Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Mai 2006
Aktenzeichen: 7 W (pat) 326/04
(BPatG: Beschluss v. 17.05.2006, Az.: 7 W (pat) 326/04)
Tenor
Das Patent 100 14 078 wird beschränkt aufrechterhalten mit den Patentansprüchen 1 und 2 und 4 bis 8 (unter entsprechender Umnummerierung) vom 11. Mai 2006, wobei im Patentanspruch 4 das Wort "verformt" ersetzt wird durch das Wort "reduziert", mit 4 Spalten Beschreibung und mit zwei Zeichnungen, jeweils vom 11. Mai 2006.
Gründe
I.
Gegen das Patent 100 14 078 mit der Bezeichnung Verfahren zur Herstellung eines Schweißbolzen, dessen Erteilung am 11. Dezember 2003 veröffentlicht worden ist, hat die A... in B... (V. St. A.)
am 28. Februar 2004 Einspruch erhoben.
Sie macht geltend, dass der Gegenstand des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig sei.
Zum Stand der Technik sind zu den bereits im Prüfungsverfahren in Betracht gezogenen Druckschriften D1 DE 43 27 647 C1 D2 DE-PS 10 13 145 D3 DE 26 20 449 A1 D4 DOMKE, W., Werkstoffkunde und Werkstoffprüfung, 6. überarb. Aufl., 1975, Verlag W. Girardet, Essen, S. 40-41, die folgenden Druckschriften genannt worden:
D5 Lehrbuch "Fachkunde Metall", Verlag Europa Lehrmittel, Nourney, Vollmer GmbH & Co., 47. Auflage, 1985, Seiten 134-143 D6 DE 15 08 416 C3 D7 DE 23 44 027 C3 D8 DE 42 32 115 A1 D9 Merkblatt DVS 0902 "Lichtbogenbolzenschweißen mit Hubzündung", Juli 1988 D10 DE 94 13 406 U1.
Nach Ablauf der Einspruchsfrist nennt die Einsprechende zusätzlich noch folgende Druckschriften D11 WO 93/22082 A1 D12 BILLIGMANN/FELDMANN, Stauchen und Pressen, 2. Auflage, Carl Hanser Verlag, München 1973, S. 167-170.
Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt, das Patent aufrechtzuerhalten mit den Patentansprüchen 1 und 2 und 4 bis 8 (unter entsprechender Umnummerierung) vom 11. Mai 2006, wobei im Patentanspruch 4 das Wort "verformt" ersetzt wird durch das Wort "reduziert", Spalten 1 - 4 und zwei Zeichnungen, jeweils vom 11. Mai 2006.
Der Patentanspruch 1 lautet:
Verfahren zum Herstellen eines Schweißbolzens (10) aus einem Draht durch Kaltverformen und Vergüten, wobei der Schweißbolzen (10) insbesondere zum Anschweißen an ein Werkstück (12) mittels eines elektrischen Bolzenschweißverfahrens dient und aus einem Befestigungsabschnitt (18) und einem Schweißabschnitt (14) besteht, dadurch gekennzeichnet, dass der Draht zunächst vorvergütet und anschließend so kalt verformt wird, dass der Befestigungsabschnitt (18) und der Schweißabschnitt (14) unterschiedliche Festigkeiten aufweisen, dass durch das Kaltverformen der Durchmesser des Drahts im Bereich des Befestigungabschnitts (18) stärker reduziert wird als der des Drahts im Bereich des Schweißabschnitts (14), und dass durch das Kaltverformen der Befestigungsabschnitt (18) gegenüber dem Schweißabschnitt (14) eine höhere Festigkeit aufweist.
Der nebengeordnete Patentanspruch 3 (nach Umnummerierung) lautet:
Schweißbolzen (10) insbesondere zum Anschweißen an ein Werkstück (12) mittels eines elektrischen Bolzenschweißverfahrens, mit einem Schweißabschnitt (14) mit einem mit dem Werkstück (12) zu verschweißenden Bolzenende (16) und einem Befestigungsabschnitt (18) zur Verbindung mit einem Gegenstand, dadurch gekennzeichnet, dass die beiden aus demselben Material bestehenden Abschnitte (14, 18) nach einem Vorvergüten des Ausgangsmaterials durch Kaltumformung so hergestellt sind, dass die Abschnitte (14, 18) unterschiedliche Festigkeiten aufweisen, dass durch das Kaltverformen der Befestigungsabschnitt (18) stärker reduziert ist als der Schweißabschnitt (14), und dass durch das Kaltverformen der Befestigungsabschnitt (18) gegenüber dem Schweißabschnitt (14) eine höhere Festigkeit aufweist.
