Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 29. November 2012
Aktenzeichen: I-6 U 63/12

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 29.11.2012, Az.: I-6 U 63/12)

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 02. März 2012 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Düsseldorf (10 O 540/08) in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 02. April 2012 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das angefochtene und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten in ihrer Eigenschaft als eine seiner vormaligen anwaltlichen Bevollmächtigten auf Schadensersatz wegen Verletzung anwaltlicher Pflichten in Anspruch.

Wegen des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen, soweit diese nicht von den im Folgenden getroffenen Feststellungen abweichen.

Das Landgericht hat die Klage - unter Aufrechterhaltung des am 19. Februar 2010 verkündeten Versäumnisurteils - mit der Begründung abgewiesen, etwaige primäre oder sekundäre Schadensersatzansprüche des Klägers seien jedenfalls verjährt.

Die Verjährung bestimme sich nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2, § 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB, § 51 b BRAO, da der angebliche primäre Schadensersatzanspruch mit der ersten nachteiligen Entscheidung, also entweder der Abtretung der Ersatzansprüche an die XY oder der Klageeinreichung durch die Beklagten am 02.12.2002, und damit vor Inkrafttreten des Verjährungsanpassungsgesetzes am 15.12.2004 entstanden sei. Verjährung des primären Schadensersatzanspruchs sei folglich am 02.12.2005 eingetreten.

Ein unterstellter sekundärer Schadensersatzspruch wäre ebenfalls verjährt. Die Regelung des § 51 b BRAO sei weiter anzuwenden, falls der primäre Schadensersatzanspruch - wie hier - vor dem 15.12.2004 entstanden sei. Die sekundäre Verjährungsfrist sei spätestens am 02.12.2002 in Lauf gesetzt worden, wobei auf das - spätestens mit der Abtretung der Ansprüche an die XY am 02.12.2002 beendete - Mandatsverhältnis zwischen dem Kläger und den Beklagten abzustellen sei. Verjährung sei insofern ebenfalls am 02.12.2005 eingetreten.

Die Anrufung der Gütestelle nach dem Ablauf der Verjährungsfrist habe keine hemmende Wirkung gehabt. Das Gleiche gelte für die seitens der Beklagten zu 1) bis 4) abgegebenen Erklärungen hinsichtlich eines Verzichts auf die Einrede der Verjährung, da diese sich nur auf noch nicht verjährte Ansprüche bezogen habe.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er wiederholt zunächst seine Auffassung, dass seine auf Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb der Aktien der A-AG gerichtete Klage erfolgreich gewesen wäre, wenn die Beklagten ihm nicht zur Abtretung der Ansprüche geraten hätten. Hieraus sei ihm einschließlich der verauslagten und überzahlten Gerichtskosten ein Schaden in Höhe von insgesamt 79.530,47 € entstanden. Es sei von zwei selbständigen Pflichtverletzungen auszugehen, zum einen das Einreichen der Klage durch die XY GmbH und zum anderen das Unterlassen des rechtzeitigen Einreichens der Klage durch ihn, die zwei Verjährungsfristen auslösten. Die Primärverjährung der ursprünglichen Schadensersatzansprüche habe erst zu dem Zeitpunkt zu laufen begonnen, als eine Geltendmachung der Ansprüche durch ihn bereits verjährt gewesen sei.

Die Verjährung sei von den Beklagten mehrfach ausgeschlossen worden. Diese seien selbst nicht vor dem 15.03.2005 davon ausgegangen, dass er, der Kläger, den Prozess verlieren würde. Vor Ende 2005 (Beginn des Prozesses in München) seien er und sein Bruder auch nicht anderweitig rechtlich beraten worden. Der Hauptschaden sei hier ohnehin erst in dem Moment entstanden, als "B-Bank" und der C-Bank Vorsatz statt Fahrlässigkeit habe nachgewiesen werden müssen und deshalb eine Prozessführung erschwert gewesen sei. Dieser Schaden habe sich erst bei Urteilsverkündung am 30.01.2008 realisiert.

