Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. Juni 2010
Aktenzeichen: 35 W (pat) 20/09

(BPatG: Beschluss v. 29.06.2010, Az.: 35 W (pat) 20/09)

Tenor

1.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2.

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Die Beschwerdegegner waren Inhaber des Gebrauchsmusters ... mit der Bezeichnung "...", das auf Antrag des Beschwerdeführers mit Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung II des Deutschen Patentund Markenamts vom 7. Januar 2008 gelöscht worden ist. Die Kosten des Löschungsverfahrens wurden den Beschwerdegegnern auferlegt.

Mit Schriftsatz vom 7. April 2008 hat der Beschwerdeführer die Festsetzung der ihm zu erstattenden Kosten zunächst auf insgesamt 8.606,96 € auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 250.000,--€ beantragt. Die Beschwerdegegner sind diesem Gegenstandswert mit der Begründung entgegengetreten, dass seine außergewöhnliche Höhe nicht belegt und daher von der durchschnittlichen Höhe von 125.000,--€ auszugehen sei. Des Weiteren haben sie gerügt, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Recherchekosten von 2.640,--€ nicht belegt und daher abzusetzen seien.

Mit Schriftsatz vom 15. Juli 2008 hat der Beschwerdeführer anhand der absetzbaren Warenmenge, der Umsätze und der erzielbaren Gewinne einen "tatsächlichen Streitwert" von 840.000,--€ errechnet und im Hinblick darauf, dass die Beschwerdegegner versucht hätten, den gesamten Markt für sich zu erschließen oder zu lizenzieren, einen Gegenstandswert von 500.000,--€ für angemessen erachtet. Zu den Recherchekosten hat er zum Einen die Kostenrechnung für die Eigenrecherche seines Verfahrensbevollmächtigten vorgelegt sowie ausgeführt, dass mangels Rechercheantrags der Gebrauchsmusterinhaber keine Information über den einschlägigen Stand der Technik vorhanden gewesen sei. Daher sei eine möglichst umfassende Recherche in inund ausländischen Druckschriften erforderlich gewesen, unter Anderem sei es erforderlich gewesen, nach einer Vielzahl von Einzelmerkmalen und in unterschiedlichen Klassen, sowie in Fachzeitschriften zu recherchieren. Auf der Basis des erhöhten Gegenstandswerts hat der Beschwerdeführer danach Gesamtkosten in Höhe von 11.027,26 € geltend gemacht. Die Beschwerdegegner sind der Berechnung des Beschwerdeführers erneut entgegengetreten und vorgetragen, dass die für die Ermittlung des Gegenstandswerts angesetzten Prozentzahlen unrichtig seien.

Mit Beschluss vom 2. April 2009 hat die Gebrauchsmusterabteilung die Kosten, die die Antragsgegner dem Antragsteller zu erstatten haben, auf 4.724,76 € festgesetzt. Hierbei hat die Gebrauchsmusterabteilung einen Gegenstandswert von 125.000,--€ zu Grunde gelegt und ausgeführt, dass die Notwendigkeit der Recherchekosten der Höhe nach nicht nachvollziehbar sei. Sie hat als Maßstab der notwendigen Kosten die Gebührenhöhe für eine Recherche durch das deutsche Patentund Markenamt herangezogen und dementsprechend 250,--€ in Ansatz gebracht.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde, mit der sich der Beschwerdeführer dagegen wendet, dass als Gegenstandswert lediglich 125.000,--€ und für die Recherchekosten nur 250,--€ in Ansatz gebracht worden seien und mit der er weiterhin eine Kostenfestsetzung auf 11.027,26 € erstrebt. Hilfsweise beantragt der Beschwerdeführer eine Kostenfestsetzung auf der Basis eines Gegenstandswerts von 300.000,--€, wozu er sich auf die in den parallelen Löschungsbeschwerdeverfahren 35 W (pat) 457/07 und 35 W (pat) 458/07 festgesetzten Gegenstandswerte bezieht. Im Übrigen wiederholt er zur Begründung im Wesentlichen seinen Vortrag im Kostenfestsetzungsverfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt. Die Beschwerdegegner sind dem Vorbringen des Beschwerdeführers entgegengetreten und bestreiten insbesondere dessen Berechnung.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die von den Beteiligten im Kostenfestsetzungsund im nachfolgenden Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die in zulässiger Weise auf die Berechnung der Anwaltsgebühren unter Annahme eines Gegenstandswerts von 125.000,--€ und den Ansatz von 250,--€ für die Eigenrecherche beschränkte Beschwerde ist nicht begründet. Denn der Beschwerdeführer hat für den von ihm als angemessen erachteten Gegenstandswert von 500.000,--€ keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen. Mangels einer ausreichenden Schätzungsgrundlage muss es im Hinblick auf § 23 Abs. 3, le. Hs., RVG bei dem von der Gebrauchsmusterabteilung in Ansatz gebrachten Gegenstandswert von 125.000,--€ verbleiben. Bei den geltend gemachten Recherchekosten fehlt es an jeglicher Glaubhaftmachung der geltend gemachten Höhe.

