsbescheid ebenso eine Fristverlängerung beantragt werden. Somit sei die versäumte Handlung fristgemäß nachgeholt worden.

II 1. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Patentamt hat den Weiterbehandlungsantrag zu Recht als unzulässig zurückgewiesen, nachdem die versäumte Handlung nicht innerhalb der Frist für den Weiterbehandlungsantrag nachgeholt worden ist.

Nach der am 1. Januar 2005 neu in das Patentgesetz eingeführten Bestimmung des § 123a kann der Anmelder die Weiterbehandlung der Anmeldung beantragen, wenn nach Versäumung einer vom Patentamt bestimmten Frist die Patentanmeldung zurückgewiesen worden ist, mit der Folge, dass der Beschluss wirkungslos wird (§ 123a Abs. 1 PatG). Voraussetzung hierfür ist, dass die versäumte Handlung innerhalb der Antragsfrist von einem Monat nachgeholt wird (§ 123a Abs. 2 Satz 2 PatG). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, denn innerhalb der bis 3. April 2006 laufenden Antragsfrist, die mit der Zustellung des Beschlusses vom 20. Februar 2006 begann, hat der Anmelder lediglich beantragt, die Erwiderungsfrist auf den Prüfungsbescheid vom März 2005 zu verlängern, nicht aber sachlich auf den Prüfungsbescheid erwidert. Ein Fristgesuch stellt nicht die nachzuholende Handlung im Sinne des § 123a PatG dar.

a) Was unter der nachzuholenden Handlung zu verstehen ist, wird in § 123a PatG nicht erläutert. Zur Auslegung kann aber auf das Wiedereinsetzungsverfahren zurückgegriffen werden, das ebenfalls diesen Rechtsbegriff verwendet (vgl. § 123 Abs. 2 PatG bzw. § 236 Abs. 2 ZPO - dort als "versäumte Prozesshandlung" bezeichnet). Dafür spricht neben dem übereinstimmenden Wortlaut die systematische Einordnung der neuen Bestimmung im Patentgesetz im Anschluss an § 123 PatG sowie die Begründung des Gesetzgebers (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums unter E. Art. 7 Nummer 35, in BlPMZ 2002, 14 ff., 54 r. Sp.). Die neu eingeführte Regelung soll dazu dienen, dem Säumigen nach Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses die Wahlmöglichkeit zwischen der Einlegung einer Beschwerde, dem Antrag auf Weiterbehandlung oder - bei nicht schuldhafter Fristversäumung - dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu geben. Ziel der Neuregelung - so die Gesetzesbegründung weiter - sei, den Säumigen und auch dem Patentamt die Durchführung des oft aufwendigen Wiedereinsetzungsverfahrens, in dem der Säumige oft vorgeschobene Entschuldigungsgründe vorträgt, zu ersparen. Der Gesetzgeber will daher mit dem Weiterbehandlungsantrag die Fortsetzung des Erteilungsverfahrens ermöglichen und zwar unter weitgehender Anlehnung an den außerordentlichen Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 123 PatG, ohne dass jedoch das Verschulden des Säumigen zu prüfen ist. Mit der Verwendung des identischen Rechtsbegriffs in beiden Vorschriften bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass die versäumte Handlung, die nachzuholen ist, in beiden Fällen gleich auszulegen ist.

Nach ständiger Rechtsprechung ist im Falle der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter der nachzuholenden Handlung bei Versäumung etwa der Rechtsmittelbegründungsfrist gerade nicht ein Fristgesuch, sondern ausschließlich die Rechtsmittelbegründung selbst zu verstehen (vgl. BGH vom 20. März 2003, IX ZB 596/02, in juris; BGH NJW 1999, 3051 m. w. N.; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Auflage, § 236 Rn. 8; Zöller/Greger, ZPO, 26. Auflage, § 236 Rn. 8a; Benkard/Schäfers, PatG, 10. Auflage, § 123 Rn. 58).

