Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Mai 2002
Aktenzeichen: 8 W (pat) 37/01

(BPatG: Beschluss v. 07.05.2002, Az.: 8 W (pat) 37/01)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderinnen wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse B 29 C des Patentamts vom 12. Juli 2001 aufgehoben und das nachgesuchte Patent erteilt.

Bezeichnung: Verfahren zur Herstellung eines Profil- bzw. Möbelteiles Anmeldetag: 12. Februar 1998.

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 9, Beschreibung Seiten 1 bis 5, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, 1 Blatt Zeichnungen, Figuren A bis C, eingegangen am 7. März 1998.

Gründe

I Die Patentanmeldung P 198 05 636.2 - 16 mit der Bezeichnung "Verfahren zur Herstellung eines Profil- bzw. Möbelteiles" ist am 12. Februar 1998 beim Patentamt eingegangen und von dessen Prüfungsstelle für Klasse B 29 C mit formalem Beschluss vom 12. Juli 2001 zurückgewiesen worden. Zum Stand der Technik waren die 1. DE 28 52 146 A1, die 2. DE 21 26 587 A und die 3. DE 16 29 485 A in Betracht gezogen worden.

Gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 29 C haben die Anmelderinnen Beschwerde eingelegt.

Die Anmelderinnen haben in der mündlichen Verhandlung neugefasste Unterlagen Patentansprüche 1 bis 9 und Beschreibung Seiten 1 bis 5 überreicht.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet (ohne Bezugszeichen):

"Verfahren zur Herstellung eines Profil- oder Möbelteiles als Kunststoffschaumteil, insbesondere für Schränke sowie Schrankeinbauten und Verkleidungen in Wohn- und Campingfahrzeugen, bei dem zur Herstellung einer werkstückseitig ganzflächig luftdurchlässigen Form oder Teilformen ein mit einem Bindemittel vermengtes Granulat über ein Modell der Form bzw. Teilform verpresst wird, auf oder in die Form eine folienartige, flexible Bahn aus luftundurchlässigem Material ein- oder aufgelegt, durch Anschluss der Form an eine Vakuumquelle auf oder in die Form gezogen wird, die Form anschließend geschlossen wird und nachfolgend die Bahn hinterschäumt wird."

Wegen des Wortlauts der Patentansprüche 2 bis 8 wird auf die Akten Bezug genommen.

Nach dem Patentanspruch 9 betrifft die Anmeldung ein Profil- oder Möbelteil, herstellbar durch ein Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8.

Dem Anmeldungsgegenstand liegt gemäß Seite 2, dritter vollständiger Absatz der in der mündlichen Verhandlung überreichten Beschreibung die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren nach der DE 21 26 587 A so weiterzubilden, dass Profil- oder Möbelteile unter Verwendung konventioneller Ausgangsmaterialien erhalten werden, die keinerlei vom Formwerkzeug herrührende Druck- oder Prägestellen aufweisen und sich hinsichtlich ihres Aussehens weitestgehend beliebig gestalten lassen.

Die Anmelderinnen tragen vor, dass der im Verfahren befindliche Stand der Technik keinen Hinweis auf den speziellen Aufbau der Form gebe. Dies träfe vor allem für die in der DE 16 29 485 A beschriebene poröse Form zu, denn die Porosität dieser Form würde ausschließlich der Entfernung von Dämpfen und Gasen dienen. Diese Problematik läge aber beim Anmeldungsgegenstand nicht vor, da die Gasbildung, die das Aufschäumen des Kunststoffs bewirkt, über die Steuerung der Verfahrensführung beeinflusst würde, so dass der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 neu sei und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Die Anmelderinnen stellten den Antrag, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 29 C des Patentamts vom 12. Juli 2001 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

- Patentansprüche 1 bis 9,

- Beschreibung Seiten 1 bis 5, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung,

- 1 Blatt Zeichnungen, Figuren A bis C, eingegangenam 07. März 1998.

II Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Gegenstand der Anmeldung stellt eine patentfähige Erfindung iSd §§ 1 bis 5 PatG dar.

1. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 9 sind zulässig.

Der Patentanspruch 1 ist auf der Grundlage des ursprünglich eingereichten Patentanspruchs 1 unter Hinzunahme der im ursprünglichen Patentanspruch 8 und auf Seite 5, erster vollständiger Absatz der ursprünglichen Beschreibung offenbarten Merkmale abgefasst. Die geltenden Patentansprüche 2 bis 4, 6, 7 und 8 entsprechen den ursprünglichen Patentansprüchen 2 bis 4, 6, 7 bzw. 9. Der geltende Patentanspruch 5 basiert auf dem ursprünglichen Patentanspruch 5 unter Hinzufügung des weiteren Merkmals "Furnierbahn ". Dieses Merkmal ist auf Seite 6, erster vollständiger Absatz der ursprünglichen Beschreibung offenbart. Der geltende Patentanspruch 9 wurde in zulässiger Weise als product - by - process - Anspruch formuliert.

2. Das aufgrund seiner Zweckbestimmung ohne Zweifel gewerblich anwendbare Verfahren nach dem Patentanspruch 1 hat gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik als neu zu gelten, denn in keiner der im Verfahren befindlichen Druckschriften wird eine poröse Form eingesetzt, die durch Verpressen eines mit Bindemittel vermengten Granulats über einem Modell hergestellt wird.