1. Im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren erfolgt die Bemessung des Gegenstandswertes gem. §§ 23, 33 RVG i. V. m. §§ 3, 4 ZPO grundsätzlich nach billigem Ermessen, weil eine Wertvorschrift für die Anwaltsgebühren fehlt und der Gegenstandswert auch ansonsten nicht feststeht. Die Bestimmung des Gegenstandswerts nach "billigem" Ermessen i. S. v. § 23 Abs. 3 S. 2 RVG bedeutet dabei nicht, dass die Festsetzung im freien Belieben des Gerichts steht. Vielmehr hat sie nach pflichtgemäßen Ermessen zu erfolgen (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl. 2005, § 23 RVG Rn. 18). Dazu bedarf es konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte, die eine genügende Schätzungsgrundlage bilden, was bedeutet, dass derjenige, der einen bestimmten Gegenstandswert anstrebt, diese tatsächlichen Anhaltspunkte für die Schätzung so vortragen muss, dass sie nachvollziehbar als Grundlage für die Wertbemessung einer Entscheidung zugrunde gelegt werden können (vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 30. Aufl. 2009, Rn. 11 zu § 287 ZPO; zu den Substantiierungsanforderungen vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. September 2009, X ZR 81/08). Daran fehlt es hier.

1.1. Der Gegenstandswert im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren richtet sich nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Löschung des Schutzrechts (vgl. Busse PatentG, 6. Aufl. 2003, § 17 GebrMG Rn. 57; § 84 PatG, Rn. 48), wobei Ausgangspunkt der Bewertung der gemeine Wert des Streitgebrauchsmusters zu Beginn der jeweiligen Instanz ist.

Für die Bestimmung des gemeinen Werts gelten folgende grundsätzlichen Überlegungen: Mit der Löschung besteht für die Mitbewerber die Möglichkeit, den geschützten Gegenstand frei zu benutzen. Während des Bestandes eines Schutzrechts müssten hierfür Lizenzen gezahlt werden. Demnach kann das Allgemeininteresse in etwa den von der Anzahl aller Konkurrenten während der Laufzeit des Gebrauchsmusters fiktiv aufzubringenden bzw. durch die Löschung ersparten Lizenzzahlungen, multipliziert mit den in etwa zu erwartenden Gesamtumsätzen, gleich gesetzt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 25. April 2007, 5 W (pat) 6/06).

