Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Oktober 2000
Aktenzeichen: 7 W (pat) 26/00

(BPatG: Beschluss v. 10.10.2000, Az.: 7 W (pat) 26/00)

Tenor

Die Beschwerde des Anmelders gegen den Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse F 25 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. Dezember 1999 wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Patentanmeldung 199 21 471.9-13 mit der Bezeichnung "Kältekraftmaschine" ist am 8. Mai 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen, wobei gleichzeitig Prüfungsantrag gestellt wurde.

In der Beschreibung ist ausgeführt, daß der Wirkungsgrad herkömmlicher Wärmekraftmaschinen den sogenannten Carnot-Wirkungsgrad, der eine Funktion der oberen und der unteren Prozeßtemperatur sei, nicht überschreiten könne (S 2, Z 4 bis 23). Um einen hohen Wirkungsgrad zu erzielen, müßte einem solchen Prozeß die erforderliche Wärme bei möglichst hoher Temperatur zugeführt werden (S 3, Z 13 bis 25).

Vor diesem Hintergrund soll die Aufgabe gelöst werden, ein Verfahren zur Wandlung von thermischer Energie zu finden, das die genannten Nachteile nicht hat, zweitens, Vorrichtungen zur Durchführung des Verfahrens zu finden, drittens, vorteilhafte Ergänzungen dieser Vorrichtungen für unterschiedliche Anwendungsbereiche zu finden, und viertens, Konzepte und Verfahren für ein Energiewirtschaftssystem zu finden, in welchem der Einsatz herkömmlicher Wärmekraftmaschinen und Kältemaschinen vorteilhaft substituiert werden kann (S 4, Abs 2).

Der Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Verfahren zur Umwandlung von Wärmeenergie in mechanische Energie unter Verwendung eines rechtsläufigen Dampfkreisprozesses in dem eine Stoffmenge S1 eines fluiden Arbeitsmittels als Flüssigkeit von einem niedrigen auf einen hohen Druck gepumpt wird, bei hohem Druck unter Wärmezufuhr verdampft, unter Abgabe von Wellenarbeit auf niedrigen Druck entspannt und durch Kondensation wieder verflüssigt wird, wodurch sich der Kreisprozeß schließt, dadurch gekennzeichnet, daß der Dampfkreisprozeß bei einem zwischen dem hohen und dem niedrigen Druck liegenden Zwischendruck durch vollständige Entnahme der Stoffmenge S1 bei diesem Zwischendruck vorzeitig geschlossen wird, wodurch ein erster rechtsläufiger Teilprozeß zwischen dem hohen Druck und dem Zwischendruck entsteht, dessen Nutzarbeit in einem Speicherprozeß in potentielle Energie gewandelt wird, indem der Speicherprozeß die Stoffmenge S2 eines fluiden Arbeitsmittels vom niedrigen Druck des Dampfkreisprozesses auf den Zwischendruck pumpt, bei dem dann die Stoffmenge S1 mit der Stoffmenge S2 gemischt und die gemischte Stoffmenge unter Abgabe von Wellenarbeit auf den niedrigen Druck entspannt wird, wodurch aus dem Speicherprozeß ein zweiter rechtsläufiger Kreisprozeß zwischen dem niedrigen Druck und dem Zwischendruck entsteht, in dem ein Ausgleich thermischer Energie im dreidimensionalen Strömungs- und Temperaturfeld der gemischten Stoffmenge erfolgt und der Ausgleich thermischer Energie ohne die flächenhaft definierte Geometrie eines Wärmetauschers zwischen den beteiligten Stoffmengen S1 und S2 im Spektrum der statistisch verteilten Molekülgeschwindigkeiten zur Kondensation der Stoffmenge S1 führt, die abschließend zurück in den Dampfkreisprozeß gefördert wird, wodurch sich der zweite Kreisprozeß schließt, und die Stoffmenge S1 unter wiederholter Änderung ihres Aggregatzustandes die Abwärme beider Kreisprozesse zyklisch innerhalb einer geschlossenen Systemgrenze transportiert, wobei die Stoffmengen S1 und S2 stetig sich ändernde Teilmengen der im Dampfkreisprozeß und im Speicherprozeß befindlichen Arbeitsmittel sind."

Für den Wortlaut der Ansprüche 2 bis 47 wird auf die Akten verwiesen.