Die Beklagten hätten den von ihnen erklärten Ausschluss der Verjährung mehrfach verlängert und zwar unbestritten bis einschließlich 31.03.2009. Es fehle entgegen der Rüge in dem angefochtenen Urteil nicht an jeglichem substantiierten Vorbringen dazu, für welche Beklagten diese Verzichtserklärungen hinsichtlich welcher Ansprüche und mit welchem Umfang abgegeben worden seien. Die Verjährungsverzichtserklärungen seien ausweislich des Betreffs "D. ./. E." für alle eingeklagten Ansprüche abgegeben worden.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

die Beklagten unter Abänderung des am 02.03.2012 verkündeten

Urteils des Landgerichts Düsseldorf (10 O 540/08) sowie unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 19.02.2010 zu verurteilen,

1. an ihn 65.795,33 € nebst 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. als Gesamtschuldner an ihn 13.735,14 € nebst 4 % Zinsen aus 2.500,00 € über den Zeitraum 12.12.2002 bis 31.12.2006, 4 % Zinsen aus 700,00 € seit dem 06.02.2003 bis 31.12.2006, 4 % Zinsen aus 10.535,14 € seit dem 12.09.2003 bis 31.12.2006 sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus 13.735,14 € seit dem 01.01.2007 zu zahlen.

Die Beklagten zu 1) bis 5) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten zu 1) bis 4) sind weiter der Auffassung, die Berufung sei bereits unzulässig, da sich der Berufungsbegründung gerade nicht hinreichend entnehmen lasse, worauf die Berufungsangriffe gerichtet seien.

Die Beklagten zu 1) bis 4) verweisen im Übrigen auf die Ausführungen des Senats in dem am 14.06.2012 verkündeten Urteil (6 U 12/11), die hier gleichermaßen gälten. Ausgangspunkt sei eine Pflichtverletzung, nämlich die Erhebung der unbegründeten Sammelklage anstatt einer individuellen Klage des Klägers, die aber ohnehin zu keiner Zeit Gegenstand des erteilten Mandats gewesen sei. Der Kläger habe bereits am 15.08.2005 neue Prozessbevollmächtigte umfassend mandatiert, sein anderslautender Vortrag sei aktenwidrig. Sekundäransprüche kämen schon von daher nicht in Betracht. Den Verjährungsverzichtserklärungen komme schon deshalb keine Bedeutung zu, weil Verjährung bereits am 02.12.2005 eingetreten sei.

Der Beklagte zu 5) hält die Ansprüche des Klägers ebenfalls für verjährt und verweist erneut auf die für das Mandatsverhältnis zu ihm bestehenden Besonderheiten.

Zur Vervollständigung des Vorbringens der Parteien zum Sach- und Streitstand wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze samt Anlagen, den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 29. November 2012 und die in diesem Urteil getroffenen Feststellungen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist - noch - zulässig, aber unbegründet. Die Klage ist unbegründet. Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der auf Ersatz für das Verfahren Landgericht Düsseldorf 8 O 641/02 = Landgericht Frankfurt am Main 3 - 16 O 3/04 aufgewendeter Prozesskosten sowie eines ihm entgangenen Schadensersatzanspruchs wegen der Verluste im Zusammenhang mit dem Erwerb der Aktien der A-AG gerichtete Anspruch des Klägers verjährt ist.

1.

Der Zulässigkeit der Berufung steht zunächst nicht entgegen, dass die Berufungsbegründungsschrift vom 12.06.2012 keinen Antrag enthalten hat. Zwar soll die Berufungsbegründung gemäß § 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO auch die Erklärung enthalten, welche Abänderungen des Urteils beantragt werden, jedoch ist hieraus nicht zu folgern, dass bereits die Berufungsbegründung einen förmlichen Antrag enthalten muss (statt aller Zöller/Heßler, ZPO, 28. Auflage, § 520 Rn 32 m.N.). Ausreichend ist vielmehr, dass den Ausführungen entnommen werden kann, in welchem Umfang das erstinstanzliche Urteil angegriffen wird (Zöller a.a.O.).

Das ist hier mit gerade noch hinreichender Deutlichkeit der Fall. Das Landgericht hat die Klage - unter Aufrechterhaltung des entsprechenden Versäumnisurteils - abgewiesen. Der Kläger verfolgt seine Ansprüche in Höhe von 79. 530,47 € (65.795,33 € + 13.735,14 €) weiter, was jedenfalls seinen - wenn auch in gänzlich anderem Zusammenhang gemachten - Ausführungen auf Seite 4 unten der Berufungsbegründung entnommen werden kann.