1.2. Der Beschwerdeführer hat demgegenüber im Wesentlichen auf einen 10%-igen Umsatz-Gewinnanteil abgestellt, den er aus der jährlich deutschlandweit verkauften Zementmenge errechnet, sowie aus dem auf diese entfallenden Anteil mit dem Chromat-Reduzierer nach dem Streitgebrauchsmuster. Die Beschwerdegegner haben diese Angaben des Beschwerdeführers in vollem Umfang bestritten, insbesondere dass Eisen(II)sulfatzugaben enthaltender Zement einen hälftigen Anteil am Gesamtumsatz ausmache sowie aufgezeigt, dass es alternative Wege gebe, den Chromgehalt in Zementklinker zu verringern. Der Beschwerdeführer hat für seine Berechnung keinerlei Belege vorgelegt, die seinen Ansatz nachvollziehbar machen würden, obwohl die Beschwerdegegner bereits im Kostenfestsetzungsverfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt den Gegenstandswert von zunächst 250.000,--€ und dann 500.000,--€ bestritten haben. Soweit der Beschwerdeführer im Schriftsatz vom 3. Dezember 2009 darauf hinweist, dass die Zahlen von der Deutschen Zementindustrie stammten, ersetzt dieser pauschale Vortrag nicht den Nachweis für die geltend gemachten Umsätze, Preise, den Gewinnanteil sowie für den in der Branche üblichen Lizenzsatz. Auch der Hinweis auf die parallelen Löschungsbeschwerdeverfahren 35 W (pat) 457/07 und 35 W (pat) 458/07 hilft vorliegend nicht weiter. Denn die dortigen Beteiligten haben ausweislich der Sitzungsniederschriften jeweils übereinstimmende Anträge gestellt. Demgegenüber fehlen im vorliegenden Verfahren, in dem der Gegenstandswert streitig ist, vom Beschwerdeführer substantiiert vorgetragene und belegte tatsächliche Anhaltspunkte, auf denen eine nachvollziehbare Schätzung für die Wertbemessung beruhen könnte. Dies hat nach § 23 Abs. 4 S. 2, le. Hs., RVG zur Folge, dass der Gegenstandswert grundsätzlich mit 4.000,--€ festzusetzen ist, was allerdings keinen sog. Regelwert bedeutet. Vielmehr kann der Wert nach Lage des Falles auch erheblich niedriger oder höher ausfallen (Hartmann a. a. O. Rn. 19).

Wenn Schätzungsgrundlagen fehlen, liegt dabei die Obergrenze für den Gegenstandswert bei 500.000,--€, § 23 Abs. 3 S. 2, 2. Hs. RVG. Dieser dem Antrag des Beschwerdeführers entsprechende Betrag kann vorliegend aber nicht in Ansatz gebracht werden. Er darf grundsätzlich nicht überschritten werden, kann aber weder ohne Weiteres als in Gebrauchsmusterlöschungsverfahren stets gegeben noch im vorliegenden Fall aus den oben genannten Gründen ohne konkrete Anhaltspunkte als angemessen angesehen werden.

Einer Korrektur des angefochtenen Beschlusses nach unten steht vorliegend aber der Grundsatz der reformatio in peius zugunsten des Beschwerdeführers entgegen. Im Übrigen haben die Beschwerdegegner gegen den von der Gebrauchsmusterstelle angenommenen Wert von 125.000,--€ keine Einwendungen erhoben. Damit hat es insoweit bei der angefochtenen Entscheidung sein Bewenden.

2. Auch hinsichtlich der Recherchekosten hat die Beschwerde keinen Erfolg. Bei diesen Kosten ist es nicht nur erforderlich, die Notwendigkeit einer Recherche glaubhaft zu machen, was vorliegend weder streitig noch zweifelhaft ist. Vielmehr sind diese Kosten auch der Höhe nach glaubhaft zu machen (vgl. Bühring a. a. O., § 17, Rn. 186 m. w. N.). Daran fehlt es hier. Die vorgelegte Rechnung des Verfahrensbevollmächtigten vom 26. April 2006 ist nicht geeignet, die geltend gemachten 2.640,--€ netto ausreichend zu substantiieren. Denn es fehlen zum Einen Angaben zur Dauer der Recherche. Insofern kann nicht auf die von der Rechtsprechung zugelassene Höhe der Vergütung in Anlehnung an die Sätze des ZSEntschG (jetzt: JVEG) zurückgegriffen werden (vgl. BPatGE 16, 229). Zum Anderen ergibt sich aus den Ausführungen im Schriftsatz vom 15. Juli 2008, Seite 3, dass von den Recherchekosten durch die Anwaltsgebühren abgedeckte anwaltliche Dienstleistungen in Form des Prüfens der Ergebnisse umfasst waren (vgl. Bühring a. a. O.).

III.

Als Unterlegener trägt der Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 18 Abs. 2 S. 2 GbmG i. V. m. §§ 84 Abs. 2 S. 2 PatG, 91 Abs. 1 ZPO).

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BPatG:
Beschluss v. 29.06.2010
Az: 35 W (pat) 20/09


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