Nach Prüfung der Anmeldung hat die Prüfungsstelle für Klasse F 25 B des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung mit Beschluß vom 30. Dezember 1999 mit der Begründung zurückgewiesen, daß dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 die technische Brauchbarkeit fehle, da das darin angegebene Verfahren gegen den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik verstoße, wonach es keine thermodynamische Zustandsänderung gibt, deren einzige Wirkung darin besteht, daß eine Wärmemenge einem Speicher entzogen und vollständig in Arbeit umgesetzt wird. Im Beschluß ist, wie schon im vorangehenden Prüfungsbescheid, zum Stand der Technik auf Huang, Kerson, Statistische Mechanik, Band I, Bibliographisches Institut, Mannheim, 1964, Seiten 9 bis 28, hingewiesen worden.

Gegen diesen Beschluß hat der Anmelder Beschwerde eingelegt. Er vertritt die Auffassung, daß seine Erfindung zwar im Widerspruch zur herrschenden Lehrmeinung der Physik stehe, daß aber die einzelnen Schritte des im Patentanspruch 1 beschriebenen Verfahrens möglich und technisch brauchbar seien und daß die Integration dieser Schritte innerhalb eines einzigen Verfahrens nicht deshalb technisch unbrauchbar sein könnte, weil die daraus resultierende Maschine einen Widerspruch im heutigen Gebäude der physikalischen Lehrmeinung aufdecke. Für eine weitere Darstellung seiner Theorie hat der Anmelder auf seine Ausarbeitung "Hocheffiziente Wärmekraftmaschinen", November 1999, hingewiesen, die er mit Schriftsatz vom 21. Dezember 1999 im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt vorgelegt hat.

Für weitere Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, in der Sache jedoch nicht gerechtfertigt.

Wie die Prüfungsstelle für Klasse F 25 B des Deutschen Patent- und Markenamts zutreffend festgestellt hat, stellt der Anmeldungsgegenstand keine patentfähige Erfindung im Sinne PatG § 1 dar.

Das Verfahren nach Patentanspruch 1 ist nicht ausführbar und daher technisch nicht brauchbar.

Das Verfahren sieht im Kern vor, durch geeignete Kombination von zwei thermodynamischen Kreisprozessen aus zugeführter Wärme Arbeit zu erzeugen, ohne daß Abwärme an die Umgebung abgegeben werden muß. Ein solches Verfahren steht im Widerspruch zum zweiten Hauptsatz der Thermodynamik - so sieht es auch der Anmelder.

Als zuständiger Fachmann ist hier ein Maschinenbau-Ingenieur mit Erfahrungen in der thermodynamischen Auslegung von Kraftmaschinen anzusehen.

Bei den Hauptsätzen der Thermodynamik handelt es sich um Erfahrungssätze, die zwar nicht bewiesen werden können, die aber hinsichtlich aller aus ihnen gezogenen Schlußfolgerungen durch die Erfahrung bestätigt worden sind. Dabei handelt es sich nicht um die Erfahrungen einzelner Wissenschaftler oder Denkrichtungen sondern um die gesicherten Erfahrungen der gesamten technischwissenschaftlichen Fachwelt. Die diesen Erfahrungen entgegenstehenden Erwartungen, die der Anmelder gegenüber dem Verfahren nach Patentanspruch 1 der vorliegenden Anmeldung hegt, können nur auf Irrtümern über physikalische Gesetzmäßigkeiten oder den Verfahrensablauf beruhen. Wo diese Irrtümer im einzelnen liegen und worin sie bestehen, braucht im Hinblick darauf, daß die Hauptsätze der Thermodynamik anerkannte und über jeden Zweifel durch Erfahrungen bestätigte Fundamente der Technik sind, grundsätzlich nicht nachgewiesen zu werden. Ein Irrtum liegt aber zB in der Annahme, daß das Arbeitsmittel aus dem Dampfkreisprozeß, zB Wasserdampf, nach Mischung mit dem Arbeitsmittel des Speicherprozesses allein durch Entspannung auf den niedrigsten Prozeßdruck vollständig kondensiert werden kann. Zur Kondensation muß vielmehr Wärme aus dem Prozeß abgeführt werden.

Bei dieser Sachlage ist der Patentanspruch 1 nicht gewährbar.

Da der technisch nicht verwirklichbare Kerngedanke der anmeldungsgemäßen Lehre, Wärme in einem thermodynamischen Kreisprozeß vollständig in mechanische Energie umzusetzen, auch die Grundlage der Gegenstände der übrigen Patentansprüche ist, enthalten auch diese Ansprüche nichts Patentfähiges.

Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten.

Dr. Schnegg Eberhard Dr. Pösentrup Hochmuth Mü/Hu






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Beschluss v. 10.10.2000
Az: 7 W (pat) 26/00


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