In der DE 21 26 587 A wird bei der Herstellung des Möbelteiles eine Form aus Kunststoff, beispielsweise aus Epoxydharz verwendet und in der DE 28 52 146 A1 ist die Form nicht beschrieben. Die poröse Form nach der DE 1 629 485 A besteht aus halbsteifem Polyurethanschaum.

3. Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Beim Hinterschäumen eines Profilteiles wird erst eine Folie aus luftundurchlässigem Material auf eine Form gelegt und mittels Vakuum die Folie so in die Form eingesaugt, dass sich die Folie an die Formoberfläche anlegt. Nach dem Schließen der Form wird die verformte Folie dann hinterschäumt. Die bei diesem Verfahren üblicherweise eingesetzten Formen weisen Ansaugkanäle für das Vakuum auf, die mit entsprechendem Querschnitt in die Formwandungen eingearbeitet sind. In diese Ansaugkanäle wird beim Hineinziehen des Kunststoffs in die Form die Kunststofffolie ebenfalls hineingesaugt, so dass im hergestellten Gegenstand Verformungen im Bereich der Ansaugkanäle festzustellen sind, die das Aussehen der hergestellten Gegenstände beeinträchtigen. Um dieses zu vermeiden, wird beim anmeldungsgemäßen Verfahren ein mit einem Bindemittel vermengtes Granulat über einem Modell der Form verpresst. Dadurch erhält man eine Form mit einer werkstückseitig porösen Wandung. Diese Form weist keine speziellen in die Formwandung eingearbeiteten Ansaugkanäle für das Vakuum mehr auf. Da über die poröse Wandung und damit über viele feinste Ansaugkanäle die Kunststofffolie angesaugt wird, erhält der hergestellte Gegenstand eine ebene Oberfläche und damit ein einwandfreies Aussehen.

Für diese Maßnahme vermittelt der aufgezeigte Stand der Technik dem Durchschnittsfachmann, einem auf dem Gebiet des Schäumens von Kunststoffen ausgebildeten Ingenieur (FH), keine Anregungen.

Beim Verfahren nach der DE 21 26 587 A wird eine thermoplastische Kunststofffolie über einer Heizeinrichtung erwärmt und anschließend über die Ansaugkanäle an die Formwand angesaugt und entsprechend der Formoberfläche verformt. In einem weiteren Schritt erfolgt dann das Hinterschäumen der verformten Folie in der Form. Die hier eingesetzte Form ist aus Kunststoff gefertigt und zwar insbesondere aus Epoxyd-Harz. Epoxyd-Harz ist ein Gießharz und nicht porös. Somit entsteht beim Gießen der Form eine Form mit geschlossener Oberfläche die mit Ansaugkanälen versehen ist, so dass dieser Druckschrift kein Hinweis auf eine Form mit poröser Wandung entnommen werden kann.

In der DE 16 29 485 A ist eine Form beschrieben, deren Formoberfläche porös und somit durchlässig ist. Über diese porösen Wände sollen Gase und Dämpfe nach außen geführt werden. Um dieses Ziel zu erreichen wird über einen Stutzen Unterdruck an die Formhälften angelegt. Als Werkstoff für die poröse Form wird halbsteifer Polyurethanschaum verwendet, der eine erhebliche Anzahl an offenen Poren aufweist. Bei der Herstellung dieser Form wird als Formwerkstoff Polyurethan in ein Modell einer Negativform eingefüllt und aufgeschäumt. Es wird also weder ein bindemittelhaltiges Granulat in ein Modell eingefüllt, noch wird der Formwerkstoff über einem Modell verpresst, so dass auch diese Druckschrift keinen Hinweis auf das Verpressen von bindemittelhaltigem Granulat über einem Modell geben kann.

In der DE 28 52 146 A1 wird ein Verfahren zur Herstellung von Möbelbauteilen beschrieben, bei dem in eine Form eine Folie eingelegt wird, anschließend diese Folie mittels Vakuum tiefgezogen und danach hinterschäumt wird. Als Werkstoff für die Hinterschäumung der tiefgezogenen thermoplastischen Folie wird Polyurethan eingesetzt. Die bei diesem Verfahren eingesetzte Form ist nicht beschrieben, so dass diese Druckschrift keinen Hinweis auf das anmeldungsgemäße Verfahren geben kann.

Mithin ist der Patentanspruch 1 gewährbar.

Mit diesem zusammen sind auch die auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 8 gewährbar, da sie auf Ausgestaltungen des Verfahrens nach Anspruch 1 gerichtet sind.

4. Der Gegenstand des Patentanspruchs 9 hat als neu zu gelten und er beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Da der Patentanspruch 9 auf das Profil- oder Möbelteil, herstellbar durch das Verfahren nach einem der Patentansprüche 1 bis 8 gerichtet ist, gelten auch hier die Ausführungen zu Patentanspruch 1, auf die verwiesen wird.

Patentanspruch 9 ist daher gewährbar.

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BPatG:
Beschluss v. 07.05.2002
Az: 8 W (pat) 37/01


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