Der Patentanspruch 2 ist auf Merkmale gerichtet, durch die das Verfahren nach Patentanspruch 1 weiter ausgebildet wird. Die geltenden Patentansprüche 4 bis 7 sind auf die weitere Ausgestaltung des Schweißbolzens nach Patentanspruch 3 gerichtet.
Nach der Beschreibung, Abs. [0009] der Streitpatentschrift liegt die Aufgabe zugrunde, einen Schweißbolzen bzw. ein Verfahren zur Herstellung desselben zu schaffen, welcher die im Stand der Technik erkannten Nachteile vermeidet und bei einfachem Aufbau des Schweißbolzens, welcher insbesondere zum Anschweißen an ein Werkstück mittels eines elektrischen Bolzenschweißverfahrens dient, eine kostengünstige Herstellung ermöglicht.
II.
1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 1 PatG durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.
2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Er ist auch begründet, da er zu einer Einschränkung des Schutzbereichs führt.
3. Das Verfahren nach Patentanspruch 1 sowie der Schweißbolzen nach Anspruch 3 stellen patentfähige Erfindungen im Sinne des Patentgesetzes § 1 bis § 5 dar.
Der zuständige Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur des Maschinenbaus mit langjähriger Erfahrung bei der Herstellung von Schweißbolzen.
3.1 Zum Patentanspruch 1:
Das Verfahren zur Herstellung eines Schweißbolzens des Patentanspruchs 1 ist unstrittig neu, da aus keiner der zum Stand der Technik genannten Druckschriften sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 entnehmbar sind. Es beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Das im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 bezeichnete Verfahren dient zum Herstellen eines Schweißbolzens, der u. a. aus einem Befestigungsabschnitt und einem Schweißabschnitt bestehen soll. Bekannte gattungsgemäße Schweißbolzen, z. B. die in der Patentschrift zitierten Duo-Gewindebolzen (Abs. [0004]) bestehen aus zwei Bereichen mit verschiedenen Werkstoffen. Sie erfüllen die Forderung, dass ihr Befestigungsabschnitt zur Befestigung von Gegenständen eine höhere Festigkeit aufweist (Abs. [0003]). Bei den Duo-Gewindebolzen ergibt sich ein kosten- und zeitaufwändiger Herstellungsprozess.
Schweißbolzen aus Stahl, die zunächst kaltverformt und anschließend vergütet werden, bereiten nach Abs. [0005] und [0006] der Streitpatentschrift Probleme beim Schweißen. Dazu zählen ein hoher Schweißstrom wie auch Schweißspritzer und eine ungleichmäßige Schweißwulst. Diese Probleme werden der Vergütung zugerechnet, die zu hohen Härtespitzen im Schweißbereich führt.
Die dem Verfahren zugrunde gelegte Aufgabe (Abs. [0009]) ist nach Absatz [0003] der Patentschrift auch unter dem Ziel zu sehen, dass der Befestigungsabschnitt mit einer im Vergleich zum Schweißabschnitt höheren Festigkeit ausgebildet werden soll.
Der DE 15 08 416 C3 (=D6) ist ein Verfahren zu Herstellung von Stahlteilen wie Bolzen, Schrauben, Zapfen und dgl. entnehmen. Das bekannte Verfahren führt zu einem Bolzen, der zwei unterschiedliche Festigkeitszonen über dessen Länge aufweist. Das Ausgangsmaterial - Stahldraht - wird beim bekannten Verfahren vor der Kaltverformung einer Vergütung unterzogen (Sp. 7, Beispiel 1). Insofern ist eine Übereinstimmung zwischen dem Bolzen der D6 und dem des Streitpatents erkennbar, wenn man davon absieht, dass der Bolzen der D6 keinen Schweißbolzen darstellt.