b) Gründe, die dagegen sprechen könnten, dieses Verständnis der Nachholung der versäumten Handlung auch im Falle eines Antrags auf Weiterbehandlung zugrundezulegen, sind trotz der Unterschiede zwischen § 123 und § 123a PatG nicht ersichtlich. Im Gegensatz zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 123 PatG, die ausschließlich Fälle betrifft, in denen der Säumige gehindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, deren Versäumung unmittelbar zu einem Rechtsnachteil führt, geht es bei der Weiterbehandlung nach § 123a PatG um eine vom Patentamt bestimmte Frist, die versäumt wurde. Der Rechtsnachteil tritt hier nicht schon mit der Fristversäumung als solcher, sondern erst in einem zweiten Schritt ein, wenn die für den Anmelder nachteilige Entscheidung getroffen ist. Die Zurückweisung der Anmeldung nach § 48 PatG setzt voraus, dass die nach § 45 Abs. 1 PatG gerügten Mängel nicht fristgerecht beseitigt wurden bzw. dass die Anmeldung nicht patentfähig ist, wobei zuvor der Anmelder die Gelegenheit erhalten haben muss, sich zu äußern (§ 45 Abs. 2 PatG). Danach kann zwar die vom Anmelder innerhalb der vom Patentamt bestimmten Frist vorzunehmende Handlung je nach Inhalt des patentamtlichen Prüfungs- bzw. Zwischenbescheids unterschiedlich sein. Sie kann z. B. im Falle gerügter Mängel nach § 45 Abs. 1 PatG in der Einreichung formell korrigierter Anmeldungsunterlagen (Patentansprüche, Beschreibung oder Zeichnungen) bestehen oder im Falle eines Prüfungsbescheids zur Patentfähigkeit nach § 45 Abs. 2 PatG - dieser Fall liegt hier vor - in der Einreichung inhaltlich geänderter Anmeldungsunterlagen oder auch nur in der bloßen Abgabe einer Stellungnahme zum Inhalt des Prüfungsbescheids. Es ist aber offensichtlich, dass in allen Fällen ein Gesuch um Fristverlängerung weder die vorzunehmende Handlung selbst noch ein Äquivalent darstellt, sondern die Handlung lediglich für einen späteren Zeitpunkt ankündigt. Dass in dem von § 123a PatG erfassten Bereich der vom Patentamt bestimmten Fristen diese Fristen bei Vorliegen ausreichender Gründe in der Regel verlängerbar sind (vgl. § 18 Abs. 2 und 3 DPMAV), hat jedenfalls nicht zur Folge, dass schon ein Fristgesuch die auf den patentamtlichen Bescheid hin vorzunehmende Handlung darstellt.

c) Soweit der Anmelder die Meinung vertritt, als nachzuholende Handlung komme auch ein Fristgesuch in Betracht, kann seiner Auffassung daher aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden. Vor Ablauf der zuletzt beantragten Fristverlängerung hätte er zwar erneut einen Aufschub zur Stellungnahme auf den Prüfungsbescheid erbeten können, was aber nicht geschehen ist. Begibt sich der Anmelder wie im vorliegenden Fall dieser Möglichkeit zur weiteren Fristerstreckung, kann er dies nicht im Wege eines Weiterbehandlungsantrags nach § 123a PatG "nachholen". Denn das vom Anmelder erst innerhalb der Frist für den Weiterbehandlungsantrag gestellte Gesuch um Fristverlängerung ist nicht geeignet, als Nachholung der versäumten Handlung die Weiterbehandlung der Anmeldung zu eröffnen. Ein Fristgesuch stellt grundsätzlich nicht die auf den patentamtlichen Bescheid vorzunehmende Handlung dar (siehe unter b), was gleichermaßen gilt, wenn es darum geht, die Handlung nach § 123a PatG nachzuholen.

Dass für ein Fristgesuch zu diesem Zeitpunkt kein Raum mehr ist, zeigt ebenfalls die bereits zum Wiedereinsetzungsverfahren vor den ordentlichen Gerichten (§§ 236 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. 233 ZPO) zitierte Rechtsprechung, die die Versäumung der grundsätzlich verlängerbaren Berufungsbegründungsfrist betrifft und damit einen mit der Versäumung der Äußerungsfrist nach § 45 Abs. 2 PatG vergleichbaren Sachverhalt, da in Übereinstimmung mit dem Verfahren vor dem Patentamt ein innerhalb der laufenden Frist eingehendes begründetes Fristgesuch Berücksichtigung gefunden hätte. Als nachzuholende Prozesshandlung ist aber ausschließlich die Berufungsbegründung selbst, nicht ein Fristgesuch zu verstehen (vgl. BGH a. a. O.). Nichts anderes kann daher im Ergebnis für die Nachholung der versäumten Handlung im Rahmen des Weiterbehandlungsantrags nach § 123a PatG gelten.

d) Soweit die Gesetzesbegründung zur Einführung des § 123a PatG auf die guten Erfahrungen mit einer vergleichbaren Regelung in Art. 121 EPÜ verweist, lässt die Spruchpraxis der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts (J 16/92 vom 25. April 1994, Weiterbehandlung/Plaksin, ABl. EPA 1995, Sonderausgabe S. 85; Schulte, PatG, 7. Auflage, § 123a Rn. 17) lediglich ein Fristgesuch ebenfalls nicht als Nachholung der versäumten Handlung genügen.

2. Erweist sich damit die Beschwerde als unbegründet, besteht auch kein Anlass für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr (§ 80 Abs. 3 PatG).

3. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 100 Abs. 2 PatG.

Schülke Püschel Martens Pr






BPatG:
Beschluss v. 21.04.2008
Az: 10 W (pat) 45/06


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