Die Berufungsbegründung genügt wohl gerade noch den gesetzlichen Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Den Ausführungen des Klägers lässt sich durchaus entnehmen, auf welche Gründe er sein Abänderungsbegehren stützen will. Seiner Ansicht nach liegen zwei selbständige Pflichtverletzungen vor, die zwei Verjährungsfristen in Lauf gesetzt haben. Zudem behauptet er, die Beklagten hätten die Verjährung mehrfach ausgeschlossen.

2.

Die Verjährung richtet sich - wie das Landgericht mit Recht ausgeführt hat - nach dem durch das Verjährungsanpassungsgesetz mit Wirkung vom 15. Dezember 2004 aufgehobenen § 51 b BRAO. Die danach maßgebliche Verjährungsfrist war im Zeitpunkt der Klageerhebung (31. Dezember 2008) bereits abgelaufen.

Gemäß Art. 229 § 12 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB ist die Regelung des § 51 b BRAO weiter anzuwenden, falls der primäre Schadensersatzanspruch vor dem 15. Dezember 2004 entstanden ist. Bestimmt sich die Verjährung des Primäranspruchs nach § 51 b BRAO, so gilt diese Vorschrift auch für den Sekundäranspruch, weil er lediglich ein Hilfsrecht und unselbständiges Nebenrecht des primären Regressanspruchs bildet (BGH, Urt. v. 24. März 2011 - IX ZR 197/09, NJW-RR 2011, 858 - 861; Urt. v. 03. Februar 2011 - IX ZR 105/10, NJW 2011, 1594 - 1595; Urt. v. 13. November 2008 - IX ZR 69/07, WM 2009, 283; Urt. v. 07. Februar 2008 - IX ZR 149/04, WM 2008, 946; Zugehör in Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl. Rn. 1265 sowie Henssler/Prütting, BRAO, 2. Auflage, § 51 b Rn. 79 und 80).

2. Der primäre Schadensersatzanspruch des Klägers ist vor dem Stichtag (15. Dezember 2004), nämlich mit Einreichung der aussichtslosen Klage im Namen der XY GmbH am 02.Dezember 2002 bei dem Landgericht Düsseldorf (Aktenzeichen 8 O 641/02) entstanden.

a) Entstanden ist ein Anspruch, sobald er im Wege der Klage geltend gemacht werden kann. Anerkannt ist, dass der Schadensersatzanspruch grundsätzlich einheitlich auch für die erst in Zukunft fällig werdenden Beträge entsteht, sobald ein erster Teilbetrag durch Leistungsklage geltend gemacht werden kann (Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Auflage, § 199 Rn. 14 m.N.). Besteht die Pflichtwidrigkeit des Anwalts in der Erhebung einer aussichtslosen Klage, verwirklicht sich der Kostenschaden bereits durch deren Einreichung, weil damit ein erster Teil des Schadens in Form der Gerichtskosten entsteht, für die der Kläger als Zweitschuldner haftet (BGH, Urt. v. 03. Februar 2011 - IX ZR 105/10, WM 2011, 796 - 798).