Ein Unterschied zum bekannten Verfahren der D6 besteht darin, dass nach den Vorgaben des Patentanspruchs 1 des Streitpatents der Durchmesser des Drahtes im Bereich des Befestigungsabschnitts stärker reduziert wird als der des Drahtes im übrigen Bereich, während beim bekannten Bolzen der D6 keine gestufte Durchmesserreduzierung erfolgt. Beim bekannten Verfahren der D6 wird eine starke Kaltverformung durch Stauchen mit einer im Vergleich zum Schaftbereich hohen Festigkeitssteigerung im Kopfbereich erzielt. Nach dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 des Streitpatents soll hingegen nicht der Kopfbereich, sondern der Befestigungsabschnitt, das wäre beim Bolzen der D6 der Schaftbereich, die höhere Festigkeit durch Kaltverformen erhalten.
Die DE 23 44 027 C3 (=D7) bestätigt diesen Unterschied dadurch, dass sie, ausgehend von Bolzen bzw. Schrauben gemäß der D6 (vergl. D7, Sp. 13, Z. 55-64 und. Fig. 3), zur Überwindung einer unerwünscht hohen Bolzenkopffestigkeit zu einer Warmverformung rät, womit sich eine gleichmäßige Festigkeit im gesamten Bolzen unter Einschluss des Kopfbereiches erzielen lässt.
Beide bekannten Verfahren führen weder einzeln noch in Verknüpfung zu einem Bolzen, der im Sinne einer guten Schweißbarkeit in dem dafür vorgesehenen Bereich, - das wäre bei den Verfahren der D6 und D7 jeweils der Schrauben- bzw. Bolzenkopfbereich -, nach einer Kaltverformung per Durchmesserreduzierung eine geringere Festigkeit mitbringt als sein Befestigungsbereich. Sie geben dem zuständigen Fachmann auch keinerlei Anregung in Richtung auf das Verfahren des Streitpatents, da sie die Zielsetzung der guten Schweißbarkeit mit den damit verbundenen Forderungen für den betreffenden Bolzenbereich völlig aussparen. Diese Druckschriften teilen dem Fachmann lediglich mit, wie er bei der Bolzenherstellung vorteilhaft vorgehen kann, wenn der Bolzen eine hohe bzw. eine gleichmäßige, auch den Kopfbereich einschließende Festigkeit benötigt. Diese Druckschriften ergänzen sein Grundlagenwissen und bestärken seine Erfahrung in zwei Richtungen: Erstens im Hinblick auf die Vorteile von Kaltverformungen für Festigkeitssteigerungen und zweitens im Hinblick auf eine gezielte Warmumformung zur Vermeidung unerwünschter Härtezunahme im Kopfbereich von Schrauben.
Die DE 42 32 115 A1 (=D8) beschreibt ein Verfahren zum Herstellen eines hochbelastbaren Befestigungselements, das im Fertigzustand eine über seine gesamte Länge konstante Festigkeit aufweist (Sp. 1, Z. 22-27). Mit dieser Zielsetzung wird ein Halbzeugrohling nach Warmumformung und spanabhebender Formgebung nur noch spanlos umgeformt, wobei die am stärksten zu verformenden Längsabschnitte zunächst durch ein Zwischenglühen duktil gemacht werden, um im Fertigzustand eine über die Länge des Befestigungselements konstante Festigkeit zu erzielen (Patentanspruch 17). Die am stärksten beanspruchten und zum Bruch neigenden Zonen des Befestigungselementes werden dabei einer stärkeren Verformung unterworfen. Diese Zonen werden dafür zunächst mit einem großen Querschnitt auf die dann folgende, im Vergleich zu den übrigen Bereichen stärkere Reduzierung durch Kaltverformung eingestellt (Sp. 1, Z. 53-64). Im Unterschied zum Verfahren des Streitpatents werden dort keine Bereiche mit unterschiedlicher Festigkeit angestrebt und gar erzielt. Damit weist die D8 den zuständigen Fachmann, auch schon durch die andere Aufgabenstellung, in eine völlig andere Richtung als das Streitpatent.
Nicht näher zur Lehre des Patentanspruchs 1 führt den Fachmann die WO 93/22082 A1 (=D11), da auch dort lediglich eine Form orientierte Kaltumformung des Kopfbereiches durch Anstauchen vorgenommen wird, bevor dann ein begrenzter Schaftbereich des Schweißbolzens, bei starker Durchmesserreduzierung mit zusätzlichem Zwischenglühen (S. 7, Z. 21-23), kalt auf den gewünschten Durchmesser gezogen wird (Fig. 4). Bei diesem bekannten Schweißbolzen wird durch den höheren Umformungsgrad im Kopfbereich eine höhere Festigkeit verursacht als im Befestigungsbereich. Ein vorausgehendes Vergüten ist dabei nicht vorgesehen.
Auch die weitere Berücksichtigung seines Grundlagenwissens unter Einschluss der D12 bringen dem Fachmann keinerlei zielgerichtete Anregungen auf ein Verfahren mit den im Patentanspruch 1 genannten Merkmalen. Der D12 ist zu entnehmen, dass bei Stahlwerkstoffen je nach Erfordernis durch verschiedene Formänderungen über den Querschnitt verschiedene Festigkeitseigenschaften zu erreichen sind (S. 167, 2.8.2 Kaltumformen). Eine bereichsweise gestufte Durchmesserreduzierung eines zuvor vergüteten Stahldrahtes zur Erzeugung eines Schweißbolzens mit den im Patentanspruch 1 genannten Merkmalen, kann damit jedoch nicht gleichgesetzt oder in die greifbare Nähe gerückt werden.
Auch die übrigen im Prüfungsverfahren berücksichtigten D1 bis D4 sowie die im Einspruchsverfahren eingeführten Druckschriften D5, D9 und D10 liefern dem Fachmann im Hinblick auf ein Verfahren zur Herstellung eines Schweißbolzens mit zwei Festigkeitszonen bei einem Ausgangsmaterial keine weiterführenden Erkenntnisse.
Keine der entgegengehaltenen Druckschriften legt dem zuständigen Fachmann einzeln oder in Zusammenschau die Lehre des Patentanspruchs 1 nahe. Ihm ist zwar als isolierte Maßnahme bekannt, dass durch Kaltverformen eines Bolzens, z. B. durch Reduzierung oder Stauchung seines Durchmessers, der betreffende Abschnitt eine vom Grad der Verformung abhängige Festigkeitssteigerung erhält. Es gibt jedoch im vorveröffentlichten Stand der Technik keinen stichhaltigen Hinweis darauf, dass bei einem vergüteten Draht ein bereichsbeschränktes Reduzieren des Durchmessers durch Kaltverformen und einer damit verbundenen Festigkeitsänderung zu einem im Vergleich zu bekannten Schweißbolzen unproblematischen Schweißabschnitt führen kann. Dabei die nach dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 aus dem selben Material bestehenden Bolzenabschnitte auch noch unterschiedlich im Durchmesser zu reduzieren, dass neben dem vorteilhaft erzeugten Schweißabschnitt der Befestigungsabschnitt eine im Vergleich zum Schweißabschnitt höhere Festigkeit aufweist, ist nicht nahe liegend, sondern erfordert eine das Anwenden der Grundkenntnisse der Werkstoffkunde sowie den Stand der Technik überschreitende und damit erfinderische Tätigkeit.
3.2 Zum geltenden Patentanspruch 3 Die für das Verfahren nach Patentanspruch 1 getroffenen Feststellungen in Hinblick auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit treffen sinngemäß auch für den Schweißbolzen des Patentanspruchs 3 zu. Dessen wesentliche gegenständliche Merkmale können nur mit dem Herstellungsverfahren nach Patentanspruch 1 erzielt werden. Wie dieses ist deshalb im vorliegenden Fall auch der beanspruchte Schweißbolzen patentfähig.
Die in den Kennzeichenteilen der Unteransprüche 2 sowie 4 bis 7 genannten Maßnahmen dienen der vorteilhaften Weiterbildung des übergeordneten Verfahrens bzw. Gegenstandes.
Bei dieser Sachlage war das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten.
BPatG:
Beschluss v. 17.05.2006
Az: 7 W (pat) 326/04
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