b) Nichts anderes würde für den vermeintlichen Schaden in Form des entgangenen Ersatzanspruchs des Klägers gegen die C-Bank und die B-Bank gelten. Die Pflichtverletzung des zwischen den Parteien im Jahre 2002 geschlossenen Anwaltsvertrages läge auch insofern - das Bestehen dieses Schadensersatzanspruchs einmal unterstellt - darin, dass die Beklagten es versäumt haben, im Interesse des Klägers den sichersten Weg zur Durchsetzung seines Schadensersatzanspruchs zu wählen, d.h. die Individualklage, sei es aus eigenem oder abgetretenem Recht zu erheben, sondern statt dessen die mit hohen Risiken verbundene Konstruktion der Rechtsverfolgung durch eine eigens dafür gegründete GmbH, welcher die Schadensersatzansprüche von den Aktionären zuvor abgetreten worden waren, gewählt haben (so auch Senat, Urt. v. 03. Juli 2008 - I-6 U 245/06, Bl. 660 ff. GA). Der aus diesem Beratungsfehler der Beklagten erwachsene Schaden ist entgegen der Auffassung des Klägers als einheitliches Ganzes aufzufassen mit der Folge, dass der gesamte Schadensersatzanspruch einschließlich des Anspruchs auf Ersatz für in Zukunft voraussehbare Nachteile einer einheitlichen Verjährung unterliegt. Die Verjährung des Regressanspruchs nach § 51 b BRAO beginnt damit auch im Hinblick auf voraussehbare künftige Nachteile des Mandanten einheitlich in dem Zeitpunkt, in welchem dem Mandanten aus der Pflichtverletzung ein erster Teilschaden erwachsen ist (BGH, Urt. v. 24. März 2011 - IX ZR 197/09, NJW-RR 2011, 858 - 861). Anderes gilt nur dann, wenn der Mandant durch mehrere selbständige Handlungen oder pflichtwidrige Unterlassungen geschädigt worden ist. In einem solchen Fall unterliegt der Regressanspruch im Hinblick auf den aus der jeweiligen Pflichtverletzung erwachsenen Schaden einer jeweils gesondert zu bestimmenden Verjährung (BGH, Urt. v. 24. März 2011 - IX ZR 197/09, NJW-RR 2011, 858 - 861).

Dass der Kläger durch eine weitere, also von der Pflichtverletzung in Form der Einreichung der aussichtslosen Klage unabhängige selbständige Pflichtverletzung der Beklagten geschädigt worden wäre, ist weder überzeugend dargetan noch ersichtlich. Eine solche weitere Pflichtverletzung kann insbesondere nicht in der unterbliebenen Erhebung der Individualklage gesehen werden und zwar schon deshalb nicht, weil die Pflichtwidrigkeit vorliegend gerade in der von vorneherein aussichtslosen Klageerhebung durch die XY GmbH liegt, die eine gleichzeitige Erhebung der Individualklage ausgeschlossen hat. Schon dies zeigt, dass es insofern an einer selbständigen weiteren Pflichtverletzung fehlt.

Auch in der Einlegung der Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main läge jedenfalls keine einen neuen Primäranspruch auslösende Pflichtwidrigkeit der Beklagten, sondern lediglich ein auf der ursprünglichen rechtlichen Fehleinschätzung beruhendes Versäumnis, das - in unverjährter Zeit - allenfalls die Anknüpfung für eine Sekundärhaftung bilden könnte. Der Kläger hat sich, was dem "zwischen den Instanzen" geführten Schriftverkehr entnommen werden kann, nach Erörterung der Erfolgsaussichten mit den Beklagten gemeinsam mit den anderen Aktionären dazu entschieden, gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main Berufung einzulegen. Dass er bereits nach Verkündung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main am 13. Juli 2004 die Erhebung einer Individualklage beabsichtigte, macht der Kläger selbst nicht geltend. Die auf Ersatz dieses Schadens gerichtete Individualklage des Bruders aus abgetretenem Recht des Klägers ist dementsprechend auch erst nach Abschluss dieses Berufungsverfahrens (5 U 190/04) erhoben worden, nämlich am 30.12.2005 (Anlage K 10).

Eine selbständige primäre Pflichtverletzung kann entgegen der Auffassung der Berufung auch nicht darin gesehen werden, dass durch die von den Beklagten zu verantwortende Klage der XY GmbH der vermeintliche Schadensersatzanspruch des Klägers persönlich zu spät geltend gemacht und dadurch die spätere Prozessführung vor dem Landgericht München I erschwert wurde. Auch dies beruht auf der haftungsbegründenden Pflichtwidrigkeit in Form der Erhebung der aussichtslosen Klage der XY GmbH.

Hinzu kommt folgendes: Der Kläger hat bereits nicht ansatzweise dargetan, dass überhaupt und inwiefern die spätere Prozessführung mithilfe anderer anwaltlicher Bevollmächtigter durch pflichtwidriges Verhalten oder Unterlassen der Beklagten erschwert worden wäre. Die Klagen gegen die C-Bank und die B-Bank sind mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts München I vom 30.01.2008 (Anlage K 11), gegen das der Kläger keine Rechtsmittel eingelegt hat, keineswegs wegen nicht nachgewiesenen Vorsatzes abgewiesen worden, sondern deshalb, weil das Landgericht München I den Vortrag des dortigen Klägers in vielerlei Hinsicht, u.a. mit Blick auf die Kausalität des Verkaufsprospekts und der Kapitalmarktinformationen für den Kaufentschluss, für unzureichend gehalten hat. So hat das Landgericht München I auf Seite 25 des Urteils ausgeführt, die Ursächlichkeit der behaupteten Fehlinformationen für die Anlageentscheidung sei jedenfalls für die Aktienerwerbe nach dem massiven Kurseinbruch im Herbst 2001 fraglich und scheide jedenfalls für die Zeit nach der Gewinnwarnung vom 03.12.2001 aus. Ein wesentlicher Teil der Aktienkäufe ist ausweislich der tabellarischen Übersicht des Klägers (Bl. 110 GA) ab August 2001 erfolgt. Zudem hat das Landgericht München I die beiden Emissionsprospekte als nicht fehlerhaft eingestuft. Die Ausführungen zum fehlenden Vorsatz sind demnach nicht als tragend anzusehen.

3. Die dreijährige Verjährungsfrist nach § 51 b BRAO war gerechnet von der Klageeinreichung am 02. Dezember 2002 bereits am 02. Dezember 2005 und damit lange vor der hier am 31. Dezember 2008 erfolgten Klageerhebung abgelaufen. Sie konnte daher auch durch die Einleitung des Güteverfahrens durch Antrag des Klägers vom 28. Dezember 2005 nicht mehr beeinflusst werden.

4. Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagten aus Sekundärhaftung kommt nicht in Betracht. Ein solcher Sekundäranspruch würde dem Kläger nur dann zustehen, wenn die Beklagten den Schaden in Gestalt der Primärverjährung verursacht hätten, indem sie eine bis zum Ende des Mandats - oder eines neuen Auftrages über denselben Gegenstand - entstandene (sekundäre) Pflicht, den Kläger auf die Möglichkeit einer eigenen Regresshaftung und die drohende Verjährung hinzuweisen, schuldhaft verletzt hätten. Dieser Sekundäranspruch würde es dem Rechtsanwalt verwehren, die Einrede der Primärverjährung zu erheben (vgl. etwa OLG Hamm, Urt. v. 02. März 2006 - 28 U 135/05/zitiert nach juris und statt aller Chab in Zugehör Rn. 1390 m.N.).

a) Einem Anspruch des Klägers gegen den Beklagten zu 5) steht indes bereits entgegen, dass dieser im Jahre 2003 aus der Kanzlei der übrigen Beklagten ausgeschieden ist, wodurch das Mandat zwischen ihm und dem Kläger unstreitig beendet wurde. Für eine ohnehin nur ausnahmsweise anzunehmende nachvertragliche Haftung des Beklagten zu 5) gibt der Vortrag der Parteien nichts her.

b) Die Beklagten zu 1) bis 4) hatten allerdings mit Blick auf die am 2. Dezember 2005 eintretende Verjährung des Primäranspruchs begründeten Anlass zu einem Sekundärhinweis, nachdem das Oberlandesgericht Frankfurt am Main die Berufung der XY GmbH mit im März 2005 verkündetem Urteil (5 U 190/04) zurückgewiesen hatte. Die sekundäre Hinweispflicht der Beklagten zu 1) bis 4) ist jedoch entfallen, weil der Kläger rechtzeitig vor Ablauf der Primärverjährungsfrist, nämlich am 15. August 2005, seine vormaligen Prozessbevollmächtigten des vorliegenden Verfahrens, die Rechtsanwälte F. und G. aus Bielefeld, mit der Geltendmachung der Regressansprüche beauftragt hat (BGH, Urt. v. 14. Dezember 2000 - IX ZR 332/99, NJW 2001, 826 - 828; OLG Hamm Urt. V. 25. August 1998 - 28 U 13/98, NJW-RR 1999, 935 - 937 und v. 02. März 2006 - 28 U 135/05, BRAK-Mitt 2006, 218 - 219; OLG Celle, Urt. v. 06. Mai 2009 - 3 U 294/08, OLGR 2009, 661 - 664). In diesem Fall bedarf der Auftraggeber keiner entsprechenden Aufklärung durch den haftpflichtigen Rechtsberater (Chab a.a.O. Rn. 1403 m.N.). Die damit verbundene Einschränkung der Sekundärhaftung rechtfertigt sich aus dem Gedanken, dass die nachrangige Hinweispflicht des Rechtsanwalts den Auftraggeber gegen die Gefahr des unwissentlichen Anspruchsverlusts schützen soll, es eines solchen Schutzes durch den Anspruchsgegner selbst aber nicht mehr bedarf, wenn der Mandant die Wahrnehmung seiner Interessen in der Regressfrage einem anderen Rechtsanwalt übertragen hat, der insoweit eine primäre Vertragspflicht übernimmt (so schon BGH, Urt. v. 14. Dezember 2000 - IX ZR 332/99, NJW 2001, 826-828).

Gegenstand der Beauftragung der Rechtsanwälte F. und G. waren nach dem eigenen Vortrag des Klägers in der Berufungsbegründung im Zusammenhang mit den Verjährungsverzichtserklärungen "alle eingeklagten Ansprüche" in den Rechtsstreitigkeiten H. ./. E. und D../. E.(Bl. 447 GA).

Hierfür spricht auch der Inhalt der zur Akte gelangten diesbezüglichen Korrespondenz der Parteien. Bei dieser Sachlage ist von einer Aufklärungsbedürftigkeit des Klägers durch die Beklagten zu 1) bis 4) nicht auszugehen, zumal auch seine Schreiben an diese Beklagten anschaulich dokumentieren, dass er sich seines Regressanspruchs sehr wohl bewusst gewesen ist. Hinzu kommt, dass die Beklagten unwidersprochen vorgetragen haben, die früheren Aktionäre hätten sich bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des erstinstanzlichen Urteils anderweitig anwaltlich vertreten lassen und bereits im Zusammenhang mit dem Erlass des erstinstanzlichen Urteils geltend gemacht, die Beklagten seien für Rechtsfolgen der klageabweisenden Entscheidung eintrittspflichtig.

5. Die Beklagten sind schließlich nicht wegen der vorgerichtlich abgegebenen Verjährungsverzichtserklärungen, die sich ohnehin nur auf den Kostenschaden bezogen haben, §§ 133, 157 BGB, an der Erhebung der Einrede der Verjährung gehindert. Dabei mag dahinstehen, ob die Verzichtserklärungen aus dem Jahr 2006 von Beginn an nur unverjährte (Primär)Ansprüche erfasst haben. Denn jedenfalls die Verlängerungserklärungen vom 19. Dezember 2007 (Bl. 291-292 GA) und 23. Dezember 2007 (Bl. 293 GA) enthielten eine solche Einschränkung, sodass die Möglichkeit der Verjährungseinrede mit Ablauf des 31. Dezember 2007 wieder auflebte. Zwar ist die Frist mehrfach, zuletzt bis zum 31. März 2009, verlängert worden (Bl. 296 GA), aber nur "in Verlängerung und nach Maßgabe der Erklärungen vom 30. Mai 2008 bzw. 19. Dezember 2007". Zu einer Verlängerung der Verjährungsfristen hätten die Verzichtserklärungen mithin nur dann führen können, wenn die Verjährung bei Abgabe der ersten Erklärung im Oktober 2006 noch nicht eingetreten gewesen wäre. Dies aber ist, wie oben ausgeführt, nicht der Fall, Verjährung ist bereits im Dezember 2005 eingetreten.

6. Da der auf Ersatz des entgangenen Ersatzanspruchs gegen die C-Bank u.a. gerichtete Anspruch in jedem Fall verjährt ist, kommt es auf die gegen diesen auch in der Sache bestehenden Bedenken nicht mehr entscheidungserheblich an. Der Bruder des Klägers hat diese Ansprüche in dem Verfahren vor dem Landgericht München I (29 O 25689/05) erfolglos geltend gemacht. Berufung gegen dieses Urteil ist unstreitig nicht eingelegt worden. Auch fehlt es an jeglichem Vortrag des Klägers dazu, aus welchen Gründen die Entscheidung des Landgerichts München I vom 30. Januar 2008 unrichtig gewesen sein soll.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 543 ZPO.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 79.530,47 €






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 29.11.2012
Az: I-6 U 